Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Sollen Aufwendungen eines als Schriftsteller tätigen Kunsthistorikers für den Besuch von Museen, Bildergalerien und Kunstausstellungen als beruflich bedingt anerkannt werden, so müssen sie - wenn nicht im Rahmen einer lehrgangsmäßigen Organisation - auf eine Weise gemacht werden, die die Möglichkeit einer privaten Bildungsreise nahezu ausschließt.

Zum Nachweis der ausschließlich beruflichen Veranlassung derartiger Aufwendungen müssen vom Steuerpflichtigen über die Besichtigung der Museen usw. Arbeitsmaterialien in Gestalt von Notizen, Tagebüchern u. ä. vorgelegt werden, wie sie üblicherweise nach Form und Inhalt von privaten Bildungsreisenden nicht geführt werden.

Erledigt ein Steuerpflichtiger auf einer Reise, die vorwiegend der Erholung dient, ein Berufsgeschäft, so sind nur die durch das Berufsgeschäft entstehenden Mehrkosten Betriebsausgaben.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1

 

Tatbestand

Streitig ist für den Veranlagungszeitraum 1956, ob und in welchem Umfange Kosten für einen Aufenthalt des Bg. in Holland als Betriebsausgaben gemäß § 4 Abs. 4 EStG 1955 abzugsfähig sind.

Der Bg. ist Kunsthistoriker und Schriftsteller mit Wohnsitz in A. In der Zeit vom 1. bis 30. September 1956 hat er sich mit seiner Ehefrau, seinem Kind und einer Hausgehilfin im Seebad S. aufgehalten und dort eine Ferienwohnung gemietet. Während seines dortigen Aufenthalts hat der Bg. unter anderem französische Literatur ins Deutsche übersetzt sowie Museen und Ausstellungen besucht. An einem Tag hat er mit einem holländischen Verlag wegen übernahme eines seiner Werke, insbesondere auch wegen der überlassung von Klischees verhandelt. Der Bg. beantragte, die ihm hierdurch entstandenen Aufwendungen in Höhe von 1.500 DM als Betriebsausgaben abzusetzen.

Das Finanzamt hat auch in der Einspruchsentscheidung die Anerkennung dieser Kosten als Betriebsausgaben abgelehnt. Die geltend gemachten Aufwendungen beträfen auch die private Lebenssphäre; eine Trennung in einen privaten und einen betrieblichen Anteil sei nicht möglich. Die gesamten Kosten seien daher als private Kosten anzusehen.

Das Finanzgericht hat von den geltend gemachten Aufwendungen 542,50 DM mit steuermindernder Wirkung berücksichtigt und es als erwiesen angesehen, daß der Besuch der Museen (an etwa 12 Tagen) sowie die Verhandlung mit dem Verlag beruflichen Zwecken gedient hätten.

Im einzelnen hat es hierzu ausgeführt:

Der Bg. habe die Reise nach Holland unter anderem deswegen unternommen, um mit einem holländischen Verlag zu verhandeln. Anlaß und Zweck dieser Reise müßten insoweit als betrieblich angesehen werden. Es seien die Kosten (einschließlich Fahrtkosten), die für den Tag der Hinreise, des Aufenthalts am Sitz des Verlags und der Rückreise entstanden seien, als Betriebsausgaben anzuerkennen.

Die auf die übersetzungsarbeiten entfallenden Aufwendungen seien keine Betriebsausgaben. Diese seien zwar zur beruflichen Tätigkeit des Bg. zu rechnen. Da hierzu aber ein Aufenthalt in Holland weder notwendig noch erforderlich gewesen sei, die Voraussetzungen für diese übersetzungsarbeiten in A. (in Deutschland) nach den Angaben des Bg. sogar günstiger gewesen seien, die Wahl des Bades S. als Reiseziel zum Zweck einer besseren Erholung der Familie gewählt worden sei, müsse ein Abzug dieser Aufwendungen unterbleiben.

Soweit der Bg. seinen Aufenthalt in Holland zum Besuch von Museen und Ausstellungen benutzt habe, sei ein betrieblicher Anlaß gegeben. Der Bg. sei Kunsthistoriker und Schriftsteller. Er müsse sich von Berufs wegen mit Bildern großer Meister beschäftigen. Hierzu habe ihm insbesondere die Rembrandt-Ausstellung in Amsterdam eine einmalige Gelegenheit geboten. Für den Bg. handele es sich hierbei in erster Linie um eine berufliche Arbeit, die ihm neue Kenntnisse und Erkenntnisse vermittele und ihm insbesondere Stoff für seine kunsthistorischen Werke liefere. So habe der Bg. den ersten Teil eines einschlägigen Werkes und zahlreiche Notizen über seine damaligen Besuche von Kunststätten vorgelegt.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

I. - Zu 1): Aufwendungen für die Verhandlung des Bg. mit einem holländischen Verlag

Die Vorentscheidung beruht offenbar auf einer nicht ausreichenden Würdigung der festgestellten Tatsachen. Es steht fest, daß der Bg. sich mit seiner Ehefrau, seinem Kind und der Hausgehilfin in der Zeit vom 1. bis 30. September 1956 im Seebad S. aufgehalten und dort eine Ferienwohnung gemietet hat. Es steht ferner fest, daß er von S. aus an etwa 10 bis 12 Tagen Museen und Ausstellungen in Amsterdam, Rotterdam, Den Haag und Delft besucht und an einem Tag Verhandlungen mit einem Verlag in D. geführt hat. Der Bg. war also mit seiner Familie etwa einen Monat in einem ausländischen Seebad, wobei nach seinem eigenen Vorbringen für dessen Wahl als Reiseziel die bessere Erholungsmöglichkeit für seine Familie ausschlaggebend war. Nach der Lebenserfahrung sprechen diese Umstände vorwiegend dafür, daß es sich um eine private Ferienreise handelte. Wenn auch der Bg. auf dieser Reise nebenher Berufsgeschäfte erledigt haben mag, so hat das Finanzgericht doch offenbar übersehen, daß die Reise einen ganzen Monat dauerte, d. h. doppelt so lange wie auch bei Großzügigster Beurteilung für die behaupteten Berufsgeschäfte üblich und erforderlich gewesen wäre. Macht aber ein Steuerpflichtiger eine Reise, die vorwiegend der Erholung dient, so werden die Kosten einer solchen Reise nicht dadurch zu Betriebsausgaben, daß auf der Reise gleichzeitig ein Berufsgeschäft erledigt wird. Die durch eine solche Reise veranlaßten Aufwendungen gehören vielmehr zu den Kosten der Lebenshaltung. Betriebsausgaben sind nur die Mehrkosten, die auf der Privatreise ausschließlich durch die Erledigung der Berufsgeschäfte entstehen. Eine andere Beurteilung würde die Gleichmäßigkeit der Besteuerung gefährden, weil sie Steuerpflichtigen, die als Einkunft den Gewinn versteuern, die Möglichkeit gäbe, ohne besondere Schwierigkeiten die Kosten einer Erholungsreise, die zu den typischen Kosten der Lebensführung gehören, als Betriebsaufwand zu behandeln (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs 1 228/55 U vom 24. April 1956, BStBl 1956 III S. 195, Slg. Bd. 63 S. 3). Unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt liegt hinsichtlich der durch die Verhandlung mit dem holländischen Verlag entstandenen Aufwendungen nur insoweit eine Betriebsausgabe vor, als es sich dabei um die Fahrtkosten von S. nach D. und zurück sowie um den Mehraufwand für Verpflegung für einen Tag handelt.

Zu 2): Aufwendungen für übersetzungsarbeiten in Holland Wie hierzu die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, trifft es zwar zu, daß die übersetzungsarbeiten eine berufliche Tätigkeit darstellen, daß sie auch während einer Reise geleistet worden sind, daß aber ungeachtet dessen die Reisekosten nicht durch den Betrieb (berufliche Tätigkeit) veranlaßt worden sind. Es hat kein beruflicher Grund dafür vorgelegen, die übersetzungsarbeiten gerade in Holland und nicht in A. durchzuführen. Da es sich um französische übersetzungen gehandelt hat, war hierfür ein Aufenthalt in Holland weder notwendig noch förderlich. Hierzu kommt, daß die Voraussetzungen für die übersetzungsarbeiten in A. nach den eigenen Angaben des Bg. sogar günstiger gewesen wären, weil die dortigen Bibliotheken geeignetere Hilfsmittel geboten hätten. Die Vorinstanz hat daher zu Recht die Anerkennung der insoweit geltend gemachten Aufwendungen als Betriebsausgaben gemäß § 4 Abs. 4 EStG abgelehnt.

Zu 3): Aufwendungen für den Besuch von Museen und Ausstellungen in Holland

Voraussetzung für die Anerkennung derartiger Aufwendungen als Betriebsausgaben gemäß § 4 Abs. 4 EStG ist, daß die Reisen zu dem genannten Zweck ausschließlich oder weitaus überwiegend beruflich bedingt gewesen sind. Dies wird in der Regel nur dann der Fall sein, wenn derartige Besichtigungen im Rahmen einer lehrgangsmäßig organisierten Reise durchgeführt werden. In Ausnahmefällen jedoch kann der beruflich bedingte Reisezweck auch ohne das Vorhandensein einer lehrgangsmäßigen Organisation nachgewiesen sein, so zum Beispiel, wenn die Reise im Rahmen der Erledigung eines schon bestehenden oder angestrebten beruflichen Zwecks durchgeführt wird und die Reiseziele nachweisbar entsprechend ausgewählt werden. Die hierdurch verursachten Aufwendungen werden in aller Regel Betriebsausgaben sein (vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs IV 241/60 vom 9. Dezember 1960, BStBl 1961 III S. 99, Slg. Bd. 72 S. 273, und die dort aufgeführte Rechtsprechungsübersicht). Der Bg. hat hierzu vorgetragen, daß er sich von Berufs wegen mit Bildern großer Meister zu beschäftigen habe und daß ihm hierzu insbesondere die Rembrandt-Ausstellung in Amsterdam sowie auch der Besuch der Museen in Amsterdam, Rotterdam und Delft einmalige Gelegenheiten hierzu geboten hätten. Er arbeite zur Zeit an dem zweiten Teil seines Werkes. Der Besuch der Museen und Ausstellungen in Holland habe ihm hierzu neue Kenntnisse und Erkenntnisse vermittelt und Stoff für dieses kunsthistorische Werk geliefert. Nach Auffassung des Senats ist eine Anerkennung derartiger Aufwendungen als Betriebsausgaben nur dann möglich, wenn der Steuerpflichtige, wie im Streitfall, ein anerkannter Experte auf dem Gebiet der Malkunst ist und er diese Kenntnisse und Erfahrungen berufsmäßig als Schriftsteller auswertet. Zum Nachweis des beruflich bedingten Zwecks dieser Reisen im einzelnen muß jedoch außerdem gefordert werden, daß Arbeitsmaterialien über die Besichtigungen in Gestalt von Notizen, Tagebüchern u. ä. vorgelegt werden, wie sie üblicherweise nach Form und Inhalt von privaten Bildungsreisenden nicht geführt werden. Ob letzteres der Fall ist, hat die Vorinstanz noch nicht hinreichend geprüft. Es bedarf vielmehr der Prüfung, ob die über den Besuch der Museen in Holland gefertigten Notizen den erwähnten Anforderungen genügen. Ist dies nicht der Fall, so handelt es sich bei dem Besuch der Museen und Ausstellungen, auch schon mangels einer lehrgangsmäßigen Organisation, um Aufwendungen für die Lebensführung, die die wirtschaftliche und gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, auch wenn sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Bg. erfolgt sind (ß 12 Ziff. 1 EStG).

II. - Aus den zu 1) und 3) erwähnten Gründen unterliegt die Vorentscheidung der Aufhebung. Die nicht spruchreife Sache wird an das Finanzgericht zurückverwiesen. Dieses wird unter Beachtung der vorstehenden Ausführungen nach weiterer Sachaufklärung erneut zu entscheiden haben. Sofern und soweit sich die berufliche Veranlassung des Besuchs der Rembrandt-Ausstellung und der Museen herausstellen sollte, sind die Kosten für Hin- und Rückfahrt von S. zu den Zielorten sowie die für den Verpflegungsmehraufwand als Betriebsausgaben im Sinne von § 4 Abs. 4 EStG abzugsfähig.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410615

BStBl III 1963, 36

BFHE 1963, 97

BFHE 76, 97

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