Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Die Ausnahmevorschrift des § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG ist bereits dann auf beide Tauschvorgänge anwendbar, wenn sich durch den Grundstücksaustausch nur für eine Tauschpartei eine bessere Bewirtschaftung ihrer landwirtschaftlichen Grundstücke ergibt. Darauf, daß dieser Erfolg auch bei der anderen Tauschpartei eintritt, kommt es nicht an.

Erforderlich ist, daß die bessere Bewirtschaftung bei der Tauschpartei, bei der sich dieser Erfolg ergibt, Hauptzweck des Erwerbs war. Dagegen genügt es, daß ein solcher Zweck von der anderen Tauschpartei als Nebenzweck mitverfolgt wurde.

 

Normenkette

GrEStG § 4/1/3/b

 

Tatbestand

Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 9. Mai 1956 erwarben tauschweise

die Bfin. ein noch zu vermessendes Trennstück, das bis dahin dem Bauern A. gehörte;

der Bauer A. ein gleichfalls noch zu vermessendes Trennstück.

Soweit die Tauschparzellen des Bauern A. abbaufähiges Sandgelände darstellten, hatte die Bfin. je Morgen 375 DM zuzuzahlen. Beide Tauschgrundstücke haben auf Grund der Vermessung eine Größe von je 98,53 Ar erhalten. Als Wert des Grundstücks zu 1. wurden 14.553,29 DM, als Wert des Grundstücks zu 2. wurden 13.745,99 DM der Besteuerung zugrunde gelegt. Das abbaufähige Sandgelände hatte eine Größe von 53,82 Ar, so daß von der Bfin. 807,30 DM zuzuzahlen waren.

Nach § 3 des Vertrages war Zweck des Tausches, der Bfin. eine Verbindung zu anderen Grundstücken zu verschaffen. Andererseits benötigte die Bfin. das Tauschgrundstück künftig als geeignetes Gelände zur Sandausbeute. A erhielt für das von ihm hinzugebende Grundstück, das in einer abgeholzten hügeligen Waldfläche bestand, gutes Wiesengelände, das an ein anderes, ihm schon gehöriges Grundstück angrenzte.

Streitig ist, ob ein freiwilliger Austausch von Grundstücken zur besseren Bewirtschaftung von zersplitterten oder unwirtschaftlich geformten land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken im Sinn des § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG vorliegt.

Das Finanzamt hat die Anwendbarkeit der Steuerbefreiung verneint und beide Tauschvorgänge zur Steuer herangezogen. Es ist der Ansicht, es handle sich in erster Linie nicht um einen freiwilligen Austausch von landwirtschaftlichen Grundstücken zur Bereinigung einer zersplitterten Lage oder zur besseren Bewirtschaftung; vielmehr sei in der Hauptsache bezweckt, der Bfin. abbaufähiges Sandgelände für ihre industriellen Zwecke zu verschaffen.

Demgegenüber macht die Bfin. geltend: Der Erwerb von sandausbeutefähigem Gelände habe für sie nur zweitrangige Bedeutung gehabt. Sie sei als ordnungsmäßiger Forstbetrieb anerkannt und betreibe insbesondere die Pappelzucht. Diesem forstwirtschaftlichen Zwecke solle auch das erworbene Grundstück dienen. Der Erwerb sei vorwiegend darauf gerichtet gewesen, eine Verbindung mit bereits vorhandenem Grund und Boden zur besseren Bewirtschaftung zu schaffen. Eine Sandausbeute käme frühestens in etwa 8 bis 10 Jahren in Betracht.

Einspruch und Berufung wurden als unbegründet zurückgewiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist von Erfolg.

Unbestritten ist, daß sich für den Bauern A. durch den Austausch der Grundstücke eine bessere Bewirtschaftung der ihm schon gehörenden landwirtschaftlichen Grundstücke ergab. Damit fällt der Grundstücksaustausch unter die Steuervergünstigung des § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG, auch wenn die andere Tauschpartei (d. h. die Bfin.) diesen Austausch nicht aus den im § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG angeführten Gründen, sondern, wie das Finanzamt geltend macht, aus anderen, nicht steuerbegünstigten Gründen vorgenommen hat. Die Anwendbarkeit der Steuerbefreiung des § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG ist nämlich nicht davon abhängig, daß der Grundstücksaustausch für beide Tauschparteien eine bessere Bewirtschaftung land- oder forstwirtschaftlicher Grundstücke mit sich bringt. Es genügt bereits, daß der Austausch bei einer Tauschpartei (hier nur bei dem Bauern A.) eine bessere Bewirtschaftungsmöglichkeit zur Folge hatte. Siehe dazu die Urteile des Reichsfinanzhofs II A 284/25 vom 9. Juni 1925 (RStBl 1925 S. 147, Slg. Bd. 16 S. 316) und II 58/42 vom 6. August 1942 (RStBl 1942 S. 1076, Slg. Bd. 52 S. 124). Wird also durch den Grundstücksaustausch bei einer Tauschpartei (hier bei dem Bauern A.) der vorbezeichnete Zweck des § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG erreicht, dann ist sowohl der Tauscherwerb dieser Partei (hier der des Bauern A.) als auch der der anderen Tauschpartei (hier der der Bfin.) von der Steuer befreit.

Das Urteil des Reichsfinanzhofs II A 284/25 vom 9. Juni 1925 (siehe oben) ergibt, daß bereits bei Anwendung des § 8 Nr. 7 GrEStG 1919/1927 in Fällen, in denen die Voraussetzungen der bezeichneten Vorschrift bei einer Tauschpartei erfüllt sind, beide Tauschvorgänge von der Steuer befreit waren. Dieses Urteil, auf das auch im Schrifttum hingewiesen wurde (siehe Ott, Handbuch des gesamten Grunderwerbsteuerrechts, 4. Aufl., 1936, S. 256), war offensichtlich bei Schaffung des GrEStG 1940 bekannt. Wenn nun die Vorschrift des § 8 Nr. 7 GrEStG 1919/1927 fast wörtlich als § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b in das GrEStG 1940 übernommen und für Fälle der in Betracht kommenden Art eine Einschränkung nicht vorgenommen wurde, so muß daraus gefolgert werden, daß die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs, die zu § 8 Nr. 7 GrEStG 1919/1927 ergangen war, auch bei Anwendung des § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG 1940 maßgebend sein sollte.

Wie sich aus den Worten "zur" besseren Bewirtschaftung ergibt (siehe § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG), ist allerdings subjektiv erforderlich, daß die Tauschparteien diesen Erfolg auch tatsächlich bezweckten. Was die erwerbende Tauschpartei (hier den Bauern A.) angeht, so bedeutet dies aber nicht, daß die bessere Bewirtschaftung für sie der ausschließliche Zweck des Grundstücksaustausches sein müßte. Verfolgte diese Partei zugleich andere Zwecke, so ist dies unschädlich, solange die bessere Bewirtschaftungsmöglichkeit für sie der Hauptzweck des Grundstückstauschvertrages war. (Als andere - schädliche oder unschädliche - Zwecke kämen z. B. in Betracht: die Absicht, sich infolge von Zuzahlungen der anderen Tauschpartei Barmittel zu beschaffen oder das besser gestaltete Grundstück vorteilhaft zu veräußern oder das eingetauschte Grundstück zur Gewinnung von Kies, Ton, Lehm usw. zu verwenden.)

Im Streitfall ist unbestritten, daß der Bauer A. durch den Grundstückserwerb ausschließlich oder in der Hauptsache die bessere Gestaltung seiner schon vorhandenen Grundstücke anstrebte. Daß die andere Tauschpartei (hier die Bfin.) im Hinblick auf ihren eigenen Erwerb in der Hauptsache andere Zwecke erreichen wollte, berührt die Anwendbarkeit der Steuerbefreiung nicht. Es genügt, daß diese Tauschpartei (d. h. die Bfin.) daneben die Tauschzwecke der anderen Partei ihrerseits als Nebenzweck überhaupt mitverfolgte. Dieser Fall ist hier unstreitig gegeben. Die Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG ist demnach auch insoweit erfüllt.

Der abweichenden Auffassung, daß der gesamte Tauschvorgang, um die Steuerbefreiung des § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG anwenden zu können, subjektiv unter der einheitlichen Zweckbestimmung der besseren landwirtschaftlichen Bewirtschaftung gestanden haben müsse, wird nicht zugestimmt. Andernfalls wäre auf einem Umwege erreicht, daß die bezeichnete Steuerbefreiung weitgehend nicht anwendbar sein würde, auch wenn der Befreiungstatbestand objektiv gegeben wäre. Daß es nicht im Sinn der Befreiungsvorschrift liegen kann, ihre Anwendbarkeit - und damit die Steuerbefreiung bei privaten Flurbereinigungen - dadurch scheitern zu lassen, daß in subjektiver Hinsicht wesentlich höhere Anforderungen gestellt werden als in objektiver Hinsicht, liegt auf der Hand.

Das Finanzgericht hat die vorerwähnten Gesichtspunkte nicht berücksichtigt. Das angefochtene Urteil sowie die Einspruchsentscheidung waren somit aufzuheben und die Bfin., da die Sache spruchreif ist, gemäß § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG von der Steuer freizustellen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409646

BStBl III 1960, 204

BFHE 1960, 547

BFHE 70, 547

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