Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein unterschiedliches bilanzsteuerrechtliches Wahlrecht hinsichtlich der Einkommen- und Gewerbesteuer

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das FA kann die Zustimmung zu einer wegen anderweitiger Ausübung eines Wahlrechts beantragten Bilanzänderung für gewerbesteuerrechtliche Zwecke verweigern, wenn die Bilanz der bereits bestandskräftigen Veranlagung zur Einkommensteuer zugrunde gelegen hat.

2. Bilanzsteuerrechtliche Wahlrechte dürfen bei der Gewinnermittlung für Zwecke der Gewerbesteuer nicht anders als für Zwecke der Einkommensteuer ausgeübt werden (Fortführung zum BFH-Urteil vom 25.April 1985 IV R 83/83, BFHE 144, 25, BStBl II 1986, 350).

 

Orientierungssatz

1. Bilanzänderung i.S. des § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG ist der Ersatz eines handelsrechtlich und steuerrechtlich zulässigen Bilanzansatzes durch einen anderen ebenfalls zulässigen Bilanzansatz. Die Bilanzänderung bezieht sich auf die Bewertung von Gegenständen des Betriebsvermögens. Es handelt sich vor allem um Fälle, in denen der Steuerpflichtige einen Bilanzansatz im Rahmen eines Bewertungswahlrechts ändert, nachträglich eine Bewertungsfreiheit ausübt oder auf deren Ausübung verzichtet. Eine Zustimmung des FA erübrigt sich nur in dem Fall, daß die Änderung der Bilanz keine Auswirkungen auf das steuerliche Ergebnis hat. Eine Bilanz kann auch in der Weise geändert werden, daß sich der Gewinn erhöht (vgl. BFH-Rechtsprechung).

2. Das FA hat einer beantragten Bilanzänderung im allgemeinen dann zuzustimmen, wenn sich die tatsächlichen Grundlagen, von denen der Steuerpflichtige bei der Ausübung eines (Bewertungs-)Wahlrechts ausgegangen ist, nach Einreichung der Bilanz erheblich verändert haben. Nach Bestandskraft der auf der Bilanz beruhenden Einkommensteuerveranlagung ist eine Bilanzänderung grundsätzlich nicht mehr möglich (vgl. BFH-Rechtsprechung).

3. Die Ausübung eines (handelsrechtlichen oder steuerrechtlichen) Wahlrechts nach Bestandskraft der Veranlagung des Streitjahres stellt keine neue Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 AO 1977, sondern eine Verfahrenshandlung dar (Anschluß an BFH-Urteil vom 19.5.1987 VIII R 327/83).

4. § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 eröffnet nicht die Möglichkeit, die steuerrechtliche Wirkung von Wahlrechten, die nur bis zur Bestandskraft der Steuerfestsetzung ausgeübt werden können, nach Eintritt dieses Zeitpunktes zu beseitigen (vgl. BFH-Urteil vom 27.9.1988 VIII R 432/83). Dies gilt wegen der verfahrensrechtlichen Bedeutung des Rechtsinstituts "Bestandskraft" auch für die Ausübung von Bilanzierungswahlrechten (entgegen Literatur).

5. Die Rechtswidrigkeit der Ablehnung der Zustimmung zur Bilanzänderung (§ 4 Abs. 2 Satz 2 EStG) kann mit der Klage gegen den Gewerbesteuermeßbescheid geltend gemacht werden, dem die nicht geänderte Bilanz zugrunde liegt (vgl. BFH-Urteil vom 29.10.1975 I R 47/74).

6. Bei der Ermittlung des Gewerbeertrags, ist das FA rechtlich nicht an den Betrag gebunden, den es im Rahmen einer Einkommensteuerveranlagung oder einer gesonderten Gewinnfeststellung als Gewinn aus Gewerbebetrieb angesetzt hat. Alle den Gewerbeertrag betreffenden Fragen sind im Gewerbesteuermeßbetragsverfahren zu entscheiden. Ist aber bei der Einkommensteuer zutreffend bilanziert, muß auch bei der Ermittlung des Gewerbeertrags diesem Ansatz gefolgt werden (vgl. BFH-Rechtsprechung).

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 2 S. 2, §§ 6b, 5 Abs. 1; GewStG § 7; EStG § 4 Abs. 1; AO 1977 § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 173 Abs. 1; FGO § 40 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betreibt einen Kfz-Einzelhandel mit Reparaturbetrieb. Er ermittelt seinen Gewinn durch Bestandsvergleich. Im Jahresabschluß für das Streitjahr 1981 wies er --nach Bildung einer Rücklage gemäß § 6b Abs.3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 104 096 DM-- einen Gewinn in Höhe von 6 958 DM aus. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) legte diesen Jahresabschluß, der gemeinsam mit der Einkommensteuer- und Gewerbesteuererklärung im Februar 1983 eingereicht worden war, der Einkommensteuerveranlagung und der Festsetzung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrags zugrunde.

Gegen den Bescheid vom 31.August 1983 über den einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag für 1981 legte der Kläger am 28.September 1983 Einspruch ein. Er bat, den Einspruch vorläufig nicht zu bearbeiten. Zur Begründung führte er an: "Mit diesem Einspruch wollen wir bezwecken, daß die Veranlagung für das Kalenderjahr 1981 vorläufig verbleibt, da die Möglichkeit besteht, daß für das Kalenderjahr 1981 eine Teilauflösung der 6b-Rücklage getätigt wird."

Der Einkommensteuerbescheid für 1981 vom 30.November 1983 wurde mit Ablauf des 2.Januar 1984 bestandskräftig.

Mit Schreiben vom 11.Januar 1984 teilte der Kläger unter Bezugnahme auf das Einspruchsschreiben vom 26.September 1983 dem FA mit, ein Teilbetrag der 6b-Rücklage sei im Jahre 1981 aufzulösen, so daß sich der "vorläufige Gewinn" auf 47 178 DM erhöhe. Er bitte, die eingereichte Bilanz für das Kalenderjahr 1981 entsprechend zu ändern.

Das FA lehnte mit Verfügung vom 13.August 1986 die Änderung der Bilanz ab. Durch Entscheidung vom 12.August 1986 wies das FA den Einspruch gegen den Gewerbesteuermeßbescheid 1981 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es aus: Das Wahlrecht für die Bildung einer Rücklage nach § 6b EStG habe der Kläger in der Weise ausgeübt, daß er in der Bilanz einen entsprechenden Schuldposten ausgewiesen habe. Ein konkreter Antrag auf Genehmigung einer Bilanzänderung sei erst nach Bestandskraft des Einkommensteuerbescheids für 1981 gestellt worden. Das Bilanzierungswahlrecht könne für Zwecke der Einkommensteuer einerseits und der Gewerbeertragsteuer andererseits nicht unterschiedlich ausgeübt werden. Nachdem der Kläger den Einkommensteuerbescheid für 1981 habe bestandskräftig werden lassen, ergebe sich eine Bindungswirkung für die Festsetzung des Gewerbeertrags.

Die Klage führte zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Das Finanzgericht (FG) hat dies wie folgt begründet:

Der Kläger verfolge seinen Antrag auf Zustimmung zur Bilanzänderung zu Recht mit dem Einspruch gegen den Gewerbesteuermeßbescheid. Auch habe der Kläger dargelegt, daß er durch die Festsetzung einer zu niedrigen Steuer in seinen Rechten verletzt sei.

Zwar dürfe der Steuerpflichtige Bilanzierungswahlrechte bei der Gewinnermittlung für Zwecke der Gewerbesteuer und für Zwecke der Einkommensteuer nicht unterschiedlich ausüben (Bezugnahme auf Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25.April 1985 IV R 83/83, BFHE 144, 25, BStBl II 1986, 350). Dieser Grundsatz werde vorliegend jedoch nicht in Frage gestellt. Denn bei einer Änderung des Bilanzansatzes sei es hier möglich, den bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid für 1981 zu ändern. Da der Gewinn für die Gewerbesteuer selbständig zu ermitteln sei, bestehe keine formelle Bindung an den im Einkommensteuerbescheid festgesetzten Gewinn aus Gewerbebetrieb. Hieraus folge die Verpflichtung des FA, bei der Ermittlung des Gewinns aus Gewerbebetrieb für Zwecke der Gewerbesteuer den Antrag auf Änderung eines Bilanzansatzes zu prüfen.

Eine Bilanzänderung sei insgesamt nur dann unzulässig, wenn der Einkommensteuerbescheid für 1981 nicht mehr korrigiert werden könne. Vorliegend könne der Einkommensteuerbescheid gemäß § 175 Abs.1 Nr.2 der Abgabenordnung (AO 1977) geändert werden. Die Änderung der Bilanz sei ein Ereignis im Sinne dieser Bestimmung. Falls das FA der Bilanzänderung zustimme, habe dies steuerliche Wirkung für die Vergangenheit. Denn wegen der Notwendigkeit, für Einkommensteuer- und Gewerbesteuerzwecke eine gemeinsame Bilanz zugrunde zu legen, müsse die nachträglich geänderte Bilanz auch bei der Einkommensteuerveranlagung berücksichtigt werden. Der ursprünglich rechtmäßige Einkommensteuerbescheid werde durch die Bilanzänderung nachträglich rechtswidrig.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Es macht geltend:

Eine Änderung der Einkommensteuerveranlagung nach den §§ 173 ff.AO 1977 scheitere bereits an der Anweisung des Abschn.15 Abs.2 Satz 4 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR). Zwar sei nach herrschender Meinung auch die Änderung der Bilanz ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs.1 Nr.2 AO 1977. Dies gelte jedoch nur für die Fälle einer Änderung der Vorjahresbilanz, bei denen sich nach den Grundsätzen des Bilanzenzusammenhangs Auswirkungen auf spätere Jahre ergäben. Im Streitfall liege aber für denselben Veranlagungszeitraum eine bestandskräftige Veranlagung vor. Eine Änderung der Bilanz für Zwecke der Gewerbesteuer 1981 wäre entgegen der Auffassung des FG nur dann zulässig, wenn unter Berücksichtigung der geänderten Bilanz eine Änderung des Einkommensteuerbescheids 1981 möglich wäre. Dies verbiete aber für den Fall, daß ein denselben Veranlagungszeitraum betreffender Steuerbescheid schon bestandskräftig sei, die Anweisung des Abschn.15 Abs.2 Satz 4 EStR. § 175 Abs.1 Nr.2 AO 1977 setze seinerseits voraus, daß eine Bilanzänderung durchgeführt werde.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Das FG hat die Ermessensentscheidung des FA, im Hinblick auf die Bestandskraft des Einkommensteuerbescheides für 1981 einer Änderung der Bilanz zum 31.Dezember 1981 nicht zuzustimmen, zu Unrecht aufgehoben.

1. In verfahrensrechtlicher Hinsicht kann dahingestellt bleiben, ob die Ablehnung der Zustimmung zur Bilanzänderung (§ 4 Abs.2 Satz 2 EStG) auch selbständig angefochten werden kann (vgl. hierzu Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 8.Aufl. 1989, § 4 Anm.144). Jedenfalls ist es zulässig, die Rechtswidrigkeit der Ablehnung mit der Klage gegen den Gewerbesteuermeßbescheid geltend zu machen, dem die nicht geänderte Bilanz zugrunde liegt (vgl. auch BFH-Urteil vom 29.Oktober 1975 I R 47/74, BFHE 117, 239, BStBl II 1976, 212, unter 1.).

2. Bilanzänderung i.S. des § 4 Abs.2 Satz 2 EStG ist der Ersatz eines handels- und steuerrechtlich zulässigen Bilanzansatzes durch einen anderen ebenfalls zulässigen Bilanzansatz (BFH-Urteil vom 1.Juli 1964 I 5/63 U, BFHE 80, 162, BStBl III 1964, 533). Die Bilanzänderung bezieht sich auf die Bewertung von Gegenständen des Betriebsvermögens. Es handelt sich vor allem um Fälle, in denen der Steuerpflichtige einen Bilanzansatz im Rahmen eines Bewertungswahlrechts ändert, nachträglich eine Bewertungsfreiheit ausübt oder auf deren Ausübung verzichtet. Um eine solche Maßnahme geht es hier. Eine Zustimmung des FA zur Bilanzänderung erübrigt sich nur in dem --hier nicht vorliegenden-- Fall, daß die Änderung der Bilanz keine Auswirkungen auf das steuerliche Ergebnis hat (vgl. BFH-Urteil vom 5.Juni 1985 I R 183/84, BFHE 144, 353, BStBl II 1986, 84). Eine Bilanz kann auch in der Weise geändert werden, daß sich der Gewinn erhöht (Urteil in BFHE 117, 239, BStBl II 1976, 212).

3. Die Ermessensentscheidung des FA darüber, ob es einer Bilanzänderung zustimmt, ist nur dann rechtswidrig, wenn die Behörde die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 102 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

a) Nach der amtlichen Begründung zum EStG 1934 (RStBl 1935, 33, 37) bezweckt das Erfordernis der Zustimmung, einer --nach früherem Recht möglichen-- Verzögerung des Besteuerungsverfahrens durch "einseitige schwerwiegende Bilanzänderungen" entgegenzuwirken. Einer beantragten Bilanzänderung ist im allgemeinen dann zuzustimmen, wenn sich die tatsächlichen Grundlagen, von denen der Steuerpflichtige bei der Ausübung eines (Bewertungs-)Wahlrechts ausgegangen ist, nach Einreichung der Bilanz erheblich verändert haben (BFH-Urteile vom 29.Januar 1952 I 103/51 U, BFHE 56, 137, BStBl III 1952, 57; vom 30.März 1983 I R 178/79, BFHE 138, 236, 239, BStBl II 1983, 512; einschränkend BFH-Urteil vom 30.März 1989 IV R 81/87, BFHE 156, 208, BStBl II 1989, 558).

b) Nach Bestandskraft der auf der Bilanz beruhenden Einkommensteuerveranlagung ist eine Bilanzänderung grundsätzlich nicht mehr möglich (vgl. BFH-Urteile vom 19.Mai 1987 VIII R 327/83, BFHE 150, 140, BStBl II 1987, 848; in BFHE 156, 208, BStBl II 1989, 558; Bordewin in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, §§ 4 bis 5 Rdnr.251; Ludewig, Der Betrieb --DB-- 1986, 133, 138). Nach Abschn.15 Abs.2 Satz 4 EStR 1981 ff. muß der Antrag auf Bilanzänderung vor Bestandskraft der Veranlagung beim FA gestellt werden. Der erkennende Senat hält diese Weisung für ermächtigungskonform. Die Beachtung der Bestandskraft von Verwaltungsakten folgt aus dem Verfassungsprinzip der Rechtssicherheit (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 20.April 1982 2 BvL 26/81, BVerfGE 60, 253, 270); dem Steuerpflichtigen kann es nicht freistehen, durch eine nachträgliche Ausübung von Wahlrechten die Bestandskraft zu durchbrechen.

c) Die Einkommensteuerveranlagung 1981 war im Zeitpunkt des Bilanzänderungsantrags bereits bestandskräftig. Die Feststellung des FG, daß in dem Einspruchsschreiben vom 26.September 1983 noch kein Antrag auf Bilanzänderung enthalten war, ein Antrag auf Bilanzänderung wirksam vielmehr erst mit Schreiben vom 11.Januar 1984 und damit nicht rechtzeitig gestellt wurde, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

d) Der VIII.Senat des BFH hat in seinem Urteil in BFHE 150, 140, 144, BStBl II 1987, 848, unter 2. den Grundsatz der Unabänderlichkeit der Bilanz nach Bestandskraft der Veranlagung des Streitjahres unter den Vorbehalt gestellt, daß "sonstige Berichtigungsmöglichkeiten ... (z.B. § 164 Abs.2, § 173 AO 1977)" nicht vorliegen. Die Ausübung eines (handels- oder steuerrechtlichen) Wahlrechts nach Bestandskraft der Veranlagung des Streitjahres stelle keine neue Tatsache i.S. des § 173 Abs.1 AO 1977, sondern eine Verfahrenshandlung dar (Bezugnahme auf das BFH-Urteil vom 28.September 1984 VI R 48/82, BFHE 141, 532, BStBl II 1985, 117). Dem schließt sich der erkennende Senat an.

e) Nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt kommt eine Berichtigung der bestandskräftigen Einkommensteuerveranlagung auch nach anderen Vorschriften als nach § 173 Abs.1 AO 1977 nicht in Betracht.

§ 172 Abs.1 Nr.2 Buchst.a AO 1977 eröffnet nicht die Möglichkeit, die steuerrechtliche Wirkung von Wahlrechten, die nur bis zur Bestandskraft der Steuerfestsetzung ausgeübt werden können, nach Eintritt dieses Zeitpunktes zu beseitigen (vgl. BFH-Urteil vom 27.September 1988 VIII R 432/83, BFHE 155, 83, 90, BStBl II 1989, 225, unter 4. a, m.w.N.). Dies gilt wegen der verfahrensrechtlichen Bedeutung des Rechtsinstituts "Bestandskraft" (oben b) auch für die Ausübung von Bilanzierungswahlrechten (entgegen Schmidt/Heinicke, a.a.O., § 4 Anm.144 b; Nieland in Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, 15.Aufl. 1989, §§ 4, 5 EStG Rdnr.586).

Es kann dahingestellt bleiben, ob eine Bilanzänderung ebenso wie nach herrschender Meinung die Bilanzberichtigung ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs.1 Satz 1 Nr.2 AO 1977 ist (so Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 175 AO 1977 Tz.12; Lauer, Die Korrekturvorschrift des § 175 Abs.1 Satz 1 Nr.2 Abgabenordnung, Diss. 1984, S.109 f., jeweils für den Fall der Änderung einer Vorjahresbilanz). Die Änderung des Einkommensteuerbescheids nach dieser Vorschrift würde jedenfalls im Streitfall voraussetzen, daß das FA der Bilanzänderung zugestimmt hätte. An dieser Voraussetzung fehlt es; vielmehr hat das FA seine Zustimmung zur Bilanzänderung im Hinblick auf die Bestandskraft der Einkommensteuerveranlagung und damit ermessensfehlerfrei verweigert.

4. Die Klage kann auch nicht mit der Erwägung durchdringen, daß der Gewerbeertrag verfahrensrechtlich unabhängig von der Einkommensteuerveranlagung zu ermitteln ist. Bilanzsteuerrechtliche Wahlrechte, so wie sie z.B. § 6b EStG begründet, dürfen bei den Gewinnermittlungen für Zwecke der Gewerbesteuer nicht anders als für Zwecke der Einkommensteuer ausgeübt werden. Das FA kann daher die Zustimmung zu einer Bilanzänderung versagen, wenn die betreffende Bilanz --bezogen auf den Streitfall-- einer bestandskräftigen Veranlagung der Einkommensteuer zugrunde liegt.

a) Der IV.Senat des BFH hat in seinem Urteil in BFHE 144, 25, 29, BStBl II 1986, 350 im Zusammenhang mit der Anwendung des § 6b EStG entschieden, daß der Steuerpflichtige und das FA bei der Ermittlung des Gewerbeertrags (§ 7 Abs.1 des Gewerbesteuergesetzes --GewStG--) nicht nur an die abstrakten Normen des EStG über die Gewinnermittlung gebunden seien, sondern grundsätzlich auch an den im Einzelfall gewählten Bilanzansatz, soweit gesetzliche Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte eingeräumt seien. Der IV.Senat folgert dies aus der Erwägung, daß bilanzsteuerrechtliche Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte in der Regel durch entsprechenden Ansatz in der Handelsbilanz ausgeübt werden müßten, die ihrerseits für die bilanzsteuerrechtliche Gewinnermittlung maßgeblich sei (§ 5 EStG), "und dann naturgemäß, da ja nur eine Handelsbilanz aufzustellen ist, in gleicher Weise für die Gewinnermittlung für die Zwecke der Einkommensteuer wie für die Gewinnermittlung für die Zwecke der Gewerbesteuer".

Der erkennende Senat stimmt dem auch für den Fall zu, daß --wovon vorliegend auszugehen ist-- eine Handelsbilanz nicht erstellt wird, der Steuerpflichtige vielmehr (nur) nach Steuerrecht bilanziert und daher Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte in der der Einkommensteuerveranlagung zugrunde liegenden Steuerbilanz ausübt.

b) Gemäß § 7 Abs.1 GewStG ist dem Gewerbeertrag --vorbehaltlich der sich aus dem Gewerbesteuerrecht ergebenden Besonderheiten-- der nach den Vorschriften des EStG und des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) zu ermittelnde Gewinn aus Gewerbebetrieb zugrunde zu legen. Eine ausdrückliche Verweisung auf die §§ 4 bis 7e EStG war in § 17 Abs.1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV) 1950 ausgesprochen; diese Verweisung ist später "als selbstverständlich" entfallen (vgl. BFH-Urteil vom 18.Februar 1965 IV 159/63 U, BFHE 82, 33, BStBl III 1965, 259). Zu den durch § 7 Abs.1 GewStG in Bezug genommenen Gewinnermittlungsvorschriften gehört auch § 6b EStG. Die Verweisung des § 7 GewStG bewirkt, soweit die Bilanzierung betroffen ist, auch eine Bindung an die einkommensteuerrechtlich zulässigen konkreten Ansätze in der Steuerbilanz. Die Bindung ist derjenigen der Steuerbilanz an die konkreten Ansätze in der Handelsbilanz gem. § 5 Abs.1 EStG vergleichbar. Wird eine Handelsbilanz erstellt, ergibt sich die Bilanzierung für Zwecke der Gewerbesteuer aus einer gestaffelten Bindung an die Steuerbilanz, der wiederum die Handelsbilanz zugrunde liegt. Wird keine Handelsbilanz erstellt, besteht nur die Bindung an die Steuerbilanz.

Der Entstehungsgeschichte des § 7 GewStG ist zu entnehmen, daß mit der Bezugnahme auf die Gewinnermittlungsvorschriften des EStG und des KStG eine möglichst praktikable Grundlage für die Ermittlung des Gewerbeertrags geschaffen werden sollte (vgl. BFH-Urteil vom 14.Dezember 1978 IV R 98/74, BFHE 127, 45, 48, BStBl II 1979, 284). Daraus, daß die Ausgangsgröße des Gewerbeertrags (§ 7 Abs.1 GewStG) "nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes zu ermitteln" ist, folgert die Begründung zum GewStG 1937 (RStBl 1937, 693, 695), daß bei natürlichen Personen "deren für die Einkommensteuer maßgebender Gewinn in der Regel mit dem für die Gewerbesteuer festzustellenden Gewinn übereinstimmen" werde. Die vom Gesetzgeber beabsichtigte Übereinstimmung von einkommensteuerrechtlicher und gewerbesteuerrechtlicher Gewinnermittlung ergibt sich auch aus der in § 35b GewStG getroffenen Vereinfachungsregelung zur Änderung von Gewerbesteuermeßbescheiden. Die Vorschrift soll in ihrem Geltungsbereich --u.a. in Bilanzierungsfragen-- unnötige Doppelverfahren vermeiden (vgl. BFH-Urteil vom 18.September 1962 I 206/61 U, BFHE 75, 547, BStBl III 1962, 468).

Dies gilt ungeachtet der Tatsache, daß der Gewerbeertrag verfahrensrechtlich selbständig zu ermitteln ist. Das FA ist rechtlich nicht an den Betrag gebunden, den es im Rahmen einer Einkommensteuerveranlagung oder einer gesonderten Gewinnfeststellung als Gewinn aus Gewerbebetrieb angesetzt hat (ständige Rechtsprechung seit BFH-Urteil vom 22.November 1955 I 139/54 S, BFHE 62, 9, BStBl III 1956, 4; BFH-Urteil vom 25.Oktober 1984 IV R 165/82, BFHE 142, 283, 286, BStBl II 1985, 212, unter 1.). Alle den Gewerbeertrag betreffenden Fragen sind im Gewerbesteuermeßbetragsverfahren zu entscheiden; die verfahrensrechtlichen Vorschriften über die Ermittlung der gewerbesteuerlichen Besteuerungsgrundlagen sind insoweit nicht eingeschränkt. Ist aber bei der Einkommensteuer zutreffend bilanziert, muß auch bei der Ermittlung des Gewerbeertrags diesem Ansatz gefolgt werden (BFH-Urteil vom 27.März 1961 I 278/60 U, BFHE 73, 30, BStBl III 1961, 280).

c) Es kann dahingestellt bleiben, ob und inwieweit die Gewinnermittlung für Zwecke der Gewerbesteuer eine eigenständige rechtliche Bedeutung hat (vgl. hierzu Mathiak in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 5 Rdnr.A 29, 65). Im Urteil des Reichsfinanzhofs (RFH) vom 11.Februar 1941 I 249/40 (RFHE 50, 74, RStBl 1941, 291) ist zutreffend ausgeführt, eine rechtliche Verselbständigung der gewerbesteuerlichen Gewinnfeststellung dürfe --abgesehen von den im Gewerbesteuerrecht vorgesehenen Änderungen-- nur dann zu anderen Ergebnissen als bei der Einkommensteuerveranlagung führen, wenn Einwendungen des Steuerpflichtigen dort entweder nicht geltend gemacht oder zu Unrecht nicht anerkannt worden seien; eine Zulassung besonderer Gewerbesteuerbilanzen dürfe die erstrebte Vereinfachung und Vereinheitlichung nicht gefährden. Nach Auffassung des Senats folgt aus der Verweisung des § 7 Abs.1 GewStG auf §§ 4 ff. EStG insbesondere, daß der Steuerpflichtige Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte nur einheitlich ausüben darf (im Ergebnis ebenso: Lenski/Steinberg, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, 6.Aufl., § 7 Rdnr.13; Müthling/Fock/Neumann, Gewerbesteuergesetz, § 7 Anm.3 Abschn.5; Blümich/von Twickel, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, § 7 GewStG Rdnr.64). Hiervon geht auch das BFH-Urteil vom 25.Februar 1986 VIII R 271/81 (BFHE 146, 270, 273, BStBl II 1986, 528, unter 3.) aus, wenn dort ausgeführt wird, daß die Inanspruchnahme der Sonderabschreibung gemäß § 82f der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung "auf die Ermittlung des Gewerbeertrags durchschlägt".

5. Die Ermessensentscheidung des FA ist auch nicht deswegen rechtsfehlerhaft, weil es den Antrag vom 28.September 1983, die Veranlagung für das Kalenderjahr 1981 noch nicht endgültig durchzuführen, übergangen hat. Dem Kläger oblag es, nach Ergehen des Einkommensteuerbescheides, gegen diesen rechtzeitig Einspruch einzulegen.

6. Da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist und sich seine Entscheidung auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend darstellt, war das angefochtene Urteil aufzuheben. Die spruchreife Klage ist abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 62857

BFH/NV 1990, 11

BStBl II 1990, 195

BFHE 158, 520

BFHE 1990, 520

BB 1990, 247

BB 1990, 247-248 (LT1-2)

DB 1990, 404-405 (ST)

HFR 1990, 184 (LT)

StE 1990, 50 (K)

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