Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Sind bei der einheitlichen Feststellung des Gewinns der Gesellschafter einer Offenen Handelsgesellschaft Einkünfte einbezogen worden, die nach Ansicht der Gesellschafter Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sind und ihnen nicht in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter der Offenen Handelsgesellschaft zustehen, so kann der Feststellungsbescheid angefochten werden. Es fehlt nicht an einer Beschwer.

 

Normenkette

AO § 215 Abs. 2, § 231 Abs. 1, §§ 231, 216 Abs. 1 Nrn. 2, 1

 

Tatbestand

Die Bfin., eine Offene Handelsgesellschaft, betreibt einen Bierverlag und eine Mineralwasserfabrik. In ihrem Auftrag sind im Jahr 1956 auf ihrem Grundstück 16 Garagen gebaut worden. Für ein zur Finanzierung des Bauvorhabens aufgenommenes Darlehen ist auf dem Betriebsgrundstück eine Sicherungshypothek eingetragen. Die Mietverträge über die Garagen hat die Bfin. abgeschlossen.

Bei der einheitlichen Gewinnfeststellung für 1956 berücksichtigte das Finanzamt auch die Erträge aus der Vermietung der Garagen als solche aus Gewerbebetrieb, während die Bfin. die Erträge als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, die der aus ihren beiden Gesellschaftern bestehenden Grundstücksgemeinschaft zuzurechnen seien, behandelt wissen wollte. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Die Berufung wurde unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung als unzulässig verworfen, weil die Bfin. durch die Gewinnfeststellung nicht beschwert sei, aus der sich insbesondere auch für die Gewerbesteuer keine Bindung ergebe.

Mit ihrer Rb. rügt die Bfin. unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts. Nach ihrer Auffassung ist die Berufung zulässig. Das Finanzgericht übersehe, daß die Gewinnfeststellung sich auch auf die Art der Einkünfte beziehe.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. muß zur Aufhebung der Vorentscheidung führen.

Mit dem Finanzgericht ist davon auszugehen, daß die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften aus Gewerbebetrieb gemäß § 215 AO nur für die einkommensteuerliche Erfassung der an den Einkünften beteiligten Mitunternehmer und nicht auch für die Gewerbesteuer bei der Feststellung der Gewerbesteuermeßbeträge maßgebend ist (vgl. z. B. Urteile des Bundesfinanzhofs I 139/54 S vom 22. November 1955, BStBl 1956 III S. 4, Slg. Bd. 62 S. 9; IV 169/59 vom 2. März 1961 und I 148/61 vom 18. Juli 1961, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1961 S. 164, Der Betrieb 1961 S. 1184, Wetter-Barske, Leitsatz-Kartei, I § 215 Abs. 2, S. 26 und S. 28).

Dem Finanzgericht ist aber nicht darin zuzustimmen, daß die Berufung gegen die Einspruchsentscheidung des Finanzamts unzulässig sei. Wenn es auch richtig ist, daß Gewinnfeststellungsbescheide ebenso wie Steuerbescheide und andere Verwaltungsakte nur angefochten werden können, wenn und soweit der Steuerpflichtige beschwert ist, so kann man hier doch - im Gegensatz zur Auffassung des Finanzgerichts - die Beschwer nicht verneinen. Nach § 231 Abs. 1 AO kann ein Feststellungsbescheid angefochten werden, wenn der Steuerpflichtige sich durch die Höhe der Feststellungen, die in dem Bescheid getroffen sind, oder durch die Entscheidung über die Art oder die Zurechnung des Gegenstands beschwert fühlt. Wenn § 231 Abs. 1 AO in diesem Zusammenhang auf § 216 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 AO Bezug nimmt und von Art und Zurechnung des Gegenstands spricht, so rechtfertigt das nicht die Auffassung des Finanzgerichts, daß die Entscheidung über die Art oder die Zurechnung des Gegenstands nur bei Einheitswertbescheiden einen Anfechtungsgrund bilden könne. Wie sich aus § 216 Abs. 1 Ziff. 1 AO ergibt, sind die Hinweise nur als Beispiele gebraucht. Aus § 216 Abs. 1 Ziff. 2 AO ergibt sich eindeutig, daß hier auch Feststellungsbescheide im Sinne des § 215 Abs. 2 AO gemeint sind. Ein Feststellungsbescheid im Sinne des § 215 Abs. 2 AO betrifft auch in der Tat nicht nur die Höhe der festgestellten Einkünfte, sondern auch ihre Art und ihre Zurechnung. Auch bei einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheiden kann daher der Anfechtungsgrund sowohl in der Höhe der Einkünfte als auch in ihrer Art und Zurechnung liegen.

Rechnet man mit der Bfin. die Erträge aus der Garagenvermietung nicht zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb, sondern zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ihrer Gesellschafter als Grundstücksmiteigentümer, so ist die angefochtene Gewinnfeststellung sowohl hinsichtlich der Höhe als auch hinsichtlich der Art und der Zurechnung der Einkünfte unrichtig. Denn dann wären die festgestellten Einkünfte um die aus der Vermietung und Verpachtung der Garagen herrührenden Einkünfte zu hoch. Die Einkünfte würden dann in die Einkunftsart "Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung" fallen und wären nicht der Bfin., sondern der Grundstücksgemeinschaft der Gesellschafter zuzurechnen. Weil das Einkommensteuerrecht nur die Gesellschafter und nicht die Personengesellschaft (die OHG oder die Grundstücksgemeinschaft) als solche erfaßt, könnte man vielleicht einwenden, daß letztlich doch immer dem Gesellschafter persönlich die Einkünfte zuzurechnen seien, mögen sie nun aus Gewerbebetrieb oder aus Vermietung und Verpachtung stammen. Dem ist aber entgegenzuhalten, daß die Verselbständigung der Feststellung der Einkünfte und die Tatsache, daß nach § 215 Abs. 2 AO die mehreren Personen zustehenden Einkünfte einheitlich festzustellen sind, verfahrensmäßig dazu zwingt, zwischen mehreren Gesellschaften, Gemeinschaften usw. zu unterscheiden und diese auch dann selbständig zu behandeln, wenn sie aus denselben Personen bestehen. Hat die Bfin. in der Sache recht, dann wären also zwei Feststellungsbescheide zu erlassen, und zwar der eine über die Einkünfte aus Gewerbebetrieb, der sich gegen die Bfin. richtet, und der andere über die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, der sich gegen die Grundstücksgemeinschaft richtet.

Die nicht spruchreife Sache wird an das Finanzgericht zurückverwiesen, das nunmehr sachlich auf die Einwendungen der Bfin. einzugehen hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411095

BStBl III 1964, 144

BFHE 1964, 374

BFHE 78, 374

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