Leitsatz (amtlich)

Die Steuerbegünstigung der §§ 7a und 10a EStG 1959 stehen nur Vertriebenen zu, die durch die Vertreibung ihre Erwerbsgrundlage verloren haben, Berufssoldaten der früheren Wehrmacht rechnen nicht zu diesem Personenkreis. Der Senat hält an der bisherigen Rechtsprechung fest (vgl. Urteile IV 411/55 U vom 19. Juli 1956, BFH 63, 220, BStBl III 1956, 282, und IV 57/57 U vom 5. September 1957, BFH 65, 372, BStBl III 1957, 374).

 

Normenkette

EStG 1959 §§ 7a, 10a

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 06.08.1969; Aktenzeichen 2 BVR 276/69)

BVerfG (Beschluss vom 06.08.1969; Aktenzeichen 2 BvR 276/69)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Revisionskläger (Steuerpflichtige) für die Veranlagungszeiträume 1957 bis 1959 die Steuervergünstigung für den nichtentnommenen Gewinn (§ 10a EStG) und für die Veranlagungszeiträume 1957 und 1958 die Bewertungsfreiheit für bewegliche Wirtschaftsgüter (§ 7a EStG) in Anspruch nehmen kann.

Der am 10. Dezember 1914 geborene Steuerpflichtige betrieb die Fabrikation von und den Großhandel mit Elektrodrähten und Bändern. Im Jahre 1936 wurde er in X, das in dem nunmehr unter polnischer Verwaltung stehenden Gebiet liegt, zum Wehrdienst einberufen. Nach Ablauf der zweijährigen Dienstzeit verpflichtete er sich bei Ausbruch des zweiten Weltkrieges auf 12 Jahre für den Wehrdienst.

Nach einer Ende 1961 durchgeführten zweiten Betriebsprüfung berichtigte das FA die Einkommensteuerbescheide 1957 bis 1959 und erklärte diese für endgültig. Es versagte die steuerlichen Vergünstigungen der §§ 7a, 10a EStG, da kein Verlust einer Erwerbsgrundlage vorliege, die im ursächlichen Zusammenhang mit der Vertreibung gestanden habe (vgl. Urteil des BFH IV 57/57 U vom 5. September 1957, BFH 65, 372, BStBl III 1957, 374).

Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg.

Mit der als Revision zu behandelnden Rechtsbeschwerde macht der Steuerpflichtige folgendes geltend. Zwischen Vertreibung und Verlust der Erwerbsgrundlage (§§ 7a, 10a EStG 1953) brauche kein Kausalzusammenhang zu bestehen. Der Steuerpflichtige habe nicht nur seine Erwerbsgrundlage als Berufssoldat, sondern auch die daneben bestehende Erwerbsgrundlage, die in der Nutzungsmöglichkeit des seiner Schwiegermutter gehörenden Grundstücks gelegen habe, verloren.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist unbegründet.

Die Entscheidung des FG läßt keinen Rechtsirrtum erkennen (§ 118 Abs. 1 FGO).

Ein Vertriebener kann die Steuervergünstigungen des § 7a und des § 10a EStG nur in Anspruch nehmen, wenn er durch die Vertreibung seine Erwerbsgrundlage verloren hat. Es muß ein Kausalzusammenhang zwischen der Vertreibung und dem Verlust der Erwerbsgrundlage vorliegen (Urteile des BFH IV 411/55 U vom 19. Juli 1956, BFH 63, 220, BStBl III 1956, 282, und IV 57/57 U). Hieraus folgt, daß ein ehemaliger Berufssoldat die Steuervergünstigungen nicht in Anspruch nehmen kann, weil er seine Existenzgrundlage nicht durch die Vertreibung verloren hat. Hieran hält der Senat als einer möglichen Auslegung des Gesetzes mit Zustimmung des I. und VI. Senats auch für den vorliegenden Fall fest. Wohl bezieht sich die Entscheidung IV 411/55 U auf § 10a EStG 1952. Jedoch ist der Wortlaut dieser Vorschrift seit ihrer Einfügung in das EStG 1951 der gleiche geblieben.

Daß das in der Entscheidung IV 411/55 U zitierte Urteil des BVerwG IV b 58/55 zu § 254 LAG ergangen ist, ist zutreffend. Dieses Urteil wurde vom Senat unter Berücksichtigung der Besonderheiten des LAG nur zur Bestätigung des Grundsatzes herangezogen, daß der Begriff "Verlust der Erwerbungsgrundlage" in § 10a EStG 1952 nicht unbegrenzt weit ausgelegt werden darf. Schließlich trifft nicht zu, daß der VI. Senat in seinem Urteil VI 147/60 S vom 23. September 1960 (BFH 71, 570, BStBl III 1960, 462) von dem Erfordernis der Kausalität abgegangen sei. In dieser Entscheidung heißt es vielmehr ausdrücklich, es sei vorausgesetzt, "daß der Steuerpflichtige z. Z. der Vertreibung aus der Tätigkeit oder dem Vermögen im wesentlichen seinen Lebensunterhalt bestritt". Da der Steuerpflichtige seine Erwerbsgrundlage nicht durch die Vertreibung, sondern durch den Zusammenbruch des Reiches und die dadurch bedingte Auflösung der Wehrmacht verloren hat, kann er somit die Vergünstigungen nicht in Anspruch nehmen (BFH-Entscheidungen IV 57/57 U; I 153/60 vom 15. Mai 1961, Der Betrieb 1961 S. 1182, und VI 272/62 vom 29. März 1963, HFR 1963, 333). Ebensowenig kann sich der Steuerpflichtige mit Erfolg darauf berufen, daß er eine Erwerbsgrundlage dadurch verloren habe, daß er auf dem seiner Schwiegermutter gehörenden Grundstück nach Übergang auf ihn ein Lebensmittelgeschäft habe eröffnen wollen. Denn die Aussicht auf Erlangung einer Erwerbsgrundlage ist noch keine Erwerbsgrundlage (vgl. BFH-Entscheidung IV 389/60 vom 25. Januar 1962, HFR 1963, 7).

 

Fundstellen

Haufe-Index 68494

BStBl II 1969, 338

BFHE 1969, 176

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Finance Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge