Leitsatz (amtlich)

1. Besteuerungsgrundlage für die Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot ist weder die Gegenleistung für die Abtretung noch die Gegenleistung des auf Grund der Abtretung zustande gekommenen Kaufs, sondern der Wert des Grundstücks im Sinne des § 12 GrEStG.

2. Die Tatbestände des § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG und des § 1 Abs. 2 GrEStG können durch denselben Lebenssachverhalt verwirklicht werden. In diesem Falle fällt neben der Steuer für den Kauf (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG) nur eine weitere Steuer an.

2. In dem Verfahren über die Anfechtungsklage des die Rechte aus einem Kaufangebot Abtretenden kann auch dann, wenn der von diesem benannte spätere Käufer beigeladen wurde, nicht über dessen Steuerschuld befunden werden.

 

Normenkette

GrEStG § 1 Abs. 1 Nrn. 6-7; GrEStSWG ND 1966 § 1 Nr. 5; GrEStG § 10 Abs. 2 Nr. 1, § 11 Abs. 1 Nr. 6; FGO § 57 Nr. 3, § 60 Abs. 1 S. 1, Abs. 6, § 110 Abs. 1 S. 1

 

Tatbestand

Dem Kläger ist unter notarieller Beurkundung und Bewilligung einer Auflassungsvormerkung der Kauf eines Grundstücks durch ihn oder einen von ihm zu benennenden Dritten angetragen worden; zur Annahme war eine Frist von sechs Monaten gesetzt. Vierzehn Tage später benannte der Kläger zu notariellem Protokoll den Beigeladenen als Erwerber; dieser nahm das vorerwähnte Vertragsangebot an. Der Kläger verzichtete auf die ihm bewilligte Auflassungsvormerkung. Der Beigeladene erklärte unter Bezugnahme auf die dem Erwerber im Vertragsangebot unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB erteilte Vollmacht die Auflassung an sich selbst. An demselben Tag wurde von demselben Notar noch ein Nachtrag beurkundet, in dem die Veräußerer und der Beigeladene die Modalitäten der Kaufpreiszahlung änderten und die Veräußerer dem Beigeladenen eine Auflassungsvormerkung bewilligten.

Das FA (Beklagter) hat den Grundstückserwerb durch den Beigeladenen zur Grunderwerbsteuer herangezogen; dieser Bescheid ist unanfechtbar geworden. Überdies hat es gegen den Kläger wegen Abtretung der Rechte aus dem Kaufangebot Grunderwerbsteuer festgesetzt; dabei hat es den Kaufpreis als Gegenleistung angesetzt. Den Einspruch des Klägers hat es zurückgewiesen.

Mit der Berufung hat der Kläger geltend gemacht, er habe das Vertragsangebot nicht angenommen, sondern schon vor der notariellen Beurkundung abgelehnt; eine etwaige Annahme des Angebots fechte er wegen Irrtums über den Inhalt der Erklärung an. Der Beigeladene habe unmittelbar von dem Veräußerer erworben; an der Beurkundung habe er nur zur Vereinfachung des Verfahrensganges mitgewirkt.

Das FG hat die Berufung als unbegründet zurückgewiesen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache.

Zu Unrecht greift der Kläger die Besteuerung dem Grunde nach an. Der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 6 oder Nr. 7 GrEStG ist erfüllt. Denn gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG unterliegt der Grunderwerbsteuer ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot begründet, gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 7 aber diese Abtretung selbst, wenn ihr kein solches Rechtsgeschäft vorangegangen ist. Zumindest den letztgenannten Tatbestand hat der Kläger verwirklicht. Denn er hat durch die Benennung des Beigeladenen diesem die Rechte zugewandt, die ihm zuvor selbst aus dem Kaufangebot zustanden.

Die Benennung des Käufers allein würde allerdings der Grunderwerbsteuer nicht unterliegen. Darauf hat sich aber der Kläger nicht beschränkt. Der formbedürftige (§ 313 Satz 1 BGB) Kauf kam nicht auf Grund eines durch neuen Antrag (§ 145 BGB) und dessen Annahme geschlossenen Vertrags zwischen den Veräußerern und dem Beigeladenen zustande, sondern dadurch, daß der von dem Kläger benannte Beigeladene das diesem oder einem von ihm zu benennenden Dritten gemachte Angebot annahm. Nur dadurch war es möglich, daß der durch dieses Vertragsangebot und die Benennung durch den Kläger von den Beschränkungen des § 181 BGB befreite Beigeladene namens des Veräußerers die Auflassung (§ 925 BGB) an sich selbst erklärte.

Es mag sein, daß diese Vertragsgestaltung - statt eines neuen Vertrags zwischen Veräußerer und Erwerber - nicht zweckmäßig war; es mag auch sein, daß der Kläger die rechtlichen (insbesondere steuerrechtlichen) Konsequenzen seiner Erklärungen nicht in vollem Umfang abgesehen hat. Die tatsächlichen Feststellungen des FG geben aber keinen Anhalt dafür, daß der Kläger über den Inhalt seiner Erklärung im Irrtum war (§ 119 Abs. 1 BGB). Es konnte ihm nicht gut entgangen sein, daß er zu notariellem Protokoll den Beigeladenen als Erwerber bezeichnete, und daß er diesem dadurch ermöglichte, das Vertragsangebot anzunehmen. Gegenteiliges trägt auch die Revision nicht vor; sie bemerkt insoweit nur, der Beigeladene sei dem Kläger zuvor nicht bekannt gewesen; die Art der Beurkundung entspreche dem Rat des Notars, um Beurkundungsgebühren zu sparen. Das betrifft aber nur die Motive des Klägers; es bedeutet nicht, daß der Kläger nicht gewußt hätte, was er erklärt. Im übrigen stellt die Revision darauf ab, der Kläger habe das Grundstück nicht erwerben wollen und das Angebot schon vorher abgelehnt.

Richtig ist, daß der Kläger das Grundstück im bürgerlich-rechtlichen Sinne nicht erworben hat. Denn es ist nicht festgestellt, daß er den ihm gemachten Verkaufsantrag angenommen hätte (§§ 145 ff. BGB). Wäre das geschehen, so würden die Rechtshandlungen des Klägers jedoch nicht der Steuer aus § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG, gegebenenfalls in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG, unterliegen, sondern einerseits der auf den Kaufvertrag gelegten Steuer aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, andererseits der Steuer aus § 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG wegen der Verpflichtung zur Abtretung seines Anspruchs auf Übereignung des Grundstücks. Der steuerrechtliche Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG setzt also gerade voraus, daß ein bürgerlich-rechtlicher Erwerbstatbestand nicht begründet ist, sondern der Abtretungsnehmer unmittelbar vom Eigentümer (oder sonstigen Veräußerer) erwirbt.

Der dem Kläger gemachte Antrag wäre allerdings erloschen, wenn der Kläger ihn dem Veräußerer gegenüber schon zuvor abgelehnt hätte (§ 146 BGB). In diesem Falle hätte der Kläger sein Recht, diesen Antrag anzunehmen (§ 148 BGB), verloren und folglich auch nicht an den Beigeladenen abtreten können. Insoweit ging und geht aber die tatsächliche Behauptung des Klägers nur dahin, er habe einem in dieser Sache tätigen Makler erklärt, daß er an dem ganzen Grundstücksgeschäft nicht mehr interessiert sei. Damit könnte er nur ein fehlendes Interesse an eigenem Erwerb oder eigener Vermaklung bekundet haben; so hat es wohl das FG angesichts seines späteren Verhaltens verstanden. Jedenfalls brachte diese Erklärung das Angebot der Veräußerer nicht zum Erlöschen (§ 146 BGB). Denn nach den Feststellungen des FG war der Makler weder bevollmächtigt, eine solche Erklärung entgegenzunehmen (§ 180 Satz 1 BGB), noch beauftragt, sie als Bote des Klägers (vgl. § 120 BGB) an die Veräußerer weiterzuleiten; das ist auch nicht geschehen. Sämtliche Beteiligten haben später das Angebot als wirksam behandelt; folglich haben die Veräußerer ein etwa vollmachtloses Handeln des Maklers nicht genehmigt (§ 180 Satz 3, § 177 Abs. 1 BGB).

Die insoweit gegen die tatsächlichen Feststellungen des FG erhobenen Einwendungen liegen ausschließlich auf dem Gebiete der Beweiswürdigung. Sie sind daher für diesen Rechtszug unerheblich (§ 118 Abs. 2 FGO). Zulässige und begründete Verfahrensrügen (§ 288 Nr. 2 AO a. F.) sind gegen diese Feststellungen nicht vorgebracht (vgl. § 296 Abs. 2 Satz 1 AO a. F., § 118 Abs. 2 FGO). Die materiellen Grundlagen der Entscheidung des FG sind insofern frei von Rechtsirrtum (§ 118 Abs. 3 Satz 2 FGO).

Nicht zureichend sind die Feststellungen zur Besteuerungsgrundlage. Der Kaufpreis, den der Beigeladene an die Veräußerer zu zahlen hatte, ist nicht Gegenleistung (§ 10 Abs. 1 GrEStG) für die Abtretung der Rechte aus dem Kaufangebot (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG). Zwar ist gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG bei der Abtretung eines Übereignungsanspruchs (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG) die Übernahme der Verpflichtung aus dem Rechtsgeschäft, das den Übereignungsanspruch begründet hat, als Gegenleistung anzusehen. Aus dem einseitigen Kaufangebot folgt aber für den Adressaten keine Verpflichtung; sie kann folglich auch nicht von einem Dritten übernommen werden.

Demzufolge ist gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG die Steuer aus dem in § 12 GrEStG näher beschriebenen Wert des Grundstücks zu berechnen, weil eine Gegenleistung nicht vorhanden ist (vgl. Boruttau-Klein, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 8. Aufl. 1965, § 10 Tz. 13). Denn selbst wenn der Kläger für die Benennung der Erwerber eine Leistung erhalten haben sollte, wäre sie nicht eine - etwa dem Preis des Grundstücks (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG) vergleichbare - Gegenleistung für den Erwerb des Grundstücks, sondern allenfalls Gegenleistung für die Benennung als Erwerber.

Unabhängig davon bleibt die Frage, ob nicht auch der Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG verwirklicht ist (vgl. zu diesem die Beschlüsse des BFH II B 39/68 vom 3. Dezember 1968, BFH 94, 352, BStBl II 1969, 170, und II B 42/68 vom 12. Dezember 1968, BFH 94, 359) und welche Besteuerungsgrundlage sich in diesem Falle ergäbe. Das FG hat nämlich nicht festgestellt - und brauchte es von seinem Gesichtspunkt aus auch nicht -, was das dem Kläger unter seiner Mitwirkung gemachte, notariell beurkundete Vertragsangebot wirtschaftlich bedeutete. Dem festgestellten Sachverhalt nach ist nicht auszuschließen, daß dem Kläger rechtlich oder wirtschaftlich ermöglicht wurde, das Grundstück durch Benennung des Beigeladenen als Käufer auf eigene Rechnung zu verwerten (§ 1 Abs. 2 GrEStG).

Allerdings ist § 1 Abs. 2 GrEStG den anderen Tatbeständen des § 1 Abs. 1 GrEStG gegenüber subsidiär (vgl. aber auch BFH-Beschluß II B 42/68 vom 12. Dezember 1968, BFH 94, 359). Denn er erfordert, daß ein Anspruch auf Übereignung des Grundstücks nicht begründet worden ist. Das ist indessen, wie bereits eingangs dargelegt worden ist, auch Merkmal des § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG und des § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG, soweit er auf § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG Bezug nimmt. Denn das Kaufangebot allein begründet noch keinen Anspruch auf Übereignung (vgl. Urteil des RFH Gr. S. 1/22 vom 20. März 1922, RFH 9, 19), sondern erst dessen Annahme (§§ 145 ff. BGB). Die Tatbestände des § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG und des § 1 Abs. 2 GrEStG schließen sich daher nicht aus. Soweit sie sich auf denselben Lebenssachverhalt beziehen und zu einer unterschiedlichen Besteuerungsgrundlage führen, ist die Steuer aus der höheren Besteuerungsgrundlage festzusetzen.

Die Annahme eines einheitlichen Lebenssachverhalts ist nicht deshalb unmöglich, weil § 1 Abs. 2 GrEStG die vom Veräußerer erlangte Befugnis behandelt, das Grundstück auf eigene Rechnung - hier durch Veräußerung; vgl. § 5 Abs. 4 Nr. 5 GrEStG 1919/1927 - zu verwerten, während die Abtretung der Rechte aus dem Kaufangebot (§ 1 Abs. 1 Nrn. 6 und 7 GrEStG) von dessen Adressaten an den Erwerber geht. Denn in beiden Fällen gehen Kauf (§ 433 BGB, § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG) und Auflassung (§ 925 BGB, § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG) unmittelbar vom Eigentümer (oder sonst Berechtigten) an den Erwerber. In beiden Fällen wird also der Dritte deshalb auf eine weitere Steuer in Anspruch genommen, weil er sich mittels bestimmter Rechtsvorgänge an dem Geschäft dieser beiden beteiligt hat. Die Tatbestände des § 1 Abs. 1 Nrn. 6 und 7 GrEStG und des § 1 Abs. 2 GrEStG können daher bei einer bestimmten Fallgestaltung durch den gleichen Lebensvorgang verwirklicht werden, obschon sich die Rechtsvorgänge nicht unter denselben Personen abspielen. Denn jedenfalls können nicht sowohl die Steuer aus dem bürgerlich-rechtlichen Grundstücksgeschäft (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG) als auch beide Steuern des gedachten grunderwerbsteuerrechtlichen Durchgangserwerbs vom Eigentümer zum Zwischenmann (§ 1 Abs. 2 GrEStG) und vom Zwischenmann zum Erwerber (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG) erhoben werden.

Daraus ergeben sich Schwierigkeiten hinsichtlich der Steuerschuldnerschaft (§ 15 Nr. 1 GrEStG). Diese können hier aber dahingestellt bleiben (vgl. zu § 20 Abs. 1 Satz 1, § 5 Abs. 3, Abs. 4 Nr. 2 GrEStG 1919/1927; RFH-Urteil II A 435/31 vom 10. November 1931, RFH 30, 24). Denn darüber, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Beigeladene die Steuer schuldet, ist in diesem Verfahren nicht zu befinden (vgl. § 60 Abs. 6 FGO). Zwar schafft das ergehende Urteil auch dem Beigeladenen (§ 241 Abs. 2 AO a. F., § 60 Abs. 1 Satz 1 FGO) als Verfahrensbeteiligten (§ 57 Nr. 3 FGO) gegenüber Rechtskraft dahin, daß er die bestätigte Steuer (§ 100 Abs. 2 FGO) als vom Kläger geschuldet gelten lassen muß (§ 110 Abs. 1 Satz 1 FGO). Damit ist aber nicht gesagt, daß der Beigeladene diese Steuer ebenfalls schuldet (vgl. § 322 Abs. 1, § 325 Abs. 1, § 74 Abs. 3, § 68 ZPO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 68620

BStBl II 1969, 595

BFHE 1969, 201

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