Entscheidungsstichwort (Thema)

Angemessenheit des Gehalts eines GmbH-Geschäftsführers

 

Leitsatz (amtlich)

In der Regel ist es nicht möglich, die Angemessenheit des Geschäftsführergehaltes von Gesellschafter-Geschäftsführern einer GmbH nach einem bestimmten Prozentsatz des Gewinns der GmbH vor Abzug von Geschäftsführergehältern zu beurteilen.

 

Orientierungssatz

Angemessenheit des Gehalts eines Gesellschaftergeschäftsführers: Ein Geschäftsführer wird sich regelmäßig in anderer Weise als ein "normaler" Angestellter mit dem Wohl und Wehe der Kapitalgesellschaft identifizieren. Dieser erhöhte persönliche Einsatz rechtfertigt in der Regel auch eine deutliche Gehaltsabstufung. Dies gilt insbesondere für den oder die Geschäftsführer, die die Hauptlast der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft tragen.

 

Normenkette

KStG 1984 § 8 Abs. 3 S. 2

 

Verfahrensgang

FG des Saarlandes (Entscheidung vom 30.03.1993; Aktenzeichen 1 K 168/92)

FG des Saarlandes (Entscheidung vom 05.10.1990; Aktenzeichen 1 K 251/89)

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH, die in den Streitjahren 1985 und 1986 die Steuerberatung betrieb. An ihr waren A zu 55 v.H., B, C und D zu je 15 v.H. beteiligt. Alle Gesellschafter waren auch zu Geschäftsführern bestellt. A und B besaßen Einzelvertretungsbefugnis. Schriftliche Anstellungsverträge bestanden nicht. Nach § 7 des Gesellschaftsvertrages bedurften Beschlüsse der Gesellschafterversammlung einer Mehrheit von mehr als 75 v.H. der Stimmen der Gesellschafter und der Zustimmung der Gesellschaft.

Am 5.Januar 1981 schloß die Klägerin mit A zwei Verträge ab. Nach dem einen Vertrag übertrug A den Kundenstamm seiner bisherigen Einzelpraxis auf die Klägerin. Dafür sollte diese 11 000 DM zuzüglich Umsatzsteuer monatlich an A zahlen. Die Vereinbarung war bis zum 31.Dezember 1990 befristet. Der zweite Vertrag war ein "Beratervertrag". Danach sollte A für die "ordnungsgemäße Geschäftsführung" (Betreuung der Mandanten) monatlich 11 160 DM erhalten. Dieser Betrag wurde durch Beschluß der Gesellschafterversammlung der Klägerin vom 16.Januar 1984 auf 12 160 DM mtl. angehoben. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) behandelte den Betrag als Personalkosten der Klägerin.

Die Klägerin zahlte an A, B, C und D in den Jahren von 1981 bis 1986 folgende Jahrestätigkeitsvergütungen:

1981 1982 1983 1984 1985 1986

---- ---- ---- ---- ---- ----

DM DM DM DM DM DM

A 133 920 133 920 141 920 154 920 156 920 156 920

B 96 000 96 000 104 000 134 000 153 800 153 800

C 96 000 96 000 104 000 134 000 153 800 153 800

D 113 760 113 760 121 760 135 760 147 800 147 800.

Der Umsatz der Klägerin entwickelte sich in den genannten Jahren wie folgt:

1981 1982 1983 1984 1985 1986

---- ---- ---- ---- ---- ----

DM DM DM DM DM DM

1,35 Mio 1,48 Mio 1,54 Mio 1,64 Mio 1,75 Mio 1,83 Mio.

Die Klägerin erzielte folgende Gewinne im steuerlichen Sinne:

1981 1982 1983 1984 1985 1986

---- ---- ---- ---- ---- ----

DM DM DM DM DM DM

./. 20 996 ./. 15 367 ./. 6 973 ./. 42 693 ./. 45 376 + 88 419.

Mit Rücksicht auf diese Daten sah das FA die von der Klägerin an A, B, C und D gezahlten Tätigkeitsvergütungen als unangemessen an. Es ermittelte den Gewinn der Klägerin vor Abzug der Geschäftsführergehälter für 1985 mit 616 944 DM und für 1986 mit 637 171 DM. Anschließend behandelte es jeweils zwei Drittel dieser Beträge als "angemessene Tätigkeitsvergütungen". Daraus ergab sich ein als Betriebsausgabe anzuerkennender Durchschnittsbetrag in Höhe von 420 000 DM gegenüber tatsächlich gezahlten 612 320 DM. Den Differenzbetrag von 192 320 DM behandelte das FA in beiden Streitjahren sowohl als verdeckte Gewinnausschüttung i.S. des § 8 Abs.3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1984 als auch als andere Ausschüttung i.S. des § 27 Abs.3 Satz 2 KStG 1984.

Die entsprechenden Körperschaftsteuerbescheide 1985 und 1986 datieren vom 3.August 1988. Der dagegen eingelegte Einspruch und die sich anschließende Klage blieben erfolglos.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

Sie beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben, die Körperschaftsteuerbescheide 1985 und 1986 vom 3.August 1988 in der Form der Einspruchsentscheidung vom 6.November 1989 zu ändern und die Körperschaftsteuern ohne Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung und einer entsprechenden anderen Ausschüttung neu festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht --FG-- (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Unter einer verdeckten Gewinnausschüttung i.S. des § 8 Abs.3 Satz 2 KStG 1984 ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und nicht in Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18.Juli 1990 I R 32/88, BFHE 163, 321, BStBl II 1991, 484). Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der BFH seit seinem Urteil vom 16.März 1967 I 261/63 (BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626) eine Veranlassung der Vermögensminderung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendete, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte. Ist allerdings der begünstigte Gesellschafter ein beherrschender, so kann eine verdeckte Gewinnausschüttung i.S. des § 8 Abs.3 Satz 2 KStG 1984 auch dann anzunehmen sein, wenn die Kapitalgesellschaft eine Leistung an ihn erbringt, für die es an einer klaren, von vornherein abgeschlossenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich auch durchgeführten Vereinbarung fehlt (vgl. BFH-Urteil vom 24.Januar 1990 I R 157/86, BFHE 160, 225, BStBl II 1990, 645).

2. Das FG hat die Gesellschafter A, B, C und D der Klägerin wegen gleichgerichteter Interessen als beherrschende Gesellschafter behandelt. Auf diese Beurteilung kann es jedoch steuerrechtlich nicht ankommen. Die Frage, ob ein Gesellschafter ein beherrschender ist, ist nur dann entscheidungserheblich, wenn es für eine Leistung, die die Gesellschaft einem Gesellschafter erbringt, an einer klaren, von vornherein abgeschlossenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich auch durchgeführten Vereinbarung fehlt. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Das FG ist in tatsächlicher Hinsicht davon ausgegangen, daß die Gehaltszahlungen an A, B, C und D auf Vereinbarungen beruhten, die von vornherein, klar und zivilrechtlich wirksam abgeschlossen und tatsächlich auch durchgeführt wurden.

3. Kann deshalb im Streitfall die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung i.S. des § 8 Abs.3 Satz 2 KStG 1984 nur nach dem Maßstab des Handelns eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters beurteilt werden, so kann die Vorentscheidung schon deshalb keinen Bestand haben, weil das FG Geschäftsführergehälter nur in Höhe von 2/3 des Gewinns der Klägerin vor Abzug der Geschäftsführergehälter pauschal zum Betriebsausgabenabzug zugelassen hat, ohne sich insoweit auf eine Rechtsgrundlage in der Form eines Fremdvergleichs stützen zu können. In der Regel ist es nicht möglich, die Angemessenheit des Geschäftsführergehaltes von Gesellschafter-Geschäftsführern nach einem bestimmten Prozentsatz des Gewinns der Kapitalgesellschaft vor Abzug von Geschäftsführergehältern zu beurteilen. Es fehlt an den dafür erforderlichen gesicherten Vergleichsdaten. Dies gilt im Streitfall um so mehr, als die Klägerin der Dienstleistungsbranche angehörte, die erfahrungsgemäß hohe Personalkosten aufwenden muß. Außerdem verfügte sie über vier Geschäftsführer. Die hohe Zahl spricht dafür, daß der einzelne Geschäftsführer Aufgaben miterledigte, die in anderen vergleichbaren Gesellschaften von Nicht-Geschäftsführern bearbeitet werden. Schließlich berücksichtigt die Vorgehensweise des FG nicht, daß anstelle der Geschäftsführergehälter auch andere Leistungen der Klägerin an ihre Gesellschafter unangemessen hoch sein könnten.

4. Ist für die Abhängigkeit angemessener Geschäftsführergehälter von einem bestimmten Prozentsatz des Gewinns der Klägerin vor Abzug von Geschäftsführergehältern keine Rechtsgrundlage zu erkennen, so kann die Vorentscheidung keinen Bestand haben. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Es ist eine erneute Prüfung der Angemessenheit der Geschäftsführergehälter erforderlich. Diese Prüfung nachzuholen ist die Aufgabe des FG. Zu diesem Zweck war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache war an das FG zurückzuverweisen.

5. Für den zweiten Rechtszug weist der Senat vorsorglich auf folgendes hin:

a) Entscheidende Bedeutung kommt der Beantwortung der Frage zu, ob das von der Klägerin in den Streitjahren an A gezahlte Geschäftsführergehalt angemessen war. Das Gehalt betrug auf der Grundlage von 12 Monatsgehältern mtl. 13 077 DM und auf der Grundlage von 14 Monatsgehältern mtl. 11 209 DM. Diese Beträge erscheinen absolut gesehen nicht ohne weiteres übersetzt, wenn man bedenkt, daß die Klägerin keine Beiträge zur Alters-, Gesundheits- und Sozialvorsorge des A leistete. Deshalb läßt sich die Unangemessenheit des Gehaltes kaum ohne die Durchführung eines Fremdvergleiches feststellen.

b) Der erkennende Senat folgt nicht der Auffassung des FG, wonach der sich aus der Wahrnehmung von Geschäftsführeraufgaben ergebende Erhöhungsfaktor nur sehr niedrig zu veranschlagen sei. Ein Geschäftsführer wird sich regelmäßig in anderer Weise als ein "normaler" Angestellter mit dem Wohl und Wehe der Kapitalgesellschaft identifizieren. Dieser erhöhte persönliche Einsatz rechtfertigt in der Regel auch eine deutliche Gehaltsabstufung. Dies gilt insbesondere für den oder die Geschäftsführer, die die Hauptlast der Geschäftstätigkeit der Klägerin tragen.

c) Soweit das FG den Fremdvergleich auf Zahlenangaben des FA stützt, muß es sich von der tatsächlichen Vergleichbarkeit der Zahlen einen persönlichen Eindruck verschaffen. Das FG kann nicht aus Ermittlungen des FA ein "eindeutiges Ergebnis" ableiten, wenn es sich von den angeblichen Vergleichsbetrieben kein persönliches Bild verschaffen kann.

d) Sollten keine ausreichenden Daten für einen echten Fremdvergleich zur Verfügung stehen, dann ist es zulässig, das angemessene Gehalt des A ausgehend von seinem in den Jahren vor 1981 erzielten (bereinigten) Jahresgewinnen aus freiberuflicher Tätigkeit zu ermitteln. Dabei kann für das Jahr 1981 das Gehalt als angemessen angesetzt werden, das ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter der Klägerin unter Berücksichtigung aller erkennbarer Umstände gefordert hätte, wenn er --wie im Streitfall A-- seine freiberufliche Praxis verkauft und in das Geschäftsführerverhältnis übergewechselt wäre. Das so ermittelte Gehalt kann für die Jahre 1982 bis 1986 um angemessene Gehaltszuschläge erhöht werden. Die insoweit von der Klägerin und A für die Jahre von 1981 bis 1986 vereinbarte Gehaltserhöhung von 23 000 DM entspricht 17,17 v.H. des Gehaltes 1981. Dieser Steigerungssatz ist absolut gesehen nicht übersetzt.

e) Die Angemessenheit der Gehälter von B, C und D kann ggf. nach den Grundsätzen des inneren Betriebsvergleichs aus dem angemessenen Gehalt für A abgeleitet werden. Dabei sind die Unterschiede in den Aufgabenstellungen, in der zeitlichen Beanspruchung und die für den Betrieb der Klägerin zu tragende Verantwortung besonders zu berücksichtigen.

f) Bei dem Vergleich mit dem von der Klägerin für 1985 und 1986 ausgewiesenen Jahresergebnissen kann es von Bedeutung sein, ob diese durch außergewöhnliche Geschäftsvorfälle beeinflußt wurden oder ob die Klägerin sich damals noch in einer Aufbauphase befand, in der auch andere Unternehmen Verluste hingenommen hätten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 63564

BFH/NV 1992, 52

BStBl II 1992, 690

BFHE 167, 42

BFHE 1992, 42

BB 1992, 1985

BB 1992, 1985-1986 (LT)

DB 1992, 1455-1456 (LT)

DStR 1992, 862 (KT)

DStZ 1992, 445 (KT)

HFR 1992, 416 (LT)

StE 1992, 332 (K)

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