Leitsatz (amtlich)

Ist bei der Veräußerung eines Betriebes der Veräußerungspreis im Vertrag nicht ziffernmäßig bezeichnet und entsteht deshalb Streit über seine Höhe, der mit einem gerichtlichen Vergleich endet, so ist im Rahmen gegebener Berichtigungsmöglichkeiten der zunächst unzutreffend festgestellte Veräußerungsgewinn auf Grund des Vergleichsergebnisses richtigzustellen. Die sich nach dem Vergleich ergebende Erlösminderung kann daher nicht als laufender Verlust des Jahres, in dem der Vergleich geschlossen wurde, berücksichtigt werden.

 

Normenkette

EStG § 16 Abs. 2

 

Tatbestand

Streitig war, ob die nach einer Betriebsveräußerung aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs sich ergebende Minderung des Erlöses mit dem Veräußerungsgewinn zu verrechnen, oder als nachträglicher gewerblicher Verlust im Jahre des Vergleichsabschlusses zu berücksichtigen ist.

Der Revisionskläger (Steuerpflichtige) war Inhaber einer Maschinenfabrik. Mit Vertrag vom 13. November 1953 veräußerte er diese an eine OHG (Käuferin). Es wurde ein Kaufpreis von 440 000 DM vereinhart, der jedoch den Preis für von der Käuferin zu übernehmende Rohmaterialien, Halb- und Fertigfabrikate nicht mitumfaßte. Dieser sollte nach bestimmten Bewertungsrichtlinien festgesetzt werden. Dem Umfange nach sollten die zu übernehmenden Warenvorräte in beiderseits anzuerkennenden Bestandverzeichnissen erfaßt werden, und zwar die im Betrieb befindlichen Halb- und Fertigfabrikate in der Liste A und die übrigen Vorräte in der Liste B. Die vom Kauf ausgenommenen Vorräte wurden in einer Liste C erfaßt. Die Käuferin war außerdem grundsätzlich berechtigt, die innerhalb eines Jahres nach Betriebsübernahme nicht verarbeiteten Materialien gegen Rückzahlung des hierfür angesetzten Preises zurückzugeben.

Im Rahmen des Gesamtveräußerungspreises war der Warenveräußerungspreis zwischen den Vertragsparteien streitig geworden. Der Streit endete am 1. März 1957 mit einem gerichtlichen Vergleich, demzufolge die Käuferin noch 47 500 DM an den Steuerpflichtigen zu zahlen und ihm nicht verwertetes Material im Schätzwert von 17 165,43 DM zurückzugeben hatte.

In der noch vor Vergleichsabschluß im Juni 1956 abgegebenen Gewinnerklärung 1954 errechnete der Steuerpflichtige aus der Gegenüberstellung eines Warenerlöses von 267 745,85 DM und der Restbuchwerte von 169 806,17 DM einen Veräußerungsgewinn von 97 939,68 DM, der vom FA bei der gesonderten Gewinnfeststellung 1954 zunächst anerkannt, im Anschluß an eine im Frühjahr 1960 durchgeführte Betriebsprüfung aber im Hinblick auf den Vergleich vom 1. März 1957 aufgrund folgender Berechnung geändert wurde:

Warenforderung lt. Vertrag 267 745,85 DM

./. Warenrückgaben lt. Vergleich 17 165,43 DM

Verbleib. Warenforderung 250 580, 42 DM

./. Buchwert der Waren

lt. Bilanz 31. Dez. 1953 174806,17

davon:

Buchwert der

verbliebenen Waren 5000,-

Buchwert der

lt. Vergleich

zurückgegebenen

Waren 10 900,- 15 900,- 158 906,17 DM

91674,25DM

./. Preisnachlaß lt. Vergleich

= Warenforderung 250 580,42

./. Ifd. Zahlungen 164 199,-

Zahlung lt. Vergleich 47 500,- 211 699,-

= Preisnachlaß

lt. Vergleich 38 881,42 38 881,42 DM

Lt. Betriebsprüfung

festgestellter Veräußerungsgewinn 52 792,83 DM

Der Steuerpflichtige wandte sich gegen den nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO berichtigten Bescheid und machte nach erfolglosem Einspruch mit seiner Berufung (jetzt Klage) geltend, was vom FA als Verminderung des Veräußerungsgewinns 1954 behandelt worden sei, müsse in Wahrheit als nachträglicher Verlust im Jahre des Vergleichsabschlusses 1957 berücksichtigt werden. Der ursprünglich bei der Errechnung des Veräußerungsgewinns zugrunde gelegte Warenpreis habe sich zwingend aus der im Kaufvertrag vereinbarten Bewertungsmethode ergeben. Differenzen seien erst durch das nachträgliche vertragswidrige Verhalten der Käuferin aufgetreten, die mit ungerechtfertigten Einwendungen wie z. B. Verletzung von Garantiezusagen oder Schadensersatz wegen mangelhafter Leistung einer miterworbenen Turbine versucht habe, ihm, dem Steuerpflichtigen, den Restkaufpreis vorzuenthalten. Zum Vergleichsabschluß habe er sich nur wegen der Gefahr einer jahrelangen Verschleppung des Zivilprozesses bereit gefunden. Die Erlösschmälerung beruhe somit nicht auf einer rückwirkenden Beanstandung oder Anfechtung des Veräußerungsgeschäfts, sondern auf nachträglichen, mit dem ursprünglichen Kaufvertrag nicht zusammenhängenden Veränderungen.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Das FG, das die Zivilprozeßakten der Kammer für Handelssachen des Landgerichts beigezogen hatte, führte im wesentlichen aus, diese Akten widerlegten den Einwand des Steuerpflichtigen, daß nachträglich aufgetretene neue Vorgänge zur Kaufpreisminderung geführt hätten. Aus ihnen ergebe sich vielmehr, daß die Käuferin mit ihrer Forderung auf Schadensersatz für die Turbinenanlage und wegen entgangenen Gewinns garantierter Aufträge gerade nicht durchgedrungen sei. Der Steuerpflichtige habe im Prozeß eine Restforderung von 77 169,15 DM geltend gemacht. Beim Vergleichsbetrag von 47 500 DM sei der Wert der zurückzunehmenden Waren mit 17 165 DM und offenbar der Wert der von der Käuferin nicht veräußerten und daher ebenfalls zurückzugebenden Motoren (rd. 13 500 DM) berücksichtigt worden. Der Steuerpflichtige sei damit im wesentlichen mit seinen Forderungen auch der Höhe nach durchgedrungen. Die Verminderung des ursprünglich erklärten Veräußerungsgewinns sei nicht auf nachträglich eingetretene Umstände im Sinne der einschlägigen Rechtsprechung des RFH (Urteile VI A 1187/33 vom 8. November 1933, RStBl 1933, 1226, und VI A 424/35 vom 29. April 1936, RStBl 1936, 678), sondern auf im unmittelbaren Zusammenhang mit der einheitlich zu beurteilenden Geschäftsveräußerung stehende Bewertungs-, Kalkulationsund Auslegungsschwierigkeiten und Unklarheiten tatsächlicher Art zurückzuführen.

Mit der hiergegen erhobenen und erst nach Ablauf der Begründungsfrist begründeten Rechtsbeschwerde (jetzt Revision) hält der Steuerpflichtige an seinem bisherigen Begehren fest.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision hat keinen Erfolg.

Das FG ist zutreffend dem FA darin gefolgt, daß die erst durch den Vergleichsabschluß vom 1. März 1957 endgültig möglich gewordene Ermittlung des im Rahmen der Betriebsveräußerung auf die Warenbestände entfallenden Erlöses den Veräußerungsgewinn betrifft und nicht zu nachträglichen betrieblichen Verlusten im Jahre des Vergleichsabschlusses führen kann. Der mit dem Vergleich abgeschlossene Prozeß vor dem Zivilgericht betraf einen Streit über die Berechnungsgrundlage des Veräußerungserlöses, dessen Höhe nach dem Kaufvertrag noch durch tatsächliche Bestandsaufnahmen und Anwendung ziemlich komplizierter Bewertungsmaßstäbe klärungsbedürftig war. Wenn der Preis sich aufgrund des Vergleiches gegenüber den ursprünglichen Vorstellungen des Steuerpflichtigen als geringer herausstellte, so geschah das nicht, wie im Falle des RFH-Urteils VI A 1187/33 (a. a. O.) aufgrund nachträglich eingetretener Umstände, durch die sich ein zu Recht geschuldeter Kaufpreis verringerte, sondern - jedenfalls nach dem Ausgang des Zivilprozesses - aufgrund einer nachträglichen Klarstellung des Inhalts des Kaufvertrages (vgl. hierzu auch Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 16 EStG Anm. 24, und das genannte RFH-Urteil VI A 424/35, a. a. O.). Die vom FG unter eingehender Würdigung der Zivilprozeßakten gewonnene Erkenntnis, daß der Steuerpflichtige nach dem Vergleichsergebnis im wesentlichen mit seiner Auffassung durchgedrungen sei, jedenfalls aber sein Gegner mit den erhobenen Gegenansprüchen auf Schadensersatz wegen ungenügender Turbinenleistung oder wegen entgangenen Gewinns hinsichtlich garantierter Aufträge keinen Erfolg gehabt habe, ist nicht zu beanstanden. Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob überhaupt die Rechtslage anders wäre, wenn diese, ja ebenfalls mit der Veräußerung eng zusammenhängenden Gegenansprüche das Vergleichsergebnis beeinflußt hätten. Der Zusammenhang mit dem Veräußerungsvorgang ist hier eindeutig und es kann keine Rede davon sein, daß etwa ein schon feststehender und zu Recht geforderter Veräußerungserlös durch den Eintritt späterer, mit dem Veräußerungsvorgang nicht in Zusammenhang stehender Umstände sich vermindert hätte. Der nunmehr nachträglich lediglich der Höhe nach klargestellte Veräußerungspreis war somit zu Recht gemäß § 16 Abs. 2 EStG der Ermittlung des Veräußerungsgewinns zugrunde gelegt worden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70217

BStBl II 1973, 11

BFHE 1973, 211

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