Leitsatz (amtlich)

Beitragszahlungen, die Mitglieder einer Interessenvereinigung der Lohnsteuerzahler erbringen, um deren in der Satzung vorgesehene Hilfe in Lohnsteuersachen in Anspruch nehmen zu können, sind Entgelte für umsatzsteuerpflichtige Leistungen dieser Vereinigung.

 

Normenkette

UStG 1951 § 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Jahresbeiträge, die die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) im Jahre 1967 von ihren Mitgliedern erhoben hat, als Entgelte für umsatzsteuerpflichtige Leistungen zu beurteilen sind.

Der Verein (die Klägerin) verfolgte nach § 2 der im Jahre 1967 geltenden Satzung folgende Zwecke:

"I. Die Hilfeleistung in Lohnsteuersachen;

II. Die Interessenvertretung seiner Mitglieder in allen Lohnsteuerfragen, um jedem Arbeitnehmer den Rechtsanspruch auf die jährliche Lohnsteuererstattung zu sichern."

Die Mitglieder der Klägerin hatten nach § 5 dieser Satzung einen jährlichen Mitgliedsbeitrag in Höhe von 25 DM zu leisten.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) beurteilte die Beitragszahlungen der Mitglieder als Entgelte für Sonderleistungen der Klägerin (Erstellen von Anträgen auf Lohnsteuer-Jahresausgleich, gelegentlich auch Prozeßvertretung vor den FG). Er unterwarf daher die im Jahre 1967 der Klägerin als Beiträge zugeflossenen Einnahmen von ... DM mit dem nach § 100 Abs. 2 AO vorläufigen Bescheid vom 26. Juni 1969 der Umsatzsteuer. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Das FG führt zur Begründung seines Urteils im wesentlichen aus: Die Beiträge der Mitglieder seien in vollem Umfang Entgelte für Einzelleistungen, da die Klägerin ihren Satzungszweck nur in Form der steuerlichen Beratung jedes einzelnen Vereinsmitglieds verwirklichen könne. Dieser Auffassung stehe nicht entgegen, daß die Klägerin von den Mitgliedern einen Pauschbetrag als Mitgliedsbeitrag erhebe. Auch aus dem in § 107a Abs. 3 Nr. 4b AO enthaltenen Verbot, "ein besonderes Entgelt" für die Hilfeleistung zu erheben, könne nichts über den Charakter der Mitgliedsbeiträge hergeleitet werden. Durch diese Vorschrift werde lediglich die Zahlung eines zusätzlichen Entgelts ausgeschlossen. Schließlich beinhalte die Anerkennung der Klägerin als Idealverein i. S. des § 21 BGB nicht gleichzeitig die Bestätigung der Nichtsteuerbarkeit ihrer Leistungen.

Eine Aufteilung der Mitgliederzahlungen in Entgelte für steuerpflichtige Leistungen und echte Beiträge komme nach den in § 2 der Satzung angegebenen Vereinszwecken für den Veranlagungszeitraum 1967 nicht in Betracht. Die von der Klägerin herausgegebenen Blätter dienten nur der Unterrichtung der Mitglieder über ihre Tätigkeit. Eine darüber hinausgehende Verfolgung von Allgemeinbelangen auf dem Gebiet des Lohnsteuerrechts gehe daraus nicht hervor.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Sie trägt insbesondere vor: Sie habe die Beiträge ohne Rücksicht auf die tatsächliche oder vermutete Inanspruchnahme ihrer Leistungen erhoben. Die Beiträge seien nämlich nach der Satzung jeweils im Januar eines Jahres zu leisten gewesen, also zu einem Zeitpunkt, zu dem die Mitglieder regelmäßig noch nicht in der Lage gewesen seien, ihren Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich zu stellen bzw. die Einkommensteuererklärung abzugeben. Es handle sich deshalb um echte Mitgliederbeiträge. Das FG sei unzutreffend davon ausgegangen, die Mitglieder gäben die notwendigen Unterlagen bei ihr ab und sie erstelle dann selbständig die Anträge auf Lohnsteuer-Jahresausgleich oder die Einkommensteuererklärungen. In Wirklichkeit ließen sich die Mitglieder von ihr lediglich über allgemeine Verfahrensfragen und allgemeine Steuervorschriften beraten. Auch habe das FG übersehen, daß das einzelne Mitglied keine wirtschaftlichen Vorteile erziele. Es werde lediglich ein Rechtsanspruch verfolgt. Dabei seien für jeden Steuerbürger die gleichen Steuergesetze anzuwenden. Deshalb könne sie nicht einsehen, warum individuelle Belange der Mitglieder vorherrschen sollten. Das FG habe auch § 107a Abs. 3 Nr. 4b AO unrichtig ausgelegt.

Die Vorinstanz habe auch gegen das Verfahrensrecht verstoßen, weil sie ihr das rechtliche Gehör versagt habe. Sie habe in der mündlichen Verhandlung vor dem FG darauf hingewiesen, daß sie nicht nur Informationsblätter in der Öffentlichkeit aufgelegt, sondern auch Rundschreiben an ihre Mitglieder versandt und Mitgliederversammlungen und Vorträge über allgemeines Steuerrecht veranstaltet habe. Diesen Sachverhalt habe das FG nicht in sein Urteil aufgenommen. Die Ansicht des FG, in den von ihr herausgegebenen Blättern würden die Mitglieder nur über die Tätigkeit des Vereins unterrichtet werden, sei unzutreffend. Diese der Allgemeinheit zugänglichen Blätter hätten außerdem Hinweise auf nahezu alle sich im Lohnsteuer-Jahresausgleich bietenden Möglichkeiten enthalten. Das FG hätte zumindest eine Aufteilung der von den Mitgliedern geleisteten Zahlungen vornehmen müssen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und der Klage stattzugeben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Die Entscheidung des FG, die Beiträge seien Entgelte für steuerpflichtige Leistungen der Klägerin an ihre Mitglieder, ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats erbringen Vereine gegenüber ihren Mitgliedern keine Leistungen i. S. des § 1 Nr. 1 UStG 1951, soweit sie satzungsmäßige Gemeinschaftszwecke für die Gesamtbelange ihrer Mitglieder erfüllen. Die hierfür erhobenen (echten) Mitgliedsbeiträge stehen außerhalb eines Leistungsaustausches und sind kein Entgelt. Erbringt der Verein hingegen auch oder nur Leistungen, die den Sonderinteressen der einzelnen Mitglieder dienen, liegt insoweit Leistungsaustausch vor. Die hierfür erhobenen (unechten) Mitgliedsbeiträge sind Leistungsentgelte. Im einzelnen wird auf die Rechtsprechung des Senats verwiesen, an der festgehalten wird (Urteil des RFH vom 5. Oktober 1934 V A 587/35, RFHE 37, 30, RStBl 1935, 621; Urteil des OFH vom 28. Februar 1946 V 37/44, RFHE 54, 191; Urteile des BFH vom 12.April 1962 V 134/59 U, BFHE 74, 703, BStBl III 1962, 260; vom 22. November 1963 V 47/61 U, BFHE 78, 383, BStBl III 1964, 147; vom 2. Februar 1967 V 138/64, BFHE 88, 529, BStBl III 1967, 502).

Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Klägerin nur Sonderbelange der Mitglieder wahrgenommen hat, soweit sie Anträge auf Lohnsteuer-Jahresausgleich erstellte und die Vertretung ihrer Mitglieder vor dem FA und dem FG übernahm. In dieser Tätigkeit kann nicht die Erfüllung eines satzungsmäßigen Gemeinschaftszwecks für die Gesamtbelange der Mitglieder gesehen werden. Wie das FG zu Recht ausführt, waren dabei die individuellen Verhältnisse des einzelnen Mitglieds darzustellen und deren Interessen wahrzunehmen. Daß diese Tätigkeit auch dem Gesamtinteresse der Mitglieder an der Gesetzmäßigkeit der Steuerverwaltung dienlich war, ist lediglich ein Reflex aus der satzungsmäßigen Einzelbetreuung. Der Hinweis der Klägerin, auf der Grundlage des allgemein geltenden Steuerrechts tätig geworden zu sein, rechtfertigt somit keine andere Entscheidung. Das gleiche würde gelten, wenn die Klägerin, wie sie nunmehr vorträgt, für ihre Mitglieder keine Anträge auf Lohnsteuer-Jahresausgleich erstellt bzw. keine Einkommensteuererklärungen gefertigt, sondern die Mitglieder lediglich in allgemeinen Fragen des Verfahrens und des Steuerrechts beraten hätte. Sie wäre auch in diesen Fällen für die Sonderinteressen der einzelnen Mitglieder tätig geworden. Es braucht daher nicht entschieden zu werden, ob ihre Rüge, das FG sei insoweit von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen, den Anforderungen des § 120 Abs. 2 FGO entspricht.

Der Einwand der Revision, die Mitglieder erlangten durch die Tätigkeit der Klägerin keine wirtschaftlichen Vorteile, weil lediglich ihr Rechtsanspruch auf Erstattung der zuviel entrichteten Lohnsteuer verfolgt werde, kann ebenfalls zu keiner anderen Beurteilung führen. Für die Annahme eines Leistungsaustauschs ist es entscheidend, daß die Klägerin den Mitgliedern bei der Durchsetzung ihres Anspruchs auf Lohnsteuer-Jahresausgleich behilflich ist, ihnen gegenüber also Sonderleistungen erbringt, und daß die Mitglieder bereit sind, diese Hilfeleistung zu honorieren.

Aus der Tatsache, daß die Jahresbeiträge der Mitglieder jeweils im Januar zu entrichten sind, läßt sich gegen die Entscheidung des FG, es handle sich um Sonderleistungsentgelte, nichts herleiten. Nach der Vereinssatzung, von deren Verbindlichkeit das FG ausgegangen ist, besteht ein enger wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der Beitragspflicht des einzelnen Mitglieds und der gewährleisteten Bereitschaft des Vereins, dem einzelnen Mitglied jederzeit Hilfe und Rechtsbeistand in Lohnsteuersachen zu leisten. Wenn das Mitglied die Leistungen des Vereins in Anspruch nimmt, ist seine Zahlung wie eine Vorauszahlung Entgelt für die ihm später tatsächlich erbrachte Sonderleistung des Vereins. Wenn ein Mitglied auf diese Dienste der Klägerin verzichten sollte, ändert sich an der umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung nichts; denn auch die Bereitschaft der Klägerin, für dieses Mitglied tätig zu werden, ist als umsatzsteuerliche Leistung (vgl. BFH-Urteile vom 22. Januar 1970 V R 118/66, BFHE 98, 225, BStBl II 1970, 363, und vom 27. August 1970 V R 159/66, BFHE 100, 259, BStBl II 1971, 6) dem Mitglied gegenüber eine Sonderleistung, die dieses durch seinen Beitrag abgilt.

Ein Rechtsfehler des FG bei Auslegung des § 107a Abs. 3 Nr. 4b AO ist nicht erkennbar. Diese Vorschrift verbietet der Klägerin, neben dem Mitgliedsbeitrag ein besonderes Entgelt zu erheben. Weitere Schlüsse können daraus nicht gezogen werden. Insbesondere läßt sich daraus nicht ableiten, wie die Mitgliedsbeiträge umsatzsteuerrechtlich zu beurteilen sind.

Die Vorentscheidung ist auch insoweit revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, als sie eine Aufteilung der Mitgliederzahlungen in echte Mitgliedsbeiträge und Sonderleistungsentgelte ausschließt. Das FG hat die gesamte Tätigkeit der Klägerin als die Summe gleichartiger individueller Leistungen an die Mitglieder gewürdigt und festgestellt, daß die Klägerin auch durch die Herausgabe von Mitgliederblättern Allgemeinbelange auf dem Gebiet des Lohnsteuerrechts nicht verfolgt habe. Dagegen sind zulässige und begründete Revisionsrügen nicht erhoben worden.

Das Vorbringen der Klägerin, das FG habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, weil es Teile ihres Vortrags in der mündlichen Verhandlung nicht berücksichtigt habe, entspricht nicht den Anforderungen des § 120 Abs. 2 FGO. Nach dieser Vorschrift muß die Rüge eines Verfahrensfehlers auch die Bezeichnung der Tatsachen enthalten, aus denen sich der Mangel ergeben soll. Nach der Rechtsprechung des BVerfG beinhaltet der Anspruch auf rechtliches Gehör allerdings auch die Verpflichtung des Gerichts, Anträge und Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen, soweit das Vorbringen nach den Prozeßvorschriften nicht ausnahmsweise unberücksichtigt bleiben muß oder kann (vgl. zuletzt Beschluß vom 2. Dezember 1969 2 BvR 320/ 69, BVerfGE 27, 248, mit weiteren Nachweisen). Grundsätzlich ist jedoch davon auszugehen, daß ein Gericht das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat; der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verpflichtet es nicht, jedes Vorbringen in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich zu verbescheiden (vgl. BVerfG-Beschluß vom 15. Januar 1969 2 BvR 326/67, BVerfGE 25, 137). Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör kann daher nur angenommen werden, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, daß ein Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und zu erwägen, nicht nachgekommen ist (vgl. BVerfG-Beschluß 2 BvR 326/67), nicht aber schon dann, wenn es Tatsachen unrichtig festgestellt hat (vgl. BVerfG-Beschluß vom 19. Juli 1967 2 BvR 639/66, BVerfGE 22, 267). Bei dieser Rechtslage gehört es zum schlüssigen Vortrag einer Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, daß in Einzelheiten Tatsachen vorgetragen werden, aus denen sich ergibt, daß das Gericht berücksichtigungsfähiges und berücksichtigungswürdiges Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen und nicht in Erwägung gezogen hat. Die Behauptung der Klägerin, sie habe in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, in regelmäßigen Abständen Rundschreiben an die Mitglieder versandt und Mitgliederversammlungen und Vorträge über allgemeines Steuerrecht abgehalten zu haben, genügt diesen Anforderungen nicht. Insbesondere fehlen konkrete tatsächliche Angaben über den im Rahmen der Gesamttätigkeit anteiligen Umfang solcher Maßnahmen (vgl. Hartmann-Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, Mehrwertsteuer, Kommentar, 6. Auflage, Tz. 115 zu § 1 Abs. 1 Nr. 1 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung).

Da die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör somit keinen Erfolg haben kann, weitere Verfahrensrügen nicht erhoben wurden und auch ein Verstoß gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze nicht erkennbar ist, sind die Feststellungen des FG für den Senat bindend.

Mit der Behauptung, das FG habe den Sachverhalt unrichtig festgestellt, kann die Klägerin eine Berichtigung des Tatbestands im finanzgerichtlichen Urteil nicht erreichen. Da sie eine Unrichtigkeit geltend macht, die keine offenbare Unrichtigkeit i. S. des § 107 Abs. 1 FGO darstellt, hätte sie gemäß § 108 FGO die Richtigstellung binnen zwei Wochen nach Zustellung des Urteils vor dem FG beantragen müssen.

Der Vortrag der Klägerin, sie habe im Gesamtinteresse ihrer Mitglieder und aller Lohnsteuerzahler darauf hingewirkt, daß im Lande ... jeder Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich beschieden werde, und durch Initiativen bei Bundestags- und Landtagsabgeordneten erreicht, daß auch Arbeitnehmer, die nach § 46 des EStG zur Einkommensteuer zu veranlagen sind, ihre Dienste in Anspruch nehmen können, beinhaltet neues tatsächliches Vorbringen. Da die Revision nur auf Rechtsverletzung gestützt werden kann (§ 118 Abs. 1 FGO), ist es dem Senat verwehrt, dieses Vorbringen zu berücksichtigen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70942

BStBl II 1974, 530

BFHE 1974, 430

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