Leitsatz (amtlich)

1. Zur Abzugsfähigkeit von Alterungsrückstellungen bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der Krankenversicherungsunternehmen.

2. Schadenrückstellungen der Krankenversicherungsunternehmen sind nur insoweit zulässig, als die Inanspruchnahme des Arztes, der Apotheke oder des Krankenhauses vor dem Bewertungsstichtag liegt oder Krankenhaustagegeld für Tage vor dem Bewertungsstichtag gewährt wird.

2. Ein Schuldabzug für Schadenermittlungskosten ist in Höhe der Einzel- und der Gemeinkosten der Schadenermittlung zulässig. Ein Schuldabzug für Schadenbearbeitungskosten ist nicht zulässig.

 

Normenkette

BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 62 Abs. 1; BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 62 Abs. 2; BewDV a.F. § 53

 

Gründe

Aus den Gründen:

III.

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Alterungsrückstellung

In diesem Punkt ist die Revision zum Teil begründet.

a) Gemäß § 62 Abs. 2 BewG sind bei Versicherungsunternehmen vom Rohvermögen versicherungstechnische Rücklagen abzuziehen, soweit sie für die Leistungen aus den Versicherungsverträgen erforderlich sind. Dieser Abzug ist nach § 53 Abs. 1 BewDV weiter davon abhängig, daß es sich bei den Rücklagen um echte Schuldposten oder um Rechnungsabgrenzungsposten handelt. Nach § 53 Abs. 1 Satz 2 BewDV dürfen die Rücklagen den Betrag nicht übersteigen, der zur Sicherstellung der Verpflichtungen aus den am Bewertungsstichtag bestehenden Versicherungsverträgen erforderlich ist.

Das FG hat zutreffend entschieden, daß die Alterungsrückstellungen versicherungstechnische Rückstellungen sind, die bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens abzugsfähig sind. Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz liegen im Streitfall alle Voraussetzungen vor, die der Oberste Finanzgerichtshof (OFH) in der Entscheidung I 174/43 S vom 22. Juni 1949 (Entscheidung des Obersten Finanzgerichtshofs Bd. 54 S. 347) für die steuerliche Anerkennung von Alterungsrückstellungen verlangt hat. Der Versicherer hat sich gegenüber den Versicherten verpflichtet, wegen des infolge Alterns der Versicherten erhöhten Wagnisses für die Zukunft weder die Beiträge zu erhöhen noch die Versicherungsleistungen zu vermindern. Die Alterungsrückstellungen sind somit erforderlich, um die Erfüllung der Verpflichtungen des Versicherers aus den Versicherungsverträgen auch zukünftig zu gewährleisten.

Dem FG ist auch darin zuzustimmen, daß die negativen Rückstellungsteile eines Tarifs und eines Geschlechts mit den positiven Rückstellungsteilen des anderen Tarifs und des anderen Geschlechts zu verrechnen sind. Der I. Senat hat in dem zur Körperschaftsteuer ergangenen Urteil I 114/65 vom 19. Januar 1972 (BFH 104, 422, BStBl II 1972, 392) entschieden, daß bei der Bewertung der Verpflichtungen aus den Versicherungsverträgen, für die die Alterungsrückstellungen gebildet würden, nicht vom einzelnen Versicherungsvertrag, sondern von der Gesamtheit der Verträge auszugehen sei. Denn der Steuerpflichtige habe die Berechnung der Prämien und die darauf aufbauende Berechnung der Alterungsrückstellungen nicht für jeden Versicherungsvertrag getrennt vorgenommen. Daher seien negative Alterungsrückstellungen, die sich bei einer Gruppe ergäben, mit negativen Alterungsrückstellungen einer anderen Gruppe und des anderen Geschlechts zu verrechnen. Der negative Teil der Alterungsrückstellungen dürfe nicht mit Null angesetzt werden. Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat für das Bewertungsrecht an. Die Verechnung der negativen Alterungsrückstellungen eines Tarifs und eines Geschlechts mit den positiven Rückstellungen sämtlicher anderer Tarife und des anderen Geschlechts entspricht dem Grundsatz des Risikoausgleichs innerhalb des Gesamtbestandes der Versicherungsverträge, der auch dem Krankenversicherungsgeschäft des Steuerpflichtigen zugrunde liegt. Das Begehren des Steuerpflichtigen, den Ausgleich der negativen mit den positiven Teilen der Alterungsrückstellung auf die einzelnen Tarife und das gleiche Geschlecht zu beschränken, würde zu einer Alterungsrückstellung führen, die in dieser Höhe für die Verpflichtungen aus dem Gesamtbestand der Versicherungsverträge nicht erforderlich wäre.

b) Das FG hat weiter zu Recht entschieden, daß zum Ausgleich des möglichen Abgangs von Krankenversicherungsverträgen mit negativen Deckungsrückstellungen eine Stornorückstellung zu bilden ist. Zur Höhe dieser Rückstellung hat das BAV dem FG mitgeteilt, es werde eine Stornorückstellung in Höhe von 10 bis 15 v. H. der Summe aller negativen Deckungsrückstellungen bei der Genehmigung der geschäftsplanmäßigen Erklärungen über die Bildung einer solchen Rückstellung nicht beanstanden. Demgegenüber hat das FG die Stornorückstellung nur auf 10 v. H. der ausgenullten negativen Deckungsrückstellungen geschätzt. Der Steuerpflichtige hat trotz Anfrage des FG nicht näher angegeben, wie viele Versicherungen mit negativen Deckungsrückstellungen in den Geschäftsjahren vor den streitigen Stichtagen außerrechnungsmäßig abgegangen sind und wie groß die Summe der negativen Deckungsrückstellungen dieser Versicherungen absolut und im Verhältnis zur Summe aller negativen Deckungsrückstellungen gewesen ist. Eine Prüfung, ob das FG die Stornorückstellung in vertretbarer Höhe geschätzt hat, ist dem Senat daher nicht möglich.

Der Steuerpflichtige beruft sich zur Begründung seines Verlangens, die Stornorückstellung in voller Höhe der Alterungsrückstellungen zu bilden, auf die Anordnung der Finanzverwaltung, den Ansatz der negativen Rückstellungen mit Null bis zu dem Wirtschaftsjahr, in das der 31. Dezember 1962 fällt, nicht zu beanstanden. Wie der I. Senat im Urteil I 114/65 (a. a. O.) entschieden hat, bindet diese Anordnung die Gerichte nicht. Denn es handelt sich um keine Übergangsregelung nach Änderung der Rechtsprechung (BFH-Urteile I 252/64 vom 17. Dezember 1969, BFH 98, 152, BStBl II 1970, 257; I 39/57 U vom 14. August 1958, BFH 67, 354, BStBl III 1958, 409).

c) Das Urteil des FG enthält keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen zu der Frage, wie der Steuerpflichtige die negativen Rückstellungen, die aus der Zillmerung herrühren, behandelt hat. Die Vorinstanz ist insoweit von der irrigen Rechtsauffassung ausgegangen, die Frage der Zillmerung sei im Streitfall nicht einschlägig. Das FG-Urteil ist aus diesem Grunde aufzuheben. Die nicht spruchreife Sache geht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück. Der Steuerpflichtige kann dann auch seinen Vortrag zur Höhe der Stornorückstellung ergänzen.

2. Schadenrückstellungen

a) Schadenrückstellungen der Krankenversicherungsunternehmen - für Verpflichtungen der Versicherer aus den bis zum Bilanzstichtag eingetretenen aber noch nicht abgewickelten Versicherungsfällen (Schmaltz-Sandig-Forster, Formblätter für den Jahresabschluß, 2. Aufl. S. 93) - sind bewertungsrechtlich nur insoweit zulässig, als die Inanspruchnahme des Arztes, der Apotheke oder des Krankenhauses vor dem Bewertungsstichtag liegt oder Krankentagegeld für Tage vor dem Bewertungsstichtag gewährt wird.

aa) Als Rechtsgrundlage für den von der Steuerpflichtigen begehrten Abzug für Leistungen nach dem Stichtag auf vor dem Stichtag eingetretene Krankheitsfälle kommt zunächst § 62 Abs. 1 BewG in Betracht. Diese Vorschrift regelt den Abzug von Schulden für die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens generell und gilt auch für Versicherungsunternehmen. § 62 Abs. 2 BewG in Verbindung mit § 53 BewDV schließt die Anwendung des § 62 Abs. 1 BewG auf im Versicherungsgeschäft als versicherungstechnische Rücklagen bezeichnete Passivposten nicht aus, soweit es sich bei diesen um echte Verbindlichkeiten handelt. An der hiervon abweichenden Auffassung im Urteil des BFH III 95/64 vom 28. November 1969 (BFH 98, 50, BStBl II 1970, 236), § 62 Abs. 2 BewG habe als lex specialis für den Abzug von im Versicherungswesen als versicherungstechnische Rücklagen bezeichneten Passivposten den Vorrang vor der allgemeinen Vorschrift des § 62 Abs. 1 BewG, hält der Senat nicht mehr fest. Der Wortlaut des § 62 BewG läßt beide Auslegungen zu. Der systematische Aufbau des § 62 BewG spricht indes dafür, daß § 62 Abs. 1 BewG den Abzug echter Schuldposten allgemein und uneingeschränkt regelt und § 62 Abs. 2 BewG den Abzug von Passivposten bei Versicherungsunternehmen wegen der Besonderheiten im Versicherungsgeschäft in weiterem Umfang zuläßt, ohne den Abzug echter Schulden nach § 62 Abs. 1 BewG auszuschließen. Diese Auffassung findet ihre Bestätigung in der Entstehungsgeschichte des § 62 Abs. 2 BewG. Diese Vorschrift geht zurück auf § 17 des Reichsnotopfergesetzes vom 31. Dezember 1919 (RGBl 1919 S. 2189 f.). Danach waren "außer" allgemein abzugsfähigen Schulden und Lasten bei Versicherungsunternehmen "die Rücklagen für die Versicherungssummen und für die den Versicherten selbst als sogenannte Dividende zurückzugewährenden Prämienüberschüsse" abzuziehen (vgl. hierzu Nr. 667 der Drucksachen der Nationalversammlung S. 455 [471]). Die gleiche Regelung enthielt § 12 VStG 1922, eine ähnliche die §§ 28 Abs. 2 Satz 1 BewG 1925 und 47 Abs. 2 Satz 1 BewG 1931, wo indes die Worte "außer den allgemeinen abzugsfähigen Schulden und Lasten" fehlen, ohne daß hieraus Folgerungen für die Nichtanwendbarkeit der allgemeinen Vorschrift auf versicherungstechnische Rücklagen der Versicherungsunternehmen gezogen wurden (vgl. Fabisch-Krekeler, Bewertungsgesetz 1931, Anm. zu § 47 Abs. 2 BewG 1931). Ähnlich wie gemäß § 12 VStG 1922 - aber im Gegensatz zur Fassung des § 62 Abs. 2 BewG 1934 - sind nach § 11 Satz 1 KStG 1934 bei Versicherungsunternehmen Zuführungen zu versicherungstechnischen Rücklagen abzuziehen, "soweit sie nicht bereits nach den Vorschriften des EStG abzugsfähige Ausgaben sind". Aus der Begründung zu § 62 BewG 1934 (RStBl 1935, 161 [175]), wonach die Neufassung über die Abzugsfähigkeit versicherungstechnischer Rücklagen bei Versicherungsunternehmen im Bewertungsrecht der körperschaftsteuerrechtlichen Regelung entspricht ("sachlich besteht gegenüber dem KStG kein Unterschied") muß indes geschlossen werden, daß die Sonderregelung des § 62 Abs. 2 BewG - wie bereits die früheren Vorschriften - nur insoweit zur Anwendung kommen sollte, als Passivposten nicht bereits nach § 62 Abs. 1 BewG abzugsfähig sind. Dem widerspricht nicht der Wortlaut des § 53 Abs. 1 BewDV, wonach versicherungstechnische Rücklagen insoweit abzugsfähig sind, als es sich bei diesen Rücklagen um echte Schuldposten oder um Posten der Rechnungsabgrenzung handelt. Diese Vorschrift setzt für den Abzug versicherungstechnischer Rücklagen nicht voraus, daß die Voraussetzungen einer Schuld oder eines Rechnungsabgrenzungspostens nach den allgemeinen Vorschriften in jeder Beziehung erfüllt sein müßten. Denn in diesem Fall wäre die Rückstellung - jedenfalls hinsichtlich der echten Schuldposten - bereits nach § 62 Abs. 1 BewG anzuerkennen und es bedürfte keiner Sondervorschrift für die versicherungstechnischen Rücklagen. Der I. Senat hat im Urteil I 114/65 (a. a. O.) zu dem inhaltsgleichen § 24 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung zur Durchführung des Körperschaftsteuergesetzes (KStDV) entschieden, daß es sich bei den versicherungstechnischen Rücklagen um Tatbestände handeln muß, die unter Berücksichtigung der Eigenart des Versicherungsgeschäfts wie Schulden oder wie Rechnungsabgrenzungsposten wirken. Nur für solche Posten gilt auch die Einschränkung des Abzugs versicherungstechnischer Rücklagen in § 62 Abs. 2 BewG in Verbindung mit § 53 Abs. 1 BewDV, nicht dagegen für die nach der allgemeinen Vorschrift des § 62 Abs. 1 BewG abzugsfähigen Schuldposten.

bb) Nach § 62 Abs. 1 BewG sind zur Ermittlung des Einheitswerts vom Rohvermögen diejenigen Schulden abzuziehen, die mit der Gesamtheit oder einzelnen Teilen des gewerblichen Betriebs in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Die bewertungsrechtliche Anerkennung einer Rückstellung setzt nach ständiger Rechtsprechung des Senats voraus, daß hinsichtlich des Sachverhalts, für den die Rückstellung gebildet werden soll, im Feststellungszeitpunkt sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich eine Verpflichtung besteht. Bei Krankheitsfällen, die vor dem Bewertungsstichtag eingetreten sind, für die jedoch bis zu diesem Zeitpukt eine Leistung des Arztes oder der Apotheke nicht erfolgt ist, fehlt es am Feststellungszeitpunkt an einer rechtlichen Verpflichtung des Versicherers zur Erstattung von Aufwendungen. Gemäß § 1 Abs. 1 VVG ist der Versicherer mit dem Eintritt des Versicherungsfalles verpflichtet, dem Versicherungsnehmer den dadurch verursachten Vermögensschaden zu ersetzen oder die sonst vereinbarte Leistung zu bewirken. Nach dieser Vorschrift knüpft die Ersatzpflicht des Versicherers an den Eintritt des Versicherungsfalles an. Der Versicherungsfall ist gegeben, wenn sich die versicherte Gefahr realisiert hat. Für die Krankenversicherung bestimmen die Grundbedingungen 1950 bis 1954 den Begriff des Versicherungsfalles für die hier streitigen Stichtage. Danach beginnt der Versicherungsfall mit dem Eintritt in die Heilbehandlung und endet mit deren Abschluß, wenn nach ärztlichem Befund Behandlungsbedürftigkeit nicht mehr besteht (Allgemeine Versicherungsbedingungen - AVB - für die Krankheitskostenversicherung, Grundbedingungen 1950 und 1954 § 5 Abs. 1; ähnlich die AVB Krankenhauskostenund Krankenhaustagegeldversicherung Grundbedingungen 1950 und 1954 § 5 Abs. 1). Hieraus folgt, daß die Verpflichtung des Versicherers zum Ersatz des durch die Krankheit eintretenden Schadens und zur Zahlung von Krankenhaustagegeld erst entsteht, wenn der Versicherte nach Eintritt der Krankheit die Leistungen des Arztes, des Krankenhauses oder der Apotheke in Anspruch genommen hat. Entgegen der Auffassung des Steuerpflichtigen führt der Eintritt der Krankheit allein noch nicht zur Leistungspflicht des Versicherers. Nicht die Krankheit, sondern erst die Entstehung von Aufwendungen durch die Heilbehandlung löst die Ersatzpflicht des Versicherers im Krankenversicherungsgeschäft aus. Dem steht nicht entgegen, daß der Versicherungsfall in der Krankenversicherung von Rechtsprechung und Schrifttum als gedehnter Versicherungsfall angesehen wird (vgl. Bruck-Möller, Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz, 8. Aufl., § 1 Anm. 49). Wie der I. Senat im Urteil I 114/65 (a. a. O.) dargelegt hat, verdeutlicht der Begriff des gedehnten Versicherungsfalles, daß der Versicherungsfall im vergangenen Geschäftsjahr noch nicht vollständig eingetreten ist, soweit die Heilbehandlung am Bewertungsstichtag noch nicht abgeschlossen ist. Entgegen der Auffassung des Steuerpflichtigen ist die Art und Weise der Rechnungsstellung durch Arzt und Krankenhaus für die Frage, wann die Ersatzpflicht des Versicherers entsteht, ohne Bedeutung. Danach dürfen in der Schadenrückstellung nur die Beträge berücksichtigt werden, die vom Versicherer am Bewertungsstichtag für die Inanspruchnahme des Arztes, der Apotheke oder des Krankenhauses vor dem Bewertungsstichtag und für Krankentagegeld für vor diesem Zeitpunkt liegende Tage geschuldet wird. Dabei ist es gleichgültig, ob diese Schulden am Feststellungszeitpunkt beim Versicherer angemeldet und von diesem teilweise oder noch gar nicht bearbeitet sind oder ob sie dem Versicherer am Feststellungszeitpunkt überhaupt noch nicht bekannt sind.

cc) Das hierüber hinausgehende Begehren des Steuerpflichtigen läßt sich auch nicht auf § 62 Abs. 2 BewG stützen. Liegt die Inanspruchnahme des Arztes, des Krankenhauses oder der Apotheke bei einer vor dem Stichtag eingetretenen Krankheit erst nach dem Bewertungsstichtag, so ist der Versicherungsfall, wie oben nachgewiesen wurde, am Bewertungsstichtag noch nicht eingetreten. Allein die Wahrscheinlichkeit, daß der Versicherungsfall in den Fällen einer am Stichtag bereits bestehenden Krankheit alsbald eintreten wird, rechtfertigt es nicht, die erst nach dem Stichtag entstehende Verpflichtung des Steuerpflichtigen zum Ersatz des Schadens wie einen echten Schuldposten im Sinne des § 53a Abs. 1 Satz 1 BewDV zu behandeln. Die Eigenart des Versicherungsgeschäfts rechtfertigt es auch nicht, den Abzug eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens im Sinne des § 53a Abs. 1 Satz 1 BewDV zuzulassen. Hier ist zu berücksichtigen, daß dem Versicherer für seine erst nach dem Bewertungsstichtag entstehenden Versicherungsleistungen die Prämien zur Verfügung stehen, die erst nach diesem Stichtag vereinnahmt werden. Im übrigen ist das allgemeine Risiko des Steuerpflichtigen, dem Versicherten bei Eintritt in die Heilbehandlung den dadurch verursachten Schaden zu ersetzen oder die sonst vereinbarte Leistung zu erbringen (§ 1 Abs. 1 VVG), bereits durch die Deckungsrückstellung berücksichtigt.

b) In die Schadenrückstellungen sind nach den Vorschriften für den Jahresabschluß der Krankenversicherungsunternehmen auch die Aufwendungen für die Schadenermittlung für am Stichtag unerledigt gebliebene Schäden einzubeziehen. Aufwendungen für die Schadenermittlung sind danach die speziell für den einzelnen Schadenfall veranlaßten Ausgaben, um die Versicherungsleistungen dem Grunde und der Höhe nach festzustellen (Schmaltz-Sandig-Forster, a. a. O., S. 94). Das FG hat nicht zwischen Schadenermittlungsund Schadenbearbeitungskosten unterschieden und daher rechtsirrtümlich nicht geprüft, ob und in welchem Umfang Schadenermittlungskosten bei der Bemessung der Schadenrückstellung eingerechnet werden dürfen und im Streitfall tatsächlich eingerechnet wurden. Diese Frage ist, wie der I. Senat für die Körperschaftsteuerveranlagung entschieden hat, im Rahmen des Streitgegenstandes zu untersuchen (BFH-Beschluß Gr. S. 1/66 vom 17. Juli 1967, BFH 91, 93, BStBl II 1968, 344).

Das FG-Urteil ist daher auch in diesem Punkt aufzuheben. Die Vorinstanz wird bei der Prüfung der Frage, in welchem Umfang die Schadenermittlungskosten in die Schadenrückstellung einzubeziehen sind, die nachfolgenden Ausführungen zu beachten haben:

aa) Rückstellungen sind nicht nur für Geldschulden, sondern auch für Verpflichtungen zu Sach- und Dienstleistungen zu bilden. Für den Bereich der Sachversicherung hat der erkennende Senat mit Urteil III 95/64 (a. a. O.) entschieden, daß Rückstellungen für die Schadenermittlungskosten nur in Höhe der unmittelbaren Kosten (Einzelkosten) zulässig sind. Als Rechtsgrundlage für den Abzug der Rückstellung für Schadenermittlungskosten kommt § 62 Abs. 1 BewG in Betracht (vgl. oben 2 a, aa). Danach ist Voraussetzung für den Abzug der Rückstellung, daß das Krankenversicherungsunternehmen den Versicherten gegenüber aus den Versicherungsverträgen zur Schadenermittlung verpflichtet ist. Mit Urteil I 114/65 (a. a. O.) hat der I. Senat unter Hinweis auf die §§ 11, 64 und 66 VVG eine solche Verpflichtung bejaht. Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an. § 66 VVG gilt für den gesamten Bereich der Schadenversicherung und damit auch für die Krankenversicherung. Dem steht nicht entgegen, daß die Schadenermittlungspflicht im Krankenversicherungsgeschäft - anders als bei der Haftpflichtversicherung (vgl. § 3 Abs. 2 Nr. 1 AHB, § 10 AKB) - in den allgemeinen Versicherungsbedingungen nicht ausdrücklich erwähnt ist. Dies beruht nach Auffassung des Senats darauf, daß der Schadenermittlungspflicht im Krankenversicherungsgeschäft keine allzu große praktische Bedeutung zukommen dürfte und diese Pflicht hier nur als Nebenpflicht ausgestaltet ist. Für die Anerkennung einer Rückstellung als Schuldposten reicht es indes aus, daß die Schadenermittlung nach dem Inhalt des Versicherungsvertrages vom Versicherer als selbständige Leistung zu erbringen ist. Bei der Schadenermittlungspflicht der Krankenversicherungsunternehmen handelt es sich um eine auf dem Versicherungsvertrag beruhende Nebenpflicht und somit um eine Verbindlichkeit, für die - soweit sie am Bewertungsstichtag der Höhe nach ungewiß ist - bewertungsrechtlich eine Rückstellung gebildet werden darf.

bb) Zur Höhe der Rückstellung hat der I. Senat ausgeführt, Verbindlichkeiten seien handelsrechtlich mit dem Erfüllungsbetrag zu bewerten. Dies sei bei Sach- und Dienstleistungen der Geldwert der Aufwendungen, die zur Bewirkung der Sach- oder Dienstleistung erforderlich seien und umfasse auch angemessene Teile der Betriebs- und Verwaltungskosten. Diese handelsrechtliche Beurteilung gelte mit gewissen Einschränkungen auch im Steuerrecht. Nach der Rechtsprechung des RFH (Urteil VI A 197/36 vom 1. April 1936, RStBl 1936, 446) und des BFH (Urteil IV 470/60 vom 10. Juli 1963, DB 1963, 1273) seien die nicht in Geld zu erfüllenden Verbindlichkeiten grundsätzlich mit den gesamten Kosten (Einzelund Gemeinkosten) unter Außerachtlassung der Verwaltungskosten zu bewerten. Unter Aufgabe seiner im Urteil III 95/64 (a. a. O.) vertretenen Ansicht schließt sich der erkennende Senat dieser Auffassung an.

3. Rückstellung für Schadenbearbeitungskosten

In diesem Punkt ist die Revision nicht begründet.

a) Bereits mit Urteil III 95/64 (a. a. O.) hat der Senat den Abzug einer Rückstellung für Schadenbearbeitungskosten gemäß § 62 Abs. 2 BewG abgelehnt. An dieser Auffassung hält der Senat fest. Wegen der bislang zum Verhältnis von § 62 Abs. 1 zu § 62 Abs. 2 BewG vertretenen Auffassung hat der Senat seinerzeit zwar nicht geprüft, ob die Rückstellung für Schadenbearbeitungskosten als echter Schuld- oder Rechnungsabgrenzungsposten abzuziehen ist. Ein Abzug der Rückstellung für Schadenbearbeitungskosten nach § 62 Abs. 1 BewG unter dem Gesichtspunkt eines echten Schuldpostens kommt jedoch nicht in Betracht. In der Körperschaftsteuersache hat der I. Senat im Urteil I 114/65 entschieden, daß das VVG keine Vorschriften enthalte, aus denen sich eine Verpflichtung des Versicherers zur Schadenbearbeitung ergebe, die gegenüber der Verpflichtung zur Leistung des Schadenersatzes in Geld mit einer hinreichenden Selbständigkeit ausgestattet sei. Die rechtliche und wirtschaftliche Ursache der Schadenbearbeitungskosten liege nicht im einzelnen Versicherungsvertrag und damit auch nicht im einzelnen Versicherungsfall, sondern in der Tatsache, daß ein Unternehmen bestehe und die Schadenversicherung betreibe. Aus dieser Tatsache folge ohne weiteres die Pflicht des Versicherers, durch geeignete Einrichtungen dafür zu sorgen, daß die Versicherungsfälle bearbeitet würden. Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat an.

Der Senat hält es für entscheidend, daß es sich bei den Aufwendungen für Schadenbearbeitung (vgl. Jenson, Kommentar zu den Rechnungslegungsvorschriften der Versicherungsunternehmen für die Geschäftsjahre ab 1955 S. 130; Höring, Versicherungswirtschaft 1957, S. 143 f.) um innerbetriebliche Kosten handelt, die durch den Versicherungsbetrieb als solchen entstehen und nicht auf einer selbständigen Verbindlichkeit aus den einzelnen Versicherungsverträgen beruhen.

b) Der I. Senat hat in der Entscheidung I 114/65 weiter ausgeführt, daß die Rückstellung für Schadenbearbeitungskosten auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Rechnungsabgrenzungspostens zulässig sei. Auch dieser Auffassung tritt der erkennende Senat bei. Passive Rechnungsabgrenzungsposten können bewertungsrechtlich nur berücksichtigt werden, soweit ihnen eine echte Verbindlichkeit zugrunde liegt (Urteil des BFH III 198/65 vom 24. Januar 1969, BFH 95, 111, BStBl II 1969, 310). Hieran fehlt es im Streitfall. Die Schadenbearbeitung ist nicht Gegenstand eines selbständigen schuldrechtlichen Anspruchs des Versicherungsnehmers aus dem Versicherungsvertrag.

Das FG hat den Einheitswert des Betriebsvermögens hinsichtlich der übrigen mit der Klage geltend gemachten Beanstandungen - Schwankungsrückstellung und Pensionsrückstellung - ohne Rechtsfehler festgestellt. Bezüglich dieser Streitpunkte hat der Steuerpflichtige in der Revisionsinstanz auf weitere Rechtsverfolgung verzichtet.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413245

BStBl II 1972, 823

BFHE 1972, 449

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