Entscheidungsstichwort (Thema)

Zurechnung des Nutzungswertes bei Wohnrecht an einzelnen Räumen im Rahmen eines Leibgedinges; Überlassung einzelner Räume als dauernde Last

 

Leitsatz (NV)

1. Wird bei einer Vermögensübergabe im Wege der vorweggenommenen Erbfolge dem Übergebenden im Rahmen eines Leibgedinges ein Wohnungsrecht an einzelnen Räumen der Wohnung des Übernehmers eingeräumt, so ist der Nutzungswert der Wohnung in vollem Umfang dem Übernehmer zuzurechnen.

2. Die Überlassung einzelner Wohnräume stellt für den Übernehmer eine dauernde Last im Sinne von § 10 Abs. 1 Nr.1a EStG dar.

 

Normenkette

EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a, § 21 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

FG Nürnberg

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die zur Einkommensteuer zusammen veranlagt werden. Sie waren zu je 1/4 Berechtigte eines Erbbaurechtes an dem mit einem als Zweifamilienhaus bewerteten Wohngebäude bebauten Grundstück; neben ihnen war die Mutter der Klägerin zur Hälfte an dem Erbbaurecht beteiligt. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 5. Januar 1976 trat diese ihren Anteil an dem Erbbaurecht an die Klägerin ab. Die Klägerin übernahm dafür die bestehenden Grundpfandrechte und verpflichtete sich, dafür zu sorgen, daß die Mutter lebenslänglich und unentgeltlich in dem Zweifamilienhaus wohnen könne. Zur ausschließlichen Nutzung erhielt die Mutter der Klägerin zwei Räume in dem Zweifamilienhaus; daneben stand ihr das Recht auf Mitbenutzung der ,,allgemeinen Einrichtungen" des Hauses, insbesondere der Küche und des Bades zu. Die Kosten für Strom und Heizung sollte die Mutter der Klägerin selbst tragen. Die Klägerin verpflichtete sich ferner, ihrer Mutter im Bedarfsfall alle notwendigen Arbeiten mitzuverrichten und ihr Wartung und Pflege angedeihen zu lassen. Auf dingliche Sicherstellung ihrer Rechte im Grundbuch wurde verzichtet.

Mit privatschriftlicher Nachtragsvereinbarung vom 5. März 1984 wurde das Wohnrecht der Mutter der Klägerin an zwei Räumen des Zweifamilienhauses in der Weise modifiziert, daß an Stelle der ausschließlichen Bestellung zweier bestimmter Räume die Bestimmung der jeweils von der Berechtigten genutzten Räume ,,unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen unter besonderer Gewichtung der Gesundheit und des Alters der Berechtigten" erfolgt. Zudem wurde vereinbart, daß die Klägerin sämtliche mit der Wohnraumüberlassung zusammenhängenden Kosten, insbesondere für Beheizung und Beleuchtung, Wasser, Grundsteuer sowie öffentliche Abgaben und Gebühren trägt. Außerdem übernahm die Klägerin die Instandhaltungskosten und Reinigungskosten der überlassenen Räume.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 1984 (Streitjahr) ermittelten die Kläger die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus dem Zweifamilienhaus in der Weise, daß sie sowohl für die eigengenutzten Räume als auch für die der Mutter der Klägerin überlassenen Wohnräume den Mietwert ansetzten und sämtliche mit dem Wohnhaus in Zusammenhang stehenden Kosten sowie die Absetzungen für Abnutzung (AfA) als Werbungskosten berücksichtigten. Hiernach ergab sich ein Werbungskostenüberschuß in Höhe von . . . DM. Zudem machten die Kläger die Aufwendungen für das Leibgedinge bei den Sonderausgaben als dauernde Last geltend.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung lediglich den Mietwert der von den Klägern selbstgenutzten Wohnräume des Zweifamilienhauses und ließ dementsprechend von den Werbungskosten, die es mit . . . DM ermittelte, für die Kläger entsprechend ihrer Nutzung des Wohnhauses nur einen Anteil von 80 v.H. zum Abzug zu, so daß sich ein Werbungskostenüberschuß in Höhe von . . . DM ergab. Die geltend gemachte dauernde Last wurde nicht als Sonderausgaben anerkannt.

Im Einspruchsverfahren berücksichtigte das FA aufgrund der Nachtragsvereinbarung vom 5. März 1984 lediglich die Kosten der Beheizung und Beleuchtung sowie des Wassergeldes einschließlich Entwässerung als dauernde Last.

Die hiergegen gerichtete Klage führte nur teilweise zum Erfolg: Das FG vertrat die Auffassung, die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung seien zutreffend festgestellt, weil die Kläger hinsichtlich der der Mutter der Klägerin überlassenen Wohnräume den Tatbestand der Einkunftserzielung i.S. des § 21 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht verwirklicht hätten; dem stehe nicht entgegen, daß die Mutter der Klägerin als Nutzende den Tatbestand der Einkunftserzielung deshalb nicht erfülle, weil § 21 Abs. 2 EStG nicht die Nutzung einzelner Räume, sondern nur die einer zur Führung eines selbständigen Haushalts geeigneten Wohnung erfasse. Hingegen seien bei den Sonderausgaben die anteiligen Erhaltungsaufwendungen und anteiligen Grundstückslasten als zusätzliche dauernde Lasten abzugsfähig.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger insoweit eine Verletzung des § 21 Abs. 2 EStG sowie des § 9 Abs. 1 EStG, als ihnen nicht der Nutzungswert der der Mutter der Klägerin überlassenen Wohnräume zugerechnet worden sei. Darüber hinaus beanstanden die Kläger einen Verstoß gegen § 10 Abs. 1 Nr.1a EStG, da das FG die Gewährung freier Wohnung an die Mutter der Klägerin und im Zusammenhang damit zu tragende Instandhaltungs- und Bewirtschaftungskosten nicht als dauernde Last berücksichtigt habe.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Entscheidung des Senats in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Nr.1 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 418672

BFH/NV 1993, 95

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