Entscheidungsstichwort (Thema)

Körperschaftsteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage des Vorliegens eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes bei Herausgabe eines Kalender-Jahrbuchs durch eine nach § 4 Abs. 1 Ziff 6 KStG persönlich befreite Personenvereinigung.

 

Normenkette

KStG § 4 Abs. 1 Nr. 6; StAnpG §§ 17-19; GemV § 6

 

Tatbestand

Unstreitig gehört der Beschwerdegegner (Bg.), ein eingetragener Verein, der anerkanntermaßen mildtätigen Zwecken dient, zu den persönlich nach § 4 Abs. 1 Ziff. 6 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) befreiten Vereinigungen.

Der Verein gibt nach seiner Darstellung alljährlich unter der Bezeichnung "Almanach für ..." ein "Kalender-Jahrbuch" heraus, das er an die freiwilligen Mitarbeiter, die den Verein durch Spenden unterstützenden Betriebe und an die befreundeten Organisationen des In- und Auslandes unentgeltlich abgibt. In dem Jahrbuch sind, wie es der Verein darstellt, im textlichen Teil in die auf die satzungsmäßigen Zwecke des Vereins bezüglichen Beiträge, um diese dem Leser nahe zu bringen, Beiträge unterhaltender und belehrender Natur eingestreut. Der textliche Teil wird durch Anzeigen ergänzt, die einen Teil der Unkosten decken sollen.

Das Finanzamt hat das Anzeigengeschäft bei Herausgabe des Kalender-Jahrbuchs als besonderen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb angesehen. Die Einnahmen aus den Anzeigen hat es im Veranlagungszeitraum nach Kürzung um die Umsatzsteuer auf 41.599 DM festgestellt; als abzugsfähig hat es die nach seiner Auffassung mit dem Anzeigengeschäft in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden anteiligen Aufwendungen für Papier und Druck, Verwaltung und Personal sowie eine Umsatzsteuernachzahlung und eine Gewerbesteuerüberzahlung zugelassen, so daß sich die Einkünfte von über 16.000 DM ergaben.

Der Verein bekämpfte die Auffassung des Finanzamts. Als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb komme allenfalls die Herausgabe des Gesamtdruckwerks, nicht das Anzeigengeschäft für sich allein in Frage. Dann ergebe sich wegen der Unentgeltlichkeit der Abgabe des Jahrbuchs kein Einkommensüberschuß. Der textliche Teil schaffe erst die Voraussetzung, daß Anzeigen aufgenommen werden könnten. Das Jahrbuch sei nur als Ganzes zu betrachten und mit den Einnahmen aus Anzeigen ständen die Gesamtausgaben in unmittelbarem Zusammenhang, die durch die Herausgabe des Jahrbuchs veranlaßt worden seien. Als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb könne, wie bei jeder anderen Verlagstätigkeit, nur die gesamte Werbe- und Verlagsarbeit des Vereins angesehen werden.

Das Finanzamt wendet demgegenüber ein, der Verein beteilige sich nur mit dem Inseratenteil an dem wirtschaftlichen Wettbewerb. Der redaktionelle Teil des unentgeltlich abgegebenen Jahrbuchs müsse durch nicht steuerbare Mitgliederbeiträge gedeckt werden, da damit für die satzungsmäßigen Zwecke des Vereins geworben werde. Die Herausgabe des Almanachs im ganzen oder die Werbe- und Verlagstätigkeit des Vereins komme als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb nicht in Betracht, weil daraus keine Einnahmen oder andere wirtschaftliche Vorteile erzielt würden.

Das Finanzgericht hat auf die Berufung den Verein freigestellt. Es hat zwar zugegeben, daß das Inseratengeschäft unter bestimmten Voraussetzungen einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb darstellen könne. Es hält aber im vorliegenden Falle die Voraussetzungen hierfür nicht für gegeben. Zweck des Jahrbuchs sei die Werbung für die satzungsmäßigen Zwecke des Vereins. Das Inseratengeschäft sei von dem Vorhandensein des redaktionellen Teils abhängig; auf diesen komme es dem Herausgeber und dem Leser in erster Linie an. Der textliche und inseratliche Inhalt seien nicht voneinander getrennt denkbar. Weiter hat das Finanzgericht ausgeführt, es könne dahingestellt bleiben, ob die Herausgabe des Jahrbuchs im Rahmen der Werbe- und Verlagstätigkeit des Vereins als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb aufgefaßt werden könnte; in einem solchen Falle könnten aber nur diejenigen Einkünfte zur Besteuerung herangezogen werden, die sich als überschuß der Einnahmen aus dem Inseratengeschäft und der Unkosten ergeben, die aus der Herausgabe des Jahrbuchs erwachsen. Ein derartiger überschuß sei unbestritten nicht erzielt. Dem Inseratengeschäft für sich allein fehle die organische Einheit, um als selbständige Tätigkeit im Sinne eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs zu gelten; es lasse sich weder finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch von der übrigen Werbe- und Verlagstätigkeit trennen, noch könne es ohne Zusammenhang mit der Herausgabe des Jahrbuchs den Gegenstand der Erwerbstätigkeit eines anderen Wirtschaftssubjekts bilden. Das Finanzgericht hat weiter die Auffassung vertreten, das Anzeigengeschäft trete nach Umfang der aufgenommenen Anzeigen und nach dem erforderlichen Aufwand gegenüber der Werbung für die satzungsmäßigen Zwecke nicht übermäßig hervor. Auf die Frage, ob ein unentbehrlicher Hilfsbetrieb im Sinne des § 9 Abs. 4 der Gemeinnützigkeits-Verordnung (GemV) 1941 bzw. 1948 gegeben sei, brauche nicht eingegangen zu werden, weil ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb nicht gegeben sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamtes führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Das Finanzgericht hat den Begriff des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs verkannt. Maßgebend für die Auslegung ist die Vorschrift des § 4 Abs. 1 Ziff. 6 KStG in Verbindung mit §§ 17 bis 19 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) und der GemV. In dem Urteil des Bundesfinanzhofs I 119/52 U vom 17. August 1954 (Slg. Bd. 59 S. 294, Bundessteuerblatt - BStBl. - III S. 324) ist dargelegt, daß nach § 21 GemV 1953 bei den nicht rechtskräftigen Fällen aus der Zeit vor dem Inkrafttreten der GemV vom 24. Dezember 1953 diejenigen Bestimmungen der GemV 1941, 1948 oder 1953 anzuwenden seien, die für den Steuerpflichtigen die günstigeren seien. Der Senat hält grundsätzlich die Vorschriften der §§ 6 bis 10 GemV 1953, die hier in Frage kommen, für die den Beteiligten günstigeren, soweit überhaupt Unterschiede gegenüber dem früheren Recht vorliegen. Daher wird im folgenden von den Vorschriften der GemV 1953 ausgegangen.

Nach der Ansicht des Senats stellt sich die Herausgabe des Kalender-Jahrbuchs einschließlich des Inseratengeschäfts - insoweit schließt sich der Senat, entgegen der Meinung des Finanzamts, der Auffassung des Vereins und des Finanzgerichts an - als ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb im Sinne des § 6 GemV 1953 (= § 7 Abs. 3 GemV 1941, 1948) dar. Der Kalender ist ein selbständiges verlegerisches Schriftwerk. Die Herausgabe von Haus- und Gesundheitskalendern hat sich seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts als eine weit verbreitete Literaturgattung entwickelt, bei der die allgemeine Belehrung und Unterhaltung als Hauptzweck verfolgt wird (vgl. hierzu Art. Kalender in Meyers Konversationslexikon 7. Auflage S. 856). Es bleibt dem Verein unbenommen, für seine durchaus förderungswürdigen Zwecke zu werben. Wenn aber durch in ihrer Art selbständige verlegerische Werke geworben wird und dadurch Erträge erzielt werden, die für die gemeinnützigen Zwecke verwendet werden, so dient regelmäßig dieser als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb anzusehende Betrieb nur mittelbar gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken. Wenn dem Verein zufließende Beträge um die Steuern, die auf den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb entfallen, gekürzt werden, so ist dies von dem Gesetzgeber beabsichtigt. Die Einschränkung der Steuerbefreiung soll gerade die Fälle treffen, in denen gemeinnützige Körperschaften sich Mittel zur Erfüllung ihrer Zwecke durch wirtschaftliche Geschäftsbetriebe beschaffen oder dadurch ihre Tätigkeit fördern (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs I 33/51 U vom 24. Februar 1953, Slg. Bd. 57 S. 277, BStBl. III S. 109). Die im § 7 GemV herausgestellten Voraussetzungen für die Anerkennung der Steuerunschädlichkeit wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe sind unter Berücksichtigung dieses Gedankenganges streng auszulegen.

Bei der Verlagstätigkeit ist es üblich, jedes einzelne verlegte Schriftwerk auf seine Wirtschaftlichkeit zu prüfen. Es kommt also dem einzelnen Schriftwerk innerhalb der verlegerischen Tätigkeit eine gewisse Selbständigkeit zu. Der Verein beabsichtigt die Herausgabe des Jahrbuchs alljährlich; hieraus ist auf die Nachhaltigkeit der Tätigkeit zu schließen. Die Herausgabe hebt sich nach Meinung des Senats auch von der sonstigen verlegerischen und werbenden Tätigkeit des Vereins ab. Die Absicht, Einnahmen zu erzielen, ergibt sich ohne weiteres aus dem Inseratengeschäft, das zu der Herausgabe des Jahrbuchs gehört. Diese Einnahmen sollen der Deckung der Ausgaben dienen und unter Umständen sogar einen überschuß erzielen lassen, der den gemeinnützigen Zwecken des Vereins zugeführt wird.

Die Voraussetzungen des § 7 GemV 1953 für das Vorliegen eines steuerlich unschädlichen Geschäftsbetriebs sind nach Auffassung des Senats nicht erfüllt. Es kann nach den obigen Ausführungen zweifelhaft erscheinen, ob die Herausgabe des Kalender-Jahrbuchs in ihrer Gesamtrichtung der Verwirklichung der steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke des Vereins dient. Denn bei unvoreingenommener Prüfung des Inhalts des Kalenders treten die dem Werbungszweck gewidmeten Beiträge hinter dem unterhaltenden Teil und dem Inseratenteil erheblich zurück; der Kalender ist nach Art ähnlicher Haus- und Gesundheitskalender aufgezogen. Diese Frage mag dahingestellt bleiben; denn nach Auffassung des Senats kann nicht zugegeben werden, daß die Zwecke des Vereins lediglich durch die Herausgabe des Jahrbuchs verwirklicht werden können, was für die Unschädlichkeit erforderlich ist. Diese Voraussetzung ist regelmäßig nur dann gegeben, wenn der gemeinnützige Zweck und der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb gleichsam eine Einheit bilden derart, daß sich der Zweck mit der Unterhaltung des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs deckt und in ihm unmittelbar seine Erfüllung findet (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs VI a 92/37 vom 23. Juli 1938, Slg. Bd. 44 S. 277, Reichssteuerblatt S. 913). Die Werbung des Vereins kann sehr wohl ohne die Herausgabe des Kalenders gedacht werden. Es kann auch nicht eingeräumt werden, daß das Kalender-Jahrbuch des Vereins mit der gewerblichen Herausgabe von Haus- und Gesundheitskalendern nicht in Wettbewerb tritt. Der Empfänger eines Stücks des vorliegenden Kalenders wird keinen anderen Haus- und Gesundheitskalender käuflich erwerben. Der Wettbewerb kann auch wegen des Inseratengeschäfts nicht bestritten werden.

Der Senat vermag danach unter diesen Umständen entgegen der Auffassung des Finanzgerichts nicht anzuerkennen, daß sich die Gemeinnützigkeit des Vereins auf die einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb darstellende Herausgabe des Jahrbuchs samt Inseratengeschäft erstreckt.

Alsdann sind, worauf das Finanzamt mit Recht hinweist, die Einnahmen und Ausgaben aus dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unter dem Gesichtswinkel der wirtschaftlichen Zugehörigkeit aufzuteilen (vgl. hierzu Urteil des Bundesfinanzhofs I 33/51 U). Die auf die Werbetätigkeit des Vereins entfallenden Teile der Unkosten sind nach der zutreffenden Ansicht des Finanzamts aus steuerbegünstigten Einnahmen des Vereins zu decken. Allerdings kommt mit Rücksicht darauf, daß nach der obigen Betrachtung die Werbetätigkeit für den Verein in dem Kalender zurücktritt, die Aufteilung zu gleichen Teilen wohl nicht in Frage, wie sie das Finanzamt vorgenommen hat. Dem Gesamtbild dürfte es besser entsprechen, auf die steuerbegünstigte Tätigkeit etwa einen Anteil von 1/5 bis 1/4 der Kosten entfallen zu lassen.

Die Sache geht an das Finanzamt zurück, das auf Grund der vorstehenden Ausführungen die Steuerpflicht erneut zu prüfen haben wird.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408176

BStBl III 1955, 177

BFHE 1955, 464

BFHE 60, 464

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