Leitsatz (amtlich)

Die Kosten eines Hochschulstudiums, das ein Steuerpflichtiger mit dem Ziel, die entsprechenden Abschlußprüfungen abzulegen, absolviert, gehören auch dann zu den Ausbildungskosten, wenn es sich um ein dem bereits abgeschlossenen Erststudium verwandtes Zweitstudium handelt und der Steuerpflichtige aufgrund des Erststudiums bereits einen Beruf ausübt (Beitritt zu den Grundsätzen des BFH-Urteils IV R 266/66 vom 16. März 1967, BFH 89, 511, BStBl III 1967, 723).

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1, § 12 Nr. 1

 

Tatbestand

Der Ehemann (Steuerpflichtiger), der ein Studium der Betriebswirtschaft erfolgreich abgeschlossen hatte, war im Streitjahr 1967 als angestellter Steuersachbearbeiter einer Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft tätig. Er ging neben seiner Berufsausübung dem Studium der Volkswirtschaft an der Universität Köln nach. Das FA lehnte bei der Zusammenveranlagung der Eheleute zur Einkommensteuer 1967 die Anerkennung der aufgewendeten Studienkosten als Werbungskosten ab mit der Begründung, daß es sich um Ausbildungsaufwendungen handle.

Die Sprungklage hatte Erfolg. Das FG, dessen Urteil in den Entscheidungen der FG 1970, 437 veröffentlicht ist, führte aus: Es folge nicht der Ansicht des BFH im Urteil IV R 266/66 vom 16. März 1967 (BFH 89, 511, BStBl III 1967, 723), nach der die Kosten eines Hochschulstudiums stets nicht abzugsfähige Ausbildungskosten seien. Der vorliegende Fall lasse erkennen, daß es von dieser Regel im Einzelfall durchaus Ausnahmen geben könne. Dem Steuerpflichtigen habe das spätere volkswirtschaftliche Studium keinen wesentlichen neuen Berufsweg, den er nicht auch zuvor schon hätte beschreiten können, eröffnet. Die unter dem Begriff der Wirtschaftswissenschaften zusammengefaßten Zweige der Betriebs- und der Volkswirtschaft stimmten in den Grundzügen überein. Den Studierenden der Volkswirtschaft werde eine fühlbare Anzahl von Studiensemestern mit Rücksicht auf ein vorausgegangenes betriebswirtschaftliches Studium angerechnet. Auch die Berufsbilder seien nahe miteinander verwandt. Dies zeigten z. B. die Stellenanzeigen, in denen häufig Stellen für Wirtschaftswissenschaftler, und zwar ausdrücklich für Betriebs- und Volkswirte, ausgeschrieben würden. Der Steuerpflichtige habe demnach mit seinem volkswirtschaftlichen Studium nicht die Voraussetzungen zum Übergang in einen neuen Beruf geschaffen, sondern lediglich seine vom betriebswirtschaftlichen Studium her vorhandenen wirtschaftswissenschaftlichen Kenntnisse in den gesamtwirtschaftlichen Fächern ergänzt und vertieft.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 9 Abs. 1 und des § 12 Nr. 1 EStG. Es trägt u. a. vor, bei einem Hochschulstudium müsse auf das typische Wesen der Aufwendungen als Ausbildungskosten für einen Beruf abgestellt werden, ohne daß es darauf ankommt, ob es sich um ein erstmaliges oder ergänzendes Hochschulstudium handelt, ob es vor oder nach Ergreifung eines Berufs betrieben wird oder ob es zur Berufsausübung erforderlich ist. Ein Hochschulstudium eröffne, auch wenn es mit dem Erststudium verwandt ist, stets andere berufliche Möglichkeiten. Außerdem würden bei der individualisierenden Betrachtungsweise die Werkstudenten, die sich die Studienmittel durch eine mit dem Studiengegenstand nicht zusammenhängende Tätigkeit verdienten, so wie die Eltern, die die Studienaufwendungen ihrer Kinder aufbrächten, ohne innere Rechtfertigung gegenüber denen benachteiligt, die bereits einen entsprechenden Beruf ausüben.

Der Steuerpflichtige führt aus, die wiederholt betonten Schwierigkeiten der Abgrenzung zwischen Ausbildungskosten und Fortbildungskosten (Urteil VI R 262/66 vom 4. August 1967, BFH 90, 21, BStBl III 1967, 774) hätten den erkennenden Senat nicht gehindert, in Ausnahmefällen Kosten eines Hochschulstudiums als Werbungskosten anzuerkennen, z. B. in den Urteilsfällen VI 5/65 vom 25. Januar 1966 (BFH 84, 543, BStBl III 1966, 198) und VI 81/58 U vom 13. November 1959 (BFH 70, 143, BStBl III 1960, 53). In dem Urteil VI 175/65 vom 25. November 1966 (BFH 87, 473, BStBl III 1967, 200) zeige er Kriterien für eine befriedigende Abgrenzung auf. Im vorliegenden Streitfall ändere sich durch das volkswirtschaftliche Ergänzungsstudium nichts an seiner Tätigkeit und seiner Stellung als Steuersachbearbeiter und Revisionsassistent, abgesehen von der wirtschaftlichen Besserstellung, mit der die Arbeitgeberin den Erfolg des Ergänzungsstudiums honoriert habe. Auch der Zugang zum Beruf des Steuerberaters werde nicht erst mit dem Abschluß des Zweitstudiums ermöglicht, vielmehr reiche hierfür bereits der Abschluß des betriebswirtschaftlichen Erststudiums aus.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision des FA ist begründet.

Die Rechtsprechung des BFH unterscheidet zwischen Fortbildungsaufwendungen, die als Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG (oder als Betriebsausgaben) abzugsfähig sind, und Ausbildungskosten, die den nichtabzugsfähigen Kosten der Lebensführung zuzurechnen sind (z. B. Urteile IV R 266/66 vom 16. März 1967, BFH 89, 511, BStBl III 1967, 723; VI R 88/66; VI R 63/67 und VI R 297/66, jeweils vom 7. August 1967, BFH 90, 26, 34, 29, BStBl III 1967, 777, 779 und 789). Die sachliche Berechtigung dieser Unterscheidung, die darauf beruht, daß Ausbildungskosten noch mit keiner Einkunftsart in Verbindung stehen, ist durch den Gesetzgeber dadurch bestätigt worden, daß dieser erstmals in § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG 1969 für Ausbildungsaufwendungen in begrenztem Umfange den Sonderausgabenabzug zuließ. Da nach § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG nur solche Aufwendungen Sonderausgaben sein können, die nicht Werbungskosten (oder Betriebsausgaben) sind, ergibt sich aus dieser neuen Regelung, daß auch der Gesetzgeber Ausbildungsaufwendungen zu den Kosten der Lebensführung rechnet. Den Ausbildungsaufwendungen stehen Aufwendungen eines bereits in einem Beruf stehenden Steuerpflichtigen für die Ausbildung zu einem anderen Beruf gleich.

Die Abgrenzung zwischen Fortbildungs- und Ausbildungskosten hat seit jeher Schwierigkeiten bereitet. Für eine Hochschulausbildung hat der BFH, nachdem in früheren Entscheidungen die Hochschulausbildung zum Teil der Fortbildung, zum Teil aber auch der Ausbildung zugerechnet worden war, nach grundsätzlicher Überprüfung im Urteil IV R 266/66 (a. a. O.) die Auffassung vertreten, daß Kosten eines Hochschulstudiums stets nichtabzugsfähige Kosten der Berufsausbildung sind. Dieser Auffassung hat sich der erkennende Senat u. a. in den Urteilen VI R 88/66, VI R 63/67 und VI R 297/66 (a. a. O.) angeschlossen. Damit hat der Senat seine früher zum Teil abweichende Auffassung, z. B. in dem Urteil VI 175/65 vom 25. November 1966 (BFH 87, 473, BStBl III 1967, 200) betreffend das Studium eines Industrieingenieurs an einer Technischen Hochschule und im Urteil VI 81/58 U vom 13. November 1959 (BFH 70, 143, BStBl III 1960, 53) betreffend das volkswirtschaftliche Studium eines Betriebsprüfers aufgegeben, nachdem er diese Fälle bereits gegenüber dem IV. Senat auf dessen Anfrage zum Urteil IV R 266/66 als nicht zu verallgemeinernde Sonderfälle bezeichnet hatte. Der Senat verbleibt bei dieser Auffassung.

Ausbildung bedeutet im Gegensatz zur Fortbildung, die der Erweiterung und Vertiefung der Kenntnisse im bereits ausgeübten Beruf dient, die erstmalige Schaffung der Voraussetzungen für die Ausübung eines bestimmten Berufes. Die Ausübung eines akademischen Berufes erfordert regelmäßig den Nachweis eines erfolgreich abgeschlossenen Studiums durch Ablegung der entsprechenden Examen. Es muß deshalb bei einem Steuerpflichtigen, der ein Hochschulstudium mit dem Ziel der Ablegung der entsprechenden Examen absolviert, um dieses zur Grundlage seiner Berufsausübung zu machen, eine Berufsausbildung angenommen werden.

Der Streitfall zeigt, worauf das FG abstellt, die Besonderheit, daß der Steuerpflichtige bereits ein akademisches Examen, nämlich das des Diplom-Betriebswirts, absolviert hatte und daß er bereits einen entsprechenden Beruf ausübte, bevor er das Studium der Volkswirtschaft mit dem Ziel der Absolvierung des Examens als Diplom-Volkswirt aufnahm. Der Senat vermag dem FG aber nicht darin zu folgen, daß deshalb die Studienkosten ihren Charakter als Ausbildungskosten verloren haben. Die Beispiele des FG, in denen dieses bei einem Zweitstudium zum Teil Fortbildung (bei einem Facharzt für Psychiatrie, der an einer philosophischen Fakultät Psychologie studiert) und zum Teil Ausbildung (bei Aufnahme eines medizinischen Studiums nach Abschluß einer philosophischen Ausbildung) annehmen will, zeigen zunächst, in welche kaum zu bewältigenden Abgrenzungsschwierigkeiten es führen würde, wenn das akademische Studium nicht einheitlich beurteilt würde. Die Entscheidung würde dann letztlich von dem Geschick abhängen, mit dem ein Steuerpflichtiger den inneren Zusammenhang eines Zweitstudiums mit dem bereits absolvierten Erststudium vorzutragen in der Lage wäre. Eine Besteuerungspraxis aber, die nicht von objektiven Gegebenheiten, sondern von dem Darstellungsgeschick des Steuerpflichtigen abhängig wäre, könnte kaum noch als mit den Grundsätzen einer gleichmäßigen Besteuerung vereinbar angesehen werden. Der Senat hält auch für den Fall des zweiten Studiums an dem Grundsatz fest, daß die Aufwendungen dafür stets Ausbildungskosten sind.

Es kann nicht entscheidend sein, daß die aus dem Zweitstudium gewonnenen Kenntnisse auch dem aufgrund des Erststudiums bereits ausgeübten Beruf zugute kommen. Durch ein akademisches Studium wird jeweils für einen bestimmten Bereich eine Qualifikation erworben. Es mag sein, daß die durch einen bestimmten Studiengang erworbene Qualifikation mit derjenigen, die durch einen anderen Studiengang erworben worden ist, Ähnlichkeiten und Berührungspunkte aufweist. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, daß es sich jeweils um durch verschiedene Examen erworbene unterschiedliche Qualifikationen handelt. Um solch unterschiedliche Qualifikationen handelt es sich auch bei der des Diplom-Betriebswirts und der des Diplom-Volkswirts. Die unterschiedlichen Abschlußprüfungen zeigen, daß auch unterschiedliche Wissensbereiche vorhanden sind. Schon allein die Tatsache, daß der Steuerpflichtige, nachdem er bereits die Qualifikation als Betriebswirt erreicht hatte, sich noch um die Qualifikation als Diplom-Volkswirt bemühte, ohne sich etwa lediglich auf eine entsprechende Erweiterung seines Wissens zu beschränken, zeigt, daß auch der Qualifikation als Diplom-Volkswirt noch eine zusätzliche selbständige Bedeutung für die Ausübung seines Berufs beizumessen ist.

Der Steuerpflichtige beruft sich auf den Umstand, daß das Zweitstudium auch für den Beruf, so wie er ihn vor dem Studium ausgeübt hat, wertvolle Bereicherungen und Erweiterungen der Kenntnisse gebracht hat. Diese Wirkung, die übrigens auch regelmäßig bei einem Erststudium gegeben ist, sofern der Steuerpflichtige dann bereits in einem Beruf ähnlicher Fachrichtung tätig ist, muß aber zurücktreten gegenüber der entscheidenden Wirkung eines jeden akademischen Studiums, das die Voraussetzungen, wenn nicht für eine neue, so doch für eine erweiterte Berufsausübung schafft. In Anwendung dieser Grundsätze hat der Senat auch bei einem Chemielaboranten, der neben seiner Berufsausübung ein Studium an einer Chemiefachschule mit dem Ziel absolviert, graduierter Ingenieur zu werden, das Studium als Berufsausbildung beurteilt (Urteil VI R 150/70 vom 10. Dezember 1971, BStBl II 1972, 254).

Das Urteil des FG, das die vorstehenden Grundsätze verkannt hat, war wegen Verstoßes gegen die Vorschriften des § 9 Abs. 1 Satz 1 und des § 12 Nr. 1 EStG aufzuheben. Da die Sache entscheidungsreif ist, war die Klage abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413083

BStBl II 1972, 255

BFHE 1972, 231

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