Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Steuerliche Betriebsprüfung Handelsrecht Gesellschaftsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Eine ordnungsmäßige kaufmännische Buchführung liegt nicht vor, wenn in einem amerikanischen Journal kein Kontokorrentkonto geführt wird.

 

Normenkette

EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 3, §§ 4-5; AO § 208; HGB § 38

 

Tatbestand

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts wendet sich gegen die in der Vorentscheidung unter Anerkennung der Buchführung als ordnungsmäßig zugebilligte Vergünstigung des nicht entnommenen Gewinnes nach § 10 Abs. 1 Ziff. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1949. Sie bemängelt unter Hinweis auf die Entscheidungen des Reichsfinanzhofs VI 784/285/38 vom 21. Dezember 1938, Reichssteuerblatt (RStBl.) 1939 S. 309, des Bundesfinanzhofs IV 15/51 vom 23. Februar 1951, Bundessteuerblatt (BStBl.) 1951 Teil III S. 75, und IV 31/52 vom 6. März 1952, BStBl 1952 Teil III S. 108, die Ausführungen der Vorentscheidung nur noch insoweit, als sie sich auf das Fehlen des Kontokorrentkontos beziehen. Dies sei ein so schwerwiegender und unheilbarer Mangel, daß die Buchführung nicht mehr als eine ordnungsmäßig kaufmännische angesehen werden könne. Die übrigen im Berufungsverfahren streitigen Punkte (Nichtführen des Wareneingangsbuches und des Inventarverzeichnisses sowie Führen nur eines Privatkontos beider Gesellschafter für II/1948) werden mit Recht nicht mehr beanstandet und sind auch nicht zu beanstanden.

Das Finanzgericht führt zunächst allgemein aus: Die Steuerpflichtige sei Mitinhaberin einer Gemischtwarenhandlung, die unter einer im Handelsregister eingetragenen Einzelfirma als Gesellschaft bürgerlichen Rechtes betrieben werde. Die Anwendung der Vorschrift des § 10 Abs. 1 Ziff. 3 EStG 1949 setze voraus, daß der Gewinn auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG ermittelt werde. Infolge der handelsgerichtlichen Eintragung richteten sich die an die Buchführung zu stellenden Anforderungen nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger kaufmännischer Buchführung. Aus dieser müßten nach § 38 HGB die Handelsgeschäfte eines Kaufmannes und seine Vermögenslage jederzeit ersichtlich sein; das sei nicht der Fall, wenn die baren und unbaren Geschäftsvorfälle nicht nach der Zeitfolge in Grundbüchern und die Betriebsvermögensbestandteile ordnungsmäßig in Inventur-, Bilanz- und Kontokorrentbüchern nachgewiesen würden (Urteil des Bundesfinanzhofs IV 356/51 vom 27. März 1952, BStBl 1952 Teil III S. 122). In den hier in Betracht kommenden Steuerabschnitten seien geführt worden:

ein amerikanisches Journal nach dem System der doppelten Buchführung, jedoch ohne Kontokorrentkonto,

getrennte Bücher für Debitoren und Kreditoren (Geschäftsfreundebuch),

Inventurbuch mit Aufstellungen für Außenstände, Warenschulden und Warenbestände.

Zu dem noch streitigen, nach Auffassung des Finanzamts die Verneinung der Beweiskraft der Buchführung bedingenden Punkt - Fehlen des Kontokorrentkontos - hat es wie folgt Stellung genommen: Die Aufzeichnungen der Geschäftsvorfälle erfolge nach dem System der doppelten Buchführung in einem sogenannten amerikanischen Journal als Grundbuch. Die unbaren Geschäfte des Warenverkehrs (Wareneingang und Warenausgang) seien infolge Fehlens eines Kontokorrentkontos jeweils erst bei Bezahlung der Lieferanten- und Kundenrechnungen über das Warenkonto gebucht worden. Hierin liege ein Verstoß gegen die Grundsätze einer kaufmännischen Buchführung, nach denen die Kredit- wie die Bargeschäfte in den Grundbüchern zeitfolgemäßig dargestellt werden müßten (Urteil des Reichsfinanzhofs VI 784/785/38 vom 21. Dezember 1938, RStBl. 1939 S. 309). Dieser Mangel habe jedoch das sachliche Ergebnis der Buchführung nicht beeinflußt, da der unbare Warenverkehr in dem nach Debitoren und Kreditoren aufgeteilten Geschäftsfreundebuch kontenmäßig vermerkt worden sei. Das Finanzamt habe daher auch die sachliche Richtigkeit der Buchführung bei der Veranlagung anerkannt und dieser die Buchergebnisse zugrundegelegt. Geschehe dies aber, so müsse die Ordnungsmäßigkeit der Bücher, die nach ständiger Rechtsprechung nur einheitlich beurteilt werden können, auch für die Inanspruchnahme der hiervon abhängigen Steuervergünstigungen bejaht werden. Das Fehlen des Kontokorrentkontos berechtige daher trotz des hierin liegenden Mangels der Buchführung nicht, die Anwendung des § 10 Abs. 1 Ziff. 3 EStG 1949 zu versagen.

 

Entscheidungsgründe

Das Rechtsmittel ist begründet.

Den Ausführungen des Finanzgerichts ist darin beizutreten, wenn es in der Nichtverbuchung der unbaren Geschäfte des Warenverkehrs im Grundbuch einen schweren Verstoß gegen die Grundsätze einer kaufmännischen Buchführung erblickt. Diese erfordern bei den im Streitfall vorliegenden Verhältnissen die Führung eines Kontokorrentkontos. Wenn die Vorentscheidung trotzdem mit Rücksicht auf die vom Finanzamt bei der Veranlagung anerkannten Buchergebnisse und das Vorhandensein eines nach Konten geführten Geschäftsfreundebuches die Beweiskraft der Buchführung anerkannt hat, so liegt hierin eine rechtsirrtümliche Auffassung in bezug auf die an eine ordnungsmäßige kaufmännische Buchführung zu stellenden Anforderungen. Anscheinend hat die Vorentscheidung den bestehenden Unterschied zwischen der Verbuchung der unbaren Geschäftsvorfälle in den Grundbüchern und in einem Geschäftsfreundebuch verkannt. In den ersteren werden die Geschäftsvorfälle zeitfolgemäßig eingetragen, während das Geschäftsfreundebuch den Kreditverkehr mit Kunden und Lieferanten systematisch nach Konten für die einzelnen Geschäftsfreunde enthält. Es gehört aber zu den unabdingbaren Grundsätzen der kaufmännischen Buchführung, daß die Kreditgeschäfte ebenso wie die Bargeschäfte in den Grundbüchern der Zeitfolge nach dargestellt werden. Alle Geschäftsvorfälle müssen bei ihrer Entstehung verbucht werden, es genügt nicht, daß Forderungen und Schulden erst bei ihrer Bezahlung in Grundbüchern vermerkt werden; fehlt es hieran, so kann von einer ordnungsmäßigen kaufmännischen Buchführung nicht mehr die Rede sein. Es liegt dann, worauf der Vorsteher des Finanzamts zutreffend hinweist, ein unheilbarer Mangel im System vor, der einer Buchführung nicht nur in formeller, sondern auch in sachlicher Beziehung den Charakter einer ordnungsmäßigen kaufmännischen nimmt. Eine solche ermöglicht dem Kaufmann keinen laufenden überblick über den Stand der Forderungen und seiner Verpflichtungen. Diese wichtige Aufgabe hat das Kontokorrentkonto zu erfüllen, es ist zudem ein unentbehrliches Mittel für eine Gegenkontrolle. Das Fehlen des Kontokorrentkontos verhindert nicht nur die Feststellung des jederzeitigen Standes des Vermögens eines Kaufmannes, es gefährdet auch die durch die Führung von Büchern beabsichtigte Sicherung der Gläubiger. Fehlt einer Buchführung eine zu ihrem System gehörige wesentliche Grundlage, wie sie in der Verbuchung in Grundbüchern zu sehen ist, so kann von einer ordnungsmäßigen Buchführung nicht gesprochen werden. Daran kann auch die Tatsache nichts ändern, daß das Finanzamt die Ergebnisse einer solchen der Veranlagung zugrunde gelegt hat. Daß das Fehlen eines Kontokorrentkontos in einem amerikanischen Journal keine ordnungsmäßige kaufmännische Buchführung mehr darstellt, entspricht der ständigen Rechtsprechung, wie sie außer in dem bereits obenangeführten Urteil des Reichsfinanzhofs vom 21. Dezember 1938, in den Entscheidungen des Obersten Finanzgerichtshofs IV 78/49 vom 13. Januar 1950, Steuerrechtskartei (StRK), EStG § 4 Rechtsspr. 8 und des Bundesfinanzhofs IV 15/51 vom 23. Februar 1951 BStBl. 1951 Teil III S. 75, zum Ausdruck kommt. Hiermit steht es nicht im Widerspruch, wenn die Rechtsprechung bei Mängeln einer Buchführung im Hinblick auf die Anerkennung der Buchergebnisse und den Grundsatz ihrer einheitlichen Beurteilung die Ordnungsmäßigkeit bejaht hat (siehe Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs IV 69/50 vom 4. August 1950, StRK, EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 3 Rechtsspr. 1; Urteile des Bundesfinanzhofs IV 356/51 vom 27. März 1952, BStBl. 1952 Teil III S. 122, StRK, EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 3 Rechtsspr. 5; IV 384/51 vom 11. Dezember 1952 - zur Veröffentlichung bestimmt -). Es handelt sich in diesen Fällen um Buchführungen, bei denen die notwendigen Bücher vorhanden sind, innerhalb derer aber Mängel gegeben sind, von deren Schwere es im Einzelfall abhängt, ob ihnen noch eine Beweiskraft zuzubilligen ist. In grundsätzlicher Beziehung ist hierzu in der zur Veröffentlichung bestimmten Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 129/52 vom 10. Februar 1953 Stellung genommen. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Es muß vielmehr der hier vorliegenden Buchführung ihre Ordnungsmäßigkeit abgesprochen werden mit der Folge, daß die Vergünstigung des nicht entnommenen Gewinnes nicht gewährt werden kann. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben und die den Steuerbescheid bestätigende Einspruchsentscheidung wiederherzustellen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407634

BStBl III 1953, 157

BFHE 1954, 403

BFHE 57, 403

BB 1953, 434

DB 1953, 837

StRK, EStG:10/1/3 R 13

FR 1953, 216

NWB/BBK, F. 10 S.15

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