Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern Handelsrecht Gesellschaftsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Bei Gründung einer GmbH sind die durch den Gründungsvertrag entstandene Vorgesellschaft und die durch die Eintragung ins Handelsregister zur Entstehung gelangte GmbH auch grunderwerbsteuerlich als dasselbe Rechtsgebilde anzusehen.

 

Normenkette

GrEStG § 1 Abs. 1 Ziff. 1, § 15 Nr. 1; GmbHG § 11/1

 

Tatbestand

Die Beschwerdegegnerin (Bgin.) wurde durch notariell beurkundeten Gesellschaftsvertrag vom 3. November 1949 gegründet und am 20. Februar 1950 ins Handelsregister eingetragen. Für die Einkommens- und Vermögensbesteuerung wurde als Beginn des ersten Geschäftsjahrs der Gesellschaft im Einvernehmen mit dem zuständigen Finanzamt der 1. Januar 1949 festgesetzt, nachdem der von den Gesellschaftern als Stichtag in Aussicht genommene 21. Juni 1948 vom Finanzamt nicht anerkannt worden war.

Gesellschafter waren der Kaufmann X. und seine Ehefrau. Die Stammeinlage des Ehemanns bestand in den Aktiven und Passiven eines von ihm bis dahin betriebenen Einzelhandelsunternehmens. Zum Vermögen dieses Unternehmens gehörte das in Betracht kommende Grundstück; die Auflassung dieses Grundstücks wurde gleichzeitig im Vertrag vom 3. November 1949 erklärt. Als Wert des Grundstücks einschließlich der darauf stehenden Gebäude sind in den Bilanzen der GmbH zum 21. Juni 1948 und zum 1. Januar 1950 55.100 DM aufgeführt.

Das Finanzamt setzte die Grunderwerbsteuer durch Steuerbescheid vom 1. April 1950 unter Beachtung des § 13 Abs. 2 Ziff. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) und unter Berücksichtigung der Wertverhältnisse vom 21. Juni 1948 nach einem Wert von 55.100 DM auf 3.586,95 DM fest. Der Steuerbescheid wurde rechtskräftig. Auf Grund einer Prüfungserinnerung des zuständigen Landesrechnungshofs wurde die Steuer durch berichtigten Steuerbescheid (ß 222 Abs. 1 Ziff. 3 der Reichsabgabenordnung - AO -) vom 8. März 1955 unter Zugrundelegung eines übernahmewerts von 105.659 DM und unter Beachtung des § 13 Abs. 2 Ziff. 1 GrEStG auf 6.910,05 DM festgesetzt. Hierbei wurden die Wertverhältnisse am 20. Februar 1950, d. h. am Tage der Eintragung der Bgin. in das Handelsregister, zugrunde gelegt; damit waren die Wertverbesserungen, die bis zu diesem Zeitpunkt durch Errichtung von Baulichkeiten eingetreten waren, mitberücksichtigt.

Streitig wurde, ob die Wertverhältnisse am 1. Januar 1949 (Beginn des ersten Geschäftsjahres), am 3. November 1949 (Tag des Gesellschaftsvertrags und der Auflassung) oder am 20. Februar 1950 (Tag der Eintragung ins Handelsregister) für die Besteuerung maßgebend sind.

Das Finanzgericht hat diese Frage nicht geprüft, sondern der Berufung stattgegeben, weil es der Auffassung ist, daß als Steuerschuldner nicht die Bgin., sondern die Gesellschafter in Betracht kommen. Die Steuer beruhe, so führt es aus, auf § 1 Abs. 1 Ziff. 1 GrEStG. Die Bgin. sei erst durch die Eintragung ins Handelsregister zur Entstehung gelangt; die Steuerschuld sei aber bereits am 3. November 1949 eingetreten. Steuerschuldner aus dem Rechtsgeschäft vom 3. November 1949 seien gemäß § 15 Ziff. 1 GrEStG die beiden Gesellschafter, nicht aber die Bgin. Diese könne lediglich für Steuern in Anspruch genommen werden, die nach der Eintragung ins Handelsregister entstanden seien. Allerdings könne der Steuerbescheid nicht in vollem Umfang aufgehoben werden; er müsse nach § 234 AO auf den Betrag ermäßigt werden, auf den der frühere Steuerbescheid vom 1. April 1950 gelautet habe, d. h. auf 3.586,95 DM. Die besonderen Voraussetzungen, unter denen eine Ermäßigung unter den ursprünglichen Steuerbetrag trotz § 234 AO möglich sei (siehe Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs IV 37/50 vom 13. Juni 1950, Steuerrechtsprechung in Karteiform AO § 222 Rechtsspruch 2, und Urteil des Bundesfinanzhofs IV 363/54 U vom 6. Oktober 1955, Slg. Bd. 61 S. 410, Bundessteuerblatt 1955 III S. 356), seien nicht gegeben, denn zu der Frage, wer Steuerschuldner sei, seien durch eine Prüfung neue Tatsachen oder Beweismittel nicht bekannt geworden.

Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) macht der Vorsteher des Finanzamts geltend, daß die GmbH, auch wenn die Steuerschuld zu einem früheren Zeitpunkt entstanden sei, als Steuerpflichtige in Anspruch genommen werden könne. Denn die zunächst als Gesellschaft des bürgerlichen Rechts bestehende Vereinigung der Gesellschafter sei infolge der Eintragung der GmbH ins Handelsregister mit dieser personengleich. Schuldner der Grunderwerbsteuer sei daher auch die GmbH. Allerdings seien der Steuerfestsetzung die Wertverhältnisse zugrunde gelegt worden, die am Tage der Eintragung der GmbH (d. h. am 20. Februar 1950) bestanden hätten. Es sei zuzugeben, daß insoweit auch eine andere Möglichkeit bestehen könne, zumal für die Wertermittlung grundsätzlich der Zeitpunkt maßgebend sei, in dem der steuerpflichtige Rechtsvorgang stattfand. Das sei allerdings der 3. November 1949. Unter Berücksichtigung der Wertverhältnisse in diesem Zeitpunkt würde sich ein Steuerbetrag von 5.782,90 DM ergeben.

Die Bgin. führt aus, die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts und die GmbH seien nicht als dieselbe Rechtsperson anzusprechen, wenn auch zuzugeben sei, daß die Gesellschafter dieser Gesellschaften personengleich seien. Die Bgin. hat sich zwar der Rb. nicht angeschlossen, sie hat jedoch beantragt, den Steuerbetrag auf 0 DM festzustellen, und die Auffassung vertreten, daß der § 234 AO nicht anwendbar sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Zurückverweisung des Streitfalls an das Finanzgericht.

Der Rb. ist darin zuzustimmen, daß die GmbH nach § 15 Ziff. 1 GrEStG als Steuerschuldnerin in Anspruch genommen werden konnte. Zutreffend ist, daß die GmbH vor dem 20. Februar 1950, d. h. vor ihrer Eintragung in das Handelsregister, nicht bestand (ß 11 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung). Zivilrechtlich werden jedoch die Vorgesellschaft, d. h. die durch den Gesellschaftsvertrag vom 3. November 1949 zustande gekommene Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, und die durch die Eintragung im Handelsregister zur Entstehung gelangte GmbH als dasselbe Rechtsgebilde angesehen. Die Vorgesellschaft ist kein von der künftigen GmbH zu trennendes selbständiges Gebilde, sondern nur eine rechtliche Erscheinungsform derselben Gesellschaft. Sie wird als mit der GmbH wesensgleich angesehen. Aus der Vorgesellschaft wird durch die Eintragung eine GmbH. Das Vermögen der Vorgesellschaft wird Vermögen der GmbH, Pflichten der Vorgesellschaft, die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergeben, werden zu Pflichten der GmbH, Rechte der Vorgesellschaft, die auf dem Gesellschaftsvertrag beruhen, werden zu Rechten der GmbH; siehe dazu die Urteile des Reichsgerichts II 254/33 vom 13. Februar 1934 (Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 143 S. 368), V 62/31 vom 4. November 1931 (Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 134 S. 121), Rep. II 236/15 vom 26. Oktober 1915 (Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 87 S. 246), Rep. II 532/13 vom 16. Dezember 1913 (Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 83 S. 370) und Rep. II 81/13 vom 22. Mai 1913 (Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 82 S. 288). Die gleiche Auffassung ist vom Obersten Finanzgerichtshof in einem Urteil II 35/49 S vom 19. April 1950 (Slg. Bd. 54 S. 474) für die Gesellschaftsteuer vertreten worden. Entsprechendes muß auch für die Grunderwerbsteuer gelten. Demgemäß mußte das Finanzamt sowohl den Steuerbescheid vom 1. April 1950 als auch den berichtigten Steuerbescheid vom 8. März 1955 an die GmbH als Steuerschuldnerin richten. Die Vorgesellschaft kam nach Eintragung der GmbH in das Handelsregister als Steuerschuldnerin nicht mehr in Betracht. Die abweichende Auffassung des Finanzgerichts beruht auf einem Rechtsirrtum.

Die Vorentscheidung war deshalb aufzuheben. Damit erledigen sich zugleich die Anträge der Bgin. Die Sache ist nicht spruchreif. Zweifelhaft ist, ob als Stichtag der Steuerberechnung der 1. Januar 1949, der 3. November 1949 oder der 20. Februar 1950 in Betracht kommt. Dazu sei bemerkt: Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats ist das veräußerte Grundstück für die Berechnung der Grunderwerbsteuer in dem Zustand der Besteuerung zugrunde zu legen, in dem es die Beteiligten zum Gegenstand des Erwerbsvorgangs gemacht haben. Siehe Urteil des Bundesfinanzhofs II 254/52 U vom 4. Februar 1953 (Slg. Bd. 57 S. 176, BStBl 1953 III S. 69) und II 191/52 U vom 1. April 1953 (Slg. Bd. 57 S. 371, BStBl 1953 III S. 145). Dabei ist nicht ausschlaggebend, welcher Tag bei der Einkommens- oder Vermögensbesteuerung als Stichtag angesetzt worden ist. Für die Grunderwerbsteuer sind vielmehr die wirklichen Verhältnisse maßgebend. Es kommt darauf an, ob die in Betracht kommenden Wertverbesserungen unter Berücksichtigung der Auslegungsgrundsätze des § 1 Abs. 3 in Verbindung mit § 1 Abs. 2 des Steueranpassungsgesetzes namens und für Rechnung des Gesellschafters X. oder ob sie namens und für Rechnung der GmbH oder der Vorgesellschaft ausgeführt wurden; vgl. auch das Urteil des Bundesfinanzhofs II 114/54 U vom 15. Dezember 1954 (Slg. Bd. 60 S. 135, BStBl 1955 III S. 53). Wertverbesserungen, die bereits durch die GmbH oder die dieser vorangehende Gesellschaft und mit Mitteln dieser Gesellschaften vorgenommen wurden, unterliegen nicht der Besteuerung.

Andererseits wird darauf hingewiesen, daß für die Steuerberechnung nicht der Wert des Grundstücks (ß 10 Abs. 2 GrEStG), sondern der Wert der Gegenleistung maßgebend ist (ß 10 Abs. 1 GrEStG). Die Berechnung der Gegenleistung richtet sich nicht nach den in die einkommen- oder vermögensteuerliche Eröffnungsbilanz eingesetzten Werten. Entscheidend sind vielmehr ausschließlich die Werte, die sich auf Grund der §§ 2 bis 17 BewG ergeben. Dabei sind Wirtschaftsgüter, die einem Unternehmen dienen, in der Regel mit dem Teilwert anzusetzen (ß 12 Abs. 1 BewG).

Die Sache war demnach zur erneuten Entscheidung an das Finanzgericht zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408633

BStBl III 1957, 28

BFHE 1957, 74

BFHE 64, 74

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