Entscheidungsstichwort (Thema)

Körperschaftsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Der Zukauf und Zusatz von Deckwein zur Farbverbesserung des aus Mitgliedertrauben gewonnenen Rotweins durch eine Winzergenossenschaft ist ein steuerunschädliches Hilfsgeschäft, wenn der Zusatz in geringen Mengen ausnahmsweise erfolgt und zur Erreichung der Verkäuflichkeit des Weines unumgänglich notwendig ist. KörpStG § 23; KStDV § 33 zu b.

 

Normenkette

KStG § 23; KStDV § 33

 

Tatbestand

Gegenstand des Unternehmens der Beschwerdegegnerin (Bgin.) einer Weingärtnergenossenschaft eGmbH (im folgenden Genossenschaft) ist u. a. die Kelterung der in der Wirtschaft ihrer Mitglieder geernteten Weintrauben, die Behandlung sowie bestmögliche Verwertung der gewonnenen Weine und der Nebenerzeugnisse. Die Genossenschaft hat bei Abgabe ihrer Steuererklärung 1950 (Wirtschaftsjahr 1. September 1950 bis 31. August 1951) bemerkt, sie habe für die Behandlung der Rotweine 1950 in geringen Mengen (weniger als 3 %) Deckweine zukaufen müssen. Darin liege ein unumgängliches Hilfsgeschäft, kein Verschneiden der Weine im üblichen Sinne. Die Genossenschaft hat das Gutachten einer Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau eingereicht. Darin ist ausgeführt, daß infolge der Witterungseinflüsse der Rotwein des Anbaugebiets der Genossenschaft im Jahre 1950 in der Farbe zurückgeblieben sei. Zur Erreichung der Wettbewerbsfähigkeit und der Sicherung des Absatzes habe die Genossenschaft durch Zukauf und Zusatz von Deckweinen für die Farbverbesserung sorgen müssen.

Das Finanzamt hat angenommen, daß die Genossenschaft durch den Zukauf der Deckweine steuerschädliche Veredlungsgeschäfte gemacht habe, und hat deshalb die Genossenschaft mit ihrem gesamten Gewinn zur Steuer herangezogen.

Das Finanzgericht hat die Genossenschaft freigestellt, weil es den Zukauf und Zusatz der Deckweine für ein steuerunschädliches Hilfsgeschäft gehalten hat.

Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) vertritt der Vorsteher des Finanzamts die Auffassung, jeder Zukauf von Wein sei steuerschädlich. Der Zusatz diene im vorliegenden Falle nicht dem Ausbau des Weines, sondern der Hebung der Verkaufsmöglichkeit. Er beruft sich für seine Auffassung auf die Vorschriften des Weingesetzes und der Ausführungsbestimmungen hierzu sowie die Körperschaftsteuer-Richtlinien 1950 (Abschn. 73).

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet. Nach § 33 zu b der Verordnung zur Durchführung des Körperschaftsteuergesetzes (KStDV) sind Genossenschaften von der Körperschaftsteuer befreit, wenn sich ihr Geschäftsbetrieb auf die Bearbeitung oder die Verarbeitung der von den Mitgliedern selbst gewonnenen land- und forstwirtschaftlichen Erzeugnisse beschränkt, soweit die Bearbeitung oder Verarbeitung im Bereich der Land- und Forstwirtschaft liegt. Das Wort "soweit" hat die Bedeutung einer Bedingung und ist als "wenn" oder "sofern" aufzufassen (vgl. Abschn. 73 Abs. 3 der Körperschaftsteuer-Richtlinien 1950). Nach dem Wortlaut der Vorschrift des § 33 zu b KStDV beseitigt grundsätzlich jeder Zukauf landwirtschaftlicher Erzeugnisse aus Händen von Nichtmitgliedern die Steuerfreiheit landwirtschaftlicher Verwertungsgenossenschaften. Die Rechtsprechung und ihr folgend die Körperschaftsteuer-Richtlinien haben Ausnahmen zugelassen für die Durchführung des Genossenschaftszwecks erforderlichen (zwangsläufigen) Gegengeschäfte sowie für Neben- und Hilfsgeschäfte, die zur Erfüllung des genossenschaftlichen Zweckgeschäfts zwingend geboten sind. Bei Prüfung der Frage, ob eine zwingende Veranlassung für den Abschluß eines derartigen Nichtmitgliedergeschäfts gegeben war, ist nach der Rechtsprechung ein strenger Maßstab anzulegen. Der Reichsfinanzhof hat den Grund hierfür in der außerordentlich hohen steuerlichen Belastung aller Bevölkerungsgruppen gesehen. Eine weitherzige Auslegung würde den steuerfreien Genossenschaften den Wettbewerb mit dem steuerlich überlasteten freien Handel erleichtern. Infolge des weiteren Ansteigens des Steuerdrucks seit dem Zusammenbruch kommt dieser Erwägung erhöhte Bedeutung zu (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs I A 273/28 vom 26. Februar 1929 Slg. Bd. 25 S. 79).

Demgemäß ist bei einer Winzergenossenschaft der Erwerb von Fremdwein zum Zweck des Zusatzes zu dem Wein aus den Trauben der Mitglieder grundsätzlich steuerschädlich, auch wenn dies nur in geringem Masse geschieht. Dies gilt nur dann nicht, wenn es sich um ein steuerunschädliches Hilfsgeschäft handelt, also wenn der Zukauf unumgänglich notwendig ist, um den eigentlichen Genossenschaftszweck - die Verarbeitung und Bearbeitung sowie Verwertung des gemeinsamen Erzeugnisses der Mitglieder - zu erreichen. Die Beifügung des Fremdweins muß also unbedingt notwendig sein, um ein verkäufliches Gut zu schaffen. Es geht nicht an, den Zusatz für steuerunschädlich zu erklären, wenn dadurch lediglich ein höherer Preis für das an sich, wenn auch zu niedrigerem Preis, verkäufliche Erzeugnis erzielt werden soll. Es kann also der Zukauf von Deckwein nur in besonders begründeten Ausnahmefällen und nur dann als steuerunschädlich betrachtet werden, wenn der Zusatz nur in geringen Mengen erfolgt und ohne den Zusatz des Deckweins der gewonnene Wein unverkäuflich wäre. Der Zukauf wäre z. B. steuerschädlich, wenn der Winzergenossenschaft aus eigener Produktion zur Farbverbesserung geeignete Rotweine zur Verfügung stünden.

Ob im einzelnen Falle die Voraussetzungen für ein steuerunschädliches Hilfsgeschäft gegeben sind, ist im wesentlichen Tatfrage.

Im vorliegenden Falle konnte das Finanzgericht ohne Rechtsirrtum und Tatsachenverstoß ein steuerunschädliches Hilfsgeschäft annehmen. Es hat festgestellt, daß der zugekaufte Wein, der zugesetzt wurde, nicht die Menge überschritten hat, die erforderlich war, um eine Farbe zu erzielen, ohne die der selbsterzeugte Rotwein nicht absetzbar gewesen wäre. Es sei nicht ersichtlich, daß die Genossenschaft mehr Wein gekauft hätte, als zur - erforderlichen - Färbung der selbst erzeugten Weine benötigt wurde. Ob diese Auslegung des § 33 zu b KStDV mit den Richtlinien übereinstimmt, kann dahingestellt bleiben. Das Finanzgericht hat zutreffend darauf verwiesen, daß das Gericht durch die Richtlinien nicht gebunden wird.

Angesichts der oben entwickelten Grundsätze kommt es für die steuerliche Beurteilung des Vorganges nicht auf die vom Finanzgericht vorgenommene Unterscheidung zwischen dem Vorgang, der dem Ausbau, und dem Vorgang an, der der Veredlung dient, wobei das Finanzgericht den ersten als steuerlich unschädlich, den zweiten dagegen als steuerlich schädlich ansehen will. Insbesondere kann dem Finanzgericht darin nicht beigepflichtet werden, daß im vorliegenden Fall der Zusatz des Deckweines nicht als Verschneiden im Sinne des Weingesetzes zu betrachten sei. Das von der Genossenschaft beigebrachte Gutachten läßt ausdrücklich den Zusatz von Deckwein zu selbst gebautem Wein unter § 2 des Weingesetzes fallen. Man wird regelmäßig von dem Grundsatz der Steuerschädlichkeit jedes Zukaufs auszugehen haben und bei der daran anschließenden Prüfung unter Anlegung eines strengen Maßstabs untersuchen müssen, ob die Behauptung der Genossenschaft, die getroffene Maßnahme diene lediglich der Bearbeitung und Verarbeitung zum Zwecke der Erzielung der Verkäuflichkeit des Erzeugnisses, berechtigt ist. Entgegen der Ansicht des Finanzamts kann das Verschneiden im Rahmen der Kellerbehandlung im Sinn des Weingesetzes liegen. Nach § 4 Abs. 3 a. a. O. umfaßt die Kellerbehandlung die nach Gewinnung der Trauben auf die Herstellung, Erhaltung und Zurichtung des Weines bis zur Abgabe an den Verbraucher gerichtete Tätigkeit. Zur Zurichtung gehört das Verschneiden (vgl. Hepp, Kommentar zum Weingesetz Anm. 2a und 11 zu § 4). Folgeweise entbehrt die Meinung des Finanzamts der Grundlage, daß aus diesem Grund der Zusatz des Deckweins außerhalb des Bereichs der Landwirtschaft (Weinbau) liege. Das Weingesetz, das für ganz andere Zwecke geschaffen ist, kann überdies nicht ohne weiteres zur Auslegung der steuerlichen Vorschriften für die landwirtschaftlichen (Weinbau-) Verwertungsgenossenschaften herangezogen werden.

Nachdem im vorliegenden Fall die für Hilfsgeschäfte gezogene Grenze nicht überschritten ist, hat das Finanzgericht die Genossenschaft mit Recht von der Körperschaftsteuer freigestellt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407583

BStBl III 1953, 81

BFHE 1954, 206

BFHE 57, 206

DB 1953, 288

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