Leitsatz (amtlich)

Zur Besteuerung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, die ein Steuerpflichtiger mit Wohnsitz in den Vereinigten Staaten aus der Tätigkeit für eine Kapitalgesellschaft mit Sitz in den Vereinigten Staaten während seiner Entsendung zu einer Tochtergesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland erzielt.

 

Normenkette

EStG 1971, §§ 19, 34c Abs. 6 Nr. 5; EStDV 1971 § 68g Abs. 2; StAnpG § 14; DBA USA 1965 Art. 2 Abs. 2, Art. 10, 15

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war Angestellter der X - einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in den Vereinigten Staaten von Amerika -. Er wohnte und arbeitete bis 31. Juli 1970 in den USA. Im Juli 1970 wurde er zunächst für die Zeit vom 1. August 1970 bis zum 31. Dezember 1970 in die Bundesrepublik Deutschland zu einer Tochtergesellschaft der X abgeordnet; sein Gehalt wurde weiterhin von der X bezahlt. Vor Ablauf des Jahres 1970 wurde die Abordnung bis zum 31. Mai 1971 verlängert. Seit dem 1. Juni 1971 war der Kläger nach Kündigung seines Vertrages mit der X Angestellter eines inländischen Unternehmens. Seit ungefähr Mitte 1970 wohnte er mit seiner Familie in der Bundesrepublik Deutschland.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) behandelte den Kläger für das ganze Streitjahr 1971 als unbeschränkt steuerpflichtig und unterwarf deshalb auch die Einkünfte des Klägers aus seiner Tätigkeit im Dienst der X der Einkommensteuer.

Auf die Klage hat das Finanzgericht (FG) die Einkommensteuer 1971 geringfügig auf 35 057 DM herabgesetzt, weil es in zwei Punkten der Auffassung gefolgt ist, auf die sich die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung geeinigt hatten. Das FG, dessen Entscheidung in Entscheidungen der Finanzgerichte 1975 S. 455 (EFG 1975, 455) veröffentlicht ist, hat ausgeführt, der Kläger sei für das ganze Streitjahr 1971 unbeschränkt steuerpflichtig gewesen. Da sich die unbeschränkte Steuerpflicht auf sämtliche Einkünfte erstrecke, fielen darunter auch die Einkünfte aus seiner Tätigkeit im Dienst der X, soweit das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und einiger anderer Steuern vom 22. Juli 1954 i. d. F. des Protokolls vom 17. September 1965 (BGBl II 1966, 746, BStBl I 1966, 865) - DBA-USA 1965 - nichts anderes bestimme. Da § 14 Abs. 1 Satz 2 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) bei einem länger als sechs Monate dauernden Inlandsaufenthalt einen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland fingiere und nach Art. II Abs. 2 DBA-USA 1965 der gewöhnliche Aufenthalt dem Wohnsitz gleichstehe, seien die Vergütungen des Klägers für seine Tätigkeit im Dienst der X im Streitjahr 1971 nach Art. X Abs. 1 DBA-USA 1965 in den Vereinigten Staaten steuerbefreit. Sie unterlägen der deutschen Steuer, ohne daß dadurch der Fall der Doppelbesteuerung eintrete. Selbst wenn man aber annehmen wollte, daß der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland während der Zeit seiner Abordnung keinen Wohnsitz und keinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt habe, seien die Vergütungen von der deutschen Steuer nicht befreit. Sie unterlägen allerdings auch der Steuer der Vereinigten Staaten. Die Doppelbesteuerung sei dadurch zu vermeiden, daß der Betrag der gezahlten Steuer der Bundesrepublik Deutschland auf die Steuer der Vereinigten Staaten anzurechnen sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers, mit der Verkennung der materiellen Rechtslage (falsche Auslegung der einschlägigen Bestimmungen des DBA-USA 1965) gerügt wird.

Der Kläger wendet sich nicht mehr gegen die Annahme seiner unbeschränkten Steuerpflicht in der Bundesrepublik Deutschland für das Streitjahr 1971. Er bestreitet aber nach wie vor, in diesem Jahr in der Bundesrepublik Deutschland einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt zu haben. Er habe im Streitjahr seinen Wohnsitz in den USA gehabt und sei dort als sog. alien resident umfassend steuerpflichtig gewesen. Daher seien die Vergütungen für seine Tätigkeit im Dienst der X nicht gemäß Art. X Abs. 1, Art. II Abs. 2 DBA-USA 1965 in den Vereinigten Staaten steuerbefreit.

Die zunächst gegebene Doppelbesteuerung sei dadurch zu vermeiden, daß die Vergütungen nach Art. XV Abs. 1 Buchst. b Nr. 2 i. V. m. Abs. 1 Buchst. b Nr. 1 aa DBA-USA 1965 von der Bemessungsgrundlage der Steuer der Bundesrepublik Deutschland ausgenommen und nur im Rahmen des Progressionsvorbehalts berücksichtigt werden. Denn diese Vergütungen stammten entgegen der Auffassung des FG aus Quellen innerhalb der Vereinigten Staaten. Da die Steuerbehörden in den Vereinigten Staaten diese Bezüge als aus amerikanischen Quellen stammend angesehen hätten, bestehe bei der Auffassung des FG ein Qualifikationskonflikt. Hilfsweise macht der Kläger geltend, Art. XV Abs. 1 Buchst. b Nr. 2 DBA-USA 1965 sei im Sinne einer Generalklausel oder zumindest als Auffangtatbestand so zu verstehen, daß eine Doppelbesteuerung auf jeden Fall in der Weise zu vermeiden sei, daß die in den USA gezahlte Steuer auf die deutsche Steuer anzurechnen sei.

Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 1971 dahin zu ändern, daß die Einkommensteuer auf 15 462 DM herabgesetzt wird, hilfsweise, daß die Steuer der Vereinigten Staaten von umgerechnet 7 875 DM auf die Einkommensteuerschuld von 35 057 DM angerechnet wird.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Der Kläger ist mit seinen Einkünften, die er im Streitjahr 1971 aus der Tätigkeit im Dienst der X erzielt hat, unbeschränkt steuerpflichtig (§ 1 Abs. 1, § 19 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Die Besteuerung ist durch das DBA-USA 1965 nicht ausgeschlossen (Art. X, XV DBA-USA 1965).

1. Der Kläger war, wie er nicht mehr bestreitet, im Streitjahr 1971 unbeschränkt steuerpflichtig (§ 14 Abs. 1 Satz 2, 3 StAnpG). Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckte sich auf sämtliche Einkünfte, auch auf die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit, ohne Rücksicht darauf, wo diese Arbeit ausgeübt oder verwertet wurde (§ 1 Abs. 1 Satz 2, § 19 EStG). Dazu gehören auch die Gehälter, die dem Kläger für seine Beschäftigung von der X gewährt wurden (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG).

2. Das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland für diese Einkünfte wird durch die im Streitfall allein einschlägigen Abs. 3 und 4 des Art. X DBA-USA 1965 nicht ausgeschlossen.

a) Gemäß Art. X Abs. 3 DBA-USA 1965 sind Vergütungen für Arbeit, die eine Person mit Wohnsitz in den Vereinigten Staaten außerhalb der Bundesrepublik Deutschland leistet, in der Bundesrepublik Deutschland steuerbefreit. Die Bestimmung greift nicht ein, weil der Kläger im Streitjahr seine Arbeit für die X innerhalb der Bundesrepublik Deutschland geleistet hat. Da er sich in der Zeit vom 1. Januar 1971 bis 31. Mai 1971 in der Bundesrepublik Deutschland und nicht in den Vereinigten Staaten aufgehalten hat, hat er im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland seine Arbeit geleistet.

b) Nach Art. X Abs. 4 DBA-USA 1965 sind Vergütungen für Arbeit, die eine Person mit Wohnsitz in den Vereinigten Staaten in der Bundesrepublik Deutschland leistet, in der Bundesrepublik Deutschland u. a. steuerbefreit, wenn (Buchst. a der Vorschrift) sich die Person in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt nicht länger als 183 Tage während eines Steuerjahres aufhält. Der Kläger hat im Streitjahr 1971 zwar nicht länger als 183 Tage (1. Januar 1971 bis 31. Mai 1971) im Dienst der X gestanden, sich jedoch länger als 183 Tage in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten. Art. X Abs. 4 Buchst. a DBA-USA 1965 ist - neben anderen Voraussetzungen - eine selbständige Voraussetzung für die Steuerbefreiung.

3. Eine mögliche Doppelbesteuerung der umstrittenen Einkünfte - durch Herausnahme aus der Bemessungsgrundlage der Steuer der Bundesrepublik Deutschland - kann nicht kraft Art. XV Abs. 1 Buchst. b DBA-USA 1965 vermieden werden, weil es an der Voraussetzung fehlt, daß die Einkünfte aus Quellen innerhalb der Vereinigten Staaten stammen (Buchst. b Nr. 1, Doppelbuchst. aa, Satz 1, Nr. 2 Satz 1). Die Quelle der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit liegt in dem Staatsgebiet, innerhalb dessen die Arbeit ausgeübt wird (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 2. Mai 1969 I R 176/66, BFHE 96, 163 [167], BStBl II 1969, 579, und vom 31. Juli 1974 I R 27/73, BFHE 113, 437 [439], BStBl II 1975, 61). Der Senat sieht keinen Anlaß, von seiner bisherigen Rechtsprechung abzugehen. Der Kläger irrt, wenn er meint, die Ausführungen des Urteils des BFH I R 176/66 könnten nur dahin verstanden werden, daß jedenfalls im Rahmen des Art. XV DBA-USA 1965 das "Arbeitsprinzip" nicht gelte. Aus dem Urteil ergibt sich das Gegenteil; das BFH-Urteil I R 27/73 hat auch für das DBA-USA 1965 am Ort der Ausübung der Tätigkeit als Ort der Quelle der Einkünfte festgehalten. Wenn sich der Senat in dem Urteil I R 176/66 für den Ort der Ausübung der Tätigkeit entschieden und den Ort der Verwertung der Tätigkeit ausgeschlossen hat, wollte er damit verhindern, daß bereits bei Anwendung der Grundsätze des deutschen Rechts die Einkünfte sowohl aus dem Inland als auch aus dem Ausland stammen können. Er konnte und wollte damit aber nicht schlechthin jeden Qualifikationskonflikt über den Ort der Quelle der Einkünfte vermeiden; etwa dadurch, daß stets die Auffassung des Steuerrechts der Vereinigten Staaten maßgebend sein solle.

Der Hinweis des Klägers auf den Beschluß des BFH vom 15. November 1971 GrS 1/71 (BFHE 103, 433, BStBl II 1972, 68) geht fehl. Diese Entscheidung betrifft einen anders gelagerten Sachverhalt. Die Bekanntmachung der vom Kläger aufgrund der Ausübung seiner Tätigkeit erzielten Ergebnisse gegenüber der X ist nicht mehr "Ausübung der Tätigkeit".

4. Die Steuerermäßigung gemäß § 34 c Abs. 6 Nr. 5 EStG 1971, § 68 g Abs. 2 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) 1971 durch Anrechnung der in den Vereinigten Staaten auf die umstrittenen Einkünfte festgesetzten und gezahlten Steuern kommt im Streitfall nicht in Betracht, weil das DBA-USA 1965 die Doppelbesteuerung vermeidet.

a) Allerdings wird die Doppelbesteuerung nicht schon durch Art. X Abs. 1 und 2 DBA-USA 1965 verhindert. Gemäß Art. X Abs. 1 sind Vergütungen für Arbeit, die eine natürliche Person mit Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland außerhalb der Vereinigten Staaten leistet, unter bestimmten Voraussetzungen in den Vereinigten Staaten steuerbefreit. Beide Bestimmungen greifen nicht ein, weil der Kläger, jedenfalls in der Zeit seiner Dienstleistung im Streitjahr 1971 für die X, seinen Wohnsitz nicht in der Bundesrepublik Deutschland, sondern in den Vereinigten Staaten hatte. Da der Kläger zeitlich befristet bis 31. Mai 1971 in die Bundesrepublik Deutschland entsandt war, ließen die Umstände nicht darauf schließen, daß er seinen Wohnsitz in den Vereinigten Staaten aufgegeben habe und seine Wohnung in der Bundesrepublik Deutschland beibehalten werde (§ 13 StAnpG).

Allerdings umfaßt der Begriff "Wohnsitz" in der Bundesrepublik Deutschland auch den gewöhnlichen Aufenthalt (Art. II Abs. 2 DBA-USA 1965). Der Kläger hatte jedoch in der Zeit vom 1. Januar 1971 bis 31. Mai 1971 in der Bundesrepublik Deutschland keinen gewöhnlichen Aufenthalt. Er hielt sich in der Bundesrepublik Deutschland aufgrund einer zeitlich befristeten Abordnung auf, d. h. unter Umständen, die erkennen ließen, daß er in der Bundesrepublik Deutschland nur vorübergehend verweilte (§ 14 Abs. 1 Satz 1 StAnpG).

Seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland i. S. des Art. II Abs. 2 Satz 2, Art. X Abs. 1 und 2 DBA-USA 1965 hatte der Kläger auch nicht deshalb, weil er aufgrund § 14 Abs. 1 Satz 2 StAnpG unbeschränkt steuerpflichtig war. Diese Vorschrift enthält nur eine Aussage über die unbeschränkte Steuerpflicht und nicht über den gewöhnlichen Aufenthalt. Sie greift nur ein, wenn der betreffende Steuerpflichtige weder seinen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte. Die Vorschrift hat den Zweck, die unbeschränkte Steuerpflicht auch dann eintreten zu lassen, wenn es an diesen Voraussetzungen fehlt, sofern der Aufenthalt des Steuerpflichtigen im Inland länger als sechs Monate dauert.

Versteht man den § 14 Abs. 1 Satz 2 StAnpG i. S. einer Fiktion des gewöhnlichen Aufenthalts, so wäre die Wirkung dieser Fiktion durch den Zweck beschränkt, die unbeschränkte Steuerpflicht zu begründen. Eine darüber hinausreichende Gleichstellung mit dem Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts, insbesondere im Hinblick auf Art. II Abs. 2 Satz 2 DBA-USA 1965, kommt daher nicht in Betracht.

b) Vielmehr wird die Doppelbesteuerung der Einkünfte des Klägers aus der Tätigkeit im Dienst der X im Streitfall dadurch vermieden, daß gemäß Art. XV Abs. 1 Buchst. a Satz 2 DBA-USA 1965 bei der Festsetzung der Steuer der Vereinigten Staaten (ungeachtet anderer Vorschriften des Abkommens) bei Personen mit Wohnsitz in den Vereinigten Staaten der Betrag der gezahlten Steuer der Bundesrepublik Deutschland angerechnet wird, wobei (Satz 3 der genannten Vorschrift) der anzurechnende Betrag nach der Höhe der gezahlten Steuer der Bundesrepublik Deutschland zu bemessen ist, jedoch den Teil der Steuern der Vereinigten Staaten nicht übersteigen darf, der dem Verhältnis der Einkünfte aus Quellen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland zu den gesamten Einkünften entspricht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72772

BStBl II 1978, 425

BFHE 1979, 59

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