Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer eines Richters als Werbungskosten.

 

Normenkette

EStG §§ 9, 12 Nr. 1

 

Tatbestand

Der Steuerpflichtige ist Amtsgerichtsrat. Er gehört der Steuerklasse III/1 (verheiratet, mit einem Kind) an und bezieht ein Gehalt von jährlich 12.970,36 DM. Für das Jahr 1954 beantragte er, die ihm durch ein häusliches Arbeitszimmer entstehenden Aufwendungen in Höhe von monatlich 56,66 DM sowie Telefonspesen in Höhe von monatlich 10 DM als Werbungskosten anzuerkennen; er müsse sein Arbeitszimmer im Justizgebäude ständig mit einem anderen Richter und zeitweilig auch mit einem Assessor teilen. Er setze daher Urteile und Beschlüsse grundsätzlich in den Abend- und Nachtstunden zu Hause ab. Dies sei im übrigen auch deshalb erforderlich, weil das Justizgebäude, insbesondere die Bibliothek, bereits ab 16.30 Uhr geschlossen sei. Bei der Zuteilung der Wohnung habe das Wohnungsamt hierauf Rücksicht genommen. Es habe ihm ein besonderes Arbeitszimmer zusätzlich zugebilligt. Dieses sei mit einem Schreibtisch, einem Bücherschrank, zwei Stühlen, einer Couch, einem Klavier und einem Teppich ausgestattet. Die im Arbeitszimmer aufgestellte Couch benötige er zum Ausruhen. Er sei vor zwei Jahren an Lungentuberkulose erkrankt und daher nur halbtags tätig. Der Arzt habe ihm empfohlen, sich jeweils nach Rückkehr aus dem Dienst für mehrere Stunden hinzulegen. Das Klavier werde nur von ihm zur Entspannung benutzt. Seiner Familie sei es streng untersagt, das Arbeitszimmer zum Aufenthalt zu benutzen. Das Telefon benötige er, weil er in Eilfällen vom Gericht jederzeit erreichbar sein müsse. Im übrigen sei das Halten des Telefonanschlusses gleichfalls durch seine frühere Krankheit bedingt. Bevor er das Justizgebäude verlasse, rufe er regelmäßig seine Frau an, damit er bei der Heimkehr gleich essen und sich danach niederlegen könne.

Das Finanzamt lehnte den Antrag des Steuerpflichtigen ab. Auch sein Einspruch blieb erfolglos.

Das Finanzgericht billigte hingegen dem Steuerpflichtigen den Abzug der Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer in Höhe von 45 DM monatlich zu. Dem Steuerpflichtigen stehe in seiner Dienststelle wohl ein eigener Arbeitsplatz, jedoch kein eigener Arbeitsraum zur Verfügung. Der Steuerpflichtige sei daher auf das häusliche Arbeitszimmer angewiesen, um seinen Dienstpflichten zu genügen. Dies sei insbesondere deshalb der Fall, weil das Dienstgebäude nicht einmal während der ganzen von den Richtern benötigten Arbeitszeit offengehalten werde. Die Forderung, daß jede irgendwie geartete Benutzung des Zimmers als Wohnraum so gut wie ausgeschlossen sein müsse, gehe zu weit, da die Benutzung eines Arbeitszimmers für Wohnzwecke, selbst bei kargster Ausstattung, niemals ganz auszuschließen sei. Es müsse als ausreichend angesehen werden, wenn der häusliche Arbeitsraum nicht als ausgesprochenes Wohn- oder Herrenzimmer ausgestattet sei, und der Steuerpflichtige ihn nicht als Wohnraum benötige. Es sei nicht zeitgemäß, an die Ausstattung eines Arbeitszimmers den Maßstab mönchischer Askese anzulegen. Die Ausstattung des Arbeitszimmers sei unter diesen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden. Die tatsächlich entstandenen Aufwendungen, die auf insgesamt 45 DM monatlich festgestellt wurden, seien daher als Werbungskosten anzuerkennen. Den Telefonkosten sei hingegen nicht der Charakter von Werbungskosten beizulegen. Bei den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen sei es üblich, sich einen Telefonanschluß zu halten. Die dadurch entstehenden Kosten seien gemäß § 12 Ziff. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auch dann nicht absetzbar, wenn sie im gesundheitlichen oder dienstlichen Interesse des Steuerpflichtigen aufgewendet würden.

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts wendet sich gegen den Abzug der Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer. Die Ausstattung des Zimmers weise darauf hin, daß der vom Steuerpflichtigen beanspruchte Arbeitsraum nicht ausschließlich beruflichen Zwecken diene. Dies sei aber nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs für die Abzugsfähigkeit derartiger Aufwendungen unabdingbare Voraussetzung.

Der Steuerpflichtige wendet sich mit der Rb. gegen die Nichtanerkennung die Aufwendungen für das Telefon. Dieses werde von ihm nicht aus gesellschaftlichen, sondern ausschließlich aus dienstlichen Gründen gehalten. Das ergebe sich auch daraus, daß er im Jahre 1954 im Monatsdurchschnitt nur 5 Gespräche von seinem Anschluß geführt habe. Im übrigen beanstandet der Steuerpflichtige außerdem die Höhe der zum Abzug zugelassenen Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer. Diese beziffert er nunmehr auf 60 DM monatlich.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamt ist begründet.

Der erkennende Senat hat in der Entscheidung IV 91/50 U vom 24. November 1950, Slg. Bd. 55 S. 59, Bundessteuerblatt 1951 III S. 23, zur Frage der Steuerpflicht von Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer bei Richtern, die keinen Arbeitsplatz an Gerichtsstelle haben, Stellung genommen und ausgeführt, daß im Hinblick auf die grundlegende Vorschrift des § 12 Ziff. 1 Satz 2 EStG auch heute noch bei häuslichen Arbeitszimmern von Richtern die Typisierung gelten müsse. Das Halten von sogenannten Herrenzimmern bei Richtern oder überhaupt bei Beamten und höheren Angestellten sei zwar nicht mehr typisch. Es bestehe aber kein Zweifel, daß bei der Knappheit des Wohnraums die Zuweisung eines weiteren zur Wohnung gehörigen Raums als Arbeitszimmer in aller Regel auch den privaten Wohnungsbedürfnissen im einzelnen entgegenkomme. Die durch das Wohnungsamt erfolgte Zuweisung und Zweckbestimmung sei für die Abzugsfähigkeit nicht maßgebend. Es müsse sogar daran festgehalten werden, daß die Kosten eines häuslichen Arbeitszimmers auch bei Arbeitnehmern, die durch ihren Arbeitgeber keinen eigenen Arbeitsraum zur Verfügung gestellt bekommen, nicht als Werbungskosten anzuerkennen seien. Eine Abweichung von diesen Grundsätzen sei nur ausnahmsweise zulässig. Das Arbeitszimmer müsse zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung des Arbeitslohnes notwendig, um jede irgendwie geartete Benutzung als Wohnraum so gut wie ausgeschlossen sein. An den in dieser Entscheidung entwickelten Grundsätzen hält der Senat auch für den vorliegenden Fall fest. Man wird der Vorentscheidung schon deshalb nicht folgen können, weil dem Steuerpflichtigen nach seinem eigenen Vorbringen im Gericht ein Raum zum Arbeiten zur Verfügung steht. Daß er diesen Raum mit anderen teilen muß, ist nach Auffassung des Senats unerheblich. Es ist bei den Gerichten mehr oder weniger üblich, daß mehrere Richter ein Arbeitszimmer benutzen. Dies geschieht auch im Hinblick darauf, daß in Zivilsachen tätige Richter jeweils mit den Sitzungstagen abzuwechseln pflegen. Während der Sitzungstage steht daher der Arbeitsraum einem Richter zur ungestörten Benutzung zur Verfügung. Der Steuerpflichtige kann daher die Kosten des häuslichen Arbeitszimmers nicht als Werbungskosten zum Abzug bringen, weil der ihm von seiner Dienststelle zur Verfügung gestellte Arbeitsplatz für die Erfüllung seiner Dienstpflichten als ausreichend anzusehen ist. Nach dem eigenen Vorbringen des Steuerpflichtigen steht aber auch fest, daß die zweite Voraussetzung für die Anerkennung der geltend gemachten Aufwendungen als Werbungskosten, daß nämlich jede irgendwie geartete Benutzung des Zimmers als Wohnraum so gut wie ausgeschlossen sein muß, nicht erfüllt ist. Der Steuerpflichtige benutzt das Zimmer nicht nur zur Erledigung seiner richterlichen Aufgaben, sondern auch zum Ruhen auf der Couch und zum Klavierspielen. Hierdurch erhält das Zimmer nach Auffassung des Senats den Charakter eines Wohnraums. An dieser Beurteilung ändert sich auch nichts daran, daß die sich aus dem Ruhen auf der Couch und dem Klavierspiel ergebende Entspannung der richterlichen Tätigkeit als solcher förderlich sein kann. Erholung und Entspannung gehören grundsätzlich zur privaten Lebenssphäre eines Steuerpflichtigen. Dies auch dann, wenn sich der Steuerpflichtige nach überstandener Krankheit im Zustand der Rekonvaleszenz befindet. Es kann daher der Vorentscheidung nicht gefolgt werden, wenn diese die Aufstellung der Couch und des Klaviers für den Charakter des Zimmers als Arbeitsraum für unschädlich hält.

Da das Finanzgericht dies verkannt hat, war die Vorentscheidung aufzuheben.

II. Die Rb. des Steuerpflichtigen ist nicht begründet. Soweit sich diese auf die Höhe der Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer bezieht, erübrigen sich nach den Ausführungen zu I. weitere Darlegungen.

Der Steuerpflichtige kann aber auch mit seinem Begehren auf Zuerkennung der Telefonspesen als Werbungskosten nicht durchdringen. Wie das Finanzgericht zutreffend ausgeführt hat, ist heutzutage bei den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen eines Richters das Halten eines Telefonanschlusses üblich. Die Grundgebühr für den Telefonanschluß gehört daher zu den nach § 12 Ziff. 1 Satz 2 EStG nicht abzugsfähigen Aufwendungen, wobei es auf das Ausmaß der dienstlichen Benutzung nicht ankommt. Es könnten allenfalls die Gebühren für Gespräche dienstlicher Natur als Werbungskosten in Betracht kommen. Hierfür scheiden, wie das Finanzgericht zutreffend ausgeführt hat, die von der Dienststelle aus geführten Gespräche aus, da für diese Anrufe dem Steuerpflichtigen keine Gesprächsgebühren erwachsen. Beruflich bedingt sind lediglich die Gesprächsgebühren, die dem Steuerpflichtigen erwachsen, wenn er seine Dienststelle aus dienstlichen Gründen von seinem Telefonanschluß aus anruft. Daß dies nur in seltenen Ausnahmefällen erforderlich gewesen ist, ergibt sich aus dem eigenen Vorbringen des Steuerpflichtigen, nach dem er im Monatsdurchschnitt überhaupt nur fünf Gespräche von seinem Anschluß aus geführt hat. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz diese Aufwendungen als Bagatellbetrag bei der Ermittlung des Freibetrags unberücksichtigt gelassen hat.

III. Die Sache ist zur Entscheidung reif. Unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung wird die Berufung des Steuerpflichtigen gegen den Einspruchsbescheid des Finanzamts als unbegründet zurückgewiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408610

BStBl III 1957, 56

BFHE 64, 147

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