Leitsatz (amtlich)

1. Die Gesellschaftsteuerpflicht einer freiwilligen Leistung nach § 2 Nr. 3 Buchst. b KVStG 1934 wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Gesellschafter mit der Gesellschaft einen Ergebnisübernahmevertrag abgeschlossen hat.

2. Zur Gesellschaftsteuerpflicht eines zinslosen Kredites.

 

Normenkette

KVStG 1934 § 2 Nr. 3 Buchst. b

 

Tatbestand

In den Jahren 1949 bis 1953 war die Klägerin alleinige Gesellschafterin der X-GmbH. Zwischen beiden Gesellschaften bestand damals eine Ergebnisübernahmevertrag (EÜV).

Die Klägerin gewährte in der genannten Zeit ihrer Tochtergeselschaft im Rahmen eines Abrechnungsverhältnisses Kredite in wechselnder Höhe, ohne dafür Zinsen zu nehmen. Darin sah der Beklagte (FA) eine Leistung nach § 2 Nr. 3 Buchst. b KVStG 1934. Durch Haftungsbescheid forderte er von der Klägerin Gesellschaftsteuer. Für die Berechnung des Wertes der Leistung nach § 8 Nr. 2 KVStG 1934 legte er einen durchschnittlichen Saldo von 1 500 000 DM zugrunde. Die Höhe der ersparten Zinsen schätzte er auf 8 v. H. jährlich.

Auf den Einspruch der Klägerin setzte der Beklagte die Steuer herab. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

I.

Die Einwände, mit denen die Klägerin im vorliegenden Fall grundsätzlich die Steuerpflicht bestreitet, greifen allerdings nicht durch.

1. Die Sachdarstellung im angefochtenen Urteil läßt zwar nicht mit Sicherheit erkennen, ob die Klägerin jeweils auf entstandene Zinsen verzichtet oder mit ihrer Tochtergesellschaft von vornherein vereinbart hat, daß der Kredit zinslos sein solle. Die Feststellung des FG, der Kredit sei zinslos bzw. unverzinslich gewährt worden, läßt beide Möglichkeiten offen. Entgegen der Auffassung der Klägerin entsteht aber in beiden Fällen Steuerpflicht. Bei der erstgenannten Alternative ist der Verzicht auf die Zinsforderung nach § 2 Nr. 3 Buchst. b KVStG 1934 steuerpflichtig. In dem letztgenannten Fall hat dagegen die Klägerin kein Entgelt für die Nutzung des Darlehnskapitals gefordert und damit der Tochtergesellschaft im Sinne des § 2 Nr. 3 Buchst. b KVStG 1934 Gegenstände zu einer den Wert nicht erreichenden Gegenleistung überlassen. Derartige Gegenstände können alle kapitalwerten und rechtsverkehrsfähigen Wirtschaftsgüter sein. Das entspricht sowohl dem Wortlaut als auch dem Sinn des Kapitalverkehrsteuergesetzes, das die Zuführung von Kapital besteuern will. Diese Auslegungsgrundsätze gebieten es gleichzeitig auch, die bloße Nutzung von Vermögenswerten zu besteuern. Auch diese kann für die Kapitalgesellschaft einen kapitalwerten Vorteil haben, und die "Überlassung" von Gegenständen setzt nicht einmal den Übergang des Eigentums auf die Gesellschaft voraus; sie umfaßt daher erst recht die Übereignung auf eine Gesellschaft mit deren Verpflichtung, später gemäß § 607 BGB Gegenstände gleicher Art, Güte und Menge zurückzuerstatten (vgl. dazu das Urteil II 25/61 vom 20. Mai 1969, BFH 96, 129 [136], BStBl II 1969, 550 [553]). Die Klägerin ist gegenteiliger Auffassung und bezieht sich auf das Urteil des RFH II A 116/20 vom 5. November 1920 (StRK, Kapitalverkehrsteuergesetz, § 6 zu b, Rechtsspruch 1). Sie übersieht dabei, daß diese Entscheidung noch zu Tarif I A a, b Zusatz 4 des Reichsstempelgesetzes (RStempG) ergangen ist. Danach waren die unentgeltliche Übertragung von Gegenständen sowie deren Veräußerung zu Unterpreis auf bzw. an die Gesellschaft steuerpflichtig. Der RFH war der Auffassung, daß Kapital ein Gegenstand im Sinne dieser Vorschrift sei, die bloße Nutzung des Kapitals aber nicht besteuert werden könne. Diese Auslegung ist mit dem gegenüber des RStempG geänderten Wortlaut des § 2 Nr. 3 Buchst. b KVStG 1934 nicht mehr zu vereinbaren.

2. Die vorgenannte Leistung war geeignet, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen. Zinsverzicht oder zinsloser Kredit haben als Geldleistung bzw. geldwerte Leistung grundsätzlich diese Eignung. Allerdings setzt die Vorschrift des § 2 Nr. 3 Buchst. b KVStG 1934 voraus, daß diese Eignung nicht durch konkrete Umstände, welche der Leistung selbst anhaften oder mit dem obligatorischen Kausalverhältnis zusammenhängen, ausgeschlossen wird. Entgegen der Ansicht der Klägerin hat aber der abgeschlossene EÜV insoweit keine Bedeutung. Die folgenden, hier nicht abgedruckten Ausführungen gleichen denen unter Nr. 1 c), aa)-cc) des Urteils II 37/63 vom 12. April 1972 (BStBl II 1972, 714).

Auch sonstige Gründe, welche dem Gewinn- und Verlustausgleich nach dem EÜV einen Einfluß auf die Besteuerung nach § 2 Nr. 3 Buchst. b KVStG 1934 einräumen könnten, gibt es im vorliegenden Fall nicht. Die Klägerin sieht in der gewählten Gestaltung des Abrechnungsverhältnisses lediglich eine Vereinfachungsmaßnahme, durch welche zusätzliche Buchungen bei ihr und ihrer Tochtergesellschaft vermieden wurden. Wegen der Verpflichtungen aus dem EÜV habe es keinen Sinn gehabt, Zinsen zu berechnen. Das ändert jedoch nichts daran, daß sich die Besteuerung nach dem gesetzlichen Tatbestand richten muß, an welchen das Gesetz die Leistungspflicht knüpft (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AO). Das Motiv für die gewählte Gestaltung spielt keine Rolle. Der EÜV stellt die Klägerin in dieser Hinsicht nicht schlechter als einen anderen Alleingesellschafter, der keinen derartigen Vertrag mit seiner Gesellschaft abgeschlossen hat. Auch ohne Abschluß dieses Vertrages hätte die Klägerin die Steuerpflicht nicht erfolgreich mit der Begründung bestreiten können, daß Gewinn und Verlust der Tochtergesellschaft ohnehin zu ihren (der Klägerin) Gunsten und Lasten gehen.

II.

Das FG hat in dem Umstand, daß die Klägerin von ihrer Tochtergesellschaft keine Zinsen genommen hat, einen Verzicht auf den gesetzlichen Zinsanspruch, der ihr aus einem Kontokorrentverhältnis erwachsen sei, erblickt (§ 2 Nr. 3 Buchst. b KVStG 1934). Diese rechtliche Würdigung wird aber durch die tatsächlichen Feststellungen nicht gedeckt.

1. Der vom FG festgestellte Sachverhalt läßt nicht erkennen, ob überhaupt eine Kontokorrentvereinbarung zwischen der Klägerin und ihrer Tochtergesellschaft bestand oder ob nur einzelne Forderungen gegeneinander aufgerechnet wurden. Außerdem hat das FG nicht festgestellt, welcher Art die Schulden der Tochtergesellschaft waren und ob dieser - zum mindesten teilweise - von der Klägerin nur branchenübliche Zahlungsziele eingeräumt wurden. Da derartige Zahlungsfristen in manchen Geschäftszweigen eher die Regel als die Ausnahme sind, hätte die Tochtergesellschaft unter Umständen ständig hohe Schulden haben können, für die sie auch an einen fremden Gläubiger ganz oder teilweise keine Zinsen hätte zahlen müssen. Dann würde insoweit die Gesellschaftsteuerpflicht entfallen.

2. Auch die weitere Folgerung des FG, die Klägerin habe einen Verzicht auf Zinsen ausgesprochen, wird durch den festgestellten Sachverhalt nicht ausreichend gestützt. Da abweichende Vereinbarungen bisher nicht festgestellt sind, wären Zinsen jährlich fällig gewesen (§ 608 BGB bzw. § 355 HGB). Das würde bedeuten, daß die Klägerin auch jeweils jährlich auf die Zinsen verzichtet hätte, so daß mehrere steuerpflichtige Leistungen für die Jahre 1949 bis 1953 vorlägen. Das FG nimmt jedoch - soweit erkennbar - nur eine Leistung an.

Wenn der Kredit zinslos bzw. unverzinslich gewährt wurde, so läßt dies außerdem die Möglichkeit offen, daß von vornherein die Entstehung von Zinsen vertraglich ausgeschlossen war. Dann konnte die Klägerin nicht mehr auf Zinsansprüche verzichten; sie hat dann vielmehr ihrer Tochtergesellschaft Gegenstände zu einer den Wert nicht erreichenden Gegenleistung überlassen, wie oben unter I 1 ausgeführt worden ist.

Die Frage, welche dieser beiden vorgenannten Alternativen des § 2 Nr. 3 Buchst. b KVStG 1934 hier erfüllt ist und in welchen Zeitabschnitten die Klägerin gegebenenfalls auf Zinsen verzichtet hat, kann nicht dahingestellt bleiben. Die vom FG ausgesprochene Rechtsfolge muß durch ausreichende tatsächliche Feststellungen gedeckt sein. Andernfalls kann nicht festgestellt werden, ob das Gesetz richtig angewandt wurde (vgl. das BFH-Urteil II 25/61 vom 20. Mai 1969, BFH 96, 129, BStBl II 1969, 550).

 

Fundstellen

Haufe-Index 413203

BStBl II 1972, 716

BFHE 1972, 127

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