Leitsatz (amtlich)

1. Der Anspruch auf Lieferung von synthetischen Fasern zu verbilligten Preisen, der von den Lieferanten nur solchen Kunden gewährt wird, welche die Ausfuhr einer entsprechenden Menge aus gleichartigen Waren nachweisen, entsteht erst, wenn der Kunde die ihm erteilten Bezugsberechtigungsscheine bei den einzelnen Lieferanten einreicht und entsprechende Bestellungen zum Bezug neuer Fasern aufgibt.

2. Die verbilligt bezogenen Fasern sind mit den tatsächlichen Anschaffungskosten zu bewerten.

 

Normenkette

BewG 1965 §§ 4, 10

 

Tatbestand

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) stellt Garne und Stoffe her, für die sie u. a. Zellwolle und synthetische Polyesterfasern verwendet. Sie tätigt etwa ein Drittel ihres Umsatzes im Exportgeschäft. Die Faserhersteller gewähren ihr zum Ausgleich der niedrigeren Auslandspreise für Zellwolle und Polyesterfasern nach einer allgemeinen Vereinbarung eine sogenannte Exportförderung entsprechend dem Fasergehalt der exportierten Erzeugnisse. Die Klägerin darf in Höhe der Exportmenge bei den Herstellern verbilligte Fasern nachbeziehen. Der Anspruch wird nach den Anteilen der Lieferanten an den Bezügen der Klägerin in den drei Monaten vor dem Exportmonat auf diese aufgeschlüsselt. Die Nachbezugsrechte müssen innerhalb einer Ausschlußfrist von sechs Wochen nach dem Exportmonat unter Vorlage von Exportnachweisen bei einer Treuhandgesellschaft beantragt werden. Die Treuhandgesellschaft stellt nach Prüfung sogenannte Bezugsberechtigungen aus. Die Berechtigungsscheine müssen innerhalb einer Ausschlußfrist von einem Monat nach Ausstellung dem Hersteller vorgelegt und das Bezugsrecht innerhalb einer Ausschlußfrist von sechs Monaten ausgeübt werden. Die Bezieher unterwerfen sich einer späteren Prüfung durch die Treuhandgesellschaft, die bei Beanstandungen zu einer Rückgängigmachung der Exportförderung führen kann.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) setzte bei den endgültigen Einheitswertfeststellungen des Betriebsvermögens der Klägerin auf den 1. Januar 1966, 1. Januar 1967 und 1. Januar 1968 durch den zusammengefaßten Bescheid vom 10. April 1970 entsprechend den Feststellungen bei einer vorangegangenen Betriebsprüfung die Ansprüche auf Nachbezug von verbilligten Fasern an und bewertete die verbilligt bezogenen Rohstoffe mit den um den Verbilligungsbetrag erhöhten Anschaffungskosten. Einspruch und Klage, mit denen sich die Klägerin gegen den Ansatz des Anspruchs auf Nachbezug verbilligter Fasern und die Bewertung der verbilligt bezogenen Rohstoffe mit den um den Verbilligungsbetrag erhöhten Anschaffungskosten wandte, hatten keinen Erfolg.

Die Klägerin beantragt mit der Revision, unter Aufhebung der Vorentscheidung die angefochtenen Einheitswerte um den Ansatz der Ansprüche auf verbilligten Nachbezug von Rohstoffen und um die Erhöhung des Wertansatzes der verbilligt bezogenen Rohstoffe zu ermächtigen. Es werden Verstöße gegen die §§ 4 ff. und 10 BewG 1965 gerügt. Die Revision wird im wesentlichen wie folgt begründet: Die Vereinbarungen über die Exportförderung der Chemiefasern seien im Ergebnis eine Senkung der Verkaufspreise für den Export, um einen Anreiz für zukünftige Exporte zu bieten. Das ergebe sich eindeutig aus dem Merkblatt Diolen-Faser/Trevira-Faser. Der Vergleich des FG mit Steuererstattungsansprüchen, Umsatzboni und Kaufpreisrückvergütungen gehe fehl, weil diese vergangenheitsbezogen seien, während es im vorliegenden Fall um zukünftiges Verhalten der Kunden gehe, die der Lieferant an sich binden wolle. Beziehe der Kunde keine Chemiefasern mehr oder nur in einem Umfang, der die Bescheinigte Menge nicht erreiche, so habe er insoweit keinen Anspruch auf eine "Vergütung" für seine Exporte in der Vergangenheit. Die Bezogenheit auf die Zukunft ergebe sich auch daraus, daß auf die Nachbezugspreise die üblichen Zahlungskonditionen gewährt würden. Es sei somit irrig, wenn das FG von einer bei Nachbestellung verwendbaren Exportvergütung spreche. Das ganze Verfahren bezüglich der Menge, die verbilligt gekauft werden dürfe, müsse aus praktischen Gesichtspunkten auf die in der Vergangenheit getätigten Exporte abgestellt werden. Die Vereinbarungen und Merkblätter seien aber nichts anderes als ein Anreiz zum Abschluß von künftigen Kaufverträgen zu Preisen, die nur für den Export gelten. Es frage sich, ob überhaupt ein bewertungsfähiges Wirtschaftsgut vorliege. Wollte man dies bejahen, so wäre auch für einen Großhändler, der einen niedrigeren Einkaufspreis als der Einzelhändler habe, ein Wirtschftsgut anzusetzen. Es handele sich um zukünftige Gewinnchancen, die nach der Rechtsprechung bewertungsrechtlich nicht einbezogen werden dürften. Im übrigen könne es sich höchstens um ein immaterielles Wirtschaftsgut handeln, das nicht angesetzt werden könne, weil die von der Rechtsprechung dafür geforderten Voraussetzungen nicht vorlägen. Wolle man aber die Eigenschaft als Wirtschaftsgut bejahen, so handele es sich um ein aufschiebend bedingtes Wirtschaftsgut, das nach § 4 BewG 1965 nicht angesetzt werden könne. Erst die ausgestellte Bezugsberechtigung gäbe das Recht, die in ihr genannte Fördermenge verbilligt nachzubeziehen. Die Bemerkung in Nr. 1 des Merkblattes, der Anspruch auf Exportförderung entstehe am Tag der Ausfuhr, habe nur die Bedeutung, daß durch die Ausfuhr von Erzeugnissen überhaupt erst die Grundlage - Setzung der Exporteureigenschaft des Verarbeiters - geschaffen werde. Es handele sich lediglich um eine allgemeine Rahmenvorschrift. Ohne Vorlage der Bezugsberechtigung könne der Lieferant nicht wissen, ob und in welcher Höhe gerade er zum Abschluß von Kaufverträgen zu ermäßigten Preisen verpflichtet sei. Zu den aufschiebenden Bedingungen gehörten: Die Antragstellung innerhalb von sechs Wochen, die Vorlage der Bezugsberechtigung innerhalb einer Ausschlußfrist und die Erklärungen des Kunden, daß er einen neuen Kontrakt in Höhe der bescheinigten Menge abschließen wolle. Die Tatsache, daß der Kunde, solange er in dem bisherigen Umfang produziere und Chemiefasern der betroffenen Art verwende, in der Regel diese Erklärung abgeben werde, sei nach der Rechtsprechung für den bewertungsrechtlichen Ansatz nicht ausschlaggebend. Auch bei der Frage des Wertansatzes der verbilligt bezogenen Rohstoffe gehe das FG von der falschen Auffassung aus, daß es sich in der Preisdifferenz zwischen Export- und Inlandspreis um eine "Ausfuhrvergütung" für vergangene Exporte handele. Die Argumentation des FG sei im übrigen auch nicht schlüssig. Man könne nicht einerseits die Möglichkeit des billigeren Einkaufs in der Zukunft als Vermögenswert ansetzen, andererseits aber die Preisdifferenz als eine "Korrektur" der Anschaffungskosten ansehen. Zukünftige niedrigere Einkaufspreise seien keine Wertberichtigungsposten für tatsächlich gezahlte höhere Anschaffungskosten. Die in § 10 BewG 1965 aufgestellte Vermutung der Fortführung des Unternehmens durch den Erwerber bedeute, daß der Erwerber in gleicher Weise als Exporteur anzusehen sei wie der bisherige Betriebsinhaber. Der sogenannte Nachbezugspreis (Exportpreis) sei für ihn als Exporteur ein normaler Börsen- oder Marktpreis. Über diesen Preis werde er keinesfalls hinausgehen. Er müsse ja auch in die Verträge mit den Kunden eintreten. Diese seien jedoch zu Preisen abgeschlossen, in deren Kalkulation die Exportpreise Eingang gefunden hätten. Würde er mehr als diesen Preis bezahlen, dann würden die bereits abgeschlossenen Kontrakte für ihn zum Verlustgeschäft werden. Er würde sich nicht damit trösten, daß er durch die Möglichkeit des späteren verbilligten Einkaufs entschädigt werde. Hinzu komme noch, daß die Preisentwicklung auf dem Chemiefasermarkt eine ständig sinkende Tendenz habe. Würde man die verbilligt bezogenen Vorräte höher als mit den Anschaffungskosten ansetzen, so würde das im Ergebnis bedeuten, daß der Teilwert der Warenvorräte eines Großhändlers auf den Teilwert der gleichen Ware beim Einzelhändler aufgestockt werden müßte.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

1. Das FG ist zwar zutreffend davon ausgegangen, daß es sich bei den der Klägerin von ihren Lieferanten gewährten Rohstoffnachbezugsrechten rechtlich gesehen um Ansprüche der Klägerin auf Abschluß von Kaufverträgen zu ermäßigten Preisen handelt. Diese Ansprüche sind entgegen der Auffassung der Klägerin keine immateriellen Wirtschaftsgüter, die nur unter bestimmten Voraussetzungen als bewertungsfähige Wirtschaftsgüter anzusetzen sind, sondern Sachleistungsforderungen, deren Ansatz im Betriebsvermögen nur davon abhängt, daß sie an dem jeweiligen Bewertungsstichtag bereits dem Grunde nach entstanden sind. Diese Voraussetzung ist jedoch entgegen der Auffassung des FG im Streitfall nicht erfüllt. Das FG beruft sich zu Unrecht darauf, daß es in dem Merkblatt über die Exportförderung für Artikel aus Diolen-Faser oder Trevira-Faser heißt: "Der Anspruch auf Exportförderung entsteht am Tage der Ausfuhr der Waren in das Zollausland." Wenn hier von einem "Anspruch auf Exportförderung" gesprochen wird. so kann nach Auffassung des Senats damit nur der "Anspruch" der Klägerin gemeint sein, das Verfahren auf Zuteilung von Bezugsberechtigungsscheinen in Gang zu setzen und nach Prüfung durch die Treuhandgesellschaft die entsprechende Menge Bezugsberechtigungsscheine zugeteilt zu erhalten. Diese Bezugsberechtigungsscheine bilden jedoch nur die Grundlage für den eigentlichen Anspruch auf Abschluß von Kaufverträgen zu ermäßigtem Preis. Dieser Anspruch hängt noch davon ab, daß die Klägerin die Berechtigungsscheine bei den einzelnen Lieferanten einreicht und entsprechende Bestellungen zum Bezug neuer Rohstoffe aufgibt. Die Klägerin weist zutreffend darauf hin, daß es sich hierbei um eine sogenannte Potestativbedingung handelt, die nach der Rechtsprechung des Senats zu den aufschiebenden Bedingungen im Sinne des § 4 BewG 1965 gehört (vgl. Urteil des BFH vom 5. März 1971 III R 130/68, BFHE 102, 102, BStBl II 1971, 481). Auf die Wahrscheinlichkeit oder Nichtwahrscheinlichkeit des Eintritts dieser Bedingung kommt es nach der Rechtsprechung des Senats nicht an (vgl. BFH-Urteil vom 14. Juli 1967 III R 74/66, BFHE 89, 569, BStBl III 1967, 770). Der Streitfall ist mit dem Fall vergleichbar, der dem BFH-Urteil vom 13. März 1963 1246/59 (HFR 1963, 361) zugrunde lag. In diesem Fall hatte der Lieferant einen Umsatzbonus vom Umfang künftiger Kundenkäufe abhängig gemacht. Der BFH hat damals die Berücksichtigung eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens für den Umsatzbonus beim Lieferanten mit der Begründung abgelehnt, daß dem Kunden nicht die Rückvergütung eines Teils des im Vorjahr bezahlten Warenpreises versprochen, sondern nur ein Zahlungsabzug bei späteren Warenabnahmen in Aussicht gestellt worden sei. Ist aber der Anspruch durch die Bestellung neuer Rohstoffe aufschiebend bedingt, so kann er an den einzelnen Stichtagen nur insowei+ angesetzt werden, als diese Bedingung bereits eingetreten war, d. h. als die Klägerin die Bezugsberechtigungsscheine an die Lieferanten eingereicht und entsprechende Bestellungen neuer Rohstoffe aufgegeben hatte. Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war die Vorentscheidung schon aus diesem Grunde aufzuheben.

2. Der Senat folgt dem FG aber auch nicht darin, daß die auf Grund der Bezugsberechtigungsscheine bereits vor dem jeweiligen Stichtag bezogenen Rohstoffe mit den normalen Wiederbeschaffungskosten zum Stichtag zu bewerten seien. Das FG ist zwar zu Recht davon ausgegangen, daß die Rohstoffvorräte, auch soweit sie verbilligt bezogen worden sind, nach § 109 Abs. 1 in Verbindung mit § 10 BewG 1965 mit dem Teilwert anzusetzen sind und daß der Teilwert der Betrag ist, den ein Erwerber des ganzen Unternehmens im Rahmen des Gesamtkaufpreises für die einzelnen Wirtschaftsgüter ansetzen würde, wobei davon auszugehen ist, daß der Erwerber das Unternehmen fortführt. Das FG hat jedoch zu Unrecht angenommen, daß ein Erwerber bereit wäre, auch für verbilligt bezogene Rohstoffe den inländischen Marktpreis zu zahlen. Es folgert das daraus, daß der Erwerber die übernommenen Vorräte auch im Inland verwenden dürfe und bei einem Export für einen Mindererlös durch neue Bezugsberechtigungsscheine entschädigt werden würde. Bei dieser Folgerung läßt das FG außer Betracht, daß bei der Ermittlung des Teilwerts davon auszugehen ist, daß der fiktive Erwerber das Unternehmen in gleicher Weise fortführt wie bisher. Es muß also, wie die Klägerin mit Recht hervorhebt, auch davon ausgegangen werden, daß der Erwerber in die bereits abgeschlossenen Exportlieferungsverträge eintreten und überhaupt Exporte in dem gleichen Umfang tätigen wird, wie es bisher der Fall war. Schon aus diesem Grunde kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Erwerber gewilligt sein wird, einen höheren Preis für die verbilligt bezogenen Rohstoffe zu gewähren als die tatsächlichen Anschaffungskosten. Der Unterschiedsbetrag zwischen diesen Anschaffungskosten und den späteren Verkaufpreisen stellt den Gewinn des Unternehmens dar, der wie der Senat bereits in dem Urteil vom 29. April 1970 III 217/63 (BFHE 99, 215, BStBl II 1970, 614) betont hat nur im Geschäftswert bei einer Veräußerung des ganzen Unternehmens zutage tritt, der aber bei der Bewertung der Vorräte selbst noch keine Berücksichtigung finden kann. Das vom FG für seine gegenteilige Auffassung zitierte BFH-Urteil vom 25. November 1969 VII R 8/67 (BFHE 97, 452) besagt zu der hier zu entscheidenden Frage gar nichts. Es handelt sich in diesem Urteil um den Einfluß eines auf Grund von Bezugsberechtigungsscheinen für Zellwolle gewährten Preisnachlasses auf den Zollwert. Der Zollwert ist nach § 29 Abs. 1 des Zollgesetzes 1961 der Normalpreis, der für die eingeführte Ware bei einem Verkauf unter den Bedingungen eines freien Wettbewerbs zwischen unabhängigen Verkäufern und Käufern im maßgebenden Zeitpunkt erzielt werden kann. Dieser Wert kann dem Teilwert nicht gleichgestellt werden. Die Vorentscheidung war auch aus diesem Grunde aufzuheben.

3. Die Sache ist nicht spruchreif, weil das FG keine Feststellungen darüber getroffen hat, ob und in welchem Umfang die Klägerin an den einzelnen Stichtagen Bezugsberechtigungsscheine bei einem Lieferanten eingereicht und entsprechende Bestellungen aufgegeben hat. Die Sache wird deshalb an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO), damit es diese Feststellungen noch trifft. Bei seiner erneuten Entscheidung wird das FG im übrigen die Ausführungen zu 1. und 2. zu beachten haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70479

BStBl II 1973, 606

BFHE 1973, 270

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