Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die Anwendung der EStR 1953 Abschn. 157 Abs. 2, wonach bei der Besteuerung außerordentlicher Einkünfte nach § 34 EStG als ermäßigter Steuersatz im Regelfall die Hälfte des durchschnittlichen Steuersatzes nach der Einkommensteuertabelle zugrunde zu legen ist, stellt im allgemeinen eine richtige Ausübung des Ermessens auch in den Fällen dar, in denen sehr hohe außerordentliche Einkünfte weit niedrigeren laufenden Einkünften gegenüberstehen.

 

Normenkette

EStG § 16/1, § 34 Abs. 1, § 34/2/1; EStR Abschn. 157 Abs. 2, Abschn. 198

 

Tatbestand

Der Bf. war bis Ende März 1953 persönlich haftender Gesellschafter der beiden OHG A und B. Gemäß Vertrag vom 21. März 1953 mit seinem Mitgesellschafter in den beiden Gesellschaften schied der Bf. mit Wirkung vom 31. März 1953 aus der OHG A aus und übernahm die Firma B. Sein bisheriger Mitgesellschafter schied seinerseits aus der OHG B aus und übernahm die Firma A.

Bei der Auseinandersetzung entstand für den Bf. nach seiner eigenen Erklärung und nach der einheitlichen Gewinnfeststellung ein Veräußerungsgewinn, der zunächst mit 710.801,76 DM und auf Grund einer Betriebsprüfung mit 465.190 DM angenommen wurde. Der Besteuerung des Veräußerungsgewinns nach dem begünstigten Steuersatz gemäß § 34 Abs. 1 EStG legte das Finanzamt die Berechnung nach Abschn. 157 EStR 1953 zugrunde, wodurch sich eine Einkommensteuer von 36,5 v. H. ergab. Gegen diese Steuerfestsetzung richtet sich das vorliegende Rechtsmittel. Der Bf. begehrt die Anwendung des nach § 34 Abs. 1 EStG möglichen Mindeststeuersatzes von 10 v. H. Der Einspruch und die Berufung hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht legt der Steuerfestsetzung nach Abzug der Sonderausgaben, eines Freibetrags nach § 33 a EStG und nach Berücksichtigung des Verlustabzugs aus 1952 ein steuerpflichtiges Einkommen von 372.283 DM zugrunde, für das es gemäß Abschn. 157 EStR 1953 als Steuer die Hälfte der sich nach der Einkommensteuertabelle in Steuerklasse II ergebenden Steuer (272.520 DM geteilt durch 2 = 136.260 DM) festsetzte.

... Der Bf. macht mit der Rb. - wie schon im bisherigen Rechtsmittelverfahren - geltend, wenn überhaupt von einem Veräußerungsgewinn, dessen Vorliegen der Bf. in der Rb. zunächst bestritten hatte, gesprochen werden könne, so sei dieser ganz außergewöhnlicher Art gewesen. Das ergebe sich daraus, daß die außerordentlichen Einkünfte die ordentlichen weit überstiegen hätten und infolge ihrer wirtschaftlichen Bedeutungslosigkeit ganz ungewöhnlich gewesen seien. Auf Grund dieser Umstände könne nur die Anwendung des Mindestsatzes nach § 34 Abs. 1 EStG von 10 v. H. eine richtige Ermessensausübung darstellen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

... Die Vorinstanzen haben der Besteuerung des Veräußerungsgewinns die Regelung des Abschn. 157 Abs. 2 EStR 1953 zugrunde gelegt, wonach auf die begünstigten Einkünfte die Hälfte des Steuersatzes anzuwenden ist, der sich ohne Inanspruchnahme der Begünstigung für das gesamte Einkommen einschließlich der außerordentlichen Einkünfte nach der Einkommensteuertabelle ergeben würde. Sie sind zutreffend davon ausgegangen, daß diese Verwaltungsanweisung in der Regel eine der Billigkeit entsprechende und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung dienende Berechnungsmethode darstellt und ihre Anwendung deshalb - von Sonderfällen abgesehen - kein Ermessensfehlgebrauch sein kann (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs VI 87/55 U vom 1. Februar 1957, BStBl 1957 III S. 104, Slg. Bd. 64 S. 271; IV 330/57 U vom 21. Juli 1960, BStBl 1960 III S. 409, Slg. Bd. 71 S. 429, und IV 143/58 U vom 16. Dezember 1960, BStBl 1961 III S. 101, Slg. Bd. 72 S. 268). Das Finanzgericht hat auch mit Recht darauf hingewiesen, daß der Fall des Bf. keinen Anlaß bietet, von dieser für den Regelfall geeigneten Bemessung des begünstigten Steuersatzes wegen Vorliegens besonderer, individueller Umstände zugunsten des Bf. abzuweichen. Der Senat hat schon im Urteil IV 330/57 U vom 21. Juli 1960 (a. a. O.) ausgesprochen, daß der nach den EStR sich ergebende begünstigte Steuersatz nicht nur auf die Fälle angewandt werden kann, bei denen die außerordentlichen Einkünfte weit niedriger sind als die ordentlichen; er hat deshalb die Regelung der EStR auf einen Fall für anwendbar erklärt, bei dem sehr hohen außerordentlichen Einkünften nur geringe laufende Einkünfte gegenüberstanden. Denn auch in solchen Fällen muß der Grundsatz des Einkommensteuerrechts gelten, bei der Besteuerung die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen insgesamt zu berücksichtigen; es ist demgemäß auch bei der Bemessung des Steuersatzes von begünstigten Einkünften von dem gesamten Einkommen des Steuerpflichtigen auszugehen. Wenn demnach beim Bf. einem Veräußerungsgewinn von rund 465.000 DM nur ein laufender Gewinn von rund 142.000 DM gegenüberstand, so spricht das nicht gegen die Berechnung des begünstigten Steuersatzes nach Abschnitt 157 Abs. 2 EStR 1953. Denn auch der Bf. erreicht damit durch die Steuerbegünstigung des § 34 Abs. 1 EStG eine Ermäßigung der Einkommensteuer um volle 50 v. H. Da der sich danach ergebende Steuersatz auch innerhalb der nach § 34 Abs. 1 EStG bestehenden Grenzen von 10 v. H. und 40 v. H. liegt, ist schon deshalb nicht einzusehen, warum eine Steuerermäßigung in Höhe von 50 v. H. ein nach § 34 Abs. 1 EStG unbilliges Ergebnis darstellen soll. Dazu kommt, daß die Vorinstanzen eingehend dargelegt haben, daß auch sonst weder persönliche noch in der Sache liegende Gründe vorliegen, die eine weitere Ermäßigung auf 10 v. H. rechtfertigen würden. Daß in den persönlichen Verhältnissen des Bf. solche Umstände vorhanden waren, die eine Abweichung von der regelmäßigen Besteuerung von Veräußerungsgewinnen als gerecht und billig erscheinen ließen, hat er selbst ausdrücklich verneint. Daß auch sachlich vor allem hinsichtlich der wirtschaftlichen Gründe, die zur Entstehung des Veräußerungsgewinns geführt haben, keine zusätzliche, über die Regelung der EStR hinausgehende Steuerermäßigung geboten erscheint, ergibt sich aus den von den Vorinstanzen u. a. angeführten beiden Gründen, die zu dem Minuskapital des Bf. und damit zu dem daraus berechneten hohen Veräußerungsgewinn geführt haben. Einmal waren es die § 7d-Abschreibungen der Firma, die der Bf. auf insgesamt 1.809.600 DM bezifferte, zum anderen Privatentnahmen des Bf. in Höhe von 262.000 DM. Hohe Sonderabschreibungen schaffen stille Reserven und führen, soweit sie höher sind als das Eigenkapital, zu einem negativen Kapitalkonto. Sie bergen also ganz zwangsläufig das Risiko in sich, im Falle einer Veräußerung des Betriebs oder des Betriebsanteils durch die damit verbundene Aufdeckung der stillen Reserven höhere Veräußerungsgewinne versteuern zu müssen, als dies ohne sie der Fall wäre. Diese normale Folge bedarf keiner besonderen Berücksichtigung bei der Festsetzung des Steuersatzes für den Veräußerungsgewinn. Soweit schließlich die Entstehung des negativen Kapitalkontos durch die hohen Privatentnahmen in Betracht kommt, so entbehrt dieser Entstehungsgrund des Minuskapitals und des daraus abgeleiteten Veräußerungsgewinns jeder eine bevorzugte Besteuerung erheischenden Besonderheit. Solange im vorliegenden Fall auf Grund der diesbezüglichen Einwendungen des Bf. im einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahren hinsichtlich des Veräußerungsgewinns nichts anderes festgestellt ist, kann im übrigen hinsichtlich des Minuskapitals des Bf. nur der allgemeine Grundsatz gelten, daß der Verzicht des verbleibenden Mitgesellschafters auf den Ausgleich des Minuskapitals echten Veräußerungsgewinn darstellt; es ist dabei davon auszugehen, daß der Ausscheidende eine entsprechend höhere auszahlbare Abfindung erhalten hätte, wenn seine hohen Privatentnahmen oder die Sonderabschreibungen usw. zu keinem ausgleichsbedürftigen negativen Kapitalkonto geführt hätten. Im Grunde liegt dann der Fall des ausscheidenden Gesellschafters mit negativem Kapitalkonto nicht anders als die Veräußerung eines Einzelbetriebs mit negativem Betriebsvermögen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410690

BStBl III 1963, 133

BFHE 1963, 360

BFHE 76, 360

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