Leitsatz (amtlich)

1. Vorausgezahlte Prämien auf Haftpflichtversicherung und Kraftfahrzeugversicherung sind als aktive Wirtschaftsgüter bei der Einheitswertfeststellung des Betriebsvermögens anzusetzen.

2. Der in der Ertragsteuerbilanz als aktiver Rechnungsabgrenzungsposten angesetzte Betrag für vorausbezahlte Kraftfahrzeug steuer stellt dagegen bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens kein aktives Wirtschaftsgut dar.

 

Normenkette

BewG 1965 §§ 4, 109

 

Tatbestand

Der Revisionsbeklagte (Kläger und Steuerpflichtiger) befaßt sich in seinem Einzelunternehmen mit Heizungsbau und Brennstoff-Handel. Für Vorausentrichtungen aktivierte er in seiner Steuerbilanz folgende Beträge als Rechnungsabgrenzungsposten:

Haftpflichtversicherung

Kraftfahrzeug-Versicherung

Kraftfahrzeugsteuer.

Diese Rechnungsabgrenzungsposten hat der Steuerpflichtige nicht in seine Vermögensaufstellung übernommen. Das FA hat sie jedoch dem Betriebsvermögen hinzugerechnet. Dementsprechend ermittelte es den Einheitswert des Betriebsvermögens auf X DM.

Der Einspruch hiergegen hatte nur insoweit Erfolg, als der auf die vorausgezahlte Kraftfahrzeugsteuer entfallende Betrag nicht mehr als Besitzposten behandelt und demgemäß der Einheitswert des Betriebsvermögens in der Einspruchsentscheidung auf Y DM festgestellt wurde.

Mit der Berufung wandte sich der Steuerpflichtige gegen die Auffassung des FA, daß die verbliebenen Rechnungsabgrenzungsposten als aktive Bestandteile des Betriebsvermögens anzusehen seien. Durch die vorausgezahlten Versicherungsprämien habe der Steuerpflichtige noch keinen Anspruch gegen die Versicherung erworben. Wenn der Versicherungszeitraum schadensfrei verlaufe, sei die Prämie verloren. Ansprüche gegen die Versicherung entständen erst im Falle eines Schadenseintritts. Diese Ansprüche seien aber aufschiebend bedingt und müßten daher außer Ansatz bleiben. Selbst bei Eintritt des Versicherungsfalles erhöhe sich das Vermögen nicht wieder um die gezahlte Prämie. Der Ansicht des FA, daß ein Käufer des Betriebs die vorausbezahlten Prämien bei der Bemessung des Kaufpreises berücksichtigen werde, könne den Ansatz der Rechnungsabgrenzungsposten bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens nicht rechtfertigen. Nicht jeder Umstand, der zu einer Erhöhung oder einer Ermäßigung des Kaufpreises beim Erwerb des gesamten Vermögens führe, wirke sich auf die Höhe des Einheitswerts des Betriebsvermögens aus, wie z. B. Darlehnsaufgelder, vorausgezahlte Kraftfahrzeugsteuern, Jahresabschlußkosten und Garantieverpflichtungen. Die letztgenannten Posten könnten unzweifelhaft nicht bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens angesetzt werden.

Die Klage hatte Erfolg. Die Vorentscheidung geht davon aus, daß es sich bei den vorausgezahlten Versicherungsprämien um Vorleistungen aus einem gegenseitigen Vertrag handle. Der Versicherungsnehmer habe seine Leistung durch Zahlung der Prämien erbracht. Der Anspruch aus diesem gegenseitigen Vertrag gegenüber der Versicherung könne aber nur berücksichtigt werden, wenn es sich bei diesem Anspruch um ein bewertungsfähiges Wirtschaftsgut handele. Zu den nicht bewertbaren Wirtschaftsgütern gehörten gemäß § 4 BewG Ansprüche, die aufschiebend bedingt seien. Der Anspruch des Versicherungsnehmers hänge nämlich von einem zukünftigen ungewissen Ereignis ab und sei damit aufschiebend bedingt. Das ergebe sich aus dem Schrifttum zum Versicherungsvertragsgesetz (VVG). Nach Rechtsprechung und herrschender Meinung im Schrifttum zu diesem Gesetz sei die Gefahrtragung des Versicherers keine Leistung im Sinne des § 241 BGB und damit keine Erfüllung, sondern stelle nur einen Haftungszustand dar, der aus dem bedingten Leistungsversprechen des Versicherers folge. Der Versicherer verspreche nur eine durch den Eintritt des Versicherungsfalles bedingte Hauptleistung. Da am Feststellungsstichtag unstreitig kein Schadensfall vorgelegen habe, seien die Ansprüche des Steuerpflichtigen aus dem Versicherungsvertrag aufschiebend bedingt gewesen. Mithin hätten auch keine Gegenansprüche vorgelegen, die ein bewertbares Wirtschaftsgut darstellen könnten. Wäre die gegenteilige Auffassung des FA richtig, so hätte es auch die im voraus geleistete Kraftfahrzeugsteuer als Besitzposten behandeln müssen. Die Vorinstanz hat auf Grund dieser Erwägungen den Einheitswert auf Z DM herabgesetzt.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der es die Aufhebung der Vorentscheidung und die Wiederherstellung der Einspruchsentscheidung beantragt. Auch das FA geht davon aus, daß es sich bei den vorausbezahlten Versicherungsprämien um Vorleistungen aus gegenseitigen Verträgen handelt. Durch Zahlung der Prämien habe der Steuerpflichtige einen Anspruch auf Versicherungsschutz. Dieses Recht auf Versicherungsschutz stelle ein bewertbares Wirtschaftsgut dar, das nicht aufschiebend bedingt sei. Im Falle eines vorzeitigen Erlöschens des Versicherungsvertrages vor dem Stichtag hätte nämlich der Versicherte einen Anspruch auf die vorausgezahlten Versicherungsprämien. Auch im Verkaufsfalle würde der Erwerber dem Verkäufer die geleisteten Prämienvorauszahlungen in Form einer Erhöhung des Kaufpreises zurückvergüten. Anders verhalte es sich mit der im voraus geleisteten Kraftfahrzeugsteuer; in diesem Falle habe der Steuerpflichtige nach Bezahlung seiner Steuer keinen Rechtsanspruch gegen einen Dritten erworben, so daß ein bewertungsfähiges Wirtschaftsgut insoweit nicht vorliege. Nicht entscheidend sei, ob durch die Prämienvorauszahlung der Anspruch auf Versicherungsschutz versicherungsrechtlich als Hauptleistung und damit als Leistung im Sinne des § 241 BGB angesehen werden könne oder nicht.

Der Steuerpflichtige beantragt die kostenpflichtige Zurückweisung der Revision. Er vertritt weiterhin die Auffassung, daß die hier strittigen Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag aufschiebend bedingt seien und deshalb bewertungsrechtlich nicht angesetzt werden dürften. Die Besteuerungsgrundlage sei der Maßstab für die steuerliche Leistungsfähigkeit des einzelnen gegenüber der Allgemeinheit. Im Bereich der Vermögensteuer bemesse sich diese steuerliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen nach dem zu Beginn des Besteuerungszeitraumes tatsächlich vorhandenen Vermögen. Der Nichtansatz aufschiebend bedingter und der volle Ansatz auflösend bedingter Rechte oder Lasten entspreche diesem Prinzip. Diese vom Gesetzgeber mit gutem Grund gewollte Folge würde aber durch eine Überspitzung des Begriffs "Wirtschaftsgut" wieder aufgehoben. Eine derartige Handhabung widerspreche dem Willen des Gesetzgebers und habe außerdem zur Folge, daß die mit dem Stichtagsprinzip angestrebte Vereinfachung der Bewertung nicht nur nicht erreicht, sondern in ihr Gegenteil verkehrt würde.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision des FA hat Erfolg.

Bei der Einheitswert-Feststellung des Betriebsvermögens des Steuerpflichtigen auf den 1. Januar 1966 sind die Rechnungsabgrenzungsposten für die Haftpflichtversicherung und die Kraftfahrzeug-Versicherung zu Recht als Aktivwerte des Betriebsvermögens behandelt worden. Die bei der Steuerbilanz als aktive Rechnungsabgrenzungsposten behandelten Beträge sind für die Vermögensaufstellung und die Ermittlung des Einheitswerts des Betriebsvermögens ebenso wie passive Rechnungsabgrenzungsposten auf ihren Gehalt zu untersuchen. Das ergibt sich einmal daraus, daß in der Vermögensaufstellung das Vermögen zu einem bestimmten Stichtag auszuweisen ist, wie es sich nach den Vorschriften des BewG ergibt. Daraus folgt, daß für die Vermögensaufstellung statische und nicht dynamische Grundsätze Anwendung finden müssen. Deshalb können die in der Ertragsteuerbilanz ausgewiesenen aktiven Rechnungsabgrenzungsposten nicht ohne weiteres für die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens übernommen werden. Es ist vielmehr zu prüfen, ob einem aktiven Rechnungsabgrenzungsposten unter dem Gesichtspunkt eines schwebenden Geschäfts ein bewertbarer Anspruch gegenübersteht, oder ob der Rechnungsabgrenzungsposten für sich betrachtet ein selbständig bewertbares Wirtschaftsgut darstellt (s. das Urteil des erkennenden Senats III 347/60 U vom 17. Januar 1964, BFH 79, 1, BStBl III 1964, 234).

FA und FG sind zutreffend davon ausgegangen, daß es sich bei dem Versichserungsvertragsverhältnis um einen gegenseitigen Vertrag handelt. Beide sind auch zutreffend davon ausgegangen, daß der Versicherungsnehmer, im Streitfall der Steuerpflichtige, durch Zahlung der vereinbarten Prämie seine Leistung im Sinne des § 241 BGB erbracht hat. Die Vorinstanz geht jedoch von einer rechtsirrigen Auffassung aus, wenn sie annimmt, daß die Leistung der Versicherungsgesellschaft selbst aufschiebend bedingt sei. Eine Leistung des Versicherers liegt nicht erst dann vor, wenn er im Schadensfalle zur Schadensregulierung verpflichtet ist; seine Leistung liegt schon in der Gefahrtragung selbst. Aufschiebend bedingt ist nämlich nicht der Anspruch auf Versicherungsschutz, der seinerseits durch die Zahlung der Prämien begründet wird, sondern ein etwaiger Anspruch auf die Versicherungsleistung aus dem Schadensereignis. Das FG hat insoweit den Begriff der Leistung aus dem Versicherungsvertrag verkannt. Die Verpflichtung der Versicherungsgesellschaft zur Gefahrtragung bedeutet für den Versicherungsnehmer eine auch wirtschaftlich bewertbare Anwartschaft, bei Eintritt des Versicherungsfalles Bedarfsdeckung zu erlangen (s. Bruck-Möller, Versicherungsvertragsgesetz, 8. Aufl., 1. Bd. 1961, § 1 Anm. 42 bb). Aufschiebend wäre die Verpflichtung der Versicherungsgesellschaft, Versicherungsschutz zu gewähren z. B. dann, wenn der Abschluß des Versicherungsvertrags selbst an eine Bedingung geknüpft wäre oder der Beginn der Haftung von einer Bedingung abhängig wäre. Das ist aber nach den Feststellungen der Vorinstanz nicht der Fall. Es ist zwar versicherungsrechtlich umstritten, ob die Zusage der Gefahrtragung bereits eine Leistung der Versicherungsgesellschaft im Sinne des § 241 BGB darstellt oder nicht (zur sog. Gefahrtragungstheorie = Anwartschaftsverschaffungstheorie, s. Bruck-Möller, § 1, Anm. 44 aa, und zur Geldleistungstheorie, s. daselbst Anm. 45 bb). Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist dieser versicherungsrechtliche Streit jedoch für die bewertungsrechtliche Behandlung der dem Versicherungsnehmer (Steuerpflichtigen) zustehenden Ansprüche unerheblich. In jedem Fall liegt ein Wirtschaftsgut vor, das bei dem Steuerpflichtigen als Aktivposten zu erfassen ist.

Der Begriff "Wirtschaftsgut" ist zwar im BewG selbst nicht erläutert. Nach der Rechtsprechung setzt der Begriff Wirtschaftsgut voraus, daß es sich um ein Gut handelt, das selbständig bewertungsfähig ist (Entscheidung des Obersten Finanzgerichtshofs I 10/47 U: Vorbescheid vom 14. November 1947 und Urteil vom 28. Februar 1948, Amtsblatt des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen 1948 S. 70). Daraus ergibt sich, daß der Begriff "Wirtschaftsgut" sich also nicht mit den bürgerlich-rechtlichen Begriffen Gegenstand, Sache, Recht deckt. Er ist vielmehr umfassender. Wenn die Vorinstanz im Streitfall den Versicherungsschutz des Steuerpflichtigen, den er durch die Zahlung seiner Versicherungsprämie erlangt hat, nur unter dem Gesichtspunkt der Leistung im Sinne des § 241 BGB, d. h. im Sinne einer Schadensregulierung sieht, so ist, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, dieser Ausgangspunkt unrichtig. Es kommt vielmehr darauf an, ob unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet der Anspruch des Steuerpflichtigen aus dem Versicherungsvertrag als ein bewertungsfähiges Wirtschaftsgut anzusehen ist. Dies ist zu bejahen. Ein Erwerber des ganzen Unternehmens würde dem bisherigen Betriebsinhaber eine Vergütung für die im voraus gezahlten Versicherungsprämien als Teil des Gesamtkaufpreises vergüten, da er nämlich anderenfalls ohne Bestehen eines Versicherungsschutzes selbst die Versicherung abschließen und die künftigen Versicherungsprämien zahlen müßte. Das ergibt sich für die Kraftfahrzeug-Versicherung schon aus dem Gesetz, da die Abmeldung des versicherten Fahrzeuges zu einem sofortigen Anspruch auf Rückzahlung der für die Zeit nach der Abmeldung im voraus entrichteten Prämie führt.

Diese Beurteilung steht auch in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Urteile III 347/60 U vom 17. Januar 1964, a. a. O., und III 142/61 U vom 14. Februar 1964, BFH 79, 85, BStBl III 1964, 264 [265 zu III]; III R 145/66 vom 31. Oktober 1969, BFH 97, 561 [564 unten], BStBl II 1970, 197 [199 linke Spalte]).

Das FA hat auch in der Einspruchsentscheidung die vorausgezahlte Kraftfahrzeugsteuer zu Recht nicht als Aktivposten des Betriebsvermögens behandelt. Das ergibt sich schon aus § 1 Abs. 1 AO, wonach Steuern einmalige oder laufende Geldleistungen sind, die keine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen. Durch die Vorauszahlung der Kraftfahrzeugsteuer für einen Zeitraum, der über den hier maßgebenden Feststellungsstichtag (1. Januar 1966) hinausging, erhielt der Steuerpflichtige damit keinen Anspruch etwa in der Form eines Straßenbenutzungsrechtes oder dergleichen eingeräumt, der bewertungsrechtlich als bewertbarer Anspruch angesehen werden könnte. Anders wäre es nur, wenn der Steuerpflichtige die Kraftfahrzeugsteuer bereits vor dem Fälligkeitsstichtag entrichtet hätte. In diesem Falle läge ein Rechnungsabgrenzungsposten im Sinne des Bilanzsteuerrechts vor, der bewertungsrechtlich ein bei der Finanzkasse bestehendes Guthaben darstellen würde, das wie sonstige Guthaben bei Banken usw. zu behandeln wäre.

Da die Vorentscheidung von anderen rechtlichen Erwägungen ausgeht, ist sie aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage gegen die Einspruchsentscheidung des FA ist als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69135

BStBl II 1970, 779

BFHE 1971, 110

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