Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung i. S. von § 17 EStG ist nach Abs. 5 a. a. O. ein Ausgleich von Verlusten sowohl mit Einkünften aus einer anderen als auch mit Einkünften innerhalb der gleichen Einkunftsart (Einkünfte aus Gewerbebetrieb, §§ 15, 16 EStG) nicht zulässig.

 

Normenkette

EStG § 17 Abs. 5

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Bf.) ist Mitunternehmer der Maschinenfabrik C. KG in L. und der durch Umwandlung nach dem Umwandlungsgesetz (UmwG) vom 5. Juli 1934 in Verbindung mit § 45 des D-Markbilanzgesetzes (DMBG) aus der M. GmbH in K. (GmbH) entstandenen Möbelstoff M. KG in K. (KG). Er war an der GmbH zu 50 % beteiligt. Die Beteiligung gehörte zu seinem Privatvermögen.

Der Umwandlungsbeschluß vom 6. Oktober 1950 lautete auf Umwandlung der GmbH zum 21. Juni 1948. Die Schlußbilanz der GmbH, die nicht vorliegt, lautete auf den 31. Dezember 1950, die als Umwandlungsbilanz bezeichnete Bilanz der KG auf den 1. Januar 1951. Die Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister ist am 19. April 1951 erfolgt.

Bei der Umwandlung der GmbH ist ein Verlust für die Anteilseigner entstanden. Der Bf. beziffert den auf ihn entfallenden Betrag auf 10.406,20 DM; er setzte diesen Verlust bei seiner Einkommensteuerveranlagung für 1951 von gewerblichen Gewinnen aus den beiden Kommanditgesellschaften ab.

Das Finanzamt hat den geltend gemachten Verlust zunächst mit der Begründung nicht anerkannt, daß es für einen Verlustvortrag nach § 10 Abs. 1 Ziff. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) an der Personengleichheit fehle.

Im Einspruchsverfahren hat der Bf. darauf hingewiesen, daß es sich nicht um einen Verlustvortrag im Sinne von § 10 Abs. 1 Ziff. 4 EStG, sondern um einen Veräußerungsverlust aus der Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung nach § 17 EStG handle; er halte einen Verlustausgleich für zulässig, da § 17 Abs. 5 EStG nur den Ausgleich von Verlusten verschiedener Einkunftsarten im Sinne des § 2 Abs. 2 EStG, nicht aber einen Verlustausgleich innerhalb der gleichen Einkunftsart verbiete; so liege es aber im Streitfall. Die Umwandlung sei am 1. Januar 1951 also im Steuerabschnitt 1951, erfolgt, der Verlust mithin in diesem Jahre entstanden und ausgleichsfähig.

Der Steuerausschuß hat den Einspruch mit der Begründung zurückgewiesen. daß einmal der Verlust wegen der nach seiner Meinung zum 31. Dezember 1950 erfolgten Umwandlung im Jahre 1950 entstanden und ferner auch sachlich ein Verlustausgleich innerhalb der gleichen Einkunftsart nach § 17 Abs. 5 EStG nicht zulässig sei. Es hat hierbei insbesondere sich auf Abschn. 147 Abs. 3 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1951 gestützt.

Die Berufung war erfolglos. Das Finanzgericht hat ausgeführt: Die Möglichkeit des Verlustausgleichs bei Verlusten aus der Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung sei zwar grundsätzlich zu bejahen. Aus dem Hinweis auf § 2 Abs. 2 EStG in § 17 Abs. 5 EStG ergebe sich, daß ein Verlustausgleich nur gegenüber anderen Einkunftsarten ausgeschlossen sein solle. Der weitergehenden Auffassung der EStR in Abschn. 147 Abs. 3 vermöge sich das Gericht nicht anzuschließen. Es folge insoweit der Ansicht von Zitzlaff in Steuer und Wirtschaft 1951 Spalte 144, Herrmann-Heuer, Anm. 23 zu § 17 EStG, und Hartmann-Böttcher, Anm. 5 zu § 17 EStG. Die Urteile des Reichsfinanzhofs VI A 884/28 vom 28. November 1928 (Reichssteuerblatt 1929 S. 85) und VI A 1042/32 vom 15. Dezember 1932 (Reichssteuerblatt 1933 S. 225) seien überholt, weil sie zu § 30 Abs. 3 EStG 1925 ergangen seien, der eine Regelung des Verlustes aus der Veräußerung von Beteiligungen nicht getroffen habe. Im EStG 1934 ff. sei aber diese Regelung mit der Massgabe erfolgt, daß nur ein Ausgleich von Verlusten nach § 2 Abs. 2 EStG unzulässig sei. Es müsse aber der Berufung deshalb der Erfolg versagt bleiben, weil der Verlust nicht erst in 1951, sondern schon in 1950 eingetreten sei. Die Umwandlung der GmbH sei bereits zum 31. Dezember 1950 erfolgt. Eine Rückbeziehung des Umwandlungsbeschlusses zum 21, Juni 1948 sei nach § 45 DMBG nicht möglich gewesen, sondern nur eine solche auf einen längstens vier Monate vor der Eintragung der Umwandlung (19. April 1951) liegenden Zeitpunkt. Der Umwandlungsbeschluß sei deshalb nunmehr dahin auszulegen, daß als Umwandlungszeitpunkt der 31. Dezember 1950 in Betracht komme, der innerhalb der Viermonatsfrist liege. Zu diesem Zeitpunkt sei die Schlußbilanz der GmbH erstellt, die sogenannte Umwandlungsbilanz zum 1. Januar 1951 sei nur als Eröffnungsbilanz der neuen KG zu werten. Es könne zwischen beiden Bilanzen keinen Zwischenraum geben. Mithin sei der Veräußerungsverlust am 31. Dezember 1950 entstanden und könne im Steuerabschnitt 1951 nicht mehr geltend gemacht werden.

Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Steuerpflichtigen. Das Finanzamt hat mit Schreiben vom 3. Mai 1956 Anschlußbeschwerde gemäß § 293 der Reichsabgabenordnung (AO) eingelegt. Gerügt wird unrichtige Rechtsanwendung des § 17 Abs. 5 EStG.

 

Entscheidungsgründe

Der Rb. war der Erfolg zu versagen.

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Rb. aus den Gründen des Urteils des Finanzgerichts der Erfolg zu versagen ist, weil die Umwandlung der GmbH in eine KG bereits im Jahre 1950 und damit zu diesem Zeitpunkt die Veräußerung der GmbH-Anteil als erfolgt anzusehen sind. Wäre der Beschluß über die Umwandlung der GmbH in eine KG zum 31. Dezember 1950 erfolgt, so würde ein Veräußerungsgeschäft im Sinne des § 17 EStG zu diesem Zeitpunkt anzunehmen sein. Aus den Akten lassen sich wegen Fehlens der Schlußbilanz der GmbH und des im Schreiben des Steuerberaters vom 25. Januar 1954 erwähnten notariellen Umwandlungsbeschlusses auf den zutreffenden Zeitpunkt der Umwandlung jedoch keine sicheren Schlüsse ziehen. Der Senat kommt zu einer Zurückverweisung der Rb. schon deshalb, weil nach seiner Auffassung § 17 Abs. 5 EStG einen Verlustausgleich auch innerhalb der gleichen Einkunftsart nicht zuläßt.

Es ist dem Bf. und dem Finanzgericht zwar zuzugeben, daß der Wortlaut des § 17 Abs. 5 EStG (Klammerzusatz) zunächst für die Zulässigkeit des Verlustausgleichs spricht. Unter Ausgleich von Verlusten im Sinne des § 2 Abs. 2 EStG ist der Ausgleich von Verlusten zu verstehen, der sich aus den einzelnen Einkunftsarten ergibt. Im Streitfalle handelt es sich aber nicht um einen solchen unbestrittenermaßen unzulässigen Verlustausgleich, sondern um den Ausgleich von Verlusten innerhalb der Einkunftsart "Einkünfte aus Gewerbebetrieb". Insofern ist der Auffassung von Zitzlaff, Peters-Herrmann und anderen beizutreten.

Bei der Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen ist aber nicht stets der Wortlaut allein entscheidend, sondern es sind Sinn und Zweck des Gesetzes und der Wille des Gesetzgebers zu erforschen, wobei u. U. auch eine Auslegung gegen den formalen Gesetzeswortlaut möglich ist (siehe dazu Urteil des Bundesfinanzhofs IV 206/52 U vom 16. April 1953, Slg. Bd. 57 S. 427, Bundessteuerblatt 1953 III S. 166).

Diese Prüfung des Zweckes des Gesetzes und des Willens des Gesetzgebers ergibt aber folgendes:

§ 17 EStG entspricht der früheren Vorschrift des § 30 Abs. 3 EStG 1925. Die Behandlung des Veräußerungsverlustes war in § 30 Abs. 3 EStG 1925 nicht geregelt. Die Vorschrift des § 17 Abs. 5 EStG 1934 ist aus der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs, insbesondere der Entscheidung VI A 884/28 vom 28. November 1928 zu § 30 Abs. 3 EStG 1925 entstanden. Der Reichsfinanzhof hat in dieser Entscheidung die Abzugsfähigkeit von Veräußerungsverlusten verneint, weil einmal der Gedanke der besonderen Wertzuwachsbesteuerung ein Rolle gespielt habe, der eine Verlustberücksichtigung schon begrifflich ohne weiteres ausschließe. Ferner habe der Gesetzgeber die Behandlung der Veräusserungsgewinne in einer sonst nicht üblichen großzügigen Weise geregelt, insofern er nur den einen bestimmten Betrag übersteigenden Gewinn für steuerpflichtig erklärt habe. Er würde sicher nicht bestimmte Einkünfte für beschränkt steuerpflichtig erklärt, Verluste aber als voll abzugsfähig zugelassen haben (siehe dazu auch Pissel-Koppe, EStG 1925, 3. Auflage S. 343-344 und 5. Auflage S. 382). Weiter hat der Reichsfinanzhof in der Entscheidung VI A 1042/32 vom 15. Dezember 1932 den Ausschluß des Verlustausgleichs deshalb als gegeben angesehen, weil er § 30 Abs. 3 EStG als eine Erweiterung der Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen angesehen und deshalb wegen des engeren Werbungskostenbegriffs bei Einkünften aus Kapitalvermögen alle Verluste, die nicht mit der einzelnen Beteiligung im Zusammenhang stehen, vom Ausgleich ausgeschlossen hat.

Wie sich aus der Begründung zum EStG 1934 ergibt, ist der Gesetzgeber des Jahres 1934 von dieser Rechtsprechung ausgegangen (siehe Reichssteuerblatt 1935 S. 33 ff.).

Durch die ausdrückliche Bezugnahme auf die vom VI. Senat entwickelten Rechtsprechungsgrundsätze ist der Wille des Gesetzgebers eindeutig zum Ausdruck gekommen, allgemein Verluste aus der Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung vom Ausgleich auszuschließen.

Diese Auffassung des Gesetzgebers ist nochmals in einem zeitlich nach dem Erlaß des Gesetzes 1934 liegenden Urteil des damaligen VI. Senats VI 112/41 vom 9. April 1941, Reichssteuerblatt 1941 S. 443, bestätigt worden, in dem er ausführt, daß nach § 17 Abs. 5 EStG Veräußerungsverluste grundsätzlich nicht einmal mit Veräußerungsgewinnen verrechnet werden könnten. Diese Entscheidung ist in Kenntnis der auch damals schon den Klammerzusatz "(ß 2 Abs. 2 EStG)" enthaltenden Fassung des Gesetzes ergangen.

Demgegenüber ist die Auffassung von Zitzlaff in Steuer und Wirtschaft 1951 Spalte 144-146 - übrigens entgegen der von ihm in Steuer und Wirtschaft 1950 Spalte 826 vertretenen Auffassung -, daß die Anordnung der EStR in Abschn. 147 Abs. 3 eine der Verwaltung nicht gestattete Korrektur des Gesetzes darstelle und wohl nur in der Diktaturzeit möglich gewesen sei, nicht zutreffend. Die Auffassung des VI. Senats beruht auf einer lange vor dieser Zeit entwickelten Rechtsprechung und enthält kein erkennbar nationalsozialistisches Gedankengut.

Angesichts des aus der Gesetzesbegründung erkennbaren Willens des Gesetzgebers kann deshalb nach Ansicht des Senats der Anführung des § 2 Abs. 2 EStG in der Klammer zu § 17 Abs. 5 EStG keine entscheidende Bedeutung beigemessen werden.

Die Vorschrift des § 17 EStG, insbesondere auch des § 17 Abs. 5 EStG, ist nur aus ihrer Entwicklungsgeschichte zu verstehen. Es lag dem Gesetzgeber und der Rechtsprechung daran, Kapitalgewinne aus der Veräußerung wesentlicher Beteiligungen zu erfassen. Dieser Gedanke schließt an sich schon die Berücksichtigung von Verlusten aus derartigen Veräußerungsgeschäften aus. Die Bestimmung stellt eine ausgesprochene Sonderbelastung für eine bestimmte Art von Kapitalgewinnen dar. Es erscheint auch sachlich unbefriedigend, einen Verlustausgleich vom Vorhandensein etwaiger weiterer Einkünfte aus Gewerbebetrieb abhängig zu machen. Schließlich geht der Hinweis fehl, daß damit der Veräußerer wesentlicher Beteiligungen schlechter behandelt werde als derjenige, der Spekulationsgeschäfte nach § 23 EStG tätige. Dem ist entgegenzuhalten, daß einmal die gesetzliche Regelung im § 23 EStG insofern eine andere ist, als dort der Verlustausgleich in gewissem Rahmen ausdrücklich zugelassen ist, zum anderen aber, daß der Steuerpflichtige bei der Gestaltung der Freigrenze nach § 23 EStG tariflich schlechter gestellt ist als nach § 17 EStG. § 23 EStG kann als Sondervorschrift daher mit § 17 Abs. 5 EStG nicht ohne weiteres verglichen werden.

Die Rb. war daher zurückzuweisen. Das Finanzamt hat sich der Rb. mit Schreiben vom 3. Mai 1956 angeschlossen. Es ist durch die angefochtene Entscheidung, durch die die Berufung in vollem Umfange zurückgewiesen ist, nicht beschwert. Die Anschlußbeschwerde zielt somit nicht auf eine Abänderung der Vorentscheidung zu Ungunsten des Steuerpflichtigen ab, sondern stellt nur eine Stellungnahme des Finanzamts zur Rechtsfrage des § 17 Abs. 5 EStG dar, falls diese Frage im Laufe des Verfahrens durch den Bundesfinanzhof erörtert werden sollte. Die Erklärung des Finanzamts ist deshalb verfahrensrechtlich unbeachtlich, so daß über sie nicht besonders zu befinden ist (siehe dazu Entscheidung des Reichsfinanzhofs II A 77/22 vom 12. Juni 1923, Mrozek-Kartei, AO § 232 a. F., Rechtspruch 3).

 

Fundstellen

Haufe-Index 408660

BStBl III 1957, 74

BFHE 1957, 190

BFHE 64, 190

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Finance Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge