Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Aktivierungspflicht von Umsatzvergütungsansprüchen, die auf kartellähnlichen Absprachen der Lieferfirmen beruhen.

 

Normenkette

EStG §§ 5, 6 Ziff. 2

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Ansprüche auf Jahresumsatzprämien im Kraftfahrzeugreifen-Großhandel in der Abschlußbilanz zu aktivieren sind.

Der Beschwerdeführer (Bf.) ist Großhändler in Kraftfahrzeugreifen. Seine Firma ist im Handelsregister eingetragen.

Nach Unterbrechung durch die Kriegs- und Nachkriegsjahre erhielt er erstmals wieder für seine Jahresbezüge ab 1950 von einer Anzahl deutscher Reifenfabriken Jahresumsatzprämien. Für die Höhe dieser Prämien waren seine Gesamtbezüge maßgebend, die er bei sieben deutschen Reifenfabriken im abgelaufenen Kalenderjahr insgesamt getätigt hatte. Die Gesamtbezüge wurden durch eine neutrale Stelle festgestellt, die die Fabriken untereinander vereinbart hatten. Die Gutschriften durch die einzelnen Fabriken erfolgten im Februar und März 1951 für das Jahr 1950 und im Januar und Februar 1952 für das Jahr 1951; sie wurden zu diesen Zeitpunkten als Einnahmen verbucht. Das Finanzamt war der Auffassung, daß die Ansprüche auf die Umsatzprämien bereits zum Jahresabschluß zu aktivieren seien. Es berichtigte deshalb nach den Feststellungen der Betriebsprüfung die Steuerbilanzen und die früheren Steuerbescheide des Bf. entsprechend und erhöhte die gewerblichen Gewinne für 1950 und für 1951 u. a. und die für diese Jahre gezahlten Umsatzprämien.

Die Sprungberufung des Bf. blieb erfolglos. Das Finanzgericht holte auf Grund des § 175 der Reichsabgabenordnung (AO) bei einer Gummiwarenfabrik eine Auskunft über die von den Reifenfabriken mit ihren Abnehmern getroffenen Abreden hinsichtlich der Jahresumsatzprämien für 1950 und 1951 ein. Die Auskunft wurde durch einen Angehörigen der Firma dem Vorsitzenden des Finanzgerichts persönlich unter Vorlage eines bei der Firma gefertigten Aktenvermerkes erteilt. Sie besagte, daß sieben deutsche Reifenfabriken zu Anfang des Jahres 1950 dahin übereingekommen seien, ihren Abnehmern auf Grund der von den einzelnen Händlern mit allen diesen Fabriken im Lauf des Jahres getätigten Umsätze einen Umsatzbonus zu vergüten. Die Fabriken seien bei dieser Vereinbarung davon ausgegangen, daß das Fehlen kartellmäßiger oder kartellähnlicher Abmachungen in der Reifenindustrie zu Preiseinbrüchen führen könne. Während Abreden über Preise, Handelsspannen und sonstige Konditionen wegen ihrer gesetzlichen Unzulässigkeit unterbleiben müßten, sei nach eingeholten Rechtsauskünften die Einführung einer gemeinschaftlichen Jahresumsatzprämie zulässig, wenn an diese keine Treue- und Preisschutzverpflichtung geknüpft sei, wenn die Prämie jedem Händler zugute komme und es den Fabriken freigestellt sei, sich daran zu beteiligen. Es bestehe übereinstimmung darüber, daß die Jahresumsatzprämie von jeder der beteiligten Fabriken mit Monatsfrist mit der Maßgabe aufgekündigt werden könne, daß bei ihrem Wegfall eine Abrechnung pro rata temporis erfolge. Die Ausschüttung solle zur Voraussetzung haben, daß der einzelne Reifenhändler seine Rechnungen bei sämtlichen Fabriken reguliert habe.

Auf Grund der vorgenannten Vereinbarungen teilten die Reifenfabriken ihren Händlern, darunter auch dem Bf., in den ersten Monaten des Jahres 1950 mit, daß im Reifengeschäft wieder eine Jahresumsatzprämie gewährt werde, die nach der Höhe des Gesamtumsatzes mit deutschen Gummireifen gestaffelt sei. Die Mitteilung der um Auskunft ersuchten Firma enthielt die Einschränkung, daß die Rechnungen voll bezahlt sein müßten, und daß sie sich an die Regelung gebunden halte, sofern nicht aus noch nicht zu übersehenden Gründen eine änderung erforderlich werde. Das Schreiben der Firma A. machte zur Voraussetzung, daß alle Geschäfte im Lauf des Bonusjahres ordnungsgemäß abgewickelt seien; falls Umstände einträten, die eine änderung erforderlich machten, behalte sie sich vor, Staffel und Abrechnungszeitraum jederzeit mit sofortiger Wirkung zu ändern. Die Mitteilungen der übrigen Firmen enthielten keine derartigen Einschränkungen.

Das Finanzgericht war der Auffassung, daß die Ansprüche des Bf. auf die Jahresumsatzprämien bereits mit dem Ablauf der Kalenderjahre 1950 und 1951 entstanden seien, da zu diesen Zeitpunkten jeweils festgestanden habe, wie hoch die Bezüge des Bf. an Reifen gewesen seien. Er habe zu diesem Zeitpunkt auch gewußt, welche Lieferungen bezahlt gewesen seien. Danach habe er die Höhe der ihm zustehenden Prämien berechnen können. Im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung hätten die Prämiengutschriften die Fabriken jeweils auch bereits vorgelegen, da diese in den ersten Monaten des Folgejahres vorgenommen worden seien. Den änderungsvorbehalten in den Prämienzusagen sei keine Bedeutung beizumessen, da die Fabriken von diesen keinen Gebrauch gemacht hätten. über den Eingang der Jahresprämien habe keine Ungewißheit bestanden; ein Vergleich mit den Provisionen der Handelsvertreter vor Abwicklung der von ihnen vermittelten oder abgeschlossenen Geschäfte sei deshalb nicht möglich. Die Ansprüche auf die Jahresprämien hätten vom Bf. somit in den Abschlußbilanzen aktiviert werden müssen.

In der Rechtsbeschwerde (Rb.) rügt der Bf., das Finanzgericht habe ihm weder die eingeholte Auskunft noch den dieser beigegebenen Aktenvermerk zur Kenntnisnahme zugeleitet. Infolgedessen habe er hierzu vor dem Ergeben des finanzgerichtlichen Urteils keine Stellung nehmen können. Er rügt ferner, daß das Finanzgericht sich nicht mit seinen Einwendungen gegen die Rechtsgültigkeit der von den Reifenfabriken vereinbarten Umsatzprämien auseinandergesetzt habe. Das gleiche gelte für seine Einwendungen, daß das Finanzamt mit der Aktivierung der Umsatzprämien gegen den Grundsatz der Bilanzkontinuität verstoßen habe. Vom Finanzgericht sei auch der Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt. Denn, wenn auch nur eine der jeweils zum Jahresschluß fälligen Rechnungen bis dahin noch nicht bezahlt worden sei, sei der Anspruch auf die Jahresprämie zu diesem Zeitpunkt noch nicht entstanden. Das Finanzgericht habe auch seine Einwendungen nicht gewürdigt, daß in einem solchen Fall nur aufschiebend bedingte Ansprüche vorgelegen hätten. Im übrigen hätte sich das Finanzgericht in der Frage, ob die Vereinbarungen über die Umsatzprämien nicht gegen alliierte Kartellgesetze verstießen, bei seiner Beweiserhebung nicht darauf beschränken dürfen, Auskunft bei einer der Reifenfabriken zu erholen, da diese als Verletzerin eines solchen Gesetzes einen derartigen Verstoß nicht zugeben werde. Das Finanzgericht hätte in dieser Frage vielmehr eine objektive Stelle, wie etwa das Bundeswirtschaftsministerium, hören müssen. In allen diesen Punkten lägen wesentliche Verfahrensmängel im Sinne des § 288 Ziff. 2 AO.

In sachlicher Hinsicht ist der Bf. der Auffassung, daß eine Aktivierungspflicht seiner Prämienansprüche nicht gegeben sei, weil diese bei den jeweiligen Jahresabschlüssen mit erheblichen Risiken behaftet gewesen seien. Die Vorbehaltsklausel der Reifenfabriken sei keine reine "clausula rebus sic stantibus" gewesen. Er habe zumindest in den Streitjahren damit rechnen müssen, daß die Reifenfabriken das vorgesehene Prämienverfahren plötzlich einstellen würden, weil es wegen Verstoßes gegen die Dekartellisierungsgesetze annulliert werden konnte. Daß er mit dieser Gefahr habe rechnen müssen, ergebe sich aus der in der Zeitschrift "Der Betriebs-Berater" 1951 S. 879 abgedruckten Stellungnahme zu der alliierten Unterlassungsanordnung hinsichtlich der Gewährung von Gesamtumsatzrabatten. Bei Abschluß der Streitjahre habe er auch deswegen befürchten müssen, die Umsatzprämien nicht zu erhalten, weil er zu diesen Terminen mit erheblichen Rechnungsbeträgen im Rückstand gewesen sei. Nach dem Grundsatz der Bilanzkontinuität hätte er auch nicht zu einer Aktivierung derartiger Ansprüche gezwungen werden können, da das Finanzamt seit 1925 fortlaufend damit einverstanden gewesen sei, daß er die Umsatzprämien erst im Jahr des Zufließens buchmäßig erfaßt und versteuert habe. Das jetzige Verlangen des Finanzamts verstoße aus diesem Grund auch gegen Treu und Glauben. Das frühere Verhalten des Finanzamts beruhe nicht etwa auf einem übersehen und Weiterschleppen eines Fehlers über viele Jahre. In dieser Hinsicht rüge er nunmehr auch das Fehlen neuer Tatsachen im Sinne des § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO. Die Berechtigung, die Prämienansprüche nicht zu aktivieren, folge auch aus den von ihm nunmehr vorgelegten Schreiben verschiedener Reifenfabriken aus den Jahren 1956 und 1957, aus denen sich ergebe, daß die Umsatzprämien dem Händler nur in Aussicht gestellt gewesen seien und jederzeit auch rückwirkend hätten geändert werden können.

Das Finanzamt ist entgegen der Auffassung des Bf. der Meinung, daß die Gefahr einer Ungültigkeitserklärung der von den Reifenfabriken getroffenen Abreden über die Umsatzprämien von jeher äußerst gering gewesen, und daß selbst im Falle einer etwaigen Ungültigkeitserklärung eine Rückforderung der gezahlten Prämien durch § 817 BGB ausgeschlossen gewesen sei. Auf die von ihm angeführte Unterlassungsanordnung könne sich der Bf. nicht berufen, da diese nur untersagt habe, in Zukunft noch Rabattfestsetzungen zu treffen. Von einer damals akuten und drohenden Gefahr einer rückwirkenden Einstellung der Prämiengewährung könne keine Rede sein. Durch am Jahresschluß unbeglichene Rechnungen seien die Prämienansprüche auch nicht gefährdet worden. Der Bf. hätte lediglich keinen Prämienanspruch aus noch unbezahlten Reifenbezügen geltend machen können.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist begründet.

Auf die Rüge des Bf. wegen mangelnden rechtlichen Gehörs war die Vorentscheidung gemäß § 288 Ziff. 2 AO aufzuheben. Der Vorsitzende des Finanzgerichts hatte durch Anhörung eines Angehörigen der um Auskunft ersuchten Firma zur Frage der Umsatzprämiengewährung durch die Reifenfabriken Beweis erhoben (§ 277 Abs. 1 AO). Zur Erläuterung seiner Erklärungen hatte dieser einen bei der Firma gefertigten Aktenvermerk nachgereicht. Das Finanzgericht hat den Beteiligten keine Gelegenheit zur Teilnahme am Termin gegeben; auch hatte der Bf. keine Möglichkeit, sich zum Beweisergebnis zu äußern. Nach den Akten des Finanzgerichts hatte der Vorsitzende des Finanzgerichts zwar verfügt, daß den Beteiligten Zweitschriften der die Beweisaufnahme enthaltenden Schriftstücke zur Stellungnahme zu übersenden seien. Der Bf. hat aber glaubhaft geltend gemacht, daß er diese nicht erhalten habe. Die Akten des Finanzgerichts enthalten auch nur einen daraufhin eingegangenen Schriftsatz des Finanzamts. Im übrigen ist auch aus den Akten nicht ersichtlich, daß tatsächlich auch an den Bf. Zweitschriften übersandt worden sind. Es muß deshalb davon ausgegangen werden, daß die Vorschrift des § 257 AO verletzt worden ist. Darin liegt, wie der Senat bereits in dem Urteil IV 549/56 U vom 24. Januar 1957 (Slg. Bd. 64 S. 211, Bundessteuerblatt - BStBl - 1957 III S. 81) ausgesprochen hat, ein wesentlicher Verfahrensmangel, der zur Aufhebung der Vorentscheidung führen muß. Ob noch weitere vom Bf. gerügte Verfahrensmängel vorliegen, braucht deshalb nicht mehr geprüft zu werden.

Für die sachliche Entscheidung des Streitfalles kommt es allein darauf an, ob der Bf. zu den Abschlußzeitpunkten 1950 und 1951 gegenüber den Reifenfabriken aktivierungspflichtige Ansprüche auf Auszahlung der Umsatzprämien für das jeweils abgelaufene Kalenderjahr gehabt, oder ob es sich um freiwillige Vergütungen gehandelt hat. Soweit die Umsatzvergütungen nicht als freiwillige Leistungen zu beurteilen sind, war der Bf. als Kaufmann nach § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) verpflichtet, diese Vergütungsansprüche nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung am Schluß seines Wirtschaftsjahres als Betriebsvermögen auszuweisen. Wie der Reichsfinanzhof für einen gleichgelagerten Fall bereits in seinem Urteil VI A 543/37 U vom 29. September 1937 (Steuer und Wirtschaft 1937 Nr. 546) ausgesprochen hat, kommt es dabei nicht auf den Zufluß, d. h. auf die Fälligkeit oder Zahlung der Ansprüche, an. Der Kaufmann hat kein Wahlrecht, ob er derartige Ansprüche aktivieren will oder nicht. § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG gilt hier nicht. Der Bf. kann sich auch nicht auf die Grundsätze der Bilanzkontinuität berufen, da er in den den Streitjahren vorangegangenen Jahren keine derartigen Vergütungen erhalten hat. Auch seine Berufung auf die Grundsätze von Treu und Glauben gehen deshalb fehl. Er kann nicht verlangen, daß das Finanzamt an einer in früheren Jahren, die mit den Streitjahren in keinem wirtschaftlichen Zusammenhang mehr stehen, geübten Praxis weiterhin festhält.

Daß auch der Anspruch auf eine Umsatzprämie (Bonus) zu den bewertbaren Wirtschaftsgütern gehört, entspricht der ständigen Rechtsprechung (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs I 103/55 U vom 25. September 1956, Slg. Bd. 63 S. 396, BStBl 1956 III S. 349, und die dort angeführten Entscheidungen). Nach den bei den Akten befindlichen Abschriften der Prämienzusagen der Reifenfabriken lag die Zahlung der Umsatzprämien auch nicht im freien Ermessen dieser Firmen. Die Vergütung von Umsatzprämien im Reifenhandel entsprach langjähriger übung, die nur durch die Kriegs- und Nachkriegsverhältnisse unterbrochen worden war. Aus den Schreiben der Firmen vom Frühjahr 1950 folgt, daß sie mit diesen Zusagen die alten Handelsgepflogenheiten aus der Vorkriegszeit wieder aufnehmen wollten. Die Höhe und die Staffelung der Vergütungen zeigt, daß sie für die gesamte Kalkulation des am Reifenhandel beteiligten Kaufmanns von erheblicher Bedeutung sein mußten. Die Vergütungen sind nicht etwa freiwillige Zuwendungen, sondern wesentlicher Bestandteil des gesamten vertraglichen Verhältnisses zwischen Lieferanten und Abnehmern. Die genannten Schreiben der Firmen enthalten auch keine Beschränkungen derart, daß die Umsatzprämien in das freie Ermessen der Lieferfirmen gestellt sind. Lediglich die Schreiben der um Auskunft ersuchten Firma und der Firma A. enthalten einschränkende Zusätze, die eine spätere änderung der Prämienzusage vorsehen, ferner bei der Auskunftsfirma die Beschränkung auf die vollbezahlten Rechnungsbeträge, bei der Fabrik A. die Voraussetzung, daß alle Geschäfte im Laufe des Bonusjahres voll abgewickelt sein müssen. Im Gegensatz zu der vom Bf. vertretenen Auffassung besagen aber auch diese Beschränkungen nicht, daß damit die Auszahlung von Umsatzprämien in das freie Ermessen dieser Firma gestellt ist.

Der Bf. kann auch nicht mit seiner Auffassung durchdringen, daß die Prämienzusagen der Reifenfirmen deswegen ohne rechtsverbindliche Wirkung gewesen seien, weil sie im Widerspruch zu den gesetzlichen Bestimmungen der alliierten Dekartellisierungsgesetze gestanden hätten. Es muß zunächst davon ausgegangen werden, daß dem Bf. von jeder einzelnen Reifenfabrik eine gesonderte Prämienzusage gegeben worden ist. Derartige Prämienzusagen waren den einzelnen Lieferfirmen durch die Dekartellisierungsgesetze nicht verboten. Der Bf. konnte aus jeder der einzelnen Zusagen einen unmittelbaren Rechtsanspruch auf Auszahlung einer Umsatzprämie nach Ablauf des Bonusjahres herleiten. Die Vereinbarung von Prämienzusagen konnte nur insoweit gegen die gesetzlichen Bestimmungen verstoßen, als diese auf einer gemeinsamen Abrede der sieben beteiligten deutschen Reifenfabriken beruhten. Mit dieser gemeinsamen Abrede halten die Reifenfabriken gegebenenfalls kartellähnliche Absprachen getroffen. Dies hätte zur Folge haben können, daß die beteiligten Fabriken sich strafrechtlich verantwortlich gemacht hätten und ihnen ein Festhalten im Innenverhältnis an dieser Abrede für die Zukunft untersagt worden wäre. Dadurch wäre aber ihre Prämienverpflichtung, die sie ihrem einzelnen Kunden gegenüber eingegangen waren, nicht aufgehoben worden. Die gemeinsame Abrede der Reifenfabriken stand im Verhältnis zu dem einzelnen Kunden nur insoweit in Widerspruch zu den gesetzlichen Bestimmungen (vgl. "Der Betriebs-Berater" 1951 S. 879), als sie den Hundertsatz der Vergütung nach dem Gesamtumsatz der Lieferungen aller beteiligten Fabriken an den einzelnen Kunden bestimmte. Eine derartige gemeinsame Umsatzermittlung zur Bestimmung des einzelnen Prämienanspruches hätte untersagt werden können, womit die Feststellung des Prämienanspruches erschwert worden wäre. Ob an den Bilanzstichtagen für 1950 und 1951 eine derartige Gefahr bestanden hat, ist Tatfrage. Bejahendenfalls konnte dieser Umstand für die Bewertung der Prämienansprüche des Bf. von Bedeutung sein. Wenn der Bf. in seiner Rb. - nunmehr in Kenntnis der von den Reifenfabriken getroffenen Abrede und des hierüber gefertigten Aktenvermerkes - die Gefährdung seiner Vergütungsansprüche für so stark hält, daß eine Bewertung mit 0 DM vorzunehmen sei, so kann dem nicht gefolgt werden. Eine Gefährdung seiner Ansprüche hätte bei einem etwaigen Verbot der Feststellung seiner Gesamtbezüge durch eine von den Reifenfabriken benannte Stelle lediglich für die Höhe der Prämienquote und die rechtzeitige Auszahlung seiner Vergütungsansprüche in Betracht kommen können.

Wenn der Bf. meint, rechtsverbindliche und damit aktivierungsfähige Ansprüche auf die Umsatzprämien seien auch schon deswegen an den Bilanzstichtagen nicht vorhanden gewesen, weil jeweils am Jahresende noch erhebliche Rechnungsbeträge offengestanden hätten, so kann dieser Einwand ausschließlich für seine Forderungen an die um Auskunft ersuchte Firma und die Firma A. Bedeutung haben. Lediglich die Prämienzusagen dieser Firmen forderten vollbezahlte Rechnungen bzw. volle Abwicklung aller Geschäfte des abgelaufenen Bonusjahres. Aber auch aus diesen Beschränkungen kann noch nicht ohne weiteres gefolgert werden, daß der Vergütungsanspruch in voller Höhe entfalle, wenn auch nur eine einzige Rechnung, wie der Bf. erklärt, offengeblieben sei. Nach den Handelsbräuchen enthalten Rechnungen in der Regel ein Zahlungsziel von 30 Tagen. Wollte man der Auffassung des Bf. folgen, so wäre er gezwungen gewesen, alle im Monat Dezember eingegangenen Lieferungen noch vor Fälligkeit zu bezahlen, wenn er seinen Vergütungsanspruch nicht verlieren wollte. Eine derartige Auslegung erscheint nicht vertretbar, da sie zu einem wirtschaftlich unmöglichen Ergebnis führen würde. Die einschränkenden Bestimmungen können deshalb nur dahin verstanden werden, daß die noch offenen Rechnungen aus dem Bonusjahr bei Fälligkeit, spätestens bis zur Abrechnung und Feststellung der Vergütungsansprüche bezahlt sein müssen, andernfalls sie für die Vergütung außer Ansatz bleiben. Der Senat hält es jedoch für erforderlich, den Sinn der Beschränkungen einwandfrei zu klären. Es erscheint zweckmäßig, bei den beiden genannten Firmen Auskunft gemäß § 175 AO darüber einzuholen, wie sie selbst diese Bestimmungen gehandhabt haben, und ob sie den Bonus in voller Höhe ausgeschüttet haben, wenn die am 31. Dezember noch offenen Rechnungen bis zur Abrechnung des Bonus voll bezahlt waren. Ob der Bf. in der Lage war, die noch offenen Rechnungen des abgelaufenen Bonusjahres rechtzeitig zu bezahlen, ist Tatfrage. Es kommt auf seine jeweiligen wirtschaftlichen Verhältnisse am Bilanzstichtag an. War für ihn zu diesem Zeitpunkt mit einiger Wahrscheinlichkeit vorauszusehen, daß er diese Rechnungen rechtzeitig würde begleichen können, so war für ihn auch die Höhe der ihm zustehenden Vergütungsansprüche feststellbar. Dabei konnte er auf die besseren Erkenntnisse im Zeitpunkt der Bilanzerstellung zurückgreifen, da bis zu diesem Zeitpunkt bereits die Gutschriften seiner Prämienansprüche bei den Reifenfabriken erfolgt waren.

Soweit durch die um Auskunft ersuchte Firma und die Firma A. eine änderung der Prämienzusagen vorbehalten ist, kann dies nicht dahin ausgelegt werden, daß sich die Firmen damit das Recht vorbehalten hätten, ihre Zusagen mit Rückwirkung wieder aufzuheben. Auch diese Vorbehalte können nur eine wirtschaftlich vernünftige Auslegung erfahren. Bei der großen wirtschaftlichen Bedeutung der Umsatzprämien für den einzelnen Kunden kam grundsätzlich lediglich eine änderungsmöglichkeit nach Aufkündigung für spätere Lieferungen in Betracht. Dem steht nicht entgegen, daß auch in einem einzelnen laufenden Bonusjahr eine änderung der Abrechnungsquoten auch für die bereits ausgeführten Lieferungen rückwirkend hätte in Frage kommen können. Denn eine solche änderung würde lediglich einen Ausgleich mit bisher höheren gegen später herabgesetzte Quoten bedeuten. Nach Ablauf des Bonusjahres würde aber eine solche Herabsetzung nur unter sehr erschwerten Voraussetzungen, die insbesondere auf erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Lieferanten beruhen müßten, zulässig erscheinen. Daß in dieser Hinsicht an den Bilanzstichtagen der Streitjahre derartige die Vergütungsansprüche gefährdende Umstände vorgelegen hätten und für den Bf. erkennbar gewesen wären, hat dieser selbst nicht geltend gemacht.

Fehl geht schließlich der Hinweis des Bf. auf § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO. Das Finanzamt war nach dieser Vorschrift berechtigt, die ursprünglichen Veranlagungsbescheide für die Streitjahre auch hinsichtlich der Vergütungsansprüche zu ändern. Die änderung beruht bereits auf einer Reihe neu getroffener anderweitiger Feststellungen, die allein zu einer wesentlich höheren Steuerfestsetzung geführt haben. Im Rahmen der dadurch gebotenen Wiederaufrollung der früheren Veranlagungen war das Finanzamt auch zu einer anderen Beurteilung der Streitfrage befugt.

Die nicht spruchreife Sache war an das Finanzgericht zurückzuverweisen. Aus den vorliegenden Unterlagen ist nicht ersichtlich, wie der Bf. die an den Bilanzstichtagen noch nicht verkauften Reifen und das ebenfalls vergütungsfähige Werkstättenmaterial bewertet hat. Nach § 6 Ziff. 2 EStG waren diese Wirtschaftsgüter in den Bilanzen mit den Anschaffungskosten anzusetzen, soweit nicht ein geringerer Teilwert in Betracht kam. Wirtschaftlich gesehen stellen die Umsatzprämien Rückvergütungen auf die Anschaffungskosten dar. Für die vorgenannten Wirtschaftsgüter wäre deshalb ihr Rechnungsbetrag, vermindert um die auf sie entfallenden Vergütungsansprüche, anzusetzen. Andernfalls würden in der Bilanz insoweit nicht verwirklichte Gewinne ausgewiesen. Bei der erneuten Prüfung wird das Finanzgericht den Sachverhalt auch in dieser Hinsicht noch zu klären haben. Bei der Bewertung der Vergütungsansprüche wird es auch der Tatsache Rechnung zu tragen haben, daß die Höhe der Vergütungen von der Feststellung der Gesamtumsätze mit den beteiligten Reifenfabriken durch eine von diesen zu benennende neutrale Stelle abhängig und dadurch im Hinblick auf die darin liegenden Verstöße gegen die Dekartellisierungsgesetze mit gewissen Risiken behaftet war. Die Bewertung der - im übrigen zinslosen - Vergütungsansprüche kann nicht mit ihrem Nennbetrag, sondern nur mit ihrem Teilwert im Sinne des § 6 Ziff. 1 Satz 3 EStG erfolgen (vgl. das angeführte Urteil I 103/55 U, drittletzter Absatz Die in Betracht kommenden Abschläge können aber immer nur gering sein.

In der Einkommensteuersache wird das Finanzgericht auch die Vorschriften des Gesetzes zur änderung steuerrechtlicher Vorschriften vom 26. Juli 1957 (Bundesgesetzblatt 1957 I S. 848, BStBl 1957 I S. 352) zu beachten haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408915

BStBl III 1958, 65

BFHE 1958, 163

BFHE 66, 163

BB 1958, 185

DB 1958, 324

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