Entscheidungsstichwort (Thema)

Sonstiges Steuerliche Förderungsgesetze

 

Leitsatz (amtlich)

Ein unanfechtbar gewordener Vermögensabgabebescheid, in dem bei zusammenveranlagten Ehegatten der Freibetrag nach § 29 Abs. 1 LAG unter Zugrundelegung des zusammengerechneten Vermögens der Ehegatten nur einmal abgesetzt wurde, ist nicht deshalb nichtig, weil nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 1 BvL 29/57, 1 BvL 20/60 vom 21. Februar 1961 (BStBl 1961 I S. 55) bei verfassungskonformer Auslegung des § 29 Abs. 1 LAG vom Einzelvermögen der Ehegatten auszugehen ist.

Es besteht kein Rechtssatz mit Verfassungsrang, der dem Abgabepflichtigen auf Grund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Februar 1961, a. a. O., einen Anspruch auf Berichtigung unanfechtbar gewordener Vermögensabgabebescheide mit Wirkung ab 1. April 1952 gibt.

Die Beamten der Finanzverwaltung verstoßen nicht gegen den Grundsatz gesetzmäßiger Verwaltung, wenn sie die nicht der verfassungskonformen Auslegung des § 29 Abs. 1 LAG entsprechenden unanfechtbar gewordenen Veranlagungsbescheide - vorbehaltlich einer Herabsetzung nach § 55c LAG oder einer etwaigen Berichtigung nach den Vorschriften der AO - weiter vollziehen.

§ 55c LAG verletzt nicht insoweit das Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG, als die Vorschrift bei unanfechtbar gewordenen Veranlagungsbescheiden nur eine Herabsetzung der ab 1. April 1961 fällig werdenden Vermögensabgabe-Vierteljahrsbeträge vorsieht.

 

Normenkette

GG Art. 6 Abs. 1; BVerfGG § 79; LAG § 29 Abs. 1, § 55c

 

Tatbestand

Die Bf. wurden durch Bescheid vom August 1956 mit ihrem Vermögen zusammen zur Vermögensabgabe veranlagt. Da das zusammengerechnete Vermögen beider Ehegatten über 35.000 DM betrug, wurde gemäß der damaligen Auslegung des § 29 Abs. 1 LAG ein Freibetrag nicht gewährt. Der unter Berücksichtigung des Kriegssachschadens festgesetzte ursprüngliche Vierteljahresbetrag wurde mit änderungsbescheid vom Oktober 1957 wegen zusätzlicher Berücksichtigung von Kriegssachschäden nach § 47a LAG mit Wirkung vom 1. April 1957 herabgesetzt. Beide Bescheide sind unanfechtbar geworden.

Mit Schreiben vom März 1962 machten die Bf. geltend, jeder von ihnen habe ein Vermögen, das 25.000 DM nicht übersteige. Da das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung 1 BvL 29/57, 1 BvL 20/60 vom 21. Februar 1961 (BStBl 1961 I S. 55) bei der Anwendung der Regelung des § 29 Abs. 1 LAG über die Freibeträge die Zugrundelegung des jeweiligen Vermögens der einzelnen Ehegatten als verfassungskonform und die Zusammenrechnung der Vermögen als gegen den den Schutz der Ehe bezweckenden Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verstoßend bezeichnet habe, stehe jedem von ihnen nach § 29 Abs. 1 LAG ein Freibetrag von 5.000 DM, zusammen also ein Freibetrag von 10.000 DM, zu. Sie stellten den den Gegenstand dieses Verfahrens bildenden Antrag, den Vermögensabgabebescheid vom August 1956 mit Wirkung vom 1. April 1952 unter Zugrundelegung der verfassungskonformen Auslegung des § 29 Abs. 1 LAG zu ändern. Vorsorglich beantragten sie gemäß § 55c LAG entsprechende Herabsetzung der Vierteljahresbeträge mit Wirkung vom 1. April 1961.

Sie machten ferner geltend, daß nach der begehrten änderung die Summe der bisher gezahlten Vierteljahrsbeträge größer sein werde als die zu erbringenden Vierteljahrsbeträge und daß dann gemäß § 76 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 LAG der Unterschiedsbetrag durch Aufrechnung oder Zurückzahlung auszugleichen sei. Unter Berufung hierauf beantragten sie Stundung der noch rückständigen und aller zukünftigen Vierteljahrsbeträge bis zur Entscheidung über den Antrag auf änderung des Vermögensabgabebescheides.

Das Finanzamt stundete auf der Grundlage des Erlasses des Bundesministers der Finanzen IV C/4 - LA 2342 c - 2/61 - vom 12. Juli 1961 (BStBl 1961 I S. 464) mit Bescheid vom März 1962 bis zum Ergehen eines Herabsetzungsbescheides nach § 55c LAG einen Teilbetrag der Vierteljahrsbeträge von je 60 DM der für die Zeit vom 10. Mai 1961 bis zum 10. November 1962 fällig werdenden Raten und lehnte den weitergehenden Stundungsantrag ab. Die Beschwerde hiergegen wurde von der Oberfinanzdirektion als unbegründet zurückgewiesen. Die Berufung gegen die Entscheidung der Oberfinanzdirektion wies das Finanzgericht am gleichen Tage zurück, an dem es auch über die Berufung entschied, die Gegenstand dieses vor dem Senat anhängigen Verfahrens ist. Gegen das Urteil des Finanzgerichts in der Stundungssache haben die Bf. Verfassungsbeschwerde eingelegt. Die Bf. baten zunächst, die Entscheidung des Bundesfinanzhofs über die Rb. auszusetzen, bis über die Verfassungsbeschwerde entschieden sei, haben den Antrag aber zurückgenommen, da das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung bis zur Entscheidung des Bundesfinanzhofs über die Rb. zurückgestellt hat.

über den Antrag nach § 55c LAG ist - soweit die Akten erkennen lassen - noch nicht entschieden worden. Den Antrag, einen änderungsbescheid mit Wirkung vom 1. April 1952 zu erlassen, lehnte das Finanzamt mit Verfügung vom März 1962 ab.

Mit dem Einspruch und der Berufung, die beide erfolglos blieben, machten die Bf. folgendes geltend: Der Bescheid verstoße gegen Art. 6 Abs. 1 GG, wie aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Februar 1961 (a. a. O.) klar hervorgehe. Sein weiterer Vollzug verstoße demgemäß ebenfalls gegen das GG. Der Bescheid müsse deshalb zur Herstellung einer verfassungskonformen Anwendung des Gesetzes entsprechend geändert werden. Die Rechtskraft des Bescheides stehe dem nicht entgegen, da er nichtig sei. Nach allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts müßten nichtige Bescheide aufgehoben werden, um ihren formellen Rechtsschein zu beseitigen. Das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Entscheidung vom 21. Februar 1961 in weiser Beschränkung die Vorschrift des § 38 LAG über die Zusammenveranlagung der Ehegatten und die Vorschrift des § 29 Abs. 1 LAG über die Freibeträge als mit dem GG vereinbar erklärt und die bisherige Auslegung des § 29 Abs. 1 LAG, die von einer Zusammenrechnung des Einkommens der Ehegatten ausging, als grundgesetzwidrig bezeichnet. Das habe das Bundesverfassungsgericht in der Absicht getan, der Finanzverwaltung Gelegenheit zu geben, das den Abgabepflichtigen durch die unrichtige Auslegung zugefügte Unrecht zu beseitigen. Die Vorschrift des § 79 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG), wonach nicht mehr anfechtbare Entscheidungen, die auf einer gemäß § 78 BVerfGG für nichtig erklärten Norm beruhen, unberührt bleiben, könne deshalb im vorliegenden Fall keine Anwendung finden. Die durch das Fünfzehnte Gesetz zur änderung des Lastenausgleichsgesetzes (15. ändGLAG) eingefügte Vorschrift des § 55c LAG beseitige das dem Abgabepflichtigen durch die grundgesetzwidrige Auslegung des § 29 Abs. 1 LAG zugefügte Unrecht nur teilweise und verstoße deshalb ihrerseits insoweit auch wiederum gegen das GG. Eine teilweise Aufhebung der Rechtskraft des Vermögensabgabebescheides, wie sie sich aus der Anwendung des § 55c LAG ergeben würde, sei nicht möglich.

Das Finanzgericht führte im wesentlichen aus: Das Bundesverfassungsgericht habe den § 29 Abs. 1 LAG nicht für grundgesetzwidrig erklärt. Bei dieser Rechtslage habe der Gesetzgeber durch Einfügung des § 55c LAG mehr getan, als rechtlich erforderlich gewesen sei. Der Gesetzgeber habe es nur im Hinblick auf die lange Laufzeit der Vermögensabgabe für nicht vertretbar gehalten, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bei den rechtskräftig abgeschlossenen Fällen für die Zukunft unberücksichtigt zu lassen. Hieraus ergebe sich keine Verfassungswidrigkeit des § 55c LAG. Bei den unanfechtbar gewordenen Vermögensabgabebescheiden handle es sich nicht um nichtige Verwaltungsakte, die aufgehoben werden könnten. Wenn die Vorschrift des § 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG die nicht mehr anfechtbaren Entscheidungen, die auf einer vom Bundesverfassungsgericht gemäß § 78 BVerfGG für nichtig erklärten Norm beruhen, unberührt lasse, so müsse um so mehr der Fortbestand der rechtskräftig gewordenen Vermögensabgabebescheide gefolgert werden, die nur auf einer nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts mit dem GG nicht in Einklang stehenden Auslegung beruhen.

Mit der Rb. rügen die Bf. in formeller Hinsicht das Finanzamt habe sich in der Stundungssache auf die Veröffentlichung eines Beamten im Schrifttum berufen, der mit der strittigen Frage amtlich befaßt gewesen sei. Diese Veröffentlichung habe auch auf die Entscheidung des Finanzgerichts in der Hauptsache Einfluß gehabt. Sie erblicken hierin einen Verfahrensmangel und bitten, die Bezugnahme des Finanzamts auf diese Veröffentlichung unberücksichtigt zu lassen.

In materieller Hinsicht tragen die Bf. neben der Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens folgendes vor: Die Vorschrift des § 55c LAG trage der durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts herbeigeführten Rechtslage nur unvollkommen Rechnung. Sie sehe lediglich ab 1. April 1961 eine der verfassungskonformen Auslegung des § 29 Abs. 1 LAG entsprechende Herabsetzung der Vierteljahrsbeträge vor. Das Bundesverfassungsgericht habe aber nicht die Vierteljahresleistungen, sondern die in den Vermögensabgabebescheiden verfassungswidrig ermittelte Berechnungsgrundlage des abgabepflichtigen Vermögens beanstandet. Sei die Vorschrift des § 29 Abs. 1 LAG falsch angewandt, so ergebe sich nach § 30 Nr. 1 LAG als Berechnungsgrundlage auch ein zu hohes abgabepflichtiges Vermögen. Die Abgabebescheide, in denen mit dieser Berechnungsgrundlage ein zu hohes abgabepflichtiges Vermögen festgesetzt wäre, seien nichtig. Die Vorschrift des § 55c LAG hindere aber, hieraus durch änderung der Vermögensabgabebescheide der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts entsprechende Folgerungen zu ziehen, und verstoße deshalb ihrerseits gegen das GG. Zu Unrecht folgere das Finanzgericht aus der Tatsache, daß das Bundesverfassungsgericht die Vorschrift des § 29 Abs. 1 LAG nicht für mit dem GG unvereinbar erklärt, sondern nur die bisherige Auslegung als dem GG widersprechend bezeichnet habe, die Rechtsbeständigkeit der unanfechtbar gewordenen Vermögensabgabebescheide. Ohne die Regelung des § 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG würden nämlich - so meinen die Bf. - alle Entscheidungen, die auf einer vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärten Gesetzesvorschrift beruhen, nichtig sein. Die Vorschrift bezwecke als Ausnahme von dieser Regel im Interesse der Rechtssicherheit den Rechtsbestand nur der Entscheidungen, die auf klaren, allerdings dem GG widersprechenden und deshalb vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärten Vorschriften beruhten. Es handle sich dabei um solche Vorschriften, die einer verfassungskonformen Auslegung keinen Raum böten, so daß ihre Anwendung bis zur Aufhebung durch das Bundesverfassungsgericht unvermeidbar gewesen sei. Für Entscheidungen, die die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung außer acht gelassen hätten und deshalb dem GG widersprächen, bleibe es dagegen bei dem allgemeinen Grundsatz der Nichtigkeit. § 79 Abs. 2 Satz 4 BVerfGG, der für nicht mehr anfechtbare Entscheidungen, die auf für nichtig erklärten Normen beruhen, Bereicherungsansprüche ausschließe, gelte nur, wenn die Verwaltung gesetzesmäßig gehandelt habe, nicht aber für Vermögensabgabebescheide, die auf verfassungswidriger Auslegung des § 29 Abs. 1 LAG beruhen.

Die Vollstreckung aus dem gegen Art. 6 Abs. 1 GG verstoßenden Vermögensabgabebescheid sei unzulässig, weil damit erneut gegen diese Verfassungsvorschrift verstoßen werde. Die Beamten der Finanzverwaltung seien zum gesetzmäßigen Handeln verpflichtet und dürften deshalb die Abgabe aus dem bei Ergehen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts noch nicht vollständig vollzogenen Bescheid nicht mehr erheben. Daraus ergebe sich notwendig die Verpflichtung der Finanzbehörde, den weiteren Vollzug des Vermögensabgabebescheides zu verhindern, ihn aufzuheben und durch einen für die ganze Laufzeit der Vermögensabgabe maßgebenden, der verfassungskonformen Auslegung des § 29 Abs. 1 LAG entsprechenden Vermögensabgabebescheid zu ersetzen. § 79 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG, der die Vollstreckung aus nicht mehr anfechtbaren Entscheidungen ausschließe, die auf einer vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärten Norm beruhen, sei zwar nicht unmittelbar anwendbar, enthalte aber nur den Niederschlag eines ohnehin geltenden allgemeinen Rechtsgedankens. Im Hinblick auf die bisher zuviel geleisteten Zahlungen sei die Herabsetzung der ab 1. April 1961 fällig werdenden Vierteljahrsbeträge nach der Regelung des § 55c LAG zu gering, weil sie es hinsichtlich der bis dahin fällig gewordenen Vierteljahrsbeträge bei der unrichtig zu hoch festgesetzten Bemessungsgrundlage belasse.

Die Bf. beantragen, dahin zu entscheiden, daß

der Vermögensabgabebescheid vom August 1956 für die Zeit vom 1. April 1952 bis zum 31. März 1979 aufzuheben und durch einen Bescheid zu ersetzen sei, der auf einer verfassungsgemäßen Anwendung des § 29 Abs. 1 LAG, einer verfassungsgemäßen Feststellung ihres abgabepflichtigen Vermögens (ß 30 LAG) und der sich daraus ergebenden Vermögensabgabeschuld auf den 21. Juni 1948 beruhe,

gemäß § 76 Abs. 3 LAG Abrechnung über die verfassungswidrig geleisteten und verfassungsgemäß geschuldeten Zins- und Tilgungsleistungen zu erteilen sei,

die zuviel geleisteten Zinsen und Tilgungsleistungen den Bf. zur Verrechnung oder Erstattung gutzubringen seien.

Sie beantragten ferner, gemäß Art. 100 Abs. 1 GG das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber herbeizuführen, daß § 55c LAG, der ihrer Ansicht nach ihrem Begehren entgegensteht, dem GG widerspreche.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist unbegründet.

I. - Die formelle Rüge der Bf. entbehrt der Grundlage. Den Beamten der Finanzverwaltung ist es ebensowenig wie den Angehörigen der steuerberatenden Berufe verwehrt, sich im Schrifttum zu solchen Rechtsfragen zu äußern, mit denen sie beruflich befaßt gewesen sind. Die Finanzgerichte haben nach Recht und Gesetz zu entscheiden. Beruht eine zu einer Rechtsfrage im Schrifttum vertretene Ansicht nach Auffassung der Finanzgerichte auf richtiger Auslegung des Gesetzes, so werden sie dieser Auslegung folgen. Wird der Hinweis eines Finanzamts auf eine solche äußerung im finanzgerichtlichen Verfahren beachtet, so kann darin kein Verfahrensmangel liegen.

II. -

Die Grundlage der Rechtsausführungen der Bf. in materieller Hinsicht bildet die Auffassung, der Vermögensabgabebescheid vom August 1956, der nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Februar 1961 auf einer dem GG zuwiderlaufenden Auslegung des § 29 Abs. 1 LAG beruht, sei nichtig. Das ist unzutreffend.

Wie sich aus dem mündlichen Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht, insbesondere den Ausführungen der beiden Berichterstatter vor dem Plenum des Bundestages anläßlich der zweiten Beratung des Entwurfs eines BVerfGG in der 112. Sitzung des Bundestages vom 18. Januar 1951 (Sitzungsbericht 4 224 A (4 227 D), 4 228 B (4 234 B - D) ergibt, ist der Ausschuß - wie schon die Regierungsvorlage zu dem Entwurf des Gesetzes (Drucksache Nr. 788 1. Wahlperiode, Begründung zu § 72) - grundsätzlich vom Rechtsbestand der unanfechtbar gewordenen Entscheidungen ausgegangen. Die Regelung in § 79 Abs. 1 BVerfGG, wonach gegen ein rechtskräftiges Strafurteil, das auf einer gemäß § 78 BVerfGG für nichtig erklärten Norm beruht, die Wiederaufnahme des Verfahrens nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung (StPO) zulässig ist, wurde als Ausnahme von der Rechtskraftwirkung bezeichnet. Einer der Berichterstatter führte wörtlich aus:

"Bestehende Rechtsbehelfe werden durch § 79 nicht ausgeschlossen. Wo keine Rechtsbehelfe vorhanden sind, werden keine neuen geschaffen, mit Ausnahme des für ein rechtskräftiges Strafurteil gegebenen Wiederaufnahmeverfahrens .... Für die Fälle, in denen durch die Regelung des § 79 für die Beteiligten eine besondere Härte entsteht, sieht das Gesetz vor, daß der Gesetzgeber durch eine besondere gesetzliche Regelung eingreifen kann."

Mit Satz 1 des § 79 Abs. 2 BVerfGG, der den Fortbestand der unanfechtbar gewordenen Entscheidungen erwähnt, sollte also nach dieser Auffassung nur klargestellt werden, daß die Rechtskraft bereits ergangener Entscheidungen nicht beeinträchtigt wird. Die Bf. verkennen, daß die Fälle, in denen eine Nichtigkeit von Verfügungen oder Entscheidungen der Verwaltungsbehörden eintritt, sehr selten sind. Da formelle Mängel nicht in Frage stehen, kann es sich hier nur um materielle handeln. Hierzu gehören u. a. das auf eine unmögliche Leistung gerichtete Verlangen der Verwaltungsbehörde, die Sinnwidrigkeit und dergleichen. Nur dann, wenn offenbar ist, daß ein Verwaltungsakt, wie er ergangen ist, überhaupt nicht ergehen konnte, wird Nichtigkeit zu folgern sein (vgl. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Allg. Teil, 8. Aufl., S. 223 ff., 226 und die dortigen Hinweise auf Schrifttum und Rechtsprechung). Keineswegs tritt Nichtigkeit ein, wenn der Verwaltungsakt oder die Entscheidung der Verwaltungsbehörde auf einer unrichtigen Auslegung beruht. Dies gilt - entgegen der Ansicht der Bf. - grundsätzlich auch dann, wenn es sich um eine Auslegung handelt, die mit dem GG nicht in Einklang steht, auch wenn dies vom Bundesverfassungsgericht festgestellt worden ist. Die Bf. mißdeuten hier die Wirkung der dahingehenden Feststellung des Bundesverfassungsgerichts. Sie wurde in der Entscheidung vom 21. Februar 1961 (a. a. O.) lediglich in den Gründen getroffen, nimmt aber nicht teil an der Bindungswirkung gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG. Die bezeichnete Bindung äußert lediglich die im Tenor getroffene Entscheidung, wonach die §§ 38 und 29 Abs. 1 LAG mit dem GG vereinbar sind. Ungeachtet dessen werden die Gerichte und Behörden die Rechtsauffassung des Bundesverfassungsgerichts in Fragen, die das GG betreffen, als richtunggebend ansehen, zumal sie sonst bei Verstoß gegen Grundrechte auf eine Verfassungsbeschwerde hin mit Aufhebung ihrer Entscheidungen zu rechnen hätten. Insofern unterscheidet sich die Wirkung dem Wesen nach nicht von dem Fall, in dem der Bundesfinanzhof festgestellt hätte, daß eine Norm von einem Finanzgericht nicht verfassungskonform ausgelegt worden wäre. Ein Finanzgericht, das von dieser Auffassung abweichen würde, hätte, sofern der Bundesfinanzhof seine Rechtsansicht nicht ändern würde, im Falle einer Rb. mit Aufhebung seiner Entscheidung zu rechnen. Bisher ergangene unanfechtbar gewordene Entscheidungen von Finanzämtern oder Finanzgerichten würden aber in ihrem Rechtsbestand durch eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs, mit der er eine nicht mit dem GG in Einklang befindliche Auslegung einer Norm durch ein Finanzgericht festgestellt hat, nicht berührt werden. Die unrichtige Auslegung, gemessen am Maßstab des GG, unterscheidet sich in der Wirkung auf unanfechtbar gewordene Entscheidungen der Finanzämter und Finanzgerichte insoweit nicht von der sonstigen Auslegung einfachen Rechts, die in späterer Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs als unrichtig bezeichnet worden ist. Weder im einen noch im anderen Falle ergibt sich aus allgemeinen verfassungsrechtlichen, prozessualen oder verwaltungsrechtlichen Grundsätzen die Verpflichtung der Finanzbehörde, unanfechtbar gewordene Bescheide aufzuheben. Die Auffassung der Bf., eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, mit der in den Gründen die nicht verfassungskonforme Auslegung einer Norm festgestellt worden ist, könne, was den Rechtsbestand unanfechtbar gewordener Entscheidungen anlangt, von stärkerer Wirkung sein als die Nichtigkeitserklärung einer Norm, ist jedenfalls unrichtig. Gegen diese Auffassung spricht auch die Tatsache, daß die mit der Verfassungsbeschwerde gerügte Verletzung von Grundrechten, die auch in einer grundgesetzwidrigen Auslegung des einfachen Rechts bestehen kann, zwar zur Aufhebung der betreffenden Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht führt, aber keine Drittwirkung zugunsten dessen äußert, der es versäumt hat, seinerseits - nach Erschöpfung des Rechtswegs - gegen den gleichen auf grundgesetzwidriger Auslegung beruhenden Verwaltungsakt Verfassungsbeschwerde zu erheben (vgl. das zur Auslegung des § 29 Abs. 1 LAG auf die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Bundesfinanzhofs III 60/59 vom 18. März 1960 im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG ergangene Urteil des Bundesverfassungsgerichts 1 BvR 267/60 vom 21. Februar 1961, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts - BVerfGE - Bd. 12 S. 177). Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 1 BvL 29/57, 1 BvL 20/60 vom 21. Februar 1961 erging auf Vorlagebeschlüsse von Finanzgerichten gemäß Art. 100 Abs. 1 GG, die von der Verfassungswidrigkeit der §§ 38 und 29 Abs. 1 LAG ausgingen. Die dortige Feststellung des Bundesverfassungsgerichts, daß zwar nicht diese Vorschriften, wohl aber die bisherige Auslegung des § 29 Abs. 1 LAG mit dem GG nicht in Einklang stehe, diese Vorschrift aber auch die vom Bundesverfassungsgericht als zutreffend bezeichnete verfassungskonforme Auslegung zulasse, kann keine stärkere Drittwirkung haben als die Entscheidung, mit der das Bundesverfassungsgericht die bezeichnete Verletzung des GG auf eine Verfassungsbeschwerde festgestellt hatte.

Ist der Vermögensabgabebescheid vom August 1956 hiernach nicht nichtig, so stehen auch seinem weiteren Vollzug nach Ergehen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 1 BvL 29/57, 1 BvL 20/60 vom 21. Februar 1961 rechtliche Hindernisse nicht entgegen. Unzutreffend ist insbesondere die Auffassung der Bf., die Beamten der Finanzverwaltung verstießen durch seinen weiteren Vollzug erneut gegen Art. 6 Abs. 1 GG und seien deshalb nach dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gehalten, den Vermögensabgabebescheid aufzuheben und für die ganze Laufzeit der Vermögensabgabe durch einen der verfassungskonformen Auslegung des § 29 Abs. 1 LAG entsprechenden Vermögensabgabebescheid zu ersetzen. Das wäre nur bei Nichtigkeit des Vermögensabgabebescheides anzuerkennen, von der die Bf. zu Unrecht ausgehen. § 79 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG ist hier nicht anzuwenden und enthält auch nicht, wie die Bf. meinen, den Niederschlag eines allgemeinen Rechtsgedankens dahin, daß aus den gegen das GG verstoßenden unanfechtbaren Entscheidungen nicht mehr vollstreckt werden dürfe. Bei Vollzug einer unanfechtbar gewordenen Entscheidung - auch im Vollstreckungsverfahren - ist nur noch der formelle Bestand zu prüfen, nicht mehr aber der materielle Gehalt der Entscheidung, also die Frage, ob die Entscheidung zu Recht hätte ergehen dürfen. Das gilt - abgesehen von der für den Fall der Nichtigerklärung einer Norm durch das Bundesverfassungsgericht getroffenen Sonderregelung des § 79 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG - unabhängig davon, ob sich die Entscheidung im Rahmen einfachen Rechts oder Verfassungsrechts gehalten hat oder nicht. § 79 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG enthält eine Ausnahme von der Regel des § 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG, wonach nicht mehr anfechtbare Entscheidungen, die auf einer vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärten Norm beruhen, unberührt bleiben. Ohne Satz 2 des § 79 Abs. 2 BVerfGG wäre auch die Vollstreckung aus solchen Entscheidungen zulässig, und zwar ohne Unterscheidung zwischen "in sich abgeschlossenen" Verwaltungsakten und solchen mit einer Dauerwirkung. Da der Rechtsbestand unanfechtbar gewordener Entscheidungen, die auf einer nicht verfassungskonformen Auslegung einfachen Rechts beruhen, auch durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, mit der die nichtverfassungskonforme Auslegung festgestellt worden ist - wie bereits oben dargelegt -, nicht berührt wird, verbleibt es bei der allgemeinen Regel, daß bei Vollzug und Vollstreckung im Hinblick auf die Rechtskraft der materielle Gehalt der Entscheidung keiner Prüfung mehr unterliegt. Nach alledem ergibt sich auf Grund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 1 BvL 29/57, 1 BvL 20/60 vom 21. Februar 1961 kein aus Verfassungsrecht abzuleitender Anspruch der Bf. auf Berichtigung des unanfechtbar gewordenen Vermögensabgabebescheides.

Die gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 55c LAG von den Bf. erhobenen Angriffe liegen teils neben der Sache, teils sind sie unbegründet.

Zunächst fehlt es den Bf. hinsichtlich der von ihnen gegen das Erfordernis eines fristgerecht gestellten Antrages erhobenen Einwendungen im gegenwärtigen Verfahren am Rechtsschutzinteresse. Diese Bedenken bedürften nur in einem Rechtsmittelverfahren der Nachprüfung, in dem ein Abgabepflichtiger sich gegen die Zurückweisung eines nach § 55c LAG nicht fristgerecht gestellten Herabsetzungsantrages wenden würde. Die Bf. meinen ferner, indem § 55c LAG nur die verfassungskonforme Herabsetzung der ab 1. April 1961 fällig werdenden Vierteljahrsbeträge vorsehe, beseitige die Vorschrift einen ihnen nach dem GG zustehenden Anspruch auf verfassungskonforme Herabsetzung der Vierteljahrsbeträge für die ganze Laufzeit der Vermögensabgabe. Da es - wie zu 1. festgestellt - keinen mit Verfassungsrang ausgestatteten Rechtssatz gibt, auf dem - unabhängig von etwa einschlägigen Vorschriften der AO - ein Berichtigungsanspruch für die ganze Laufzeit der Vermögensabgabe gestützt werden könnte, kann § 55c LAG einen solchen Anspruch auch nicht dem GG zuwider beseitigen.

Auf die Frage, ob der neu eingefügte § 55c LAG - wie die Bf. meinen - deshalb gegen Art. 6 Abs. 1 GG verstoße, weil die Vorschrift es teilweise bei der nicht auf verfassungskonformer Auslegung des § 29 Abs. 1 LAG beruhenden Bemessungsgrundlage beläßt, kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht an. Würde § 55c LAG deshalb nichtig sein, so würde keine verfassungsrechtliche oder sonstige für dieses Verfahren in Betracht kommende gesetzliche Vorschrift bestehen, aus der ein Anspruch auf Berichtigung des unanfechtbar gewordenen Vermögensabgabebescheides unter Zugrundelegung einer verfassungskonformen Anwendung des § 29 Abs. 1 LAG für die ganze Laufzeit der Vermögensabgabe herzuleiten wäre. Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG kommt demnach schon deshalb nicht in Betracht.

Die verfassungsrechtlichen Einwände der Bf. gegen die Vorschrift des § 55c LAG sind aber auch in der Sache unbegründet. Insoweit durch die Regelung dieser Vorschrift die auf nichtverfassungskonformer Auslegung des § 29 Abs. 1 LAG beruhenden, unanfechtbar gewordenen Vermögensabgabebescheide aufrechterhalten bleiben, hat es der Gesetzgeber bei der Rechtskraft dieser Entscheidungen belassen. Hiergegen bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluß 1 BvR 678/57 vom 12. Dezember 1957 (BVerfGE Bd. 7 S. 194 (195 - 197)) festgestellt, daß § 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG mit dem GG in Einklang steht. Es hat ausgeführt, es stehe dem Gesetzgeber nach Nichtigerklärung einer mit dem GG nicht vereinbaren Norm durch das Bundesverfassungsgericht bei Neuordnung des betreffenden Rechtsgebiets frei, welchem der beiden Prinzipien, der Gerechtigkeit im Einzelfall oder der Rechtssicherheit, die beide Verfassungsrang haben, er den Vorzug geben wolle, auch wenn dadurch die Durchsetzung eines Grundrechts - im damals zur Entscheidung stehenden Falle u. a. auch des Art. 6 Abs. 1 GG - in rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren nicht mehr möglich sei. § 79 Abs. 2 BVerfGG ist für die Fälle einer vom Bundesverfassungsgericht festgestellten nicht verfassungskonformen Auslegung einer Norm nicht anwendbar. Wenn es der Gesetzgeber bei Neuordnung der Freibetragsregelung wegen der langen Laufzeit der Vermögensabgabe (vgl. Schriftlichen Bericht des Ausschusses für den Lastenausgleich zu dem interfraktionell eingebrachten Entwurf eines 15. ändGLAG, Drucksache 2910, 3. Wahlperiode) in Anlehnung an die - auf einfachem Recht beruhende - generelle Regelung des § 79 Abs. 2 BVerfGG für angemessen erachtete, eine Berichtigung der Vierteljahrsbeträge vorzusehen, diese aber auf die seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts fällig gewordenen und noch fällig werdenden Vierteljahrsbeträge zu beschränken, so hat er damit zwar dem Prinzip der Gerechtigkeit und dem Recht auf die Durchsetzung des Grundrechts des Art. 6 Abs. 1 GG in rechtskräftig abgeschlossenen Fällen für die Zeit ab 1. April 1961 den Vorrang gegeben, andererseits aber für die Zeit bis zu diesem Zeitpunkt das Prinzip der Rechtssicherheit als vorrangig behandelt. Diese Regelung auf dem Gebiete der Vermögensabgabe lag ebenso wie die generelle Regelung des § 79 Abs. 2 BVerfGG im Rahmen gesetzgeberischen Ermessens. Die Beschränkung auf die seit dem 1. April 1961 fällig gewordenen und noch fällig werdenden Vierteljahrsbeträge erlaubte es, abweichend von der für andere Fälle geltenden Regelung des § 79 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG, einen Ausschluß der Vollstreckbarkeit nicht vorzusehen. Daß die Entscheidung des Gesetzgebers, so wie er sie mit der Einfügung des § 55 LAG getroffen hat, auch der Rechtssicherheit im Hinblick auf die besonderen Aufgaben des Lastenausgleichsfonds und dessen Finanzierung Rechnung tragen sollte, liegt auf der Hand. Der Beitrag der öffentlichen Haushalte zum Ausgleichsfond ist mit dem Aufkommen der Lastenausgleichsabgaben gekoppelt (vgl. § 6 LAG). Andererseits sind die Ausgleichsleistungen zu einem erheblichen Teil zeitlich von der jeweils vorhandenen Höhe der Mittel des Ausgleichsfonds abhängig, wie aus § 345 Abs. 1 Satz 2 LAG hervorgeht. Die Anwendung des § 29 Abs. 1 LAG mit verfassungskonformer Auslegung rückwirkend für die ganze Laufzeit der Vermögensabgabe hätte dem Lastenausgleichsfonds nachträglich erhebliche Mittel entzogen und so das Gefüge des LAG und damit die Rechtssicherheit erschüttert. Damit erledigen sich auch die Einwendungen der Bf., die nach § 55c LAG unterbleibende Berichtigung der Bemessungsgrundlage für die vor dem 1. April 1961 fällig gewordenen und bereits entrichteten Vierteljahrsbeträge und die daraus folgende mangelnde Anrechnung der Mehrleistung auf die nach der Regelung des § 55c LAG ab 1. April 1961 zu erbringenden Vierteljahresleistungen bewirke, daß auch insoweit im Hinblick auf die verfassungskonform zu ermittelnde Bemessungsgrundlage zu hohe Leistungen zu erbringen seien.

Ergibt sich hiernach aus allgemein verfassungsrechtlichen Grundsätzen keine Verpflichtung zur Aufhebung des Vermögensabgabebescheides vom August 1956, so bieten auch die AO und das StAnpG, die die Fälle regeln, in denen unanfechtbar gewordene Bescheide geändert werden dürfen, keine Handhabe für das Begehren der Bf. Die Bf. berufen sich auch nicht auf solche Vorschriften, die ihrem änderungsantrag zur Grundlage dienen können. § 4 Abs. 3 Ziff. 2 StAnpG kommt nicht in Betracht. Wie der Bundesfinanzhof in den Urteilen II 162/62 U vom 4. März 1964 (BStBl 1964 III S. 308, Slg. Bd. 79 S. 210) und I 143/64 S vom 28. Oktober 1964 (BStBl 1965 III S. 196) ausgesprochen hat, ist eine gesetzliche Vorschrift selbst kein Merkmal im Sinne des § 4 Abs. 3 Ziff. 2 StAnpG, dessen Vorliegen das Gesetz für die Steuerschuld, Steuerbefreiung oder Steuerermäßigung oder eine sonstige Steuervergünstigung fordert. Die Nichtigerklärung einer Vorschrift durch das Bundesverfassungsgericht berechtigt also nicht zur änderung eines unanfechtbar gewordenen Veranlagungsbescheides, der auf der für nichtig erklärten Norm beruht. Noch weniger ist § 4 Abs. 3 Ziff. 2 StAnpG anzuwenden, wenn eine Steuernorm, wie das Bundesverfassungsgericht in den Gründen seiner Entscheidung festgestellt hat, nicht verfassungskonform ausgelegt worden ist. Ob eine Berichtigung nach § 222 Abs. 1 Ziff. 4 AO in Betracht kommen könnte, ist für den vorliegenden Fall nicht zu prüfen, da die Voraussetzungen einer Fehleraufdeckung durch die Aufsichtsbehörde nicht gegeben sind. Er hat deshalb auch unerörtert zu bleiben, ob in der Ablehnung der Fehleraufdeckung deshalb kein Ermessensfehler zu erblicken wäre, weil der Gesetzgeber durch § 55c LAG für die Vermögensabgabe eine Herabsetzung nur ab 1. April 1961 vorgesehen hat.

III. - Die weiteren Anträge der Bf. erledigen sich hierdurch in der Sache. Unberührt bleibt das Recht der Bf., auf Grund des von ihnen nach § 55c LAG vorsorglich gestellten Antrages bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen die dort vorgesehene Herabsetzung der ab 1. April 1961 fällig werdenden Vierteljahrsbeträge zu verlangen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411576

BStBl III 1965, 452

BFHE 1965, 567

BFHE 82, 567

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