Leitsatz (amtlich)

1. Wird beim Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer zweigliedrigen OHG unter Fortführung des Geschäfts durch den anderen Gesellschafter die Rückwirkung des Ausscheidens vereinbart, so ändert dies nichts daran, daß die Steuer für den Übergang eines Grundstücks auf den verbleibenden Gesellschafter unabhängig von der vereinbarten Rückwirkung im Zeitpunkt der Vereinbarung des Ausscheidens entsteht und daß auf diesen Zeitpunkt für die Ermittlung der Gegenleistung abzustellen ist.

2. Zur Frage der Aufteilung der Gesamtgegenleistung auf die einzelnen auf den verbleibenden Gesellschafter übergegangenen Aktiven, wenn die Gegenleistung hinter dem Teilwert der Aktiven zurückbleibt.

2. Ausmaß der Steuervergünstigung nach § 6 Abs. 2 GrEStG.

 

Normenkette

GrEStG 1940 § 1 Abs. 1 Nr. 3, § 6 Abs. 2, §§ 10-11

 

Tatbestand

Der Kläger und seine Schwester waren die Gesellschafter der T. X. OHG mit Kapitalkonten in gleicher Höhe. Außerdem waren sie Miterben an den Nachlässen ihres Vaters T. X. und ihrer Tante M. X.

Aufgrund einer Vereinbarung vom 15. Oktober 1964 schied die Schwester mit Rückwirkung vom 30. Juni 1963 gegen Abfindung aus der Gesellschaft aus. Der Kläger als verbleibender Gesellschafter übernahm das Unternehmen ohne Liquidation mit allen Aktiven und Passlven und führte es unter der bisherigen Firma weiter. Die Abfindung betrug 62 000 DM. Außerdem war der Kläger verpflichtet, seine Schwester von Steuern und sonstigen Abgaben freizustellen, welche die Gesellschaft als solche betreffen.

Die Abfindung war ohne Berücksichtigung des am 30. Juni 1963 noch in der Bilanz der OHG zu 50 v. H. bzw. hinsichtlich der An- und Ausbauten nach dem 21. Juni 1948 zu 100 v. H. bilanzierten Grundstückes in Y, das vor dem 15. Oktober 1964 verkauft und dessen Erlös der OHG zugeflossen war, ermittelt worden. Deshalb erhielt die Schwester die Hälfte des Kaufpreises von 130 000 DM zusätzlich zu der vereinbarten Abfindung.

Zu dem auf den Kläger übergegangenen Vermögen gehörte auch ein in Z gelegenes Grundstück mit einem Büro- und Lagergebäude. Wegen dieses Grundstücksüberganges von der aufgelösten OHG auf den Kläger setzte das beklagte FA die Grunderwerbsteuer vorläufig auf 9 617,30 DM fest, die es im Einspruchsverfahren auf 8 772,95 DM ermäßigte.

Die Klage hatte teilweise Erfolg. Das FG ermäßigte die Steuer auf 7 516,20 DM. Hierbei ging es von einer anteiligen Gegenleistung für die Übernahme des Grundstücks in Z von 214 749 DM aus, die es in Anlehnung an das Urteil des Senats vom 8. Dezember 1965 II 158/62 U (BFHE 84, 149, BStBl III 1966, 54), ausgehend von der Steuerbilanz auf den 30. Juni 1963, unter Zugrundelegung der Teilwerte wie folgt ermittelte:

Teilwerte der Verbindlichkeiten 605 739 DM

Abfindung der Schwester zuzüglich übernommener Steuern 90 869 DM

aufgegebener Kapitalanteil des Klägers an der OHG 162 252 DM

Gesamtgegenleistung für die Aktiven im Teilwert von 930 243 DM 858 860 DM

Da das FG den Teilwert des übernommenen Büro- und Lagergebäudes in Z mit 232 600 DM ermittelt hatte, errechnete es für die Übernahme dieses Gebäudes eine anteilige Gegenleistung von 232 600 x 858 860/930 243= 214 749 DM. Es ließ gemäß § 6 Abs. 2 GrEStG 1940 die Hälfte der sich ergebenden Steuer unerhoben.

Mit der Revision wendet sich der Kläger dagegen, daß das FG wegen des Zurückbleibens der Gegenleistung hinter dem Teilwert der gesamten Aktiven die Teilwerte aller Aktiven anteilig gekürzt habe. Er meint, der Minderwert von 930 243 ./. 858 860 = 71 383 DM sei voll von dem angenommenen Grundstücksteilwert von 232 600 DM zu kürzen, so daß die Gegenleistung für das Büro- und Lagergebäude nur 161 217 DM betrage.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet, weil das FG die Gegenleistung für den Übergang des Grundstücks auf den Kläger bei Auflösung der OHG nicht richtig ermittelt hat.

Der Übergang des Grundstückseigentums auf den Kläger war gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG 1940 steuerpflichtig. Die Steuerpflicht trat mit der Vereinbarung vom 15. Oktober 1964 über das Ausscheiden der Schwester ein; denn erst in diesem Zeitpunkt ist die Schwester aus der OHG ausgeschieden und das Grundstückseigentum dem Kläger angewachsen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß der Kläger und seine Schwester vereinbarten, das Ausscheiden solle mit Wirkung vom 30. Juni 1963 erfolgen. Diese Abmachung kann allenfalls dahin gewürdigt werden, daß die Schwester so behandelt werden sollte, als sei sie am 30. Juni 1963 ausgeschieden. Dies ändert jedoch nichts daran, daß sie bis zum 15. Oktober 1964 Gesellschafterin der OHG war. Befand sich danach das Grundstück bis zu diesem Zeitpunkt im Gesamthandseigentum der OHG, so konnte es nicht rückwirkend ab 30. Juni 1963 Alleineigentum des Klägers werden.

Die Gegenleistung für die hinsichtlich des Grundstücksüberganges nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 in Verbindung mit § 6 Abs. 2 GrEStG 1940 grunderwerbsteuerpflichtige Geschäftsübertragung (Übernahme der Passiven, Abfindungsanspruch des ausscheidenden Gesellschafters, Wert des Kapitalanteils des übernehmenden Gesellschafters) war somit nach den Verhältnissen am 15. Oktober 1964, dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld zu ermitteln (Urteil des BFH II 158/62 U). Dies hat das FG verkannt. Die Vorentscheidung mußte deshalb aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung an das FG zurückverwiesen werden.

Sollte der Wert des hälftigen Reinvermögens per 15. Oktober 1964 wiederum höher sein als die Abfindung, so muß weiter geprüft werden, worauf die differenz zurückzuführen ist und ob sie die anteilige Gegenleistung für den Eigentumsübergang des Grundstücks berührt. Dies wäre nicht der Fall, wenn etwa die Differenz lediglich darauf zurückzuführen wäre, daß die Schwester auf einen Gewinnanspruch seit dem 1. Juli 1963 verzichtet hat und statt dessen für ihr restliches Abfindungsguthaben eine Verzinsung ab 1. Januar 1964 vorgesehen ist. In diesem Falle käme ein Ansatz der anteiligen Gegenleistung für das Büro- und Lagergebäude mit einem geringeren Wert als dem ermittelten Teilwert nicht in Betracht.

Läßt sich nicht ermitteln, worauf ein Zurückbleiben der Abfindung gegenüber dem Wert des hälftigen Reinvermögens zurückzuführen ist, so ist der Minderbetrag anteilig auf alle Aktivwerte zu verteilen, wie es das FG getan hat. Auch Aktivwerte, die eindeutig vollwertig sind, wie Bargeld oder Bankguthaben, dürfen nicht ausgenommen werden. Dies ist allein eine Folge davon, daß nicht ermittelt werden kann, mit welchen Aktivwerten das Zurückbleiben der Abfindung gegenüber dem Wert des hälftigen Reinvermögens im Zusammenhang steht.

§ 6 Abs. 2 GrEStG ist vom FG nicht richtig angewendet worden. Zweck des § 6 Abs. 2 GrEStG 1940 ist es, den Erwerber steuerlich so zu stellen, als habe er das Grundstück zu dem Bruchteil erworben, der dem Anteil der übrigen Gesellschafter am Gesamthandsvermögen entspricht. Bei einer hälftigen Beteiligung wie im vorliegenden Fall wird dieses Ergebnis nicht erreicht, wenn die Abfindung der Schwester und der Wert des aufgegebenen Kapitalanteils des Klägers in unterschiedlicher Höhe angesetzt werden, gleichwohl aber die Hälfte der Steuer unerhoben bleibt. Beide Ansätze müssen vielmehr auf gleicher methodischer Grundlage errechnet werden. Deshalb ist es zweckmäßig, wenn § 6 Abs. 2 GrEStG 1940 bereits bei der Errechnung der Gegenleistung berücksichtigt wird. Gegenleistung für die Hälfte der Aktiven ist dann die Hälfte der Passiven zuzüglich der an die Schwester zu zahlenden Abfindung. Aus dieser Gegenleistung ist sodann die Gegenleistung für den steuerpflichtigen Erwerb der Grundstückshälfte zu errechnen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71341

BStBl II 1975, 417

BFHE 1975, 140

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