Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Umwandlung verrechenbarer in ausgleichsfähige Verluste durch Einlagen des beschränkt haftenden Gesellschafters im folgenden Wirtschaftsjahr

 

Leitsatz (NV)

Einlagen des beschränkt haftenden Gesellschafters einer Personengesellschaft führen nicht dazu, daß ein für einen früheren Veranlagungszeitraum festgestellter verrechenbarer Verlust dieses Gesellschafters ausgleichsfähig wird. Die Vorschrift des §15 a EStG ist insoweit nicht verfassungswidrig.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1; EStG § 15a

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin zu 1 (Klägerin zu 1) betreibt ein Restaurant. Mit Vertrag vom 28. Januar 1983 beteiligte sich die Klägerin und Revisionsklägerin zu 2 (Klägerin zu 2), eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), mit einer Einlage von 30 000 DM als atypisch stille Gesellschafterin am Unternehmen der Klägerin zu 1.

Nach §5 des Gesellschaftsvertrages besteht für die Klägerin zu 2 "in keinem denkbar möglichen Fall" eine über den Betrag von 30 000 DM hinausgehende Pflicht zur Leistung weiterer Einlagen. In §9 des Gesellschaftsvertrages ist bestimmt, daß die jeweiligen Gewinn- oder Verlustanteile der Vertragsbeteiligten auf einem "Sonderdarlehenskonto" erfaßt und fortgeschrieben werden. Die Verlustbeteiligung der atypisch stillen Gesellschafterin gehe aber "in keinem denkbar möglichen Fall über ihr Festkapital hinaus". Die atypisch stille Gesellschafterin darf ihren Gewinnanteil am Jahresende entnehmen (§9 Abs. 5). Gemäß §10 des Vertrages wird bei Ausscheiden eines Gesellschafters dessen Auseinandersetzungsguthaben oder -verlust nach §12 berechnet. In §12 Abs. 2 des Vertrages heißt es: "Neben seinem Kapitalkonto (Festkapital plus Sonderdarlehenskonto) erhält der ausscheidende Gesellschafter die auf ihn anteilig entfallenden stillen Reserven vergütet. Sollte das Kapitalkonto negativ sein, wird dieser Betrag von den stillen Reserven abgezogen."

Am 3. Dezember 1985 beschlossen die Klägerinnen auf einer Gesellschafterversammlung, dem Unternehmen weiteres Kapital in Höhe von insgesamt 50 000 DM zuzuführen. Von diesem Betrag sollten 30 000 DM durch eine weitere Einlage der Klägerin zu 2 aufgebracht werden. Die Klägerin zu 2 leistete die weitere Einlage im Kalenderjahr 1986.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) stellte zum 31. Dezember 1985 für die Klägerin zu 2 einen verrechenbaren Verlust in Höhe von 24 607 DM fest. Dieser Bescheid ist bestandskräftig.

Im Streitjahr 1986 erzielte das Unternehmen einen Gewinn in Höhe von 26 530 DM. Unter Berücksichtigung eines Vorabgewinns für die Klägerin zu 1 ergab sich für die Klägerin zu 2 ein Verlust von 765 DM. In einem zusammengefaßten Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte und des verrechenbaren Verlustes 1986 stellte das FA für die Klägerin zu 2 einen ausgleichbaren Verlust von 765 DM und einen verrechenbaren Verlust zum 31. Dezember 1986 von 24 607 DM fest.

Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, es könne dahinstehen, ob durch eine nachträglich geleistete Einlage verrechenbare Verluste aus vorangegangenen Wirtschaftsjahren in ausgleichsfähige Verluste umgewandelt werden. Denn die Vorschrift des §15 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) sei im Streitfall nicht anwendbar.

Mit ihrer Revision rügen die Klägerinnen die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Die Klägerinnen beantragen sinngemäß, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Einspruchsentscheidung den angefochtenen Feststellungsbescheid dahingehend zu ändern, daß der ausgleichsfähige Verlust für das Streitjahr 1986 mit 25 372 DM und der verrechenbare Verlust zum 31. Dezember 1986 mit 0 DM festgestellt wird.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils ergeben zwar eine Verletzung materiellen Rechts, das Urteil stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar (§126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Das FG hat es im Ergebnis zu Recht abgelehnt, den angefochtenen Bescheid im Sinne des Klageantrags zu ändern.

I. Die Verfahrensrügen der Klägerinnen greifen nicht durch; der Senat sieht insoweit von einer Begründung ab (Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs).

II. Das FG hat nach dem Wortlaut des Rubrums seines Urteils in dem Rechtsstreit "wegen Feststellung 1986" entschieden.

Dazu bemerkt der Senat klarstellend, daß die Höhe der Verluste der Streitjahre und deren Verteilung auf die Klägerin zu 1 als Inhaberin des Handelsgewerbes und die GbR als atypisch stille Gesellschafterin der Klägerin zu 1 nicht streitig sind. Streitig ist vielmehr, wie sich der der Höhe nach unstreitige Anteil der Klägerin zu 2 am Verlust der atypisch stillen Gesellschaft in einen ausgleichsfähigen und einen nicht ausgleichsfähigen (verrechenbaren) Verlust aufteilt. Darüber wird nicht im Verfahren der gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung gemäß §180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung (AO 1977), sondern in dem Verfahren zur Feststellung des verrechenbaren Verlusts des beschränkt haftenden Gesellschafters nach §15 a Abs. 4 EStG entschieden. Beide Verfahren können zwar miteinander verbunden werden (§15 a Abs. 4 Satz 5 EStG), führen aber doch zu besonderen Verwaltungsakten, die auch gesondert und unabhängig voneinander angefochten werden können (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 19. Mai 1987 VIII B 104/85, BFH/NV 1987, 640; Senatsurteil vom 26. Januar 1995 IV R 23/93, BFHE 177, 71, BStBl II 1995, 467). Für den Streitfall ist hiernach davon auszugehen, daß Gegenstand des Verfahrens die Feststellung der verrechenbaren und damit auch der ausgleichsfähigen Verlustanteile der Klägerin zu 2 im Streitjahr im Verfahren nach §15 a Abs. 4 EStG ist.

III. 1. Zwischen den Klägerinnen hat im Streitjahr eine atypisch stille Gesellschaft bestanden, die in steuerlicher Sicht als Mitunternehmerschaft i. S. des §15 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu beurteilen ist. Hiervon geht der Senat in Übereinstimmung mit dem FG und den Verfahrensbeteiligten aus. Die Mitunternehmerschaft der Klägerin zu 2 ist durch den bestandskräftigen Gewinnfeststellungsbescheid 1986 mit bindender Wirkung für das Verfahren nach §15 a Abs. 4 EStG festgestellt worden (§182 Abs. 1 AO 1977).

2. a) Als atypisch stille Gesellschafterin unterlag die Klägerin zu 2 den Einschränkungen des Verlustausgleichs nach §15 a EStG. Denn gemäß §15 a Abs. 5 Satz 1 EStG gelten die Regelungen in Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 3 Sätze 1, 2 und 4 der Vorschrift sinngemäß für "andere Unternehmer, deren Haftung mit der eines Kommanditisten vergleichbar ist". Anderer Unternehmer i. S. des §15 a Abs. 5 Satz 1 EStG ist nach Nr. 1 dieser Vorschrift insbesondere der stille Gesellschafter, der als Mitunternehmer des Handelsgewerbes anzusehen ist, an dem die stille Beteiligung besteht. Zwar gibt es keine der (beschränkten) Außenhaftung des Kommanditisten (vgl. §171 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches -- HGB --) entsprechende Haftung des stillen Gesellschafters; seine Gleichstellung mit dem Kommanditisten ist jedoch gerechtfertigt, weil er nach dem Regelstatut des HGB im Innenverhältnis nur bis zum Betrag seiner Einlage für Verluste des Unternehmens einzustehen hat (§232 Abs. 2 Satz 1 HGB). Die Vereinbarung der Klägerinnen in §9 des Gesellschaftsvertrages über die beschränkte "Haftung" der Klägerin zu 2 stimmt mit der Regelung des §232 Abs. 2 Satz 1 HGB überein. Die Voraussetzungen des §15 a Abs. 5 Nr. 1 EStG für eine sinngemäße Anwendung des Absatzes 1 der Vorschrift sind deshalb erfüllt.

b) Das FG hat eine Vergleichbarkeit zwischen der Haftung der Klägerin zu 2 und der eines Kommanditisten zu Unrecht mit der Begründung verneint, nach den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages könne ein negatives Einlagekonto der stillen Gesellschafterin durch Zuweisung von Verlustanteilen nicht entstehen; Verlustanteile, die über die geleistete Einlage hinausgingen, seien nicht der Klägerin zu 2, sondern der Klägerin zu 1 zuzurechnen.

aa) Der erkennende Senat kann offen lassen, ob das FG den Gesellschaftsvertrag insoweit zutreffend ausgelegt hat. Die Regelung in §9, nach der die Verlustbeteiligung der atypisch stillen Gesellschafterin in keinem Fall über ihr Festkapital hinausgeht, läßt auch die Auslegung zu, daß diese Beschränkung nur für den Fall der Auflösung der Gesellschaft gelten soll. In diesem Sinne wird jedenfalls die entsprechende gesetzliche Regelung über die Verlustteilnahme des Kommanditisten in §167 Abs. 3 HGB verstanden. Nach allgemeiner Ansicht schließt §167 Abs. 3 HGB die Entstehung eines negativen Kapitalkontos des Kommanditisten während der werbenden Tätigkeit der Gesellschaft nicht aus (vgl. Schlegelberger, Handelsgesetzbuch, 5. Aufl., §167 Rdnr. 13, m. w. N.). Der Senat kann ferner dahinstehen lassen, ob -- ausgehnd von der Vertragsauslegung des FG -- die Regelung in §9 des Gesellschaftsvertrages über die beschränkte Zurechnung von Verlusten bei der stillen Gesellschafterin durch die abweichende tatsächliche Handhabung der Gesellschafter mit steuerrechtlicher Wirkung abgeändert werden konnte. Denn im vorliegenden Verfahren kann nicht mehr geprüft werden, ob der Klägerin zu 2 über ihre Einlage hinaus mit steuerlicher Wirkung Verlustanteile zugewiesen werden durften.

bb) Über die Frage, wer an dem von der atypisch stillen Gesellschaft erzielten Gewinn oder Verlust beteiligt ist und wie sich dieser Gewinn oder Verlust auf die einzelnen Gesellschafter (Mitunternehmer) verteilt, wird nicht im Bescheid über die Feststellung des verrechenbaren Verlusts, sondern im Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte nach §180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 mit bindender Wirkung für das Feststellungsverfahren nach §15 a Abs. 4 EStG entschieden (BFH- Urteil vom 11. Mai 1995 IV R 44/93, BFHE 177, 466, unter 3.). Der Bescheid nach §180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 ist insoweit Grundlagenbescheid i. S. von §§171 Abs. 10, 175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 für den Folgebescheid über die Feststellung des verrechenbaren Verlusts (BFH-Beschluß vom 8. Mai 1995 III B 113/94, BFH/NV 1995, 971; v. Beckerath in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, §15 a Rdnr. E 25). Im Feststellungsverfahren nach §15 a Abs. 4 EStG ist nur noch zu prüfen, ob und in welchem Umfang ein beschränkt haftender Gesellschafter seinen Anteil am Verlust der Personengesellschaft mit positiven anderen Einkünften ausgleichen kann (BFH- Urteil in BFHE 177, 466). Bei Beachtung der Bindungswirkung der Gewinnfeststellung (§182 Abs. 1 AO 1977) und der bestandskräftigen Feststellung des verrechenbaren Verlusts des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs (§15 a Abs. 4 Satz 4 EStG) für den angefochtenen Feststellungsbescheid war im finanzgerichtlichen Verfahren davon auszugehen, daß der Klägerin zu 2 in den Vorjahren mit steuerrechtlicher Wirkung Verlustanteile zugerechnet worden sind, die zur Entstehung eines negativen Kapitalkontos geführt haben.

c) Die sinngemäße Anwendung des §15 a Abs. 1 Satz 1 EStG hat zur Folge, daß der stille Gesellschafter einen Anteil am Verlust, der nach dem Gesellschaftsvertrag auf ihn entfällt, nicht mit positiven anderen Einkünften ausgleichen und auch nicht nach §10 d EStG abziehen kann, soweit durch den Verlustanteil ein negatives Kapitalkonto entsteht oder sich erhöht. Im Streitfall ist der Klägerin zu 2 im Gewinnfeststellungsbescheid 1986 ein Verlustanteil in Höhe von 765 DM zugewiesen worden. Durch diesen Verlustanteil hat sich ihr negatives Kapitalkonto jedoch nicht erhöht, weil sie im gleichen Jahr eine Einlage von 30 000 DM geleistet hat. Der Verlustanteil des Jahres 1986 in Höhe von 765 DM ist deshalb vom FA zutreffend in voller Höhe als ausgleichsfähiger Verlust festgestellt worden.

3. Den verrechenbaren Verlust zum 31. Dezember 1986 hat das FA zutreffend auf 24 607 DM festgestellt. Dieser Betrag ergab sich aus der bestandskräftigen Feststellung des verrechenbaren Verlusts für das vorangegangene Wirtschaftsjahr (vgl. §15 a Abs. 4 Satz 2 EStG; BFH-Urteil vom 26. Januar 1995 IV R 23/93, BFHE 177, 71, BStBl II 1995, 467). Zwar ist das negative Kapitalkonto der Klägerin zu 2 im Jahr 1986 durch die Einlage von 30 000 DM gemindert worden. Der verrechenbare Verlust ist durch diesen Vorgang jedoch nicht in einen ausgleichsfähigen Verlust umgewandelt worden.

a) Nach dem Wortlaut des Gesetzes führen Einlagen nicht dazu, daß der verrechenbare Verlust in einen ausgleichsfähigen Verlust umgewandelt wird. Der nach §15 a Abs. 1 EStG nicht ausgleichsfähige (verrechenbare) Verlust wird gemäß §15 a Abs. 2 EStG von späteren Gewinnen des Kommanditisten aus der Beteiligung an der KG abgezogen. Entsprechendes gilt für einen atypisch stillen Gesellschafter nach §15 a Abs. 5 Nr. 1 EStG. Bei ihm wird ein nicht ausgleichsfähiger Anteil am Verlust des Handelsgewerbes von späteren Gewinnen aus der Beteiligung an dem Handelsgewerbe abgezogen. Eine Umwandlung eines verrechenbaren Verlusts in einen ausgleichsfähigen Verlust in einem Folgejahr, in dem der Gesellschafter eine (weitere) Einlage erbringt, ist im Gesetz nicht vorgesehen. Vorgesehen ist in §15 a Abs. 3 Satz 1 und 2 EStG lediglich, daß eine spätere Einlageminderung zur Umwandlung eines bisher ausgleichsfähigen Verlusts in einen verrechenbaren Verlust führt. Im Ergebnis bedeutet dies, daß nach dem klaren Wortlaut der gesetzlichen Regelung Einlagen, die in Jahren nach der Entstehung eines verrechenbaren Verlusts getätigt werden, den verrechenbaren Verlust nicht in einen ausgleichsfähigen Verlust umwandeln (BFH- Urteil vom 14. Dezember 1995 IV R 106/94, BFHE 179, 368, BStBl II 1996, 226, unter III. 6.; L. Schmidt, Einkommensteuergesetz, 16. Aufl., §15 a Rz. 180, m. w. N.).

b) Eine analoge Anwendung des Rechtsgedankens des §15 a Abs. 3 Sätze 2 und 3 EStG auf den Fall der nachträglichen Erhöhung der Einlage ist entgegen der Ansicht der Klägerinnen nicht möglich. Eine Erweiterung des Anwendungsbereichs eines Gesetzes im Wege der Analogie ist den Gerichten nur erlaubt, wenn sich die gesetzliche Regelung gemessen an ihrem Zweck als "planwidrig unvollständig" und ergänzungsbedürftig erweist (st. Rspr., vgl. z. B. Senatsbeschluß vom 28. Mai 1993 VIII B 11/92, BFHE 171, 300, BStBl II 1993, 665; BFH-Urteil in BFHE 179, 368, 375, BStBl II 1996, 226, m. w. N.). Eine gesetzliche Vorschrift ist nicht lückenhaft in diesem Sinn, wenn der Gesetzgeber den Anwendungsbereich einer Vorschrift bewußt auf bestimmte Tatbestände beschränkt hat. In einem solchen Fall ist den Gerichten die sinngemäße Anwendung der Vorschrift auf im Gesetz nicht genannte Tatbestände auch dann verwehrt, wenn sie die gesetzliche Regelung für rechtspolitisch verfehlt halten (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes -- GG --; vgl. z. B. auch Beschluß des Bundesverfassungsgerichts -- BVerfG -- vom 27. Dezember 1991 2 BvR 72/90, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1992, 563).

Die Regelung des §15 a Abs. 3 EStG ist nicht "planwidrig" unvollständig, soweit sie im Fall der nachträglichen Einlagenerhöhung keine Umwandlung verrechenbarer in ausgleichsfähige Verluste vorsieht. Vielmehr zeigt die Entstehungsgeschichte des §15 a EStG, daß der Gesetzgeber bewußt von einer solchen Regelung abgesehen hat (vgl. Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags, BTDrucks 8/4157, S. 3; Urteil in BFHE 179, 368, 376, BStBl II 1996, 226, unter III. 6. b). Aus dem Bericht des Finanzausschusses (a.a.O.) ergibt sich deutlich, daß der Gesetzgeber beabsichtigte, die Ausgleichsfähigkeit von Verlusten beschränkt haftender Unternehmer, insbesondere der Mitunternehmer von Personengesellschaften, auf den am jeweiligen Bilanzstichtag des Jahres der Verlustentstehung gegebenen Haftungsumfang zu begrenzen, sei es auf den Betrag der bis zum Bilanzstichtag geleisteten Einlage (Beschluß in BFH/NV 1987, 640, und Urteil vom 11. Dezember 1990 VIII R 8/87, BFHE 165, 27 BStBl II 1992, 232), sei es auf den am Bilanzstichtag gegebenen Betrag der Außenhaftung aufgrund einer entsprechenden Eintragung in das Handelsregister (BFH-Urteil vom 14. Mai 1991 VIII R 111/86, BFHE 164, 526, BStBl II 1992, 164). Die Regelung in §15 a Abs. 3 EStG über die Folgen einer nachträglichen Einlage- oder Haftungsminderung kann nicht als Ausprägung eines allgemeinen Rechtssatzes des Inhalts verstanden werden, daß nachträgliche Änderungen der am Bilanzstichtag geleisteten Einlage oder der am Bilanzstichtag bestehenden Außenhaftung in allen Fällen zu Erhöhungen bzw. Minderungen der Ausgleichsmöglichkeit für in früheren Jahren erzielte Verluste führen. Die Regelung des §15 a Abs. 3 EStG soll vielmehr lediglich verhindern, daß Verluste ausgleichsfähig bleiben, obwohl durch Rücknahme der Einlage oder des Haftungsbetrags die Rechtfertigung für den früheren Verlustausgleich entfällt (BFH-Urteil in BFHE 179, 368, BStBl II 1996, 226). Ob die rechtspolitischen Erwägungen, auf denen diese Regelung beruht, überzeugend sind und ob auch andere Regelungen gleichwertig oder sogar im Sinne der gesetzgeberischen Zielvorstellung vorteilhafter gewesen wären, hat der Senat nicht zu beurteilen; das Gericht ist an die Regelung gebunden, die der Gesetzgeber tatsächlich getroffen hat (Art. 20 Abs. 3 GG).

4. Die Regelung des §15 a EStG ist mit der Verfassung vereinbar, soweit nachträglich geleistete Einlagen keine Umqualifizierung verrechenbarer Verluste früherer Wirtschaftsjahre in ausgleichsfähige Verluste bewirken; die Regelung verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Eine gesetzliche Regelung verletzt den Gleichheitssatz, wenn sie unter keinem sachlichen Gesichtspunkt zu rechtfertigen ist (BVerfG-Beschluß vom 2. Oktober 1969 1 BvL 12/68, BVerfGE 27, 58). Die Begrenzung des Verlustausgleichs auf den am Bilanzstichtag gegebenen Haftungsumfang ist sachlich vertretbar. Der Gesetzgeber war nicht aus verfassungsrechtlichen Erwägungen gehalten, Einlageerhöhungen späterer Wirtschaftsjahre nicht nur auf das Ausgleichsvolumen für Verluste des Einlagejahres und künftige Verluste, sondern auch für Verluste früherer Wirtschaftsjahre vor der Einlageerhöhung wirksam werden zu lassen. Der Gesetzgeber konnte zur Rechtfertigung seiner Entscheidung berücksichtigen, daß sämtliche Einlagen bis zum Bilanzstichtag das Verlustausgleichsvolumen erhöhen und daß eine weitergehende Regelung zu einer weiteren Komplizierung der Vorschrift geführt und zugleich wohl Spielräume für Verlustzuweisungsgesellschaften geboten hätte (vgl. BTDrucks 8/4157, S. 3). Von Bedeutung für die verfassungsrechtliche Beurteilung ist auch, daß die gesetzliche Regelung nicht dazu führt, daß tatsächlich und rechtlich vom beschränkt haftenden Gesellschafter getragene Verluste endgültig von ihrer steuerlichen Berücksichtigung ausgeschlossen werden. Der Senat schließt sich der Rechtsauffassung des III. und des IV. Senats des BFH an (Beschluß vom 8. Mai 1995 III B 113/94, BFH/NV 1995, 971; Urteil in BFHE 179, 368, BStBl II 1996, 226; vgl. ferner Urteil des FG Münster vom 19. Dezember 1990 I 5601/89 F, Entscheidungen der Finanzgerichte 1991, 537), daß ein als verrechenbar festgestellter Verlust, den ein Kommanditist oder stiller Gesellschafter nach der Beendigung der Gesellschaft endgültig zu tragen hat, als ausgleichs- und abzugsfähiger Verlust zu berücksichtigen ist (ebenso Schmidt, a.a.O., §15 a Rz. 180).

 

Fundstellen

Haufe-Index 67632

BFH/NV 1998, 1078

DStRE 1998, 624

DStZ 1998, 768

HFR 1998, 821

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