Entscheidungsstichwort (Thema)

Änderung eines Steuerbescheids aufgrund neuer Tatsachen

 

Leitsatz (NV)

Änderungen eines Steuerbescheids wegen neuer Tatsachen zugunsten des Steuerpflichtigen werden nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Unkenntnis des FA auf einer Verletzung seiner Ermittlungspflicht beruht.

 

Normenkette

AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 2, § 88 Abs. 1; EStG § 49 Abs. 1 Nr. 5c Doppelbuchst. aa; EStG 1981 § 20 Abs. 1 Nr. 8; EStDV § 56 Abs. 2

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) zur Aufhebung eines Einkommensteuerbescheids wegen neuer Tatsachen verpflichtet ist.

1. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betrieb mit ihrem Ehemann in Gütergemeinschaft eine Landwirtschaft in X. Im Oktober 1981 verkauften die Eheleute den Betrieb und wanderten nach . . . aus.

Mit Schreiben vom 12. November 1983 teilte die steuerliche Beraterin der Eheleute, die . . . Revisions- und Steuerberatungsgesellschaft mbH (Beratungsgesellschaft), dem FA mit, daß wegen der Auswanderung der Eheleute für 1982 kein inländisches Einkommen angefallen sei. Das FA übersandte dennoch Einkommensteuererklärungsvordrucke für beschränkt Steuerpflichtige (ESt 1 C) mit der Anlage für Kapitaleinkünfte (Anlage KSO). Am 29. Dezember 1983 ging beim FA eine Einkommensteuererklärung 1982 für den Ehemann der Klägerin ein, die vom Geschäftsführer der Beratungsgesellschaft als Bevollmächtigten unterzeichnet war. Danach wurden Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe von . . . DM im Rahmen der beschränkten Einkommensteuerpflicht auf dem Vordruck ESt 1 C erklärt. Beigefügt war ein Schreiben der Bank vom 9. November 1983 an die Beratungsgesellschaft mit im wesentlichen folgendem Wortlaut:

Betr.: ,,A X und B, Kapitalerträge 1982 . . .

Herr A hatte im Kalenderjahr 1982 bei unserer Bank folgende Kapitalerträge:

Konto . . . DM . . .

Konto . . . DM . . .

Konto . . . DM . . ."

Das FA führte darauf für die Ehegatten je eine Einkommensteuerveranlagung für beschränkt Steuerpflichtige durch. Es setzte bei jedem Ehegatten die Hälfte der in der Einkommensteuererklärung angegebenen Einkünfte aus Kapitalvermögen an. Der Bescheid für die Klägerin wurde am 28. Februar 1984 an die Beratungsgesellschaft abgesandt.

Mit Schreiben vom 10. Oktober 1984 beantragte die Klägerin beim FA Aufhebung des Bescheids wegen neuer Tatsachen. Es habe sich herausgestellt, daß die Eheleute im Jahre 1982 keine beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte bezogen hätten. Das FA lehnte den Antrag durch Bescheid vom 27. November 1984 ab und wies den Einspruch der Klägerin durch Einspruchsentscheidung vom 4. März 1985 zurück.

Dagegen erhob die Klägerin, vertreten durch die Beratungsgesellschaft, Klage und beantragte, den Einkommensteuerbescheid 1982 aufzuheben. Das Finanzgericht (FG) hob den Ablehnungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung auf und verpflichtete das FA, den Einkommensteuerbescheid 1982 aufzuheben.

Das FA habe erst nachträglich erfahren, daß die von der Klägerin erklärten Kapitaleinkünfte nicht aus grundpfandrechtlich gesicherten Forderungen stammten. Die Klägerin treffe auch kein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden dieser Tatsache. Weder die Klägerin noch ihr Bevollmächtigter hätten Einkünfte der Klägerin erklärt.

Das FA rügt mit seiner vom Bundesfinanzhof (BFH) zugelassenen Revision Verletzung der §§ 173 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2, 91 der Abgabenordnung (AO 1977).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet. Sie war zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Das FG hat zu Recht die Klage als Verpflichtungsklage behandelt (§ 40 Abs. 1 Satz 1 FGO).

Die Klage richtete sich gegen den Ablehnungsbescheid vom 27. November 1984 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. März 1985. Wird die beantragte Aufhebung eines Steuerbescheids abgelehnt, so ist gegen den Ablehnungsbescheid der Einspruch und die Verpflichtungsklage gegeben (§ 348 Abs. 2 AO 1977, §§ 40 Abs. 1, 44 Abs. 1 FGO; vgl. BFH-Urteil vom 31. Juli 1985 II R 242/82, BFHE 144, 277, 278, BStBl II 1985, 681). Zwar spricht der auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheids 1982 gerichtete Klageantrag der Klägerin für eine Anfechtungsklage gegen diesen Bescheid (§ 40 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Klägerin erhob jedoch nach der Klageschrift ,,Klage gegen die am 4. 3. 1985 ergangenen und am 6. 3. 1985 zugestellten Einspruchsentscheidungen des Finanzamts". Daraus ist zu entnehmen, daß sich die Klage gegen den Ablehnungsbescheid und die Einspruchsentscheidung richtete. Bei dieser Sachlage hat das FG den Klageantrag zutreffend als Verpflichtungsantrag und die Klage als Verpflichtungsklage ausgelegt (vgl. auch BFH-Urteil vom 26. März 1985 IX R 41/80, BFHE 143, 554, BStBl II 1985, 692).

2. Die Verpflichtungsklage war statthaft und zulässig.

a) Für eine Verpflichtungsklage bestand auch dann ein Rechtsschutzbedürfnis, wenn der Einkommensteuerbescheid 1982 wegen fehlender Bekanntgabe nicht wirksam geworden sein sollte. An einer wirksamen Bekanntgabe bestehen Zweifel. Das FA hatte den Bescheid der Beratungsgesellschaft bekanntgegeben, die zwar in Vollmacht des Ehemannes der Klägerin dessen Steuererklärung eingereicht hatte; eine Bevollmächtigung durch die Klägerin für das Jahr 1984 ist jedoch nicht festgestellt.

Durch den Ablehnungsbescheid vom 27. November 1984 und die Einspruchsentscheidung vom 4. März 1985 machte das FA jedoch deutlich, daß es den Einkommensteuerbescheid 1982 als wirksam und als unabänderbar ansah. In einem solchen Fall besteht selbst dann ein Rechtsschutzbedürfnis für eine gegen den Ablehnungsbescheid gerichtete Verpflichtungsklage, wenn der ursprüngliche Bescheid unwirksam war. Ist die Behörde in Ablehnungsbescheid und Einspruchsentscheidung zu Unrecht von der Wirksamkeit des ursprünglichen Bescheids ausgegangen, so muß dem Steuerpflichtigen Rechtsschutz mit dem Ziel der Aufhebung des Bescheids gewährt werden. Die Möglichkeit einer isolierten Anfechtungsklage gegen den nicht wirksamen Einkommensteuerbescheid (BFH-Urteile vom 26. Juni 1985 IV R 62/83, BFH/NV 1987, 19; vom 7. August 1985 I R 309/82, BFHE 145, 7, BStBl II 1986, 42) wird dadurch nicht berührt.

3. Die Klage war auch begründet.

Es kann dahinstehen, ob der Einkommensteuerbescheid 1982 wirksam bekanntgegeben wurde.

a) Wurde der Einkommensteuerbescheid der Klägerin nicht bekanntgegeben und deshalb nicht wirksam, so war das FA zur Aufhebung des Bescheids verpflichtet. Das gilt jedenfalls dann, wenn das FA zuvor eine Aufhebung durch Ablehnungsbescheid und Einspruchsentscheidung abgelehnt hatte.

b) War der Einkommensteuerbescheid wirksam und bestandskräftig geworden, weil die Beratungsgesellschaft bereits bei Erlaß des Bescheids eine Vollmacht der Klägerin besaß, so war das FA ebenfalls zur Aufhebung verpflichtet. Gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen nachträglich bekanntwerden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, daß die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekanntwerden.

aa) Das FG hat zutreffend angenommen, daß die fehlende grundpfandrechtliche Sicherung eine Tatsache in diesem Sinne ist. Die fehlende Sicherung ist zwar eine Rechtstatsache. Auch vorgreifliche Rechtsverhältnisse aus einem anderen Rechtsgebiet, die Tatbestandsmerkmale des gesetzlichen Tatbestands erfüllen, sind jedoch ,,Tatsachen" i. S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 (vgl. BFH-Urteil vom 13. Oktober 1983 I R 11/79, BFHE 140, 2, BStBl II 1984, 181). Die fehlende grundpfandrechtliche Sicherung ist negatives Tatbestandsmerkmal des in Betracht kommenden Besteuerungstatbestandes. Die Klägerin war wegen ihres Wohnsitzes in . . . im Streitjahr 1982 beschränkt steuerpflichtig (§ 1 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes - EStG - 1981). Sie unterlag der deutschen Einkommensbesteuerung nur mit den inländischen Einkünften i. S. des § 49 EStG. Die dem Einkommensteuerbescheid 1982 zugrundeliegenden Zinseinnahmen aus sonstigen Kapitalforderungen gegen eine inländische Bank konnten ,,inländische Einkünfte" nur sein, wenn sie durch inländischen Grundbesitz unmittelbar oder mittelbar gesichert waren (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 c Doppelbuchst. aa i. V. m. § 20 Abs. 1 Nr. 8 EStG 1981).

bb) Die nach den Feststellungen des FG fehlende grundpfandrechtliche Sicherung ist ,,nachträglich bekanntgeworden" i. S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977.

Die Tatsache wurde dem FA nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG erst durch das Schreiben der Klägerin vom 10. Oktober 1984 bekannt.

Es kann insoweit dahinstehen, ob das FA aufgrund von § 88 Abs. 1 AO 1977 verpflichtet gewesen wäre, Ermittlungen über grundpfandrechtliche Sicherungen der den Zinseinnahmen zugrundeliegenden Forderungen anzustellen. Zwar ist bei der Beurteilung der Frage, ob eine Tatsache der Finanzbehörde i. S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 bekannt war, auch zu berücksichtigen, ob die Unkenntnis des FA auf einer Verletzung amtlicher Aufklärungspflichten beruht (BFH-Urteile vom 13. November 1985 II R 208/82, BFHE 145, 487, BStBl II 1986, 241; vom 11. November 1987 I R 108/85, BFHE 151, 333, BStBl II 1988, 115). Diese Rechtsprechung gilt jedoch nur für den Fall einer Aufhebung oder Änderung gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977. Sie beruht auf dem Grundsatz von Treu und Glauben und verbietet der Steuerbehörde, sich auf eine selbst verschuldete Unkenntnis zu berufen (BFH in BFHE 151, 333, BStBl II 1988, 115, m. w. N.). Änderungen zugunsten des Steuerpflichtigen gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 werden nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Unkenntnis des FA auf einer Verletzung seiner Ermittlungspflichten beruht (Tipke / Kruse, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, 13. Aufl., § 173 AO 1977 Tz. 32; Förster in Koch, Abgabenordnung, Kommentar, 3. Aufl., § 173 Rz. 12).

cc) Die Tatsache fehlender grundpfandrechtlicher Sicherung führt zu einer niedrigeren Steuer der Klägerin. Zinsen aus nicht grundpfandrechtlich gesicherten Forderungen gehören nicht zu den inländischen Einkünften i. S. des § 49 EStG. Die beschränkt steuerpflichtige Klägerin unterlag mit diesen Einkünften nicht der deutschen Einkommensteuer. Da sie nach übereinstimmender Auffassung der Beteiligten keine anderen inländischen Einkünfte bezog, führt die fehlende grundpfandrechtliche Sicherung dazu, daß die Klägerin für das Streitjahr nicht zur Einkommensteuer zu veranlagen ist.

dd) Die Klägerin trifft kein grobes Verschulden i. S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 am nachträglichen Bekanntwerden der fehlenden grundpfandrechtlichen Sicherung.

Ob ein Beteiligter grob fahrlässig i. S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 gehandelt hat, ist im wesentlichen Tatfrage. Die hierzu getroffenen Feststellungen des FG können in der Revisionsinstanz grundsätzlich nur darauf überprüft werden, ob der Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit richtig erkannt worden ist und ob die Würdigung der Verhältnisse hinsichtlich des individuellen Verschuldens den Denkgesetzen und Erfahrungssätzen entspricht (BFH-Urteil vom 26. August 1987 I R 144/86, BFHE 151, 299, BStBl II 1988, 109, 110, m. w. N.).

Das FG hat den Begriff des groben Verschuldens nicht verkannt. Grob fahrlässig handelt, wer die ihm persönlich zuzumutende Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt, wobei dem Steuerpflichtigen das Verschulden eines Bevollmächtigten zugerechnet wird (BFH-Urteile vom 3. Februar 1983 IV R 153/80, BFHE 137, 547, BStBl II 1983, 324; vom 30. Oktober 1986 III R 163/82, BFHE 148, 208, BStBl II 1987, 161; in BFHE 151, 299, BStBl II 1988, 109, 111).

Ein grobes Verschulden der Klägerin durch Nichtabgabe einer Steuererklärung (BFH-Urteil vom 28. März 1985 IV R 159/82, BFHE 144, 521, 525, BStBl II 1986, 120) liegt nicht vor. Eine Verpflichtung zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung gemäß § 25 EStG 1981 bestand für die Klägerin nicht, da sie im Streitjahr keine inländischen Einkünfte bezog (§§ 49 Abs. 1 Nr. 5 c Doppelbuchst. aa, 20 Abs. 1 Nr. 8 EStG 1981 i. V. m. § 25 Abs. 3 EStG 1981, § 56 Abs. 2 der Einkommensteuer - Durchführungsverordnung - EStDV -). Allerdings ist zur Abgabe einer Steuererklärung auch verpflichtet, wer hierzu von der Finanzbehörde aufgefordert wird (§ 149 Abs. 1 Satz 2 AO 1977). Die Zusendung der Erklärungsvordrucke durch das FA ist als ,,Aufforderung" in diesem Sinne anzusehen (vgl. Tipke / Kruse, a. a. O., § 149 AO 1977 Tz. 2). Wenn auf die Übersendung von Erklärungsvordrucken an beide Eheleute jedoch eine vom Ehemann unterschriebene Steuererklärung eingeht, in der die Zinseinnahmen beider Eheleute erklärt werden, so ist die fehlende Unterschrift der Ehefrau nicht als grobes Verschulden anzusehen. Zwar hat die Klägerin im Rechtssinne keine Steuererklärung abgegeben. Materiell sind jedoch die von ihr bezogenen Zinseinnahmen in der Steuererklärung ihres Ehemannes enthalten, so daß die fehlende Unterschrift allenfalls als leichte Fahrlässigkeit anzusehen ist.

Die Klägerin und ihre Beraterin haben auch nicht dadurch grob fahrlässig gehandelt, daß sie es unterließen, gegen den Steuerbescheid Einspruch einzulegen. Es kann zwar grob schuldhaft sein, gegen einen Steuerbescheid keinen Rechtsbehelf einzulegen, wenn sich dem Steuerpflichtigen oder seinem Berater innerhalb der Einspruchsfrist die Geltendmachung von dem FA bisher nicht bekannten Tatsachen hätte aufdrängen müssen (BFH-Urteil vom 25. November 1983 VI R 8/82, BFHE 140, 18, BStBl II 1984, 256; a. A. von Wallis in Hübschmann / Hepp / Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 173 AO 1977 Anm. 44 d; Frotscher / Schwarz, Abgabenordnung, Kommentar, § 173 Anm. 12 g; Förster in Koch, a. a. O., § 173 Rz. 24). Die Feststellungen des FG zur Schuldfrage verstoßen jedoch auch insoweit weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze. Der gegen die Klägerin gerichtete Steuerbescheid beruhte auf den Angaben in der von ihrem Ehemann eingereichten Steuererklärung. Die Aufteilung der erklärten Zinserträge auf die beiden Ehegatten war das Ergebnis einer Schätzung. Das FA hätte vor Erlaß des an die Klägerin gerichteten Schätzungsbescheids der Klägerin Gelegenheit geben müssen, sich zu den für die Entscheidung wesentlichen Tatsachen zu äußern (§ 91 Abs. 1 AO 1977).

Bei der Wertung des Verhaltens der Klägerin und der Beratungsgesellschaft als schuldhaft oder grob schuldhaft kann dieser Umstand nicht außer Betracht bleiben. Zwar wird nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung das Verschulden des Steuerpflichtigen bzw. seines Beraters nicht dadurch unbeachtlich, daß das FA möglicherweise seine Aufklärungspflichten nicht erfüllt hat (BFH in BFHE 151, 299, BStBl II 1988, 109, 111). Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an. Wenn keine unmittelbaren Wechselwirkungen zwischen dem Verhalten der Behörde und dem Verhalten des Steuerpflichtigen bestehen, so können beide Beteiligten grob schuldhaft gehandelt haben.

Das gilt jedoch nicht, wenn ein fehlerhaftes Verhalten der Behörde unmittelbaren Einfluß auf das Maß des Verschuldens des Steuerpflichtigen hat. Im Streitfall wird der Grad des Verschuldens der Beratungsgesellschaft dadurch beeinflußt, daß die Klägerin bzw. ihre Beraterin bei der vom Gesetz vorgesehenen Anhörung mit großer Wahrscheinlichkeit die Mängel des beabsichtigten Bescheids erkannt hätten. Die Klägerin hätte dann das FA auf die fehlende grundpfandrechtliche Sicherung hingewiesen oder gegen den Bescheid Einspruch eingelegt.

Für das Maß des Verschuldens der Klägerin und der Beratungsgesellschaft kann auch nicht außer Betracht bleiben, daß der für beschränkt Steuerpflichtige vorgesehene Erklärungsvordruck ESt 1 C die Angabe von ,,Zinsen aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art" fordert, ,,soweit sie nicht steuerfrei sind".

Dieser Vordruck kann den Eindruck vermitteln, alle nicht ausdrücklich als steuerfrei erklärten Zinsen aus sonstigen Kapitalforderungen (vgl. § 3 Nrn. 21, 54, § 3 a EStG) seien inländische Einkünfte i. S. des § 49 EStG. Bei dieser Sachlage kann es nicht als grob schuldhaft angesehen werden, wenn die Klägerin gegen einen Bescheid, der entsprechend dem Erklärungsvordruck alle Zinsen aus sonstigen Kapitalforderungen gegen inländische Schuldner erfaßte, keinen Rechtsbehelf einlegen ließ.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417490

BFH/NV 1991, 785

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