Leitsatz (amtlich)

Soweit ein Steuerpflichtiger die Valuta einer bisher betrieblichen Darlehnsschuld auf Grund einer mit dem Darlehnsgläubiger getroffenen Vereinbarung für die Anschaffung eines Gegenstands des notwendigen Privatvermögens verwendet, ist eine als Einlage zu beurteilende Umwandlung dieser Verbindlichkeit in eine Privatschuld gegeben.

 

Normenkette

EStG § 10a

 

Tatbestand

Die Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und betreiben als Mitunternehmer einen Gewerbebetrieb. Der Revisionsbeklagte (das FA) hat bei der einheitlichen Gewinnfeststellung für 1963 die Differenz zwischen den von den Klägern erklärten Entnahmen und Einlagen um 45 000 DM höher festgestellt. Der streitige Betrag, der zunächst als Betriebsschuld gegenüber dem als Arbeitnehmer im Betrieb tätigen Schwiegersohn in der Buchführung ausgewiesen war, wurde beim Jahresabschluß über ein Privatsonderkonto ausgebucht. Das FA meinte, der Buchungsvorgang allein habe weder zum Erlöschen der Betriebsschuld geführt noch könne er als Einlage angesehen werden.

Mit der Sprungklage gegen den Gewinnfeststellungsbescheid für 1963 haben sich die Kläger gegen die Erhöhung der Entnahmen um 45 000 DM gewandt. Denn diese führe gemäß § 10a Abs. 2 Satz 1 EStG zu einer Nachversteuerung bei der Einkommensteuer-Veranlagung 1963.

Das FG hat die Klage abgewiesen und dies im wesentlichen wie folgt begründet: Eine Einlage habe nicht stattgefunden. Dazu sei erforderlich, daß bisher betriebsfremde Vermögensstücke aus dem Privatvermögen in das Betriebsvermögen überführt und damit das Betriebsvermögen vermehren würden (Urteil des BFH VI 217/64 U vom 7. Mai 1965, BFH 82, 548, BStBl III 1965, 445). An einer Vermehrung des Betriebsvermögens fehle es jedoch im Streitfall, da die Kläger ihrem Betrieb keine neuen Mittel zugeführt, sondern sich darauf beschränkt hätten, die in der Buchführung ausgewiesene Betriebsschuld durch Buchungsvorgänge als Privatschuld darzustellen. Die Umbuchung der als Betriebsschuld entstandenen Verbindlichkeit habe auch nicht zum Erlöschen der Betriebsschuld und damit zu einer Verstärkung des Betriebsvermögens geführt. Die Verbindlichkeit hätte durch eine Begleichung mit Mitteln des Betriebsvermögens oder durch Tilgung mit privaten Mitteln erlöschen können. Keiner der beiden Vorgänge habe jedoch stattgefunden. Die subjektiven Überlegungen, Absichten und Vorstellungen, auf denen die Umbuchung beruhe, und das Vorhandensein genügend flüssiger Betriebsmittel zur Tilgung der Schuld seien nicht entscheidungserheblich.

Mit der Revision begehren die Kläger, die vom FA festgestellten Entnahmen in erster Linie um 45 000 DM, hilfsweise um 22 500 DM zu mindern. Sie rügen Verletzung der Vorschrift des § 10a EStG und Verkennung des Einlagebegriffs durch das FG. Die Kläger hätten in Übereinstimmung mit dem Gläubiger die Darlehnsvaluta für den Bau eines privaten Zweifamilienhauses verwendet, in dem diesem eine Wohnung versprochen und auch überlassen worden sei. Die Verhältnisse hätten daher wesentlich anders gelegen als in dem durch das BFH-Urteil VI 217/64 U (a. a. O.) entschiedenen Fall, in dem kein Privatvermögen bildender Akt die Umwandlung der Darlehnsschuld in eine private Verbindlichkeit gerechtfertigt habe. Zumindest die auf die Klägerin entfallende Hälfte des Baudarlehens hätte aus der Bilanz herausgenommen werden dürfen. Das FA fordere zu Unrecht die förmliche Tilgung der Betriebsschuld durch Rückzahlung. Da die Baufinanzierung über ein Privatbaukonto abgewickelt worden sei, hätten - im Falle der förmlichen Rückzahlung - die vom Schwiegersohn erneut privat überlassenen Mittel sofort wieder als Einlage in den Betrieb eingebracht werden müssen. Es genüge, daß ernsthafte Vereinbarungen buchmäßig ausgewiesen würden, wenn die Einschaltung der tatsächlichen Zahlungsvorgänge nur zu einem überflüssigen "Hin- und Her-Transfer" führen würde. Die Ernsthaftigkeit der Vereinbarungen werde auch dadurch bestätigt, daß in den Jahren 1964 und 1965 weitere Mittel vom Schwiegersohn aus dessen Gehaltsguthaben und Bausparverträgen auf das private Baukonto geflossen seien.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

Die Entnahmen aus dem Betrieb im Sinne von § 10a Abs. 2 Satz 1 EStG, die für die Prüfung der Frage der Nachversteuerung dem Gewinn gegenübergestellt werden, ergeben sich als Nettobetrag aus der Verrechnung der Entnahmen und Einlagen im Sinne von § 4 Abs. 1 EStG (vgl. BFH-Urteil VIII R 125/69 vom 18. Januar 1972, BFH 104, 419, BStBl II 1972, 344). Über ihre Höhe ist bei Mitunternehmern im einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahren zu entscheiden (BFH-Urteil IV 246/56 U vom 16. Januar 1958, BFH 67, 141, BStBl III 1958, 327, und Paulick in Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 215 AO Anm. 27 und 28, mit weiteren Nachweisen).

Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß eine Einlage nur vorliegen kann, wenn eine außerbetrieblich verursachte Mehrung des Betriebsvermögens eintritt. Solche Vermögensmehrungen liegen nicht nur dann vor, wenn Gegenstände des Aktivvermögens eingebracht werden, sondern auch bei Verminderung betrieblicher Verbindlichkeiten. Allerdings kann eine Verbindlichkeit, die zum notwendigen (passiven) Betriebsvermögen gehört, nicht allein durch eine Willensentscheidung bzw. einen Buchungsvorgang des Unternehmers in eine Privatschuld umgewandelt werden. Denn derartige Verbindlichkeiten können ebensowenig wie Wirtschaftsgüter des notwendigen (aktiven) Betriebsvermögens vom Unternehmer beliebig in Privatvermögen verwandelt werden.

Die Vorentscheidung muß jedoch aufgehoben werden, weil sie auf der Erwägung beruht, die Verbindlichkeit gegenüber dem Schwiegersohn hätte nur durch Tilgung wegfallen können.

Eine Betriebsschuld kann nicht nur dadurch wegfallen, daß sie erlischt, sondern auch durch ihre wirtschaftliche Umwandlung in eine Privatschuld. Dieser Auffassung steht das BFH-Urteil VI 217/64 U (a. a. O.) nicht entgegen. Denn auch in dieser Entscheidung wird eine solche Umwandlung ausnahmsweise dann für möglich gehalten, wenn die Schuld mit dem Erwerb eines bestimmten Gegenstandes, etwa eines Grundstückes oder eines Wertpapieres, zusammenhängt und dieser Gegenstand zulässigerweise dem Betrieb entnommen wird. Diese Ausnahme beruht auf der Überlegung, daß zwischen einer Verbindlichkeit und einem mit ihrem Gegenwert erworbenen Wirtschaftsgut ein wirtschaftlicher Zusammenhang besteht (vgl. BFH-Urteil VI R 183/66 vom 29. November 1968, BFH 94, 452 [456], BStBl II 1969, 233, mit Rechtsprechungshinweisen). Diese Betrachtungsweise rechtfertigt es, die Umwandlung einer Verbindlichkeit auch dann zuzulassen, wenn ein Steuerpflichtiger nicht den erworbenen Gegenstand selbst in das Privatvermögen überführt, sondern Geldmittel entnimmt, die dem Betrieb auf Grund der Verbindlichkeit zur Verfügung stehen, und mit ihnen einen Gegenstand des Privatvermögens anschafft. Allerdings muß dieser Zusammenhang anhand objektiver Umstände feststellbar sein. Außerdem ist die Umwandlung der Betriebsschuld der Höhe nach begrenzt durch den Betrag des für den privaten Erwerb insgesamt entnommenen Bargeldes.

Gegen die Zulässigkeit dieser (wirtschaftlichen) Umwandlung kann nicht eingewandt werden, daß keine Vermehrung des Betriebsvermögens eintrete. Denn die gleichzeitige Überführung von Aktivvermögen (z. B. Grundstücken, Wertpapieren oder Bargeld) aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen einerseits und die Umwandlung von Betriebs- in Privatschulden andererseits sind insofern getrennt zu beurteilende Vorgänge. Gleichen sich beide wertmäßig aus oder ergibt sich per Saldo sogar eine Minderung des Betriebsvermögens (z. B. weil die mit einem dem Betriebsvermögen entnommenen Gegenstand in wirtschaftlichem Zusammenhang stehende Verbindlichkeit einen niedrigeren Teilwert als dieser Gegenstand hat), so ändert das nichts daran, daß der durch Umwandlung eingetretene Wegfall einer Betriebsschuld für sich allein betrachtet zu einer Vermögensmehrung führt.

Mit der Umwandlung ist zugleich die Einlage bewirkt. Die Ausbuchung über Kapitalkonto (Privatkonto) hat nur - dem Grundsatz der Bilanzwahrheit Rechnung tragende - deklaratorische Bedeutung. Es ist daher unschädlich, wenn sie nicht mehr im Jahr der Umwandlung selbst, sondern erst nach dessen Ablauf anläßlich der Jahresabschlußarbeiten vollzogen wird.

Die Sache wird an das FG zurückverwiesen. Sie ist nicht spruchreif.

Das FG wird noch festzustellen haben, wann und mit welchem Inhalt Vereinbarungen zwischen den Klägern und ihrem Schwiegersohn über die Verwendung des Gegenwerts seiner Forderung getroffen worden sind und in welcher Höhe dem Betrieb im Streitjahr Bargeld für das private Bauvorhaben entnommen worden ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413242

BStBl II 1972, 620

BFHE 1972, 480

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