Leitsatz (amtlich)

Berechnung der grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung, wenn eine Personenhandelsgesellschaft an Gesellschafter oder deren Verwandte zu Unterpreis Grundstücke verkauft, welche diese Gesellschafter vorher als Miteigentümer "zum Einheitswert" in die Gesellschaft "eingebracht" hatten und deren "Mehrwert" ihnen nach dem Gesellschaftsvertrag allein (also nicht auch den übrigen Gesellschaftern) "zustehen" sollte.

 

Normenkette

GrEStG § 11

 

Verfahrensgang

FG Nürnberg

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) und sein Bruder hatten im Jahre 1955 als persönlich haftende Gesellschafter einer KG ihnen je zur Hälfte gehörende Grundstücke in diese KG "eingebracht" und auf sie übereignet.

Durch notariell beurkundeten Vertrag "kaufte" der Kläger 1965 von der KG eines dieser eingebrachten Grundstücke für 10 000 DM. Der Kaufpreis für das unbelastete Grundstück entsprach dem Einheitswert.

Durch zwei Verträge vom selben Tag "kaufte" auch der Sohn des Bruders des Klägers zwei der eingebrachten Grundstücke von der KG.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) vertrat die Auffassung, durch die Entnahme des Grundstückes habe der Kläger Gesellschaftsrechte an der KG aufgegeben und dadurch eine Gegenleistung i. S. des § 11 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) für die Übertragung des Grundstückes erbracht. Die Gesellschaftsrechte bewertete es entsprechend dem geschätzten Verkehrswert des Grundstückes. Nach dieser Gegenleistung berechnete es die Grunderwerbsteuer, wobei gemäß § 96 Abs. 1 GrEStG ein Anteil von X % steuerfrei blieb. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Auf die Klage setzte das Finanzgericht (FG) die Grunderwerbsteuer herab. Die Steuer sei nach dem vereinbarten Kaufpreis von 10 000 DM zu berechnen. Von diesem Betrag seien gemäß § 96 Abs. 2 GrEStG X % nicht zu erheben. Neben dem Kaufpreis habe der Kläger keine weitere Gegenleistung erbracht. Insbesondere habe er nicht zusätzlich auf Gesellschaftsrechte verzichtet. Das Grundstück sei im Jahre 1955 in die Gesellschaft eingebracht und das Kapitalkonto nur um 10 000 DM erhöht worden. Ein eventueller Mehrwert der Grundstücke sei der Gesellschaft daher nie zugeflossen, so daß auch der Kläger bei dem Erwerb des Grundstückes im Jahre 1965 nicht auf zusätzliche Gesellschaftsrechte habe verzichten können.

Mit seiner Revision beantragt das FA, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des FA führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Der Vertrag vom ... 1965 unterliegt der Grunderwerbsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG).

1. a) Die Höhe der Steuer richtet sich nach der Gegenleistung (§ 11 GrEStG). Der vereinbarte Kaufpreis in Höhe von 10 000 DM ist nur ein Teil dieser Berechnungsgrundlage. Denn zur Gegenleistung i. S. des § 11 GrEStG gehört jede Leistung, die der Erwerber als Entgelt für den Erwerb des Grundstückes gewährt, oder der Veräußerer als Entgelt für die des Grundstückes empfängt (vgl. das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16. Februar 1977 II R 89/74, BFHE 122, 338, BStBl II 1977, 671). Demnach ist auch im vorliegenden Fall die Grunderwerbsteuer von sämtlichen Leistungen zu berechnen, welche der Kläger für den Erwerb des Grundstuckes erbracht hat. Dabei ist es gleichgültig, ob man den Vertrag vom ... 1965 als Kaufvertrag oder als gesellschaftsrechtlichen Vorgang (Entnahme) ansieht. Der Gegenleistungsbegriff des § 11 GrEStG ist nicht auf gegenseitige Verträge beschränkt (BFHE 122, 338, 343, BStBl II 1977, 671, 674).

b) Das FG hat zwar zutreffend ausgeführt, der Kläger habe auf irgendwelche über den Wert des Kaufpreises hinausgehende Gesellschaftsrechte nicht verzichtet. Nach den Feststellungen des FG und dem Inhalt des Gesellschaftsvertrages (§ 12 Abs. 8) hatten der Kläger und sein Bruder die Grundstücke "zu den Einheitswerten eingelegt". Sie waren berechtigt, diese Grundstücke "zum gleichen Betrag wieder zu entnehmen"; im Falle des Verkaufes der Grundstücke oder der Liquidation der Gesellschaft standen dem Kläger und seinem Bruder "die Mehrwerte" allein zu. Dies bedeutet aber, daß der Kläger mit der Einbringung der Grundstückshälften zum Einheitswert einen Anspruch gegen die Gesellschaft erlangte, wonach er entweder die Rückübereignung der Grundstückshälften oder in bestimmten Fällen Ersatz der Wertdifferenz zwischen Einheitswert und gemeinem Wert fordern konnte.

Der vorgenannte Anspruch beeinflußt teilweise die Berechnungsgrundlage der Steuer.

aa) Soweit sich der Anspruch auf den Hälfteanteil des Klägers an demjenigen Grundstück bezog, das er selbst erwarb, zählt der Wert des Anspruches nicht zur Berechnungsgrundlage der Steuer. Nach dem Gesellschaftsvertrag konnten der Kläger und sein Bruder - wie bereits dargestellt - entweder die Grundstücke wieder zum Einheitswert entnehmen (erwerben) oder beim Verkauf den Mehrwert fordern. Soweit der Kläger von der Möglichkeit des Rückerwerbes des vorher von ihm eingebrachten Hälfteanteils Gebrauch machte, konkretisierte sich daher der Anspruch auf den Mehrwert in einen Anspruch auf Rückübereignung des Hälfteanteils. Der Wert eines auf die Grundstücksübereignung gerichteten und durch diese Übereignung zu erfüllenden Anspruchs zählt aber nicht zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung. Das zeigt die Vorschrift des § 11 GrEStG, welche den Wert des Übereignungsanspruchs i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, welcher durch die Übereignung des Grundstückes erfüllt wird, nicht erfaßt. Anders liegen nur diejenigen Fälle, in denen als Entgelt für den Eigentumsübergang an dem Grundstück anderweitige Ansprüche aufgegeben werden oder durch die Grundstücksübereignung ersatzweise erfüllt werden. Dementsprechend zählt die Aufgabe von Gesellschaftsrechten an einer Personengesellschaft beim Übergang des Grundstückseigentums von der Gesellschaft auf den Gesellschafter zur Gegenleistung (vgl. BFH-Urteil vom 16. Februar 1977 II R 89/74 vorletzter Absatz der Gründe, BFHE 122, 338, BStBl II 1977, 671). Ebenso umfaßt die Gegenleistung einen Zahlungsanspruch, der gemäß § 364 Abs. 1 BGB durch die Übereignung eines Grundstucks an Erfüllungs Statt erlischt (§ 11 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG).

bb) Soweit der eingangs genannte Anspruch des Klägers auf den Mehrwert sich auf die Hälfteanteile des Klägers an denjenigen Grundstücken bezog, die der Sohn seines Bruders erworben hat, konkretisierte sich dieser Anspruch in einen Zahlungsanspruch, denn nachdem Gesellschaftsvertrag stand dem Kläger beim Verkauf dieser Hälfteanteile (an andere Personen als den Kläger) der Mehrwert zu, also dessen Ersatz in Geld. Auf diesen Zahlungsanspruch hat der Kläger als Gegenleistung für den Erwerb des Grundstückes verzichtet (§ 11 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG). Es ist vom FG nicht festgestellt und auch vom Kläger nicht behauptet worden, daß ihm dieser Mehrwert vergütet worden ist. Der Zahlungsanspruch bemißt sich jeweils nach der Differenz zwischen dem halben Einheitswert und dem halben gemeinen Wert der an den Neffen (Sohn des Bruders) des Klägers verkauften Grundstücke, weil dem Kläger diese Grundstücke vor der Übereignung auf die KG je zur Hälfte gehört hatten.

2. Insgesamt besteht die Gegenleistung i. S. des § 11 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 GrEStG demnach in dem vereinbarten Kaufpreis und dem unter 1 b, bb, genannten Verzicht auf den Anspruch auf Ersatz des Mehrwertes.

Gemäß § 6 Abs. 2 GrEStG wird die Steuer in Höhe von X % nicht erhoben.

Den Mehrwert kann der Senat nicht selbst berechnen, weil das FG - aus seiner Sicht zu Recht - den gemeinen Wert der an den Neffen des Klägers verkauften Grundstücke nicht festgestellt hat. Die nicht spruchreife Sache wird daher an das FG zurückverwiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413478

BStBl II 1981, 174

BFHE 1981, 111

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