Entscheidungsstichwort (Thema)

Teilweiser Schuldzinsenabzug, wenn eine mit Darlehen finanzierte Immobilie veräußert und der Erlös nur zum Teil für den Erwerb einer anderen Immobilie verwandt wird

 

Leitsatz (amtlich)

Veräußert ein Steuerpflichtiger seine bisher selbst genutzte und durch ein Darlehen finanzierte Immobilie und verwendet er unter Aufrechterhaltung des Darlehens nur einen Teil des Verkaufserlöses dazu, durch die Anschaffung einer anderen Immobilie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen, so kann er aus dem fortgeführten Darlehen nicht mehr an Schuldzinsen als Werbungskosten abziehen, als dem Anteil der Anschaffungskosten der neuen Immobilie an dem gesamten Verkaufserlös entspricht.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 Sätze 2, 3 Nr. 1

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG (Entscheidung vom 12.01.1999; Aktenzeichen VII 455/97)

 

Tatbestand

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind im Streitjahr (1995) zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute.

Zur Finanzierung ihres selbstgenutzten Einfamilienhauses hatten sie ein dinglich durch das Grundstück gesichertes Darlehen von 210 000 DM aufgenommen. Im Streitjahr veräußerten sie ihr Einfamilienhaus für 485 000 DM. Den Kaufpreis verwandten sie in Höhe von 299 325 DM für die Anschaffung zweier Eigentumswohnungen. Das noch in Höhe von 190 794,08 DM valutierte Darlehen tilgten die Kläger nicht. Sie führten den Darlehensvertrag fort und sicherten die Restschuld dinglich durch die Eigentumswohnungen.

Die Kläger machten in ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr die Schuldzinsen aus dem Darlehen im Zusammenhang mit der Vermietung ihrer Eigentumswohnungen in vollem Umfang als Werbungskosten geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) setzte indes nur 300/485 der Aufwendungen an, weil die Zinszahlungen nur insoweit als Werbungskosten abziehbar seien, als der Verkaufserlös des Einfamilienhauses zur Anschaffung der Eigentumswohnungen verwandt worden sei. Da sich der Kaufpreis für die Eigentumswohnungen auf ca. 300 000 DM belaufen habe, ergebe dies einen quotalen Zinsabzug von 300/485 der im Dezember des Streitjahres angefallenen Schuldzinsen.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage trugen die Kläger vor, sie hätten mit dem Wechsel der dinglichen Darlehensabsicherung vom Einfamilienhaus zu den Eigentumswohnungen eine einfache und kostengünstige Fortführung des gewählten Darlehensvertrages gewählt. Die Bank sei mit der Umwidmung des Darlehens zur Finanzierung des Kaufes der Eigentumswohnungen einverstanden gewesen.

Die Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) bejahte einen objektiven Zusammenhang der Schuldzinsen mit der Vermietung der Eigentumswohnungen nur insoweit, als der Veräußerungserlös zum Erwerb der Eigentumswohnungen verwandt worden sei.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts. Zwar spreche das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 24. April 1997 VIII R 53/95 (BFHE 183, 155, BStBl II 1997, 682) für die Auffassung des FG. Das Darlehen habe indes nicht der Finanzierung eines etwaigen Veräußerungserlöses gedient. Dieser entstehe vielmehr unabgängig vom Vorhandensein oder Fortbestand des Darlehens. Die Kläger hätten die Darlehensmittel in Absprache mit der darlehensgebenden Bank in voller Höhe einem neuen Darlehenszweck unterstellt, indem sie die zurückbehaltenen Mittel für die Finanzierung zweier neuer Objekte verwendet und auch grundpfandrechtlich abgesichert hätten.

Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr in Gestalt des zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Änderungsbescheids vom 28. Februar 2000 in der Weise zu ändern, dass die geltend gemachten Zinsen und Bearbeitungsgebühren in Höhe von 1 369,31 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt werden.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet und deshalb nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.

Zutreffend hat das FG die Schuldzinsen und Kreditkosten aus dem Darlehen nur insoweit zum Abzug als Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bei den Einkünften der Kläger aus der Vermietung der Eigentumswohnungen zugelassen, als die Anschaffungskosten der Eigentumswohnungen im Verhältnis zum Verkaufserlös stehen.

1. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG sind Schuldzinsen (und sonstige Kreditkosten) als Werbungskosten abziehbar, soweit sie mit einer bestimmten Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen und das bedeutet, für eine Verbindlichkeit geleistet worden sind, die durch die Einkünfteerzielung veranlasst ist.

a) Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn und soweit das Darlehen tatsächlich zum Erzielen von Einkünften ―im vorliegenden Falle von solchen aus Vermietung und Verpachtung― verwendet worden ist (z.B. Beschlüsse des Großen Senats des BFH vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, unter C. II. 2., und vom 8. Dezember 1997 GrS 1-2/95, BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193, unter B. I. 1. und 2.; BFH-Urteil vom 9. Juli 2002 IX R 65/00, BFHE 199, 430). Das ist beispielsweise der Fall, wenn mit dem den Schuldzinsen zugrunde liegenden Darlehen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines der Einkünfteerzielung dienenden Gebäudes oder Gebäudeteils finanziert werden (vgl. BFH-Urteile vom 27. Oktober 1998 IX R 44/95, BFHE 187, 276, BStBl II 1999, 676, und vom 23. Oktober 2001 IX R 65/99, BFH/NV 2002, 341).

b) Ein allein rechtlicher Zusammenhang ―etwa aufgrund einer Besicherung des Grundstücks― reicht hierzu ebenso wenig aus wie eine bloße gedankliche Zuweisung des Steuerpflichtigen (BFH-Urteile vom 29. Juli 1997 IX R 89/94, BFHE 184, 80, BStBl II 1997, 772; in BFHE 187, 276, BStBl II 1999, 676; vom 19. August 1998 X R 96/95, BFHE 187, 21, BStBl II 1999, 353). Die Darlehensmittel müssen vielmehr ―tatsächlich― einem bestimmten Wirtschaftsgut zugeordnet werden können (BFH in BFH/NV 2002, 341).

2. Im Streitfall hatten die Kläger das Darlehen zunächst dazu verwandt, das von ihnen selbst genutzte und nicht der Einkünfteerzielung unterliegende Einfamilienhaus zu finanzieren.

a) Indessen ist nicht allein auf den ursprünglichen Zweck der Schuldaufnahme abzustellen. Denn für die Abziehbarkeit von Schuldzinsen als Werbungskosten kommt es auf deren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Einkunftsart im Zeitpunkt ihres jeweiligen Entstehens an (BFH-Urteil vom 7. März 1995 VIII R 9/94, BFHE 177, 392, BStBl II 1995, 697, unter 2. c, m.w.N. aus der Rechtsprechung). Ein solcher Zusammenhang besteht z.B. dann, wenn ein mit Darlehensmitteln angeschafftes Grundstück veräußert und der Veräußerungserlös seinerseits zum Zwecke der Einkünfteerzielung eingesetzt wird (BFH-Urteile vom 1. Oktober 1996 VIII R 68/94, BFHE 182, 312, BStBl II 1997, 454, und in BFH/NV 2002, 341).

Mit der Veräußerung des Grundstücks erfährt das Darlehen eine Zweckänderung und tritt in einen wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem an die Stelle des Grundstücks getretenen Veräußerungserlös (sog. Surrogationsbetrachtung der ständigen Rechtsprechung des BFH; vgl. BFH-Urteil vom 7. August 1990 VIII R 67/86, BFHE 162, 48, BStBl II 1991, 14, betreffend die Veräußerung eines bislang zu Vermietungszwecken genutzten Hausgrundstücks und Anlage des Veräußerungserlöses zur Erzielung von Festgeldzinsen; vgl. ferner die umfangreichen Nachweise aus der BFH-Rechtsprechung und dem Schrifttum im BFH-Urteil in BFHE 182, 312, BStBl II 1997, 454, unter II. 2. a, bb, sowie BFH-Urteil vom 7. Juli 1998 VIII R 5/96, BFHE 186, 526, BStBl II 1999, 209).

b) Hieraus folgt: Veräußert ein Steuerpflichtiger seine bisher selbst genutzte und durch ein Darlehen finanzierte Immobilie und verwendet er unter Aufrechterhaltung des Darlehens nur einen Teil des Verkaufserlöses dazu, durch die Anschaffung einer anderen Immobilie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen, so kann er aus dem fortgeführten Darlehen nicht mehr an Schuldzinsen als Werbungskosten abziehen, als dem Anteil der Anschaffungskosten der neuen Immobilie an dem gesamten Verkaufserlös entspricht.

Es kommt demgegenüber nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige ―wie hier die Kläger― die Schuldzinsen in vollem Umfang hätte abziehen können, wenn er ―statt das Darlehen fortzuführen― einen neuen Kredit aufgenommen hätte. Zwar kann er nach dem ihm günstig erscheinenden wirtschaftlichen Ergebnis frei wählen, ob er eine Vermögensanlage mit Eigen- oder Fremdmitteln finanziert. Hat er diese Entscheidung jedoch getroffen und die zum Zweck der Finanzierung aufgenommenen Fremdmittel entsprechend eingesetzt und verwendet, so steht es fortan nicht mehr in seinem Belieben, ungeachtet der objektiven Umstände lediglich aufgrund einer bloßen Willensentscheidung diese Fremdmittel einer anderen Vermögensanlage zuzuordnen (so BFH-Urteil vom 7. Juli 1998 VIII R 57/96, BFH/NV 1999, 594).

3. Nach diesen Grundsätzen steht jedenfalls nicht mehr als der vom FG anerkannte Teil der Schuldzinsen mit den Einkünften der Kläger aus der Vermietung der Eigentumswohnungen in wirtschaftlichem Zusammenhang.

Das FG hat dazu für den BFH nach § 118 Abs. 2 FGO bindend festgestellt: Die Kläger hatten mit dem Darlehen, um das es hier geht, zunächst ihr selbst genutztes Einfamilienhaus finanziert. Den Verkaufserlös (485 000 DM), der an die Stelle der veräußerten Immobilie trat, haben sie aber nicht in vollem Umfang dazu verwendet, die Eigentumswohnungen zu erwerben, sondern nur in Höhe von ca. 300 000 DM.

Deshalb konnten sie auch die Schuldzinsen nicht im vollen Umfang als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehen, sondern nur in der Höhe, die dem Verhältnis der Anschaffungskosten für die Eigentumswohnungen zu dem gesamten Verkaufserlös entspricht. Das ist im Streitfall 300/485. Nur in dieser Relation besteht ein wirtschaftlicher Zusammenhang des fortgeführten Darlehens mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.

Zutreffend hat das FG ausgeführt, dass das Darlehen im Übrigen mit den Einkünften aus vom verbleibenden Verkaufserlös erworbenen Kapitalvermögen zusammenhängt, deren Freibeträge aber nicht überschritten wurden. Es hat zu Recht einen wirtschaftlichen Zusammenhang des fortgeführten Darlehens ausschließlich mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auch nicht allein darin gesehen, dass es durch die erworbenen Eigentumswohnungen gesichert ist.

4. Der Senat kann unerörtert lassen, ob und inwieweit es für den weiteren Zinsabzug nach Umwidmung des Darlehens ferner auf das Verhältnis zwischen dem fortgeführten Darlehen und dem (zum Erwerb eingesetzten) Verkaufserlös ankommt (so BFH-Urteil in BFHE 183, 155, BStBl II 1997, 682, unter II. 4. a; kritisch dazu Kempermann, in Finanz-Rundschau 1997, 954; Schmidt/ Drenseck, Einkommensteuergesetz, 21. Aufl. 2002, § 9 Rz. 82). Denn im Streitfall führte diese Relation zu einer weiteren Reduzierung des Schuldzinsabzugs, über die der BFH aber wegen des Verböserungsverbots nicht entscheiden darf.

 

Fundstellen

Haufe-Index 951299

BFH/NV 2003, 1115

BStBl II 2003, 706

BFHE 1974, 280

BFHE 2004, 280

BB 2003, 1540

DB 2003, 1552

DStR 2003, 1248

DStRE 2003, 959

DStZ 2003, 621

HFR 2003, 863

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