Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Der Teilwert einer Arbeitnehmern zugesagten unverzinslichen Gewinnbeteiligung ist der abgezinste Nennwert dieser Verbindlichkeit.

 

Normenkette

EStG § 6 Abs. 1 Ziff. 3

 

Tatbestand

Streitig ist die Bewertung einer den Arbeitnehmern des Betriebs zugesagten Gewinnbeteiligung in den Steuerbilanzen vom 31. Dezember 1952 und 31. Dezember 1953.

Die Komplementäre der KG faßten am 1. Oktober 1951 einen "Betriebsbeschluß", dessen für die Entscheidung wichtigen Teile folgenden Wortlaut haben:

"Unsere Mitarbeiter sollen teilhaben am Erfolg unserer gemeinsamen Arbeit. Dieser Anteil beträgt 1 1/2 % des Umsatzes. Er verringert sich oder entfällt ganz, wenn durch die Gratifikation der Reinertrag des Unternehmens unter 200 000 DM sinken würde.

Der Betrag wird nach freiem Ermessen der persönlich haftenden Gesellschafter auf die Mitarbeiter unter Berücksichtigung der Dauer der Betriebszugehörigkeit, der Verantwortung, des Fleißes, des Einsatzwillens und der Verdienste um den Betriebserfolg an Gehalts- und Lohnempfänger verteilt. Der auf den einzelnen Mitarbeiter entfallende Betrag wird schriftlich mitgeteilt. Die Auszahlung erfolgt in 10 gleichen Jahresraten beginnend nach 5 Jahren.

Die gesamte Belegschaft hat Rechtsanspruch auf den gewährten Gesamtbetrag. Jeder Mitarbeiter hat Rechtsanspruch auf den auf ihn entfallenden Betrag, der ihm schriftlich mitgeteilt worden ist".

Auf Grund dieses Betriebsbeschlusses erteilte die KG erstmals am 1. Mai 1952 nach Aufstellung der Bilanz für das Jahr 1951 den Betriebsangehörigen schriftliche Zusagen über einen Gesamtbetrag von 83 000 DM. Die Höhe der Gewinnbeteiligungen für 1952 belief sich auf 100 000 DM, für 1953 auf 125 000 DM. In dieser Höhe bildete die KG Rückstellungen. Die Rückstellung für 1951 wurde nach einer im Jahre 1953 durchgeführten Betriebsprüfung vom Finanzamt anerkannt. Auf Grund des Ergebnisses der nächsten Betriebsprüfung (1958) nahm das Finanzamt bei den auf die Streitjahre entfallenden Rückstellungen für Gewinnbeteiligungen eine Abzinsung vor, wobei es einen Zinsfuß von 5,5 v. H. zugrunde legte. Unter Berücksichtigung geringfügiger Auszahlungen ergaben sich zum 31. Dezember 1952 eine Rückstellung von insgesamt 142 788 DM gegenüber dem von der Gesellschaft angesetzten Nennwert von 183 000 DM und zum 31. Dezember 1953 eine Rückstellung von insgesamt 220 620 DM gegenüber dem Ansatz der KG in Höhe von 307 800 DM.

Mit der Sprungberufung machte die KG geltend, daß das Finanzamt an die von ihm anerkannte Bewertung der Gewinnbeteiligungslast zum Nennwert gebunden sei. Das Handelsrecht lasse eine solche Bewertung zu. Die einkommensteuerlichen Vorschriften schrieben eine Abzinsung nicht vor, da sie zu einem unzulässigen Ausweis eines nicht verwirklichten Gewinns führe. Hilfsweise beantragte die KG, bei der Abzinsung einen Zinssatz von 3 v. H. zugrunde zu legen.

Das Finanzgericht gab der Sprungberufung statt. Es ging davon aus, daß Verbindlichkeiten an den Bilanzstichtagen bestanden hätten und diese Verbindlichkeiten auch steuerlich mit dem Nennwert bewertet werden dürften. Nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung dürfe und solle der Kaufmann später fällige unverzinsliche Verbindlichkeiten mit dem Nennbetrag bewerten. Die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Ziff. 3 EStG verpflichte den Kaufmann nicht, eine unverzinsliche Verbindlichkeit mit ihrem unter dem Nennwert liegenden Teilwert anzusetzen. Die Ersparnis, die darin liege, daß die später fällige Schuld unverzinslich sei, dürfe nicht im Jahr der Begründung der Verbindlichkeit gewinnerhöhend dadurch ausgewiesen werden, daß die Verbindlichkeit nur mit dem abgezinsten Betrag bewertet werde.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

I. Die Vorinstanz ging zutreffend davon aus, daß es sich bei der Gewinnbeteiligungslast um eine an den Bilanzstichtagen bereits bestehende Verbindlichkeit handelte. Dagegen ist der Vorinstanz nicht darin zu folgen, daß diese Verbindlichkeit mit dem Nennwert angesetzt werden dürfe.

1. Bei der Bewertung einer Verbindlichkeit ist die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Ziff. 2 EStG entsprechend anzuwenden (ß 6 Abs. 1 Ziff. 3 EStG). Als Bewertungsmaßstäbe kommen daher der Anschaffungswert und der Teilwert in Betracht. Anders als bei der Bewertung der Aktiva bildet bei der Bewertung der Verbindlichkeiten der Anschaffungswert die untere Grenze, deren Unterschreitung gegen das Verbot des Ausweises nichtverwirklichter Gewinne verstieße. Umgekehrt fordert der Grundsatz des Ausweises nichtrealisierter Verluste, daß dann, wenn der Teilwert der Verbindlichkeit höher ist als der Anschaffungswert, der Teilwert anzusetzen ist. Das für die Wirtschaftsgüter des Umlaufsvermögens geltende Niederstwertprinzip verwandelt sich bei Verbindlichkeiten in ein Höchstwertprinzip (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs I 38/51 U vom 7. August 1951, BStBl 1951 III S. 190, Slg. Bd. 55 S. 471; I 102/51 U vom 12. Dezember 1951, BStBl 1952 III S. 33, Slg. Bd. 56 S. 82). Danach hat der Kaufmann den Anschaffungswert oder den höheren Teilwert anzusetzen. Dieser Wert bildet in der Steuerbilanz die obere Grenze für die Bewertung der Verbindlichkeit. Sie darf auch dann nicht überschritten werden, wenn der Nennwert der Verbindlichkeit höher ist.

Das Handelsrecht erlaubt allerdings eine überschreitung des Anschaffungswerts oder des höheren Teilwerts. Denn es gestattet den Ansatz von Schulden mit ihrem vollen Nennbetrag auch dann, wenn sie unverzinslich sind (vgl. Würdinger in Kommentar zum HGB, früher herausgegeben von Mitgliedern des Reichsgerichts, 2. Aufl., Anm. 7 zu § 40; Adler-Düring-Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Aktiengesellschaft, Anm. 206 zu § 133 des Aktiengesetzes, S. 454). Die Vorentscheidung bezieht sich für ihre Auffassung, daß handelsrechtlich eine Verpflichtung zum Ansatz des Nennbetrags auch bei Unverzinslichkeit bestehe, auf Trumpler, Die Bilanz der Aktiengesellschaft, 1950, S. 122. Dort ist aber der Fall der unverzinslichen Verbindlichkeit nicht ausdrücklich behandelt. Für die steuerrechtliche Beurteilung ist entscheidend, daß das Handelsrecht nicht den Ansatz eines über dem Anschaffungswert oder höheren Teilwert liegenden Nennwerts zwingend erfordert. Der Umstand, daß das Handelsrecht eine überschreitung der Grenze erlaubt, womöglich empfiehlt, ist steuerrechtlich ebensowenig beachtlich wie bei der Bilanzierung solcher Aktivposten, bei deren Ansatz das Handelsrecht einen entsprechenden weitergehenden Spielraum nach unten gewährt, während das Steuerrecht den Teilwert als untere Grenze für die Bewertung vorschreibt (ß 6 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 EStG). Der der Vorschrift des § 5 Satz 1 EStG zu entnehmende Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die steuerliche Bilanzierung tritt insoweit zurück, als das Steuerrecht zwingende eigene Vorschriften enthält (ß 5 Satz 2 in Verbindung mit § 6 EStG). Eine solche zwingende Vorschrift stellt § 6 Abs. 1 Ziff. 3 EStG dar, wonach der Anschaffungswert oder der höhere Teilwert die obere Grenze bei der Bewertung von Verbindlichkeiten bilden.

2. Aus diesen Grundsätzen folgt, daß das Verlangen der KG nur dann berechtigt ist, wenn entweder der Teilwert oder der Anschaffungswert dem Nennbetrag der Gewinnbeteiligungslast entspricht. Bei der Gewinnbeteiligungslast entspricht der Anschaffungswert dem Teilwert und liegt unter dem Nennbetrag. Teilwert einer Verbindlichkeit ist der Betrag, den ein Erwerber des Betriebs mehr zahlen würde, wenn die Verbindlichkeit nicht bestünde, d. h. der Betrag, mit dem der Erwerber die Verbindlichkeit in der übernahmebilanz ansetzen würde. Der Teilwert ist daher gleich dem Bar- oder Zeitwert der Verbindlichkeit. Der Barwert einer unverzinslichen befristeten Schuld ist der nach der Zinseszinsformel auf den Zeitpunkt der Fälligkeit abgezinste Betrag. Die Auffassung der Vorinstanz, daß die Gewinnbeteiligungslast keinen Anschaffungswert besitze, ist nicht zutreffend. Anschaffungswert einer Verbindlichkeit ist der Betrag, der dem Schuldner nach Abzug der mit der Begründung der Verbindlichkeit verbundenen Kosten verbleibt (der zugeflossene Gegenwert, Verfügungsbetrag). Der KG ist ein Gegenwert in Form der von den Betriebsangehörigen erbrachten Arbeitsleistung zugeflossen. Dieser Gegenwert kann mit keinem anderen Betrage angesetzt werden als mit dem Barwert der dafür gewährten Vergütungen. Denn im Zweifel ist davon auszugehen, daß Leistung und Gegenleistung einander gleichwertig gegenüberstehen.

Da im Streitfall Anschaffungswert und Teilwert der Verbindlichkeit sich decken, darf dieser Betrag weder unter- noch überschritten werden. Eine Unterschreitung des Wertansatzes würde das Verbot des Ausweises nichtrealisierter Gewinne verletzen; eine überschreitung ist mit der Vorschrift des § 6 (Abs. 1) Ziff. 3 EStG nicht vereinbar.

II. Die Höhe des bei der Abzinsung des Nennwerts der Verbindlichkeit zugrunde zu legenden Zinsfusses läßt sich nicht für alle Fälle einheitlich bestimmen. Es kann dahingestellt bleiben, ob sich der Ansatz eines Zinssatzes von 5,5 v. H. zwingend aus § 14 Abs. 3 des Bewertungsgesetzes ergibt, oder ob nicht der Zins zugrunde gelegt werden müßte, den ein Erwerber des ganzen Betriebs abziehen oder den ein übernehmer der Schuld fordern würde. Denn wenn man den Zins unter dem Gesichtspunkt des Teilwerts und des gemeinen Werts der Verbindlichkeit berechnet, ist das Interesse des Arbeitgebers daran entscheidend, daß die verzögerte Auszahlung der Beträge der Finanzierung des Betriebs dient. Der Arbeitgeber erspart durch die Zurverfügungstellung der Kapitalien die Zinsen, die er bei Inanspruchnahme von entsprechenden Krediten hätte aufwenden müssen. Berücksichtigt man andererseits bei der Bestimmung der Höhe des Zinssatzes, daß der Arbeitgeber möglicherweise in bestimmten Zeiträumen keinen Kredit aufgenommen haben würde und setzt man wegen des Grundsatzes der Vorsicht eher einen zu niedrigen als einen zu hohen Zinssatz an, so ist es gleichwohl nicht gerechtfertigt, einen niedrigeren Betrag als 5,5 v. H. zugrunde zu legen. Der Senat beläßt es deshalb bei dem vom Finanzamt angewendeten Zinssatz von 5,5 v. H.

III. Im Streitfall ist der für das Jahr 1951 gebildete Passivposten in Höhe von 83 000 DM in den Folgebilanzen weitergeführt worden. Darin liegt eine Verkennung des Grundsatzes der Wertfortführung (ß 6 (Abs. 1) Ziff. 3 EStG). Dieser Grundsatz gilt für abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens und des Umlaufsvermögens (ß 6 (Abs. 1) Ziff. 2 EStG) und für Verbindlichkeiten in einem eingeschränkten Sinne. Er besagt, daß bei den Aktivposten der über dem letzten Bilanzansatz liegende Teilwert angesetzt werden darf, jedoch darf der Betrag der Anschaffungs- oder Herstellungskosten nicht überschritten werden. Durch die überschreitung würde ein nichtrealisierter Gewinn ausgewiesen werden. Die sinngemäße Anwendung dieses Grundsatzes auf die Bewertung von Verbindlichkeiten hat zur Folge, daß der Steuerpflichtige den letzten Bilanzansatz der Verbindlichkeit nicht fortzuführen braucht, wenn der Teilwert gesunken ist; jedoch darf die Verbindlichkeit nicht unter ihrem Anschaffungswert angesetzt werden, da hierdurch das Verbot des Ausweises nichtrealisierter Gewinne verletzt würde. Der Steuerpflichtige kann jedoch den letzten Bilanzansatz weiterführen, vorausgesetzt, daß er zulässig war. Der Grundsatz der eingeschränkten Wertfortführung erlaubt nicht die Beibehaltung eines unzulässig gebildeten Bilanzansatzes in den Bilanzen der Folgejahre.

Im Streitfalle war die Bewertung der Gewinnbeteiligungslast zum 31. Dezember 1951 insoweit unzulässig, als der nach den obigen Darlegungen sich ergebende Teilwert überschritten wurde. Gleichwohl darf der zum 31. Dezember 1951 sich ergebende zulässige Ansatz nicht in der Bilanz zum 31. Dezember 1952 und in den Bilanzen der Folgejahre unverändert fortgeführt werden, da der Barwert der Schuld sich von Jahr zu Jahr bis zum Eintritt der Fälligkeit erhöht. Der Steuerpflichtige ist nach dem für die Bilanzierung von Verbindlichkeiten geltenden handelsrechtlichen und deshalb auch steuerrechtlich zu beachtenden Höchstwertprinzip verpflichtet, den zu den einzelnen Stichtagen sich errechnenden höheren Barwert, d. h. den Teilwert auszuweisen.

IV. Die Vorentscheidung, die von anderen Rechtsgrundsätzen ausging, ist aufzuheben. Die nicht spruchreife Sache wird an das Finanzamt zurückverwiesen. Das Finanzamt hat bei der erneuten Prüfung des Streitfalls den Barwert der aus dem Jahre 1951 herrührenden Gewinnbeteiligungslast zu ermitteln.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411182

BStBl III 1964, 525

BFHE 1965, 138

BFHE 80, 138

BB 1964, 1113

DB 1964, 1395

DStR 1964, 591

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