Entscheidungsstichwort (Thema)

Zusammenschluß von Steuerberatern zu einer Sozietät als GbR - umsatzsteuerliche Behandlung von Leistungen der Gesellschafter an die GbR

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Gesellschafter einer GbR kann allein durch Vermietung eines Gegenstandes an die Gesellschaft Unternehmer werden.

2. Gestalten Gesellschafter und Gesellschaft die Gebrauchsüberlassung eines Gegenstandes nicht als Gesellschafterbeitrag (Einbringung quoad usum), sondern als Mietverhältnis, liegt darin im Regelfall kein Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts.

 

Orientierungssatz

1. Der Zusammenschluß von Steuerberatern zu einer Sozietät ist --wie bei Rechtsanwälten-- die Begründung einer GbR (vgl. Urteil des BFH vom 26.1.1984 V R 65/76). Die umsatzsteuerliche Behandlung von Leistungen der Gesellschafter an die Gesellschaft richtet sich danach, ob es sich um Leistungen handelt, die gegen (Sonder-)Entgelt ausgeführt werden und damit auf einen Leistungsaustausch gerichtet sind, oder um Leistungen, die als Gesellschafterbeitrag durch die Beteiligung am Gewinn und Verlust der Gesellschaft abgegolten werden. Steuerbare entgeltliche Leistungen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 sind gegeben, wenn sie auf konkreten Leistungsbeziehungen der Gesellschafter zur Gesellschaft beruhen, die auf den Austausch der Gesellschafterleistung gegen Entgelt ausgerichtet sind (BFH-Urteil vom 10.5.1990 V R 47/86).

2. Für die Frage, ob jemand nachhaltig i.S. des § 2 Abs. 1 S. 3 UStG 1980 tätig war, ist das Gesamtbild der Verhältnisse maßgebend. Die jahrelange Vermietung eines Kopiergeräts im Wert von ca. 14 000 DM durch den Gesellschafter einer GbR an die Gesellschaft bei monatlichen Einnahmen von 472 DM ist gewichtig genug, um von einer unternehmerischen Betätigung sprechen zu können.

 

Normenkette

UStG 1980 § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, § 2 Abs. 1; AO 1977 § 42

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Mitglied einer Steuerberatersozietät. Zum 1.August 1980 vermietete er ein von ihm für 14 136 DM angeschafftes Kopiergerät an die Sozietät zum monatlichen Mietpreis von 418,19 DM zuzüglich Umsatzsteuer in Höhe von 54,36 DM. Der Mietpreis wurde wie folgt ermittelt:

Jahresbetrag bei Verteilung der

Anschaffungskosten auf vier Jahre 3 554,00 DM

Zinsen - 9 v.H. vom Anschaffungspreis 1 342,92 DM

1 v.H. für Gebühren, Risiko usw. 141,36 DM.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) verneinte wegen eines Gestaltungsmißbrauchs die Unternehmereigenschaft des Klägers und lehnte eine Veranlagung zur Umsatzsteuer für das Jahr 1980 ab. Der Bescheid wurde bestandskräftig. Das Finanzgericht (FG) wies die auf Veranlagung gerichtete Klage aus verfahrensrechtlichen Gründen ab.

Mit seiner Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 1981 erklärte der Kläger steuerpflichtige Umsätze aus Vermietung des Kopiergerätes (Umsatz 5 018 DM, Steuer 652,32 DM) und beanspruchte einen Steuerabzugsbetrag gemäß § 19 Abs.3 des Umsatzsteuergesetzes 1980 (UStG 1980, in der Fassung vor Aufhebung durch das Steuerreformgesetz 1990 vom 25.Juli 1988) in Höhe von 521,86 DM (80 v.H.), so daß sich eine Umsatzsteuer von 130,46 DM ergab.

Das FA setzte im Bescheid für 1981 gemäß § 14 Abs.3 UStG 1980 die Umsatzsteuer auf 652 DM mit der Begründung fest, der Kläger sei kein Unternehmer und habe die Umsatzsteuer zu Unrecht ausgewiesen. Der Einspruch des Klägers blieb ohne Erfolg.

Das FG wies die Klage ab und führte zur Begründung aus: Die Gebrauchsüberlassung des Kopiergeräts an die Sozietät stelle die einzige Betätigung des Klägers dar, die als unternehmerische Tätigkeit in Betracht komme. Die Unternehmereigenschaft des Gesellschafters einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) sei jedoch nur dann gegeben, wenn dieser (auch) außerhalb der Gesellschaft nachhaltig zur Einnahmeerzielung tätig werde. Andernfalls bleibe eine Leistung des Gesellschafters an die Gesellschaft ein Beitrag zur Erfüllung des Gesellschaftszwecks, d.h. ein auf Leistungsvereinigung und nicht auf Leistungsaustausch gerichteter Vorgang. Mithin fehle es beim Kläger an einer Lieferung oder sonstigen Leistung gemäß § 1 Abs.1 Nr.1 UStG 1980.

Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, die der Senat zugelassen und im Zwischenurteil vom 12.Februar 1987 V R 116/86 (BFHE 149, 120, BStBl II 1987, 438) als zulässig erachtet hat.

Der Kläger beantragt, das vorinstanzliche Urteil, die Einspruchsentscheidung sowie den Umsatzsteuerbescheid 1981 ersatzlos aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Das FA schließt sich der Auffassung des FG an und führt ergänzend aus, in der Vermietung des Kopiergeräts liege ein Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts. Es sei unüblich, daß ein von einer Gesellschaft benötigtes Wirtschaftsgut von einem Gesellschafter erworben und sodann an diese vermietet werde. Wenn die Sozietät nicht die erforderlichen Mittel zur Anschaffung eines Fotokopiergeräts besessen habe, so hätte der Kläger ihr zur Erreichung des Gesellschaftszwecks die fehlenden Beträge (darlehensweise) zur Verfügung stellen können. Die Vermietung des Fotokopiergeräts sei unangemessen und könne nur unter dem Gesichtspunkt der Steuerersparnis als sinnvoll erscheinen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet.

1. Das FG hat zu Unrecht verneint, daß der Kläger als Unternehmer eine Leistung an die Sozietät ausgeführt hat.

a) Die Unternehmereigenschaft setzt die Ausführung von Leistungen gegen Entgelt i.S. des § 1 Abs.1 Nr.1 Satz 1 UStG 1980 voraus. Der Kläger hat durch die Vermietung des Fotokopiergeräts eine solche Leistung erbracht.

Der Zusammenschluß von Steuerberatern zu einer Sozietät ist --wie bei Rechtsanwälten-- die Begründung einer GbR (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 26.Januar 1984 V R 65/76, BFHE 140, 121, BStBl II 1984, 231). Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats richtet sich die umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Leistungen der Gesellschafter an die Gesellschaft danach, ob es sich um Leistungen handelt, die gegen (Sonder-)Entgelt ausgeführt werden und damit auf einen Leistungsaustausch gerichtet sind, oder um Leistungen, die als Gesellschafterbeitrag durch die Beteiligung am Gewinn und Verlust der Gesellschaft abgegolten werden. Steuerbare entgeltliche Leistungen i.S. des § 1 Abs.1 Nr.1 UStG 1980 sind gegeben, wenn sie auf konkreten Leistungsbeziehungen der Gesellschafter zur Gesellschaft beruhen, die auf den Austausch der Gesellschafterleistung gegen Entgelt ausgerichtet sind (BFH-Urteil vom 10.Mai 1990 V R 47/86, BFHE 161, 185, BStBl II 1990, 757 mit Nachweisen).

Diese Voraussetzungen für einen Leistungsaustausch hat der Kläger durch Vermietung des Kopiergeräts an die Gesellschaft gegen (Miet-)Entgelt verwirklicht. Der Auffassung des FG, ein Gesellschafter könne nicht allein durch Umsätze mit der Gesellschaft Unternehmer werden, kann der Senat nicht folgen. Die umsatzsteuerrechtliche Würdigung von Leistungen der Gesellschafter an die Gesellschaft beruht auf dem Grundsatz, daß die Gesellschaft selbst Unternehmer ist und daß Gesellschaft und Gesellschafter sich als verschiedene Rechtssubjekte des Umsatzsteuerrechts gegenüberstehen. Zwischen diesen Rechtssubjekten können Geschäfte getätigt werden, wie sie zwischen Fremden abgewickelt werden. Die Vermietung durch einen Gesellschafter an die Gesellschaft ist daher hinsichtlich der Rechtsfolgen für die Unternehmereigenschaft des Gesellschafters genauso zu behandeln wie die Vermietung durch einen fremden Dritten. Wie sich aus Abschn.6 Abs.10 der Umsatzsteuer-Richtlinien 1988 (UStR 1988) ergibt, geht auch die Finanzverwaltung davon aus, daß der Gesellschafter allein durch Vermietung an die Gesellschaft zum Unternehmer werden kann (vgl. auch Abschn.213 Abs.1 i.V.m. Abs.2 UStR 1988).

b) Der Kläger war auch als Unternehmer gemäß § 2 Abs.1 Satz 1 und 3 UStG 1980 tätig, denn er hat eine gewerbliche oder berufliche, d.h. nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen selbständig ausgeübt. Für die Frage, ob jemand nachhaltig tätig war, ist nach dem Senatsurteil vom 18.Juli 1991 V R 86/87 (BFHE 165, 116, BStBl II 1991, 776) das Gesamtbild der Verhältnisse maßgebend. Die genannte Entscheidung geht davon aus, daß sich die Nachhaltigkeit aus einer Reihe verschiedener Kriterien ergeben kann, die je nach Einzelfall in unterschiedlicher Gewichtung für die Nachhaltigkeit sprechen.

Das an den Abschluß des Mietvertrages sich anschließende Dulden der Nutzung des Kopiergeräts durch die Gesellschaft war vom Kläger auf längere Dauer angelegt. Das langfristige Dulden eines Eingriffs in den eigenen Rechtskreis ist von der Rechtsprechung als nachhaltig angesehen worden (vgl. BFH-Urteil vom 16.Dezember 1971 V R 41/68, BFHE 104, 262, BStBl II 1972, 238 mit Nachweisen; vgl. auch Art.4 Abs.2 Satz 2 der Sechsten Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Umsatzsteuern vom 17.Mai 1977, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- L 145, S.1). Die jahrelange Vermietung eines Kopiergeräts im Werte von ca. 14 000 DM bei monatlichen Einnahmen von 472 DM ist gewichtig genug, um von einer unternehmerischen Betätigung sprechen zu können. Sie geht auch über eine Nutzungsüberlassung aus bloßer Gefälligkeit gegen Aufwandsersatz hinaus.

2. Die Entscheidung stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 126 Abs.4 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Feststellungen des FG erlauben dem Senat die rechtliche Beurteilung, daß kein Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts vorliegt, der zu einer der angemessenen rechtlichen Gestaltung entsprechenden Besteuerung führen würde (§ 42 der Abgabenordnung --AO 1977--).

a) Zivilrechtlich sind die Gesellschafter einer GbR frei, ob sie vermögenswerte Leistungen an die Gesellschaft als Beitrag oder im Rahmen von sog. Drittgeschäften, in denen sich Gesellschafter und Gesellschaft wie Dritte gegenüberstehen, erbringen wollen (vgl. Ulmer in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2.Aufl., § 705 Rdnr.167, § 706 Rdnr.4 ff.). Soll die Gesellschaft die Nutzung eines Gegenstandes erhalten, kann dessen Gebrauchsüberlassung entweder als unentgeltliche Überlassung zur Nutzung (Einbringung quoad usum) oder als Mietvertrag gestaltet werden. Die Gestaltung als Mietvertrag wäre nur dann rechtsmißbräuchlich i.S. des § 42 Satz 1 AO 1977, wenn sie, gemessen an dem erstrebten Ziel, unangemessen und ungewöhnlich ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht gerechtfertigt werden kann (vgl. z.B. Senatsurteil vom 6.Juni 1991 V R 70/89, BFHE 165, 1, BStBl II 1991, 866).

Wie dargelegt, ist der Abschluß eines Mietvertrages zwischen Gesellschafter und Gesellschaft weder unangemessen noch ungewöhnlich. In diesem Rahmen steht es jedem Steuerpflichtigen frei, sein Verhalten so einzurichten, daß es zu einer möglichst geringen steuerlichen Belastung führt. Diesem Ziel dient --in zulässiger Weise-- die Vermietung von Gegenständen an die Gesellschaft, denn das UStG versagt bei unentgeltlicher Nutzungsüberlassung sowohl dem Gesellschafter als auch der Gesellschaft den Vorsteuerabzug hinsichtlich der bei Anschaffung des Gegenstands angefallenen Umsatzsteuer (Beschluß des BFH vom 9.März 1989 V B 48/88, BFHE 156, 535, BStBl II 1989, 580).

Auch nach Auffassung der Finanzverwaltung ist in diesen Fällen nicht die Regelung des § 42 AO 1977 einschlägig. Bei Vorliegen besonderer Umstände verneint die Finanzverwaltung allerdings einen Leistungsaustausch und damit die Unternehmereigenschaft des Gesellschafters (siehe dazu oben 1.a; vgl. Erlaß Bremen vom 15.Januar 1988, Steuererlasse in Karteiform --StEK--, Umsatzsteuergesetz 1980, § 1 Abs.1 Ziff.1, Nr.109; Verfügung der Oberfinanzdirektion --OFD-- Düsseldorf vom 27.Januar 1987, StEK, Umsatzsteuergesetz 1980, § 1 Abs.1 Nr.1, Nr.95).

b) Der Steuerabzugsbetrag gemäß § 19 Abs.3 UStG 1980 (in der Fassung vor Aufhebung durch das Steuerreformgesetz 1990 vom 25.Juli 1988) als Folge der Vermietung führt nicht zu einer anderen Beurteilung bezüglich der Anwendung des § 42 AO 1977 (vgl. dazu BFH-Urteil vom 13.Juli 1989 V R 8/86, BFHE 158, 166, BStBl II 1990, 100).

3. Die Sache ist zur Entscheidung reif; der Senat kann durcherkennen. Die Umsatzsteuer 1981 ist wie folgt festzusetzen:

Steuerpflichtige Umsätze 5 018,00 DM

Umsatzsteuer 13 v.H. 652,32 DM

Steuerabzugsbetrag 80 v.H. 521,86 DM

---------

130,46 DM

Umsatzsteuer - abgerundet - 130,00 DM.

Dem vom Kläger erstmalig im Revisionsverfahren gestellten, weitergehenden Antrag auf ersatzlose Aufhebung des Steuerbescheids konnte im Hinblick auf § 123 Satz 1 FGO nicht stattgegeben werden.

 

Fundstellen

BFH/NV 1992, 18

BStBl II 1992, 269

BFHE 166, 195

BFHE 1992, 195

BB 1992, 483

BB 1992, 483-484 (LT)

DB 1992, 411-412 (LT)

DStR 1992, 142 (KT)

DStZ 1992, 153 (KT)

HFR 1992, 195 (LT)

StE 1992, 67 (K)

WPg 1992, 262 (S)

StRK, R.8 (LT)

NJW 1992, 1984

NJW 1992, 1984 (LT)

NWB 1993, 4284

UVR 1992, 114 (K)

UStR 1992, 74 (KT)

Stbg 1992, 180 (KT)

WiR 1992, 146-147 (LT)

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