Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Verzichtet ein Beamter darauf, sich im Dienst erwachsene Unkosten von der öffentlichen Hand erstatten zu lassen, so können diese Aufwendungen nicht als Werbungskosten bei der Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit geltend gemacht werden.

 

Normenkette

EStG § 12 Nr. 1, § 9

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Bf.) ist Amtsgerichtsrat und als Verkehrsrichter für Strafsachen gegen Jugendliche und Heranwachsende und solche Personen, die in diesem Verfahren gemäß § 103 des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) befangen sind, bestellt. Die Verkehrssachen machen 90 % seiner richterlichen Tätigkeit aus.

Streitig ist, ob der Bf. a) Kosten zur Erlangung eines Führerscheines in Höhe von ----------------------------------------------- 232,20 DM b) Fahraufwendungen für Benzin und öl in Höhe von 156,10 DM als Werbungskosten geltend machen kann. Der Bf. brachte im Berufungsverfahren vor, als Verkehrsrichter müsse er nicht nur einen Führerschein besitzen, sondern auch ständige Fahrpraxis haben. Wenn es auch richtig sei, daß der Staat die mit der Tätigkeit eines Richters zusammenhängenden Kosten nicht immer zu tragen pflege, so bestünde für einen Verkehrsrichter doch die zwingende berufliche Pflicht, sich mit dem heutigen Verkehrsleben so vertraut zu machen, daß er die innere überzeugung haben könne, über Probleme und Menschen des Verkehrslebens auf oft einschneidende Weise richten zu können. Darüber hinaus sei es in vielen Straffällen notwendig, sich vor dem Termin die örtlichkeit anzusehen. Daher erklärten sich seine entsprechenden Fahrausgaben als typische berufliche Werbungskosten.

Der Steuerpflichtige hat bei der Justizverwaltung einen Antrag auf übernahme der Kosten für seinen Fahrkursus gestellt. Der Landgerichtspräsident hat diesen Antrag mit Schreiben vom 2. März 1955 wie folgt abgelehnt:

"Da Sie den Führerschein bereits am 2. Juni 1953 erworben haben, besteht leider nicht mehr die Möglichkeit, einen Teil dieser Ausbildungskosten im Jahre 1955 noch auf die Landeskasse zu übernehmen. Hinzu kommt, daß Mittel für die kraftfahrtechnische Ausbildung für Richter erstmalig am 16. Oktober 1953 zur Verfügung gestellt worden sind, demnach zu einer Zeit, als ihre kraftfahrtechnische Ausbildung bereits seit langem abgeschlossen war."

Das Finanzgericht hat die beantragten Aufwendungen nicht als abzugsfähig anerkannt. Hinsichtlich des Führerscheines stützte es sich auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 633/54 U vom 10. März 1955, Slg. Bd. 60 S. 343, Bundessteuerblatt (BStBl) 1955 III S. 131. Hinsichtlich der geltend gemachten öl- und Benzinkosten führte es folgendes aus:

Grundsätzlich könne zwar ein Steuerpflichtiger selbst bestimmen, ob und welche Aufwendungen er im Interesse seines Berufes mache. Gingen sie aber über das übliche und Angemessene hinaus, so trete der Gedanke der privaten Lebensführung wieder in den Vordergrund. Es sei anerkennenswert, wenn der Steuerpflichtige aus seinem persönlichen Pflicht- und Verantwortungsbewußtsein heraus vor den jeweiligen Gerichtsterminen die Unfallstelle mit dem Kraftfahrzeug aufsuche und diese in Augenschein nehme, um die richtige Urteilsfindung zu fördern. Diese Praxis entspreche aber weder einer allgemeinen übung, noch könne sie den Richtern allgemein zugemutet werden. Sie halte sich damit nicht im Rahmen des dienstlich üblichen und Angemessenen, so daß der Gedanke der ausschließlich beruflichen Veranlassung der insoweit entstandenen Kosten hier zurücktreten müsse. Im übrigen könne das Gericht, dem der Steuerpflichtige angehöre, eine Ortsbesichtigung anordnen, sofern dies erforderlich sei. In diesem Falle würden dem Steuerpflichtigen aus einer Ortsbesichtigung keine Kosten entstehen, da es sich insoweit um Kosten des gerichtlichen Verfahrens handeln würde.

 

Entscheidungsgründe

Der Rechtsbeschwerde (Rb.) muß der Erfolg versagt werden.

Der Senat hat stets, so zuletzt in der Entscheidung IV 488/54 vom 12. Januar 1956, Steuerrechtsprechung in Karteiform (StRK), EinkStG § 9 Sätze 1 und 2 Rechtsspruch 38, die Auffassung vertreten, daß Aufwendungen eines Verkehrsrichters für ein eigenes Kraftfahrzeug zur Sammlung von Erfahrungen keine Werbungskosten darstellen. Bei Verkehrsrichtern mögen bei der Beschaffung von Kraftfahrzeugen auch dienstliche Gesichtspunkte von Bedeutung sein. Der PKW ist aber heute in erheblichem Umfange Gegenstand der Lebenshaltung. Ebenso wie Werbungskosten, die mit gewissen privaten Annehmlichkeiten verbunden sind, so z. B. Dienstreisen in eine landschaftlich schöne Gegend oder in interessante Orte des Auslandes, dadurch regelmäßig nicht zu Kosten der Lebenshaltung werden, können Kosten der Lebenshaltung, die auch das berufliche Interesse fördern, nicht zu Werbungskosten werden, so z. B. Ausgaben für die Bekleidung, das Halten einer sehr schönen Wohnung durch einen Arzt oder Rechtsanwalt.

Die Frage, ob es sich um Kosten der Lebenshaltung oder Werbungskosten handelt, ist danach zu entscheiden, welche Gesichtspunkte die Aufwendungen wesentlich bestimmt haben. Aufwendungen, die das private Leben berühren, können nach § 12 Ziff. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nur dann als Werbungskosten angesehen werden, wenn bei der Verausgabung das berufliche Interesse wesentlich überwiegt. Siehe im einzelnen Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1955 Abschn. 117. Diese Voraussetzungen sind beim Halten von PKW durch Beamte, auch bei Verkehrsrichtern, im allgemeinen nicht erfüllt. Erfahrungsgemäß spielt hier das private Interesse eine wesentliche Rolle.

Diese Gesichtspunkte gelten auch für den Erwerb des Führerscheins. Nach den Erfahrungen des Lebens wird dieser Erwerb durch private Erwägungen wesentlich mitbestimmt. Dem steht nicht entgegen, daß die Justizverwaltung für Verkehrsrichter die Kosten für den Erwerb des Führerscheins teilweise ersetzt. Darin kommt lediglich zum Ausdruck, daß auch ein dienstliches Interesse für den Erwerb des Führerscheins besteht. Es wird aber nicht die Vermutung entkräftet, daß bei einem Richter, der auf eigene Kosten den Führerschein erwirbt, hierfür Erwägungen der Lebensführung im Sinne des § 12 Ziff. 1 EStG maßgebend sind.

Die Frage, ob Aufwendungen, die dem Steuerpflichtigen nach seinen Angaben bei Ortsbesichtigungen im Rahmen anhängiger Prozesse entstanden sind, zu den Werbungskosten gehören, kann zweifelhaft erscheinen. Aber auch hier tritt der Senat der Rechtsauffassung des Finanzgerichts bei. Im allgemeinen ersetzt der Staat dem Beamten oder Richter die Unkosten, die ihm zur Durchführung seiner dienstlichen Aufgaben erwachsen. Auch im vorliegenden Falle hatte der Steuerpflichtige die Möglichkeit, die von ihm für notwendig angesehenen Ermittlungen im Rahmen seiner Dienstgeschäfte durchzuführen, deren Unkosten die an den Prozessen Beteiligten zu tragen hatten. Wählt ein Steuerpflichtiger diesen Weg nicht, so muß, wie bereits das Finanzgericht ausgeführt hat, angenommen werden, daß ihn hierzu persönliche Gesichtspunkte bestimmt haben. Die Aufwendungen werden dann zu einem privaten Aufwand. Ein Beamter kann sich seine im Dienst erwachsenen Unkosten, für deren Erstattung das öffentliche Recht ein bestimmtes Verfahren vorsieht, nicht durch Verzicht auf dieses Verfahren teilweise im Wege der Einkommensteuerveranlagung erstatten lassen.

Die Rb. wird als unbegründet zurückgewiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408556

BStBl III 1956, 306

BFHE 1957, 283

BFHE 63, 283

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