Leitsatz (amtlich)

1. Das FA kann vom Geschäftsführer einer GmbH, den es als Haftungsschuldner wegen nicht entrichteter Umsatzsteuer der GmbH in Anspruch nehmen will, die zur Feststellung des Haftungsumfangs notwendigen Auskünfte über die anteilige Gläubigerbefriedigung im Haftungszeitraum verlangen.

2. Dabei können Angaben über Gläubiger, Schuldgrund, Fälligkeitszeitpunkt und Zahlungszeitpunkt der einzelnen Verbindlichkeiten i.d.R. nicht verlangt werden.

 

Orientierungssatz

1. Ausführungen zur sog. Mittelverwendung im Rahmen der Geschäftsführerhaftung bei insgesamt nicht ausreichenden Zahlungsmitteln der GmbH, zur Berechnung der Höhe der Haftungssumme, zur Verhältnismäßigkeit des Auskunftsverlangens, zum Umfang der zulässigen Auskünfte und zum Bestehen der Mitwirkungspflicht des Geschäftsführers unabhängig von den für die GmbH geltenden gesetzlichen Aufbewahrungsfristen für die Geschäftsunterlagen (vgl. BFH-Rechtsprechung; Literatur).

2. Ist ein Verwaltungsakt (hier: Auskunftsverlangen des FA) teilbar und ein Teil rechtswidrig, so ist eine Teilaufhebung gemäß § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO geboten (vgl. Literatur).

3. NV: Auch wenn es sich bei einem auf Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder auf Unterlassung gerichteten Verwaltungsakt (hier: Auskunftsverlangen), der mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden soll, und bei der nachfolgenden Festsetzung des angedrohten Zwangsmittels wegen Nichterfüllung der angeordneten Verpflichtung um jeweils selbständige, gesondert anfechtbare Verwaltungsentscheidungen handelt, kann im Verfahren über die Rechtmäßigkeit der Festsetzungsverfügung auch dann noch über die Rechtmäßigkeit der vorangegangenen Anordnungsverfügung entschieden werden, wenn diese noch nicht unanfechtbar geworden ist und Einwendungen gegen ihre Rechtmäßigkeit erhoben werden (vgl. BFH-Urteil vom 20.10.1981 VII R 13/80).

 

Normenkette

AO 1977 § 34 Abs. 1, §§ 69, 90 Abs. 1, § 92 S. 2 Nr. 1, § 93 Abs. 1, § 78 Nr. 2; FGO § 100 Abs. 1 S. 1; AO 1977 §§ 328-329, 118

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war bis zum 20.März 1981 Geschäftsführerin einer GmbH, die ein Bau- und Putzgeschäft betrieb. Aus der Zeit der Geschäftsführertätigkeit der Klägerin bestehen Rückstände an Umsatzsteuer, Zinsen, Verspätungszuschlägen und Säumniszuschlägen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) beabsichtigt, die Klägerin wegen dieser Beträge in Haftung zu nehmen. Um festzustellen, ob sie die Steuerschulden gleichrangig mit den übrigen Verbindlichkeiten der GmbH erfüllt hat, forderte das FA die Klägerin mit Verfügung vom 9.November 1984 auf, innerhalb einer später auf den 31.Januar 1985 verlängerten Frist anzugeben,

1. aus welchen Gründen die rückständigen Beträge nicht gezahlt worden seien,

2. welche Verbindlichkeiten die GmbH ab dem 13.Mai 1977 außer den Steuerschulden noch hatte und

3. welche Zahlungen eingegangen seien sowie welche Kreditlinien zur Verfügung standen.

Die Zusammenstellung der Verbindlichkeiten sollte jeweils den Gläubiger, den Schuldgrund, die Höhe der Schuld, den Fälligkeitszeitpunkt, die Zahlungen auf diese Schulden und die jeweiligen Zahlungszeitpunkte benennen. Zudem war nach dem Stand der Geschäftskonten vom 13.Mai 1977 gefragt. Sämtliche Angaben sollten den Zeitraum von diesem Tag bis "heute" umfassen.

++/ Die Klägerin beantwortete die erste Frage dahin, daß keine ausreichenden Mittel zur Verfügung gestanden und die Geschäftskonten zu dem Stichtag 13. Mai 1977 ein Soll von ... DM aufgewiesen hätten. Die übrigen Fragen ließ sie unbeantwortet. Das FA drohte daraufhin mit Verfügung vom 5. Februar 1985 ein Zwangsgeld von ... DM an, wenn sie die restlichen Angaben nicht bis zum 25. Februar 1985 nachhole. Da dies nicht geschah, setzte es unter gleichzeitiger Androhung eines weiteren Zwangsgeldes mit Verfügung vom 8. März 1985 ein Zwangsgeld von ... DM fest. Gegen diese Verfügung legte die Klägerin Beschwerde ein und erklärte, eine Beantwortung der noch offenen Fragen sei unmöglich. Dazu seien Listen von ungezählten Seiten erforderlich. Dies sei ihr, der Klägerin, nicht zumutbar. Die seinerzeit vorhandenen Mittel habe sie soweit zur Steuerzahlung eingesetzt, wie dies möglich gewesen sei. Die Oberfinanzdirektion (OFD) wies die Beschwerde mit Entscheidung vom 27. August 1986 als unbegründet zurück.

Die Klage der Klägerin, mit der diese beantragte, die Anordnungsverfügung vom 9. November 1984 und die Festsetzungsverfügung vom 8. März 1985 sowie die Beschwerdeentscheidung vom 27. August 1986 aufzuheben, hatte teilweise Erfolg. Das Finanzgericht (FG) sah --ebenso wie die OFD-- auch das Rechtsmittel gegen das Auskunftsverlangen als zulässig an, weil dieses noch nicht bestandskräftig geworden war. /++

Die Beschwerde und die Klage der Klägerin gegen die Anordnungsverfügung blieben im wesentlichen ohne Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision der Klägerin ist teilweise begründet. Das Finanzgericht (FG) hat die Anordnungsverfügung in Gestalt der Beschwerdeentscheidung insoweit aufgehoben, als sich das Auskunftsverlangen des FA über den Zeitpunkt vom 20.März 1981 hinaus erstreckt. Die Revision führt unter Aufhebung der Vorentscheidung zu einer noch weitergehenden Aufhebung der Verwaltungsentscheidungen (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

++/ 1. Das FG hat zu Recht die Beschwerde und die Anfechtungsklage der Klägerin auch insoweit als zulässig angesehen, als diese nicht nur gegen die Festsetzung des angedrohten Zwangsgeldes, sondern auch gegen die dieser Festsetzung vorangegangene Anordnungsverfügung vom 9. November 1984 gerichtet waren.

Bei einem auf Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder auf Unterlassung gerichteten Verwaltungsakt, der nach den §§ 328 ff. AO 1977 mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden soll, und bei der nachfolgenden Festsetzung des angedrohten Zwangsmittels wegen Nichterfüllung der angeordneten Verpflichtung, handelt es sich um jeweils selbständige Verwaltungsentscheidungen, die auf verschiedenen Verfahrensstufen ergehen und gesondert mit Rechtsmitteln angefochten werden müssen. Im Verfahren gegen die Festsetzung von Zwangsgeldern kann deshalb grundsätzlich nicht geprüft werden, ob die dieser Festsetzung zugrunde liegende Anordnungsverfügung rechtmäßig war. Einwendungen gegen die Anordnungsverfügung sind außerhalb des Festsetzungsverfahrens (*= Vollstreckungsverfahren) zu verfolgen. Nach dem Urteil des Senats vom 20. Oktober 1981 VII R 13/80 (BFHE 135, 141, BStBl II 1982, 371) kann aber im Verfahren über die Rechtmäßigkeit von Festsetzungsverfügungen auch dann noch über die Rechtmäßigkeit der vorangegangenen Anordnungsverfügung entschieden werden, wenn diese noch nicht unanfechtbar geworden ist und Einwendungen gegen ihre Rechtmäßigkeit erhoben werden. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.

Die Klägerin hat zwar erst die Festsetzung des Zwangsgeldes zum Anlaß genommen, Beschwerde einzulegen. Ihre Einwendungen richten sich aber gegen das Auskunftsverlangen des FA, das zum Zeitpunkt der Beschwerdeeinlegung wegen der fehlenden Rechtsbehelfsbelehrung (§ 356 Abs. 2 Satz 1 AO 1977) noch nicht bestandskräftig geworden war. Die OFD und das FA waren somit im Beschwerdeverfahren bzw. im Klageverfahren nicht gehindert, die Rechtmäßigkeit der Anordnungsverfügung zu überprüfen. /**

2. Das Auskunftsverlangen des FA dient der Prüfung, ob die Klägerin als ehemalige Geschäftsführerin der GmbH gemäß § 69 i.V.m. § 34 Abs.1 der Abgabenordnung (AO 1977) als Haftungsschuldnerin für nicht an das FA entrichtete Steuern, Verspätungszuschläge und Säumniszuschläge in Anspruch genommen werden kann. Rechtsgrundlage des Auskunftsersuchens sind --wie FA, OFD und FG zu Recht ausgeführt haben-- die §§ 90 Abs.1, 92 Satz 2 Nr.1 und 93 AO 1977. Nach § 90 Abs.1 AO 1977 sind die "Beteiligten" zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet, wobei sie insbesondere die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenlegen und die ihnen bekannten Beweismittel angeben müssen. Gemäß § 93 Abs.1 Satz 1 AO 1977 haben die "Beteiligten und andere Personen" der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. § 93 Abs.1 AO 1977 ist eine allgemeine Beweismittelvorschrift (vgl. die Überschriften im Dritten Teil und § 92 Sätze 1 und 2 AO 1977); sie gilt für alle steuerrechtlichen Verfahrensarten und damit auch für das Haftungsverfahren (vgl. BFH-Urteil vom 18.März 1987 II R 35/86, BFHE 149, 267, BStBl II 1987, 419, m.w.N.). Beteiligter ist gemäß § 78 Nr.2 AO 1977 derjenige, an den die Finanzbehörde den Verwaltungsakt richten will oder gerichtet hat; das ist im Haftungsverfahren derjenige, der als Haftender in Anspruch genommen werden soll oder genommen worden ist.

Aus der angefochtenen Anordnungsverfügung ergibt sich, daß das FA die Klägerin als Beteiligte i.S. der §§ 90 Abs.1, 93 Abs.1 i.V.m. § 78 Nr.2 AO 1977 um Auskunft ersucht, nämlich wegen einer möglichen Inanspruchnahme als Haftungsschuldnerin gemäß §§ 69, 34 Abs.1 AO 1977, an die das FA den Haftungsbescheid richten will. Die Auskunft soll auch zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts (§ 93 Abs.1 Satz 1 AO 1977) eingeholt werden. Denn im Hinblick auf die noch offene Verwendung der Geldmittel, die der GmbH im Haftungszeitraum zur Verfügung standen, steht im Zeitpunkt des Auskunftsersuchens noch nicht fest, ob tatsächlich und rechtlich die Voraussetzungen für eine Haftung der Klägerin gemäß § 69 AO 1977 vorliegen (vgl. unter 2. a). Für derartige Fälle hat die Rechtsprechung des BFH eine Mitwirkungs- und Auskunftspflicht des potentiellen Haftungsschuldners bejaht (vgl. Urteile vom 26.April 1984 V R 128/79, BFHE 141, 443, BStBl II 1984, 776, 778, 779, und in BFHE 149, 267, BStBl II 1987, 419). Da nach den vorstehenden Ausführungen das Auskunftsersuchen gegen die Klägerin als Beteiligte im Haftungsverfahren grundsätzlich zulässig ist, braucht der Senat nicht zu prüfen, ob die Klägerin auch als Dritte ("andere Person"), nämlich --wie das FG meint-- als (ehemaliges) Organ der GmbH (Steuerschuldnerin) für diese zur Auskunft verpflichtet wäre (vgl. hierzu § 93 Abs.1 Satz 3 AO 1977).

3. Nach § 92 Satz 1 AO 1977 bedient sich die Finanzbehörde der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Die Einholung von Auskünften von den Beteiligten und anderen Personen (§§ 92 Satz 2 Nr.1, 93 Abs.1 AO 1977) unterliegt somit dem Ermessen der Finanzbehörde. Die Behörde kann eine Auskunft nur verlangen, wenn sie zur Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts erforderlich, gemessen an der Bedeutung der Angelegenheit verhältnismäßig, sowie für den Betroffenen erfüllbar und zumutbar ist (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13.Aufl., § 93 AO 1977 Tz.4; Helsper in Koch, Abgabenordnung, 3.Aufl., § 93 Rdziff.4). Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob diese Modalitäten rechtliche Grenzen für ein Auskunftsverlangen aufzeigen oder ob das FA sie lediglich im Rahmen seiner Ermessensentscheidung zu berücksichtigen hat (vgl. dazu Urteil des erkennenden Senats vom 29.Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, 362). Denn beide Auffassungen führen im Streitfall nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen. Ob die begehrte Auskunft zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlich ist, beurteilt sich nach dem Tatbestand des maßgeblichen Steuergesetzes und seiner Auslegung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung. Im Streitfall kommt es demnach darauf an, ob es zur Beurteilung der Haftung der Klägerin nach § 69 AO 1977 unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Senats zur sog. Mittelverwendung bei insgesamt nicht ausreichenden Zahlungsmitteln der GmbH der vom FA begehrten Auskünfte bedarf.

a) Nach der Rechtsprechung des BFH haftet der Geschäftsführer einer Gesellschaft für die Umsatzsteuer, mit der im Streitfall die GmbH neben Verspätungszuschlägen und Säumniszuschlägen rückständig geblieben ist, wegen schuldhafter Pflichtverletzung nur, soweit er aus den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln die Steuerschulden hätte tilgen können. Seine volle oder teilweise Haftung setzt deshalb die Feststellung voraus, daß die Gesellschaft --ungeachtet sonstiger Verbindlichkeiten-- bei Fälligkeit der Steuerschulden oder später über hinreichende Mittel zu deren Begleichung verfügte oder daß der Geschäftsführer --wenn diese Lage nicht gegeben war-- die vorhandenen Mittel zu einer nicht in etwa gleichmäßigen Befriedigung der privaten Gläubiger und des FA verwendet hat (BFH-Urteile vom 8.Juli 1982 V R 7/76, BFHE 137, 1, BStBl II 1983, 249, und in BFHE 141, 443, BStBl II 1984, 776). Dem liegt die Erwägung zugrunde, daß dem Geschäftsführer eine schuldhafte und damit haftungsbegründende Pflichtverletzung (§ 69 AO 1977) nur in dem Umfang angelastet werden kann, als er den Steuergläubiger gegenüber den anderen Gläubigern der GmbH benachteiligt hat.

Die Berechnung der Höhe der Haftungssumme bei insgesamt nicht ausreichenden Zahlungsmitteln der Gesellschaft setzt nach der Rechtsprechung des Senats die Feststellung der gesamten Verbindlichkeiten im Haftungszeitraum und der darauf insgesamt geleisteten Zahlungen sowie etwaiger nicht ausgeschöpfter Kreditlinien voraus, um ermitteln zu können, ob und inwieweit die Zahlungen auf die dem FA angemeldete und geschuldete Umsatzsteuer hinter der für die betrieblichen Verbindlichkeiten insgesamt ermittelten Tilgungsquote zurückgeblieben sind. Dabei hat es der Senat im Hinblick darauf, daß die Finanzverwaltung die objektive Beweislast (Feststellungslast) für eine nicht anteilige, sondern nachteilige Befriedigung des FA trägt (BFHE 137, 1, BStBl II 1983, 249), und im Hinblick auf die Praktikabilität der Geschäftsführerhaftung als ausreichend angesehen, wenn bei den tatsächlichen Feststellungen über den möglichen Umfang gleichmäßiger Gläubigerbefriedigung auf die Verpflichtungen und die vorhandenen Geldmittel während des gesamten Haftungszeitraums abgestellt wird und nicht auf die Liquiditätsverhältnisse zu den jeweiligen Zahlungs- und Steuerfälligkeitszeitpunkten (Urteil vom 12.Juni 1986 VII R 192/83, BFHE 146, 511, BStBl II 1986, 657).

b) Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung zur Haftung für die "anteilige" Umsatzsteuer (vgl. Prugger, Betriebs-Berater --BB-- 1987, 1989) gehen die Anforderungen des FA in dem angefochtenen Auskunftsbegehren über die Feststellungen hinaus, die zur Beurteilung der Haftung der Klägerin nach § 69 AO 1977 und zur Berechnung der Haftungssumme erforderlich sind.

Zur Feststellung einer schuldhaften Pflichtverletzung der Klägerin war das FA berechtigt, dieser die --auch anstandslos beantwortete-- Frage zu stellen, aus welchen Gründen die rückständigen Beträge nicht gezahlt worden sind. Auch die Auskunft darüber, welche Verbindlichkeiten die GmbH ab dem 13.Mai 1977 bis zu dem --vom FG zutreffend auf den 20.März 1981 festgesetzten-- Ende des Haftungszeitraums hatte, war nach den obigen Ausführungen zur Ermittlung der Haftungssumme erforderlich. Dasselbe gilt für die begehrten Auskünfte über die eingegangenen Zahlungen, die Kreditlinien der GmbH und die auf die Schulden geleisteten Zahlungen, um den möglichen Umfang der anteiligen Gläubigerbefriedigung berechnen zu können.

Da der Senat für die Ermittlung des Haftungsbetrags auf die Verhältnisse während des gesamten Haftungszeitraums und nicht auf die Liquidität zu einzelnen Zahlungs- und Fälligkeitszeitpunkten abstellt, bedarf es keiner Auskunft über die Fälligkeitszeitpunkte der Verbindlichkeiten und die jeweiligen Zahlungszeitpunkte innerhalb dieses Haftungszeitraums; auch die Angabe des jeweiligen Gläubigers und des Schuldgrundes der Verbindlichkeit ist für die Berechnung der Haftungssumme regelmäßig nicht erforderlich. Hinsichtlich des Umfangs der Haftung der Klägerin für die gegen die GmbH festgesetzten Verspätungszuschläge und die wegen verspäteter Steuerzahlung verwirkten Säumniszuschläge gelten die zur Umsatzsteuer entwickelten Grundsätze der anteiligen und gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung entsprechend; es bedarf deshalb insoweit keiner weitergehenden tatsächlichen Feststellungen.

Das angefochtene Auskunftsverlangen ist demnach --soweit es nicht bereits vom FG aufgehoben worden ist-- zur Feststellung des haftungserheblichen Sachverhalts insoweit nicht erforderlich i.S. des § 93 Abs.1 AO 1977, als die Klägerin die im Haftungszeitraum bestehenden Verbindlichkeiten nach Gläubiger, Schuldgrund, Fälligkeitszeitpunkt und Zahlungszeitpunkt benennen soll. In diesem Umfang ist die Anordnungsverfügung rechtswidrig. Sie war insoweit ebenso wie die Beschwerdeentscheidung gemäß § 100 Abs.1 Satz 1 FGO aufzuheben. Eine Teilaufhebung ist geboten, weil der Verwaltungsakt teilbar ist. Denn der nach Abtrennung übrigbleibende Teil des Auskunftsverlangens ist für sich rechtlich selbständig existenzfähig; er wird auch durch die Teilaufhebung in seinem Wesen nicht verändert (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O., § 100 FGO Tz.11; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 2.Aufl., § 100 Rdnr.16). Auch das Urteil des FG war aufzuheben, weil es mit den vorstehenden Rechtsgrundsätzen nicht in Einklang steht.

4. Soweit das FA von der Klägerin Auskunft begehrt über den Stand der Verbindlichkeiten und Geldmittel (Geschäftskonten) der GmbH zum 13.Mai 1977 sowie über die Zugänge an Verbindlichkeiten und Zahlungsmitteln und die geleisteten Schuldtilgungen und Kreditlinien während des Haftungszeitraums, ist die Anordnungsverfügung nicht zu beanstanden. Denn diese Auskünfte sind notwendig, um den Umfang der Haftung der Klägerin beurteilen zu können. Das Auskunftsverlangen ist insoweit auch verhältnismäßig, für die Klägerin erfüllbar und zumutbar; die dagegen erhobenen Einwendungen der Revision greifen nicht durch.

a) Die Verhältnismäßigkeit des Auskunftsersuchens nach den vom Senat vorgenommenen Einschränkungen ergibt sich aus der erheblichen Höhe der Steuerrückstände und steuerlichen Nebenleistungen, für die eine Haftung der Klägerin nach § 69 AO 1977 in Betracht kommt. Dabei wird das Auskunftsersuchen nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Steueranspruch, auf den sich die Haftung bezieht, umstritten ist (vgl. BFHE 149, 267, 269, BStBl II 1987, 419).

b) Nach den Feststellungen des FG ist die Klägerin in der Lage, die Anordnungsverfügung zu erfüllen, da ihr die dazu erforderlichen Unterlagen der GmbH, wie aus ihrem Schreiben an das FA vom 26.November 1984 hervorgeht, zur Verfügung stehen. Der Senat ist an diese tatsächliche Feststellung der Vorinstanz gebunden, da mit der Revision zulässige und begründete Verfahrensrügen gegen sie nicht erhoben worden sind (§ 118 Abs.2 FGO). Stehen aber der Klägerin die zur Erteilung der begehrten Auskünfte erforderlichen Unterlagen zur Verfügung, so kann sie sich nicht darauf berufen, daß für einen Teil der Unterlagen die nach Handels- und Steuerrecht bestehenden Aufbewahrungsfristen abgelaufen seien. Der Geschäftsführer einer GmbH, der grundsätzlich für die Erfüllung der gesamten Steuerverbindlichkeiten der Gesellschaft einzustehen hat (§ 34 Abs.1 Satz 2 AO 1977) ist, wenn er sich darauf beruft, daß die Zahlungsmittel zur Erfüllung aller Verbindlichkeiten der GmbH nicht ausgereicht haben, verpflichtet, bei der Feststellung des Haftungsumfangs mitzuwirken. Diese Mitwirkungspflicht besteht unabhängig von den für die GmbH geltenden gesetzlichen Aufbewahrungsfristen für die Geschäftsunterlagen. Sie richtet sich allein nach den tatsächlichen Kenntnissen und den Zugriffsmöglichkeiten des Haftungsschuldners auf die Geschäftsunterlagen.

c) Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob die Erfüllung des Auskunftsverlangens in der ursprünglichen Form, soweit es sich auch auf die Angabe des Gläubigers, des Schuldgrundes, des Fälligkeitszeitpunktes und des Zahlungszeitpunktes der jeweiligen Verbindlichkeiten erstreckte, für die Klägerin zumutbar war. Der Klägerin kann aber zugemutet werden, das vom Senat dem Umfang nach eingeschränkte Auskunftsbegehren zu erfüllen. Den Stand der Geschäftskonten zum 13.Mai 1977 hat sie bereits angegeben. Die Höhe der Verbindlichkeiten der GmbH zum 13.Mai 1977 und ihre Zugänge bis zum 20.März 1981 (Ende des Haftungszeitraums) sowie die im Haftungszeitraum eingegangenen Zahlungen und die bewirkten Schuldtilgungen lassen sich summenmäßig aus der Buchführung der GmbH entnehmen, ohne daß es eines Einstiegs in die Belege für die einzelnen Verbindlichkeiten und Zahlungsvorgänge bedarf. Von der Klägerin werden im Gegensatz zur Auffassung der Revision keine Tagesabschlüsse verlangt, sondern nur globale Angaben über die Liquidität der GmbH während des gesamten Haftungszeitraums. Daß diese Auskünfte dennoch einen gewissen Arbeitsaufwand erfordern, folgt aus der Dauer des Zeitraums, während dessen die Klägerin ihren Verpflichtungen gegenüber dem FA nicht ordnungsgemäß nachgekommen ist bzw. nicht nachkommen konnte. Der Klägerin ist mit der Fristverlängerung bis zum 31.Januar 1985 durch die Verfügung vom 4.Dezember 1984 zur Erledigung des Auskunftsverlangens eine ausreichende Frist von insgesamt mehr als zweieinhalb Monaten eingeräumt worden. Für den Fall, daß sie wegen Unkenntnis der buch- und bilanztechnischen Zusammenhänge persönlich nicht in der Lage sein sollte, die gewünschten Auskünfte in der nunmehr eingeschränkten Form zu erteilen, könnte sie --nach den Umständen des Streitfalles-- ihrer Mitwirkungspflicht auch dadurch genügen, daß sie dem FA die dafür erforderlichen Unterlagen der GmbH zur Verfügung stellt. Das FA hat die Klägerin in der Anordnungsverfügung darauf hingewiesen, daß ggf. auch die Vorlage von Büchern und Geschäftsunterlagen zur Einsicht und Prüfung gemäß § 97 AO 1977 in Betracht kommt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 62704

BFH/NV 1989, 37

BStBl II 1990, 357

BFHE 157, 315

BFHE 1990, 315

BB 1990, 198

BB 1990, 198-199 (LT1-2)

DB 1989, 1908 (S)

HFR 1989, 585 (LT)

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