Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Veräußert der Erbe die vom Erblasser als freiberuflichem Erfinder entwickelten Patente gegen Leibrente, so ist die Rente, sobald sie den Buchwert der Patente übersteigt, als laufende Betriebseinnahme (§§ 18 Abs. 1, 24 Ziff. 2 EStG) und nicht als private Veräußerungsrente nur mit dem Ertragsanteil (§ 22 Ziff. 1 EStG) zu versteuern, es sei denn, daß die Patente durch eindeutige Entnahme vor der Veräußerung in das Privatvermögen überführt worden waren.

 

Normenkette

EStG § 18 Abs. 1, § 22/1/a, § 24/2

 

Tatbestand

Streitig ist bei der Einkommensteuerveranlagung 1956, ob laufende Bezüge der Bfin. aus der Veräußerung von Patenten des verstorbenen Ehemannes als laufende Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit (§ 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG) oder nur mit dem Ertragsanteil als private Leibrenten (§ 22 Ziff. 1 EStG) zu versteuern sind.

Der im Jahre 1950 verstorbene Ehemann der Bfin. war als Ingenieur leitender Angestellter in einem Fabrikunternehmen - im folgenden AG -. Er räumte der AG an seinen vor seinem Dienstantritt patentierten Erfindungen das ausschließliche Benutzungsrecht für die Dauer seines Dienstverhältnisses und für später ein einfaches Mitbenutzungsrecht ein. Neben einem festen Gehalt bezog er für die Auswertung seiner Patente von der AG zunächst eine Sondervergütung, später eine Gewinnbeteiligung. Das Finanzamt behandelte alle Bezüge von der AG als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Nach dem Tode ihres Ehemannes räumte die Bfin. der AG das ausschließliche Benutzungsrecht ohne zeitliche Begrenzung ein. Sie erhielt dafür auf Grund der Vereinbarungen vom 13. April 1951 und 7. August 1956 eine monatliche Rente, die nicht übertragbar und nicht vererblich war. Außerdem gewährte eine der AG angeschlossene FürsorgeGmbH eine monatliche Zuwendung. Im Streitjahr 1956 flossen der Bfin. Witwen- und Waisengeld in Höhe von 2940 DM und weitere Vergütungen für die überlassung der Patentauswertung in Höhe von 13.000 DM zu. Die AG behandelte alle Zahlungen als Leistungen aus dem Dienstverhältnis und behielt die Lohnsteuer nach der Verordnung über die steuerliche Behandlung der Vergütungen für Arbeitnehmererfindungen vom 6. Juni 1951 (BStBl 1951 I S. 184) - im folgenden VO - ein.

Das Finanzamt ließ in den Jahren 1951 bis 1955 und zunächst auch bei der Veranlagung für das Streitjahr 1956 die Erfindervergütungen als Einkünfte aus der früheren nichtselbständigen Tätigkeit des verstorbenen Ehemannes außer Ansatz (§ 4 Abs. 1 der VO). Es veranlagte die Bfin. nur mit den übrigen Einkünften. Die Einkommensteuer wurde auf 0 DM festgesetzt.

Mit dem Einspruch beantragte die Bfin. die Einbeziehung der Erfindervergütungen in die Veranlagung, um zu erreichen, daß diese Beträge, die bisher mit dem halben Steuersatz erfaßt waren, nur mit dem Ertragsanteil angesetzt würden, da es sich um private Veräußerungsrenten (§ 22 Ziff. 1 Buchst. a EStG) handle.

Der Einspruch der Bfin. blieb ohne Erfolg. Mit der Berufung machte die Bfin. geltend, daß die Patente bisher zu Unrecht als Arbeitnehmererfindungen behandelt worden seien. Ihr verstorbener Ehemann habe die Patente in die AG eingebracht. Die Einbringung der Patente sei als Verkauf zu beurteilen. Spätestens im Jahre 1951, als die AG endgültig das ausschließliche Verwertungsrecht erhalten habe, hätte das Finanzamt die steuerlichen Folgerungen aus dem Verkauf ziehen müssen (Gewinnverwirklichung). Im übrigen müsse unterstellt werden, daß sie, die Bfin., die geerbten Patente zunächst in ihr Privatvermögen überführt und dann erst veräußert habe. Denn sie habe nicht die Absicht gehabt, die selbständige Tätigkeit ihres Ehemannes fortzusetzen.

Das Finanzgericht änderte die Veranlagung 1956 zum Nachteil der Bfin., nachdem es die Bfin. auf die Möglichkeit einer solchen änderung hingewiesen hatte. Es führte aus, daß die Steuervergünstigung des § 4 Abs. 1 der VO zu Unrecht gewährt worden sei. Die dem verstorbenen Ehemann der Bfin. zugeflossenen Vergütungen für die überlassung seiner Patente seien Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit (§ 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG) gewesen. Die Veräußerung der Patente an die AG durch die Bfin. habe zu laufenden Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit geführt. Die Patente hätten nur im Wege einer die Steuerpflicht auslösenden Entnahme in das Privatvermögen überführt werden können. Eine Entnahme habe jedoch nicht vorgelegen. Auch der Tod des Ehemannes der Bfin. habe nicht den übergang in das Privatvermögen bewirkt. Die Steuerpflicht der laufenden Bezüge sei in dem Zeitpunkt eingetreten, in dem die Summe der Rentenzahlungen den maßgeblichen Buchwert überschritten habe. Sie habe auf jeden Fall im Streitjahr bestanden, da schon im Jahr der Veräußerung kein Buchwert vorhanden gewesen sei. Die Veräußerungsrenten seien daher in voller Höhe und nicht nur mit dem Ertragsanteil (§ 22 EStG) zu versteuern.

Mit der Rb. macht die Bfin. geltend, daß das Finanzgericht die Vorschriften des § 22 EStG zu Unrecht nicht angewendet habe. Die Patente hätten im Zeitpunkt der Veräußerung zum Privatvermögen gehört. Sie seien bereits mit dem Eintritt des Ehemannes der Bfin. in die Dienste der AG im Jahre 1943 notwendigerweise Privatvermögen geworden. Der Ehemann habe mit diesem Zeitpunkt seine freiberufliche Tätigkeit aufgegeben. Das folge auch aus der Entscheidung des Großen Senats des Bundesfinanzhofs Gr. S. 1/63 S vom 13. November 1963 (BStBl 1964 III S. 124, Slg. Bd. 78 S. 315). Nach den Grundgedanken dieses Urteils sei für die Annahme einer betrieblichen Veräußerungsrente kein Raum mehr. In derartigen Fällen könne es sich nur noch um private Veräußerungsrenten handeln. Spätestens mit dem Tode des Ehemannes seien die Patente zu Privatvermögen geworden. Die freiberufliche Tätigkeit habe der Ehemann von 1943 bis zu seinem Tode nicht fortgesetzt. Er habe auch nicht die Absicht dazu gehabt.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. der Bfin. ist unbegründet.

Das Finanzgericht ging zutreffend davon aus, daß die Gewinne, die bei der Veräußerung von ererbtem freiberuflichem Betriebsvermögen erzielt werden, zu den Einkünften des Erben aus selbständiger Arbeit (§ 18 Abs. 1 oder 3 EStG) gehören (vgl. Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs III 46/48 vom 23. Mai 1949, Steuer und Wirtschaft 1949 Nr. 44). Im Streitfall handelte es sich bei den Patenten nicht um Arbeitnehmererfindungen im Sinne des § 1 der VO. Desses ist unbestritten, daß die Erfindungen nicht aus der Arbeit des Ehemannes der Bfin. in den Diensten der AG entstanden, sondern bei seinem Dienstantritt schon vorhanden waren. Sie gehörten zu dem der freiberuflichen Tätigkeit dienenden Betriebsvermögen des Ehemannes. Es kann dahingestellt bleiben, ob und wie lange solche Wirtschaftsgüter notwendiges Betriebsvermögen bilden und deshalb nicht entnommen werden können. Denn jedenfalls lag keine Entnahme vor.

In der Rechtsprechung wurde wiederholt betont, daß eine Entnahme nur angenommen werden kann, wenn eine eindeutige Behandlung gegeben ist (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs IV 392/61 vom 16. September 1964, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1965 S. 108; Gr. S. 1/63 S vom 13. November 1963, BStBl 1964 III S. 124, Slg. Bd. 78 S. 315; IV 175/64 vom 10. Dezember 1964, HFR 1965 S. 216; IV 78/64 vom 11. März 1965, HFR 1965 S. 217). Dieser Grundsatz wirkt für und gegen die Steuerpflichtigen. Weder kann das Finanzamt, solange eine eindeutige Entnahmehandlung nicht vorliegt und die Möglichkeit einer späteren betrieblichen Verwertung des Wirtschaftsgutes besteht, zugunsten der Steuerpflichtigen eine Entnahme annehmen, noch kann sich ein Steuerpflichtiger, der dem Finanzamt gegenüber zu keinem Zeitpunkt die Entnahme erklärt und den sich dabei ergebenden Buchgewinn versteuert hat, später darauf berufen, daß gleichwohl eine überführung in das Privatvermögen stattgefunden habe.

Im Streitfall kann weder in dem Dienstantritt des Ehemannes, der mit der Nutzungsüberlassung an die AG verbunden war, noch in der Vereinbarung der Bfin. mit der AG eine Entnahmehandlung gesehen werden. Gegenteiliges kann auch der die Verpachtung von Gewerbebetrieben betreffenden Entscheidung des Großen Senats des Bundesfinanzhofs Gr. S. 1/63 nicht entnommen werden. Der Senat braucht nicht zu der Frage Stellung zu nehmen, ob und inwieweit die Grundsätze dieses Urteils auf Fälle der überlassung von Betriebsvermögen, das der Ausübung einer freien Berufstätigkeit diente, anwendbar sind. Jedenfalls ist auch dort klar zum Ausdruck gekommen, daß die Wirtschaftsgüter so lange Betriebsvermögen bilden, als nicht eindeutig die Betriebsaufgabe erklärt ist. Ein Entnahmegewinn wurde nicht versteuert. Es trifft nicht zu, daß eine Entnahme begrifflich notwendig sei, wenn Wirtschaftsgüter in Verbindung mit einem Dienstverhältnis dem Arbeitgeber zur Nutzung überlassen werden. Denn eine solche Vertragstellung schließt nicht aus, daß die Wirtschaftsgüter weiterhin zu einem freiberuflichen Betriebsvermögen des überlassenden gehören und nach Beendigung des Dienstverhältnisses wieder im Rahmen der freiberuflichen Tätigkeit verwertet werden. Auf eine solche Möglichkeit deuten die Bestimmungen der §§ 3 und 4 des Vertrages vom 23. November 1948 hin, wonach der AG das ausschließliche Recht zur Benutzung der Patente für die Dauer der Dienstzeit des Ehemannes und nach seinem Ausscheiden nur noch für begrenzte Zeit zustehen sollte.

Zutreffend führte das Finanzgericht aus, daß der Tod des Ehemannes nicht den übergang des Betriebsvermögens in das Privatvermögen der Bfin. bewirkte. Denn der Erbe tritt auch in steuerrechtlicher Beziehung in die Rechtsstellung des Erblassers ein. Für eine Unterstellung, daß die Bfin. vor der Veräußerung an die AG die Patente in ihr Privatvermögen überführte, ist ebenfalls kein Raum. Die Veräußerung setze keine überführung in das Privatvermögen voraus, sondern bildete selbst den letzten Akt der betrieblichen Verwertung, da die Patente bis zu diesem Zeitpunkt nicht aufgehört hatten, Betriebsvermögen zu sein. Der Umstand, daß die Bfin. die freiberufliche Tätigkeit des Erblassers nicht fortsetzte, ist für die Beurteilung der Rechtsnatur der übertragenen Wirtschaftsgüter und des übertragungsakts als des letzten betrieblichen Vorgangs ohne Einfluß.

Unzutreffend ist schließlich die Auffassung der Bfin., daß ein etwaiger Veräußerungsgewinn bereits im Veranlagungszeitraum der übertragung auf die AG (1951) verwirklicht worden sei. Denn bei den Bezügen der Bfin., die das Entgelt für diese übertragung bildeten, handelte es sich um betriebliche Veräußerungsleibrenten. Bei ihnen tritt - anders als bei Kaufpreisraten - nach ständiger Rechtsprechung im Jahr der Veräußerung eine Gewinnrealisierung nach Maßgabe des Kapitalwerts der Rente nicht ein. Vielmehr sind die Renten als laufende Bezüge von dem Zeitpunkt an in voller Höhe steuerlich zu erfassen, in dem sie den Buchwert (fiktiven Buchwert) der veräußerten Wirtschaftsgüter übersteigen (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 706/28 vom 14. Mai 1930, RStBl 1930 S. 580; Urteil des Bundesfinanzhofs IV 85/62 U vom 23. Januar 1964, BStBl 1964 III S. 239, Slg. Bd. 79 S. 16).

Nach alledem behandelte das Finanzgericht zu Recht die der Bfin. im Streitjahr zugeflossenen Bezüge in voller Höhe als Betriebseinnahmen und nicht als private Leibrenten (§ 22 EStG).

 

Fundstellen

Haufe-Index 411789

BStBl III 1965, 666

BFHE 1966, 462

BFHE 83, 462

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