Leitsatz (amtlich)

1. Ein Gewerbebetrieb einer juristischen Person des öffentlichen Rechts im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. g VStG ist auch der Anteil einer juristischen Person des öffentlichen Rechts an einer Personengesellschaft.

2. Steuerschuldnerin für diesen Anteil ist nicht die Personengesellschaft, sondern die juristische Person des öffentlichen Rechts.

 

Normenkette

VStG § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. g

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine KG, die ein Elektrizitätswerk mit mehreren Betriebstellen betreibt. An ihr sind als Komplementärin eine Stadtgemeinde mit 97,96 v. H. und eine Kommanditistin mit 2,04 v. H. beteiligt. Der Beklagte und Revisionskläger (das FA) stellte durch Bescheid vom 31. Mai 1967 den Einheitswert des Betriebsvermögens der Klägerin auf den 1. Januar 1966 auf 2 131 000 DM fest und teilte ihn auf die Stadtgemeinde mit 2 101 446 DM und auf die Kommanditistin mit 29 554 DM auf. Es veranlagte sodann durch Bescheid vom 29. August 1967 die Klägerin zur Vermögensteuer auf den 1. Januar 1966, setzte dabei als Betriebsvermögen den anteiligen Einheitswert der Stadtgemeinde nach Abzug des nach § 117 BewG 1965 steuerfreien Betrages von 1 043 991 DM mit 1 057 455 DM an, so daß sich bei Berücksichtigung der Vermögensabgabe ein steuerpflichtiges Vermögen von 1 004 000 DM und eine Jahressteuerschuld von 9 827,50 DM ergaben. Der Einspruch, mit dem die Klägerin ihre Vermögensteuerpflicht bestritt, hatte keinen Erfolg. Das FG gab der Klage statt und hob den angefochtenen Vermögensteuerbescheid und die Einspruchsentscheidung des FA ersatzlos auf.

Das FA beantragt mit der Revision, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen. Es wird Verletzung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. g VStG gerügt. Die Revision wird im wesentlichen wie folgt begründet: Das FG lasse die ständige Rechtsprechung des RFH und BFH zur Frage der steuerlichen Behandlung einer Personengesellschaft außer Betracht. Der RFH habe in dem Urteil vom 9. März 1944 III 81/43 (RStBl 1944, 491) ausgeführt, daß für die Einheitsbewertung die einzelnen Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) anzusehen seien. Der BFH aber habe in dem Urteil vom 24. Februar 1956 III 13/56 U (BFHE 62, 295, BStBl III 1956, 110) entschieden, daß Unternehmer und Betriebsinhaber eines Gewerbebetriebs in der Form einer Personengesellschaft steuerlich nicht die Gesellschaft als solche, sondern nur der einzelne Gesellschafter sei. An dieser Auffassung habe der BFH in dem Urteil vom 10. April 1964 III 255/60 U (BFHE 79, 334, BStBl III 1964, 354) festgehalten. Die Rechtmäßigkeit der Bilanzbündeltheorie habe das BVerfG in dem Beschluß vom 15. Juli 1969 I BvR 457/66 (BStBl II 1969, 718) aus verfassungsrechtlicher Sicht bestätigt. Auf der Bilanzbündeltheorie beruhe auch die Vorschrift des § 110 Abs. 1 Nr. 3 BewG 1965, wonach die Anteile an Gesellschaften, bei denen die Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) anzusehen sind, nicht sonstiges Vermögen, sondern Betriebsvermögen seien. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG seien Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Diese Vorschrift sei eine parallele Bestimmung zu § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. g VStG. Nach dem RFH-Urteil vom 8. November 1938 I 34/38 (RStBl 1939, 301) sei die Beteiligung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts an einer Personengesellschaft ein Betrieb gewerblicher Art im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG, denn die Rechtslage sei steuerlich so zu beurteilen, wie wenn der einzelne Gesellschafter den Betrieb der Gesellschaft in dem seinem Anteil entsprechenden Umfang als Eigenbetrieb führen würde. Diese Rechtsgrundsätze seien auch auf § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. g VStG anzuwenden. Die Auffassung des FG, daß es die Gewerbesteuer als Realsteuer auf die Gesamtheit des Betriebs abstelle, stehe ebenfalls im Widerspruch zur Rechtsprechung. Der RFH habe in dem Gutachten vom 27. April 1940 Gr. S. D 1/40 (RStBl 1940, 547) ausgeführt, daß das GewStG den Unternehmer und nicht den Betrieb als Steuerschuldner erkläre. Bei Unternehmen, die in der Rechtsform einer KG betrieben würden, seien die Gesellschafter Unternehmer und nicht die Gesellschaft. Diesen Grundsätzen habe der BFH in dem Urteil vom 2. August 1955 I 99/54 U (BFHE 61, 250, BStBl III 1955, 294) zugestimmt. Die Heranziehung der Beteiligung der Stadtgemeinde zur Vermögensteuer werde auch im Schrifttum allgemein gebilligt. Sie stehe auch nicht im Widerspruch zur Systematik des Vermögensteuergesetzes, weil die Gleichstellung von Betrieben gewerblicher Art mit Gewerbebetrieben in Fällen dieser Art nicht nur gerechtfertigt, sondern im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung sogar geboten sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist im Ergebnis unbegründet.

1. a) Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. g VStG sind Gewerbebetriebe im Sinne des Gewerbesteuergesetzes von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die im Geltungsbereich des GG oder in Berlin (West) ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz haben, unbeschränkt vermögensteuerpflichtig. Diese Vorschrift ist durch Art. 11 Nr. 1 StÄndG 1961 vom 13. Juli 1961 (BGBl I 1961, 981, BStBl I 1961, 444) in das Vermögensteuergesetz eingefügt worden, und zwar auf Vorschlag des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages. In dem schriftlichen Bericht dieses Ausschusses zum Steueränderungsgesetz 1961 (zu Bundestagsdrucksache III/2706) wird dazu ausgeführt, es sei auch mit Rücksicht auf das Allgemeinwohl nicht mehr länger vertretbar, die bisher bestehende umfassende Vermögensteuerbefreiung der öffentlichen Hand uneingeschränkt weiter aufrechtzuerhalten. Die Vermögensteuerpflicht müsse aus gesetzestechnischen Gründen zunächst generell für "sämtliche gewerbliche Unternehmen (nicht also land- und forstwirtschaftliche Betriebe oder sogenannte Hoheitsbetriebe)" angeordnet werden. Die Vorschrift hat zur Folge, daß die Gewerbebetriebe der juristischen Person des öffentlichen Rechts als selbständige Steuergegenstände zur Vermögensteuer herangezogen werden.

b) Erste Voraussetzung für die Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. g VStG ist, daß es sich um einen "Gewerbebetrieb im Sinne des Gewerbesteuergesetzes" handelt. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 GewStDV ist Gewerbebetrieb eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit Gewinnabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Beteiligung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine selbständige Arbeit im Sinne des Einkommensteuerrechts anzusehen ist. Diese Begriffsbestimmung gilt nach § 2 Abs. 1 GewStDV auch für Unternehmen der Körperschaften des öffentlichen Rechts, wenn sie nicht Hoheitsbetriebe im Sinne des § 2 Abs. 2 GewStDV sind. Die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit, das Betreiben eines Elektrizitätswerks, erfüllt alle in § 1 Abs. 1 Satz 1 GewStDV geforderten Merkmale. Sie ist auch kein Hoheitsbetrieb im Sinne des § 2 Abs. 2 GewStDV. Sie ist daher ein Gewerbebetrieb im Sinne des Gewerbesteuergesetzes.

c) Zweite Voraussetzung für die Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. g VStG ist, daß es sich um einen Gewerbebetrieb "von juristischen Personen des öffentlichen Rechts" handelt. Der Senat hält im Gegensatz zum FG auch diese Voraussetzungen im Streitfall für gegeben. Er folgt nicht der Auffassung des FG, daß diese Voraussetzung schon deswegen nicht vorliege, weil an der Klägerin nicht nur die Stadtgemeinde, sondern auch eine natürliche Person als Gesellschafter beteiligt sei. Das FG stellt es dabei zu Unrecht darauf ab, daß nach dem Gewerbesteuergesetz die Kommanditgesellschaft ein selbständiger Steuergegenstand ist, so daß man sie deswegen nur als Ganzes betrachten könne. Zu dieser Schlußfolgerung ist das FG offenbar durch die Worte "im Sinne des Gewerbesteuergesetzes" gekommen. Diese Worte beziehen sich jedoch schon nach ihrer Stellung im Satzbau der Vorschrift nur auf das vorhergehende Wort "Gewerbebetrieb". Sie haben also die Bedeutung, daß, wie oben bereits dargelegt wurde, nach gewerbesteuerlichen Vorschriften zu beurteilen ist, ob die in Betracht kommende Tätigkeit als ein Gewerbebetrieb angesehen werden kann. Die Frage aber, ob es sich um einen Gewerbebetrieb "von juristischen Personen des öffentlichen Rechts" handelt, ist nicht nach gewerbesteuerlichen, sondern nach vermögensteuerlichen bzw. bewertungsrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen. Nach dem Vermögensteuergesetz ist die KG kein selbständiger Steuergegenstand. Das bedeutet jedoch nicht, daß das ihr gewidmete Vermögen überhaupt nicht zur Vermögensteuer herangezogen wird. Nach § 110 Abs. 1 Nr. 3 BewG 1965, der eine vermögensteuerliche Vorschrift ist, werden vielmehr die Anteile an der KG als Betriebsvermögen des Gesellschafters erfaßt. Diese Vorschrift zeigt klar, daß der Gesetzgeber bewertungsrechtlich und vermögensteuerlich die einzelnen Anteile der Gesellschafter an einer Personengesellschaft als selbständigen Steuergegenstand betrachtet, und zwar als Betriebsvermögen, d. h. nach § 95 BewG 1965 als Vermögen, das dem Betrieb eines Gewerbes als Hauptzweck dient. Das entspricht auch der Auffassung der Rechtsprechung des RFH und des BFH in den vom FA zitierten Entscheidungen, in denen ausgesprochen ist, daß ebenso wie nach dem Einkommensteuer- und Körperschaftsteuerrecht auch vermögensteuerlich und bewertungsrechtlich Unternehmer und Betriebsinhaber einer Personengesellschaft nicht die Personengesellschaft als solche, sondern jeder Gesellschafter selbst sei (vgl. insbesondere BFH-Urteil III 255/60 U, Abschn. II 1. Abs. am Ende). Deswegen weist das FA auch zu Recht auf das RFH-Urteil I 347/38 hin, nach dem die Beteiligung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts an einer Personengesellschaft ein Betrieb gewerblicher Art ist. Denn diese Entscheidung ist zwar zur Körperschaftsteuer ergangen, beruht aber auf denselben Rechtsgrundsätzen. Es ist daher entgegen der Auffassung des FG durchaus nicht systemwidrig, sondern sogar systemgerecht, wenn man auch bei der Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. g VStG den Anteil einer juristischen Person des öffentlichen Rechts an einer Personengesellschaft, deren Tätigkeit als Gewerbebetrieb im Sinne des Gewerbesteuergesetzes anzusehen ist, als einen Gewerbebetrieb dieser juristischen Person und damit als selbständigen Steuergegenstand im Sinne dieser Vorschrift handelt. Es bedarf dazu nach Auffassung des Senats nicht der im Schrifttum mehrfach angeregten Heranziehung der Grundsätze des RFH-Urteil vom 20. Februar 1936 III A 376/34 (RStBl 1936, 231), wogegen schon deswegen Bedenken bestehen, weil dieses Urteil noch zu dem Reichsbewertungsgesetz 1931 und dem Vermögensteuergesetz 1931 ergangen ist und nach diesen Gesetzen die Personengesellschaften selbständig vermögensteuerpflichtig waren, nicht dagegen die Anteile der Gesellschafter an ihnen (vgl. § 66 des Reichsbewertungsgesetzes 1931, § 2 Nr. 2 Buchst. c VStG 1931). Die Heranziehung der Anteile von juristischen Personen an einer Personengesellschaft, die einen Gewerbebetrieb im Sinne des Gewerbesteuergesetzes unterhält, zur Vermögensteuer entspricht nach Auffassung des Senats auch dem Sinn und Zweck des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. g VStG, wie sich aus den Ausführungen im schriftlichen Bericht des Finanzausschusses des Bundestages ergibt.

2. Wenn auch die Auffassung des FG, der Anteil einer juristischen Person des öffentlichen Rechts könne kein Gewerbebetrieb der öffentlichen Hand im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. g VStG nach den Darlegungen zu 1. unrichtig ist, kann die Revision des FA doch keinen Erfolg haben. Denn das FA hat mit diesem Anteil zu Unrecht die KG als Steuerschuldnerin zur Vermögensteuer herangezogen. Steuerschuldner für diesen Anteil ist die Stadtgemeinde. Das FA hätte den Vermögensteuerbescheid gegen sie richten müssen. Das FG hat danach im Ergebnis zu Recht den angefochtenen Vermögensteuerbescheid und die Einspruchsentscheidung des FA ersatzlos aufgehoben. Deshalb erweist sich die Revision den FA im Ergebnis als unbegründet.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70485

BStBl II 1973, 616

BFHE 1973, 266

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