Entscheidungsstichwort (Thema)

Zollrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Die sich aus der Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben unter Umständen ergebende Bindung von Finanzverwaltungsbehörden auch an unrichtige Auskünfte zuständiger Beamter erleidet im Zollrecht Einschränkungen dadurch, daß auf dem Gebiete der Zollauskünfte durch das Zollgesetz und die Allgemeine Zollordnung besondere Bestimmungen getroffen worden sind.

 

Normenkette

ZG § 63

 

Tatbestand

Der Bfin. wurde am 18. Januar 1958 von einem Beamten des Hauptzollamts mündlich die Auskunft erteilt, daß die von ihr vorgelegten Warenmuster unter die Tarifnr. 44.05 - B Zolltarif 1958 (zollfrei, Umsatzausgleichsteuer 4 % des Wertes) fielen. Am 29. Mai 1959 und am 5. Juni 1959 führte sie zwei Sendungen - Buchenholzrohlinge - ein, die entsprechend ihrer Anmeldung, bei der sie sich auf die mündliche Auskunft des Hauptzollamts berief, der Tarifnr. 44.05 - B Zolltarif 1959 zugewiesen wurden. Als dem Zollamt bei einer späteren Einfuhr Bedenken wegen der Tarifierung kamen, ließ es eine Probe durch die Zolltechnische Prüfungsstelle der Oberfinanzdirektion untersuchen, die die Ware der Tarif-Nr. 44.13 - B - 2 (Zoll und Umsatzausgleichsteuer je 4 % des Wertes) zuwies. Daraufhin forderte das Zollamt durch Steuerbescheide vom 17. und 19. November 1959 insgesamt ... DM für Zoll und Umsatzausgleichsteuer nach.

Der Einspruch blieb erfolglos; ebenso die Berufung, mit der die Bfin. geltend machte, sie sei weder auf die Unverbindlichkeit der mündlichen Zollauskunft noch auf die Möglichkeit, eine verbindliche Zollauskunft bei der Oberfinanzdirektion einholen zu können, hingewiesen worden. Das Finanzgericht führte u. a. aus, aus den gesetzlichen Bestimmungen über die Erteilung von Zollauskünften ergebe sich, daß nur die von der Oberfinanzdirektion nach § 63 des Zollgesetzes (ZG) erteilten Zollauskünfte verbindlich und folglich alle anderen Auskünfte über Zollsätze unverbindlich seien. Infolge der besonderen gesetzlichen Regelung im Zollrecht könnten auch die von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs entwickelten Grundsätze über die Bindung der Finanzverwaltungsbehörden an Auskünfte des zuständigen Beamten für die Auskünfte über Zollsätze nicht gelten. Die Bfin. hätte den Beamten auf ihr Interesse an einer verbindlichen Zollauskunft aufmerksam machen müssen; es sei nicht denkbar, daß unter solchen Umständen der Beamte es unterlassen hätte, die Bfin. auf einen entsprechenden Antrag an die Oberfinanzdirektion hinzuweisen.

Hiergegen richtet sich die Rb., mit der im wesentlichen geltend gemacht wird, daß das Verfahren zumindest in der Berufungsinstanz an wesentlichen Mängeln leide. Das Finanzgericht hätte eine weitere Aufklärung des Sachverhalts in allen Einzelheiten veranlassen müssen, insbesondere deshalb, weil die Prüfung der Rechtsfrage, ob die Nacherhebung des Zolles angesichts der Auskunft des Beamten gegen Treu und Glauben verstoße, nur unter Berücksichtigung aller subtilen Einzelheiten des Sachverhalts zutreffend erfolgen könne. Die Zollnachforderung verstoße im vorliegenden Falle gegen die Grundsätze von Treu und Glauben, da angesichts der in diesem Falle vorliegenden besonderen tatsächlichen Umstände die Ausführungen im Urteil des Bundesfinanzhofs IV 541/55 U vom 22. August 1957 (BStBl 1957 III S. 366, Slg. Bd. 65 S. 354) über die Rechtsverbindlichkeit einer von einem zuständigen Beamten erteilten mündlichen Auskunft auch unter Berücksichtigung der besonderen gesetzlichen Regelung im Zollrecht Anwendung finden müßten. Schließlich sei es auch naheliegend, zu erwägen, ob die Zollverwaltung das ihr an sich eingeräumte Ermessen nicht fehlerhaft gehandhabt habe, wenn sie im vorliegenden Falle die Zollforderung aus Billigkeitsgründen gemäß § 131 AO nicht erlassen habe.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt, wenn auch aus anderen Gründen, zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Hauptzollamt.

Streitig ist zunächst die Frage, ob die Nachforderungen der Eingangsabgaben gegen Treu und Glauben verstoßen, weil die Bfin. sich auf die ihr rund 1 1/2 Jahre vor der Einfuhr der Waren mündlich erteilte Zollauskunft hätte verlassen dürfen. Das Finanzgericht hat die Frage zutreffend verneint. Der Einwand der mangelnden Sachaufklärung greift nicht durch, da auch eine weitere Sachaufklärung durch Erhebung der angebotenen Beweise nicht zu einem anderen Ergebnis hätte führen können, und zwar selbst dann nicht, wenn sie die von der Bfin. behaupteten Ergebnisse erbracht hätte. Ebenso fehl geht das weitere Vorbringen der Bfin., die Abgabennachforderung verstoße gegen Treu und Glauben, weil im Streitfalle die von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs entwickelten Grundsätze über die Bindung des Finanzamts an eine Auskunft des zuständigen Beamten Anwendung finden müßten.

Es ist richtig, daß die Grundsätze von Treu und Glauben auch auf dem Gebiete des Zollrechts gelten. Es ergeben sich dabei aber, wie der Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden hat (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs VII 207/57 U vom 17. Dezember 1958, BStBl 1959 III S. 146, Slg. Bd. 68 S. 378), aus der besonderen Natur des Zollrechts gewisse Einschränkungen. Dies gilt insbesondere für die sich aus der Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben unter Umständen ergebende Bindung von Finanzverwaltungsbehörden auch an unrichtige Auskünfte zuständiger Beamter. Diese erleidet im Zollrecht Einschränkungen dadurch, daß auf dem Gebiete der Zollauskünfte durch das ZG und die dazu ergangenen Durchführungsbestimmungen, die Allgemeine Zollordnung (AZO), besondere Bestimmungen getroffen worden sind. Daß dies geschehen ist, ist bedingt durch die besonderen Verhältnisse auf dem Gebiete des Zolltarifrechts. Denn es ist nicht nur oft schwierig, eine Ware tariflich zutreffend einzuordnen; hinzu kommt noch, daß auch die Gesetzgebung auf dem Gebiete des Zolltarifs häufigen änderungen unterliegt, sei es, daß ein ganz neuer Zolltarif eingeführt wird (z. B. in den Jahren 1951, 1958 und 1959), sei es, daß - und das ist besonders häufig - einzelne Zollsätze, und zwar oft kurzfristig, durch Verordnung geändert werden. Die sich hieraus für eine Auskunftserteilung ergebenden Schwierigkeiten haben, da gleichwohl ein Interesse der Importeure an einer amtlichen Auskunft als Grundlage ihrer Kalkulationen anzuerkennen war, zum Erlaß der erwähnten eingehenden Bestimmungen über die Erteilung von Auskünften über Zollsätze geführt. So sieht § 63 ZG vor, daß über Zollsätze die Oberfinanzdirektion auf Antrag verbindliche Zollauskünfte zu erteilen haben. In den §§ 80 - 88 AZO ist im einzelnen das dabei einzuhaltende Verfahren, die Wirkung, die Aufhebung oder änderung und das Außerkrafttreten solcher Auskünfte geregelt. Daneben kennt das Zollrecht noch in § 89 AZO unverbindliche Auskünfte in einfachen Fällen durch die Zollstellen. Daraus ergibt sich, daß kraft gesetzlicher Bestimmungen nur die von der Oberfinanzdirektion erteilten verbindlichen Zollauskünfte für die Zollverwaltung verbindlich und alle anderen Auskünfte über Zollsätze für sie unverbindlich sind, und zwar, wie das Finanzgericht zutreffend bemerkt, ohne Rücksicht darauf, ob sie im einzelnen Fall ausdrücklich als unverbindlich bezeichnet worden sind oder nicht. Da das Gesetz einem Importeur sonach die Möglichkeit gibt, sich durch Einholung einer verbindlichen Zollauskunft in dem in den Rechtsvorschriften vorgesehenen Umfang vor Nachforderungen von Eingangsabgaben zu schützen, kann er sich gegenüber einer solchen Nachforderung nicht darauf berufen, daß sie gegen Treu und Glauben verstoße, wenn er eine verbindliche Zollauskunft nicht eingeholt hat.

Die Bfin. hat unbestritten eine verbindliche Zollauskunft von der Oberfinanzdirektion nicht eingeholt, sondern nur eine für die Verwaltung unverbindliche Auskunft eines Beamten des Hauptzollamts erhalten. Der Senat hält die Feststellung des Finanzgerichts, aus dem Umstand, daß der Beamte die Bfin. nicht auf die Möglichkeit, eine verbindliche Zollauskunft zu erlangen, hingewiesen habe, müsse geschlossen werden, daß die Bfin. nicht ihr Interesse an einer solchen kundgetan habe, für zutreffend. Denn es widerspricht jeder Lebenserfahrung auf dem Gebiete der Praxis der Zollstellen, daß der Beamte es unter solchen Umständen unterlassen hätte, der Bfin. einen entsprechenden Hinweis zu geben. Im übrigen wäre, wenn der Beamte diesen Hinweis gegeben und die Bfin. sich eine verbindliche Zollauskunft beschafft hätte, diese gemäß § 87 AZO am 31. Dezember 1958, dem Zeitpunkte des Außerkrafttretens des Zolltarifs 1958, hinfällig geworden, so daß die Bfin. sich im Jahre 1959 auch auf sie nicht mehr hätte berufen können (Siegert, Zollgesetz und Nebengesetze, 6. Auflage, § 63 Anm. 8). Gerade diese im Hinblick auf die häufigen Tarifänderungen getroffene Bestimmung, ohne die schon aus Gründen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und der Sicherung des Zollschutzes verbindliche Zollauskünfte nicht hätten zugelassen werden können, zeigt, daß die von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs entwickelten Grundsätze für die Anwendung von Treu und Glauben im Steuerrecht auf dem Gebiet der Zolltarifanwendung einschließlich der dazu gehörenden Auskünfte über Zollsätze nicht uneingeschränkt gelten können.

Wer wie die Bfin., die nach ihren eigenen Angaben eine Holzgroßhandlung und den Import von Holz betreibt, gewerbsmäßig Waren aus dem Ausland einführen will, von dem ist zu erwarten, daß er sich mit dem gesetzlichen Bestimmungen vertraut macht. Er kann, wenn er infolge seiner Unkenntnis einen Schaden erleidet, sich in Fällen der vorliegenden Art nicht auf Treu und Glauben berufen.

Der Senat ist daher der Ansicht, daß das Finanzgericht die Frage, ob die Nachforderungsbescheide gegen Treu und Glauben verstoßen, mit Recht verneint hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409929

BStBl III 1961, 89

BFHE 1961, 237

BFHE 72, 237

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