Leitsatz (amtlich)

Für das vermietete und alsbald nach seiner Fertigstellung weiterveräußerte Lager- und Bürogebäude eines Architekten wird eine Investitionszulage (zur Konjunkturbelebung) nicht gewährt. Ein solches Gebäude gehört auch dann nicht zum gewillkürten Betriebsvermögen und damit zu den Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens i.S. des § 4b Abs.2 Satz 1 Nr.2 InvZulG 1975 einer freiberuflichen Bauplanungs-Praxis, wenn es vom Steuerpflichtigen als Ansichtsobjekt für künftige Auftraggeber errichtet wurde.

 

Orientierungssatz

Auch Angehörige freier Berufe können gewillkürtes Betriebsvermögen bilden, wenn sie den Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG ermitteln. Die Möglichkeit der Willkürung von Betriebsvermögen ist indes auf den Rahmen, der durch das freiberufliche Berufsbild geprägt ist, beschränkt (vgl. BFH-Rechtsprechung).

 

Normenkette

InvZulG 1975 § 4b Abs. 2 S. 1 Nr. 2; EStG § 4 Abs. 1, § 18 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Nürnberg (Entscheidung vom 09.01.1985; Aktenzeichen V 227/79)

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Bauingenieur und betrieb ein Baugeschäft, das er im Jahre 1974 aufgab. Seitdem ist er als Architekt, Bauingenieur und vereidigter Gutachter freiberuflich im Bauwesen tätig. Nachdem er seinen Gewinn aus selbständiger Tätigkeit zunächst durch Einnahme-Überschuß-Rechnung ermittelt hatte, ging er am 1.Januar 1975 zur Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich über und wies in seiner Anfangsbilanz u.a. das ihm gehörende Grundstück in A mit einem Wert von 150 360 DM als Anlagevermögen aus. Nach einem am 1.Oktober 1974 mit der Firma B geschlossenen Vertrag verpflichtete sich der Kläger, auf diesem Grundstück ein Betriebsgebäude mit einer Lagerfläche von etwa 1 000 qm und Büroräumen von etwa 200 qm zur Vermietung an B zu errichten. Das Mietverhältnis wurde auf 10 Jahre unkündbar vereinbart, als Bezugstermin der 1.Mai 1975 vorgesehen.

Nachdem die Baugenehmigung am 4.März 1975 erteilt worden war und der Kläger mit den Bauarbeiten begonnen hatte, wurde das Büro- und Lagergebäude am 25.Mai 1975 fertiggestellt und bezogen. Der Kläger wies das Gebäude in seiner Schlußbilanz zum 31.Dezember 1975 mit 721 451 DM, nämlich den Herstellungskosten von 729 968 DM abzüglich der Absetzungen für Abnutzung (AfA) von 8 517 DM aus. In seiner Gewinn- und Verlustrechnung erfaßte er neben den Erlösen aus der Erstattung von Gutachten die Mieteinnahmen mit 63 089 DM und schloß mit einem Verlust von 34 903 DM ab.

Am 31.März 1976 beantragte der Kläger eine Investitionszulage nach § 4b des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1975 in Höhe von 50 793 DM für die Herstellungskosten "eines Lagergebäudes mit Büro zum Zwecke der Fremdvermietung", die der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) antragsgemäß gewährte. Der Bescheid vom 28.Mai 1976 erging vorläufig.

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 15.November 1976 veräußerte der Kläger das bebaute Grundstück für 900 000 DM an den Kaufmann C in D. Besitz, Gefahr, Nutzen und Lasten gingen danach am 1.Dezember 1976 auf den Erwerber über. In seiner Bilanz zum 31.Dezember 1976 behandelte der Kläger den Grund und Boden samt Gebäude als Abgang, ermittelte einen Veräußerungsgewinn von 90 775,59 DM und erklärte die Mieteinnahmen aus der Überlassung des bebauten Grundstücks mit 97 952,04 DM bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit.

Nach einer auch das Streitjahr umfassenden Betriebsprüfung erließ das FA einen endgültigen Bescheid, der den ursprünglichen Bescheid aufhob und die Rückzahlung sowie die Verzinsung der gewährten Investitionszulage anordnete.

Dagegen richtete sich die Sprungklage, die mangels Zustimmung des FA als Einspruch behandelt und zurückgewiesen wurde. Die danach erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte in seiner in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1985, 360 veröffentlichten Entscheidung im wesentlichen aus: Das Lager- und Bürogebäude sei dem Kläger zuzurechnen gewesen und dieser habe es zulässigerweise als gewillkürtes Betriebsvermögen behandelt. Da der Kläger seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt habe, könne er auch als Angehöriger der freien Berufe gewillkürtes Betriebsvermögen bilden. Das Grundstück sei als gewillkürtes Betriebsvermögen zu behandeln, denn es habe in einem gewissen objektiven Zusammenhang zu dem Betrieb des Klägers gestanden und sei diesen zu fördern bestimmt und geeignet gewesen. Der Kläger habe sich der Planung und Errichtung gewerblicher Gebäude zugewandt und damit begonnen, solche Gebäude auf eigenen Grundstücken und für eigene Rechnung zu erstellen, um sie dann zu vermieten. Daß er noch weitere Gebäude dieser Art errichtet und vermietet, diese aber nicht bilanziert habe, stehe der Annahme gewillkürten Betriebsvermögens nicht entgegen.

Mit der dagegen gerichteten Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Es vertritt die Auffassung, daß die Zuordnung des bebauten Grundstücks zum Betriebsvermögen dem freien Beruf des Klägers wesensfremd und eine Willkürung daher unzulässig sei.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FA hat die Investitionszulage zu Recht zurückgefordert (§ 5 Abs.5 InvZulG).

1. Nach § 4b Abs.1 InvZulG 1975 wird Steuerpflichtigen für "begünstigte Investitionen" auf Antrag eine Investitionszulage gewährt, die sie in einem inländischen Betrieb (einer Betriebsstätte) vornehmen. Als begünstigte Investitionen führt § 4b Abs.2 Satz 1 InvZulG 1975 u.a. die Herstellung abnutzbarer unbeweglicher Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens auf.

a) Den Begriff "Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens" hat der erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung im einkommensteuerrechtlichen Sinne ausgelegt (vgl. insbesondere die Urteile vom 20.Mai 1977 III R 135/74, BFHE 122, 382, BStBl II 1977, 734, und vom 15.Juli 1983 III R 27/80, BFHE 139, 116, BStBl II 1983, 689). Danach würde --wovon das FG ausgegangen ist-- grundsätzlich auch das Anlagevermögen in der Form gewillkürten Betriebsvermögens von dieser Tatbestandsvoraussetzung umfaßt, soweit es sich nicht um den Ausnahmefall privat genutzter Gebäudeteile handelt (BFH in BFHE 122, 382, 384, BStBl II 1977, 734). Allerdings könnte der Zweck des Investitionszulagerechts einer derart weitgehenden Förderung von Investitionen entgegenstehen, die nicht unmittelbar für den betrieblichen Einsatz bestimmt sind; für die Auslegung von Vorschriften des InvZulG könnte im übrigen auch von Bedeutung sein, daß die Dreiteilung der Vermögensarten in notwendiges und gewillkürtes Betriebsvermögen sowie Privatvermögen vom Schrifttum zunehmend in Frage gestellt wird (vgl. Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 7.Aufl. 1988, § 4 Anm.26, m.w.N.) und nicht zuletzt aus diesem Grunde eine Einschränkung des Anwendungsbereichs des gewillkürten Betriebsvermögens befürwortet wird (Plückebaum in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 4 Rdnr.B 97). Einer Entscheidung dieser Fragen bedarf es im Streitfall jedoch nicht, da das FG zu Unrecht angenommen hat, das Lager- und Bürogebäude sei gewillkürtes Betriebsvermögen des Klägers gewesen.

b) Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) können auch Angehörige freier Berufe gewillkürtes Betriebsvermögen bilden, wenn sie den Gewinn nach § 4 Abs.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermitteln (Urteile vom 12.Februar 1976 IV R 188/74, BFHE 118, 212, BStBl II 1976, 663, und vom 15.April 1981 IV R 129/78, BFHE 133, 282, 284, BStBl II 1981, 618). Während die ältere Rechtsprechung für die Annahme gewillkürten Betriebsvermögens bei Freiberuflern neben einer klaren Willensbekundung einen "gewissen objektiven Zusammenhang zu dem Betrieb" genügen ließ (BFH in BFHE 118, 212, BStBl II 1976, 663), forderte der IV.Senat des BFH später einen objektiven Zusammenhang mit dem Betrieb, der "eindeutig ist" (BFH in BFHE 133, 282, BStBl II 1981, 618), und beschränkte die Möglichkeit der Willkürung von Betriebsvermögen in seiner neueren Rechtsprechung auf den Rahmen, der durch das freiberufliche Berufsbild geprägt ist (vgl. BFH-Urteile vom 23.Mai 1985 IV R 198/83, BFHE 144, 53, BStBl II 1985, 517, und vom 17.April 1986 IV R 115/84, BFHE 146, 419, BStBl II 1986, 607; vgl. auch schon Urteil vom 22.Januar 1981 IV R 107/77, BFHE 133, 168, BStBl II 1981, 564). Nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 7.Januar 1988 1 BvR 1187/87 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1989, 215) ist diese für Freiberufler eingeschränkte Möglichkeit der Bildung gewillkürten Betriebsvermögens auch von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.

2. Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall muß die Revision Erfolg haben. Der Senat sieht sowohl in der Errichtung als auch in der Nutzung des Lager- und Bürogebäudes eine der Ausübung des freien Berufes des Klägers als Architekt, Bauingenieur und vereidigter Gutachter im Bauwesen wesensfremde Betätigung, die nicht zur Begründung von Betriebsvermögen führen kann. Dabei kann die Entscheidung der Frage dahinstehen, ob die mit der Errichtung, Nutzung und späteren Veräußerung des Gebäudes zusammenhängenden Aktivitäten des Klägers als gewerbliche Betätigung zu beurteilen sind; jedenfalls gehören Grundstücksgeschäfte, obwohl äußerlich mit der Berufsausübung des Architekten verknüpft, nicht zum Berufsbild des Architekten, Bauingenieurs oder Sachverständigen, das durch Leistungen im Rahmen der Betreuung von Bauvorhaben, insbesondere durch Planung, Überwachung und Leitung der Baumaßnahmen von Bauherren aufgrund persönlicher Kenntnisse und Fähigkeiten geprägt ist (BFH-Urteil vom 23.Oktober 1975 VIII R 60/70, BFHE 117, 360, BStBl II 1976, 152).

Dazu gehört weder die Errichtung des Gebäudes unter Einsatz erheblichen Kapitals noch dessen Nutzung durch Vermietung. Insoweit geht der erkennende Senat --anders als das FG-- davon aus, daß die Nutzungsüberlassung, nicht jedoch die Bereitstellung eines Ansichtsobjekts, für den Kläger im Vordergrund gestanden hat; denn nach den Feststellungen des FG war die Durchführung von Besichtigungen nicht Gegenstand des mit der Firma B abgeschlossenen Mietvertrags. Eine Nutzung des Gebäudes als Besichtigungsobjekt ist, wie das FA zutreffend ausgeführt hat, gegenüber der sonstigen Nutzung von derart untergeordneter Bedeutung, daß sie nicht geeignet ist, den objektiven Zusammenhang zur Praxis des Klägers zu begründen.

3. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 62570

BFH/NV 1989, 34

BStBl II 1989, 666

BFHE 157, 284

BB 1989, 1540-1541 (LT)

DB 1989, 1751 (ST)

DStR 1989, 641 (KT)

HFR 1989, 635 (LT)

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