Leitsatz (amtlich)

1. Hat das FA im Jahre des Übergangs von der Einnahmeüberschußrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) zum Bestandsvergleich (§ 4 Abs. 1 und § 5 EStG) den Übergangsgewinn fehlerhaft ermittelt und ist die Veranlagung des Übergangsjahres bestandskräftig geworden, so kann eine Berichtigung des Übergangsgewinns nur insoweit vorgenommen werden, als die Veranlagung nach den Steuergesetzen unter Beseitigung der Bestandskraft noch geändert oder berichtigt werden kann.

2. Die Verteilung des Übergangsgewinns auf das Übergangsjahr und die beiden folgenden Jahre nach Abschn. 19 Abs. 2 EStR gestattet es dem FA nicht, den Übergangsgewinn zu berichtigen und den Steuerfestsetzungen der noch nicht bestandskräftig veranlagten Folgejahre zugrunde zu legen.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 1, 3, § 5; AO § 131 Abs. 1 S. 3, Abs. 2

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beklagte und Revisionskläger (FA) einen im Jahr des Übergangs von der Einnahmeüberschußrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) zum Bestandsvergleich (§ 4 Abs. 1 und § 5 EStG) - 1962 - angesetzten Korrektivposten erhöhen und, da das Übergangsjahr bestandskräftig veranlagt war, die Erhöhung bei der Einkommensteuerveranlagung des Folgejahres 1963 berücksichtigen durfte.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), der bisher seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt hatte, ging am 1. Januar 1962 zur Gewinnermittlung nach dem Bestandsvergleich über. Auf Grund einer Aufstellung des Klägers, die u. a. einen negativen Korrektivposten "Warendarlehen" von 8 000 DM auswies und den das FA als Warenschuld ansah, ermittelte dieses gemäß Abschn. 19 Abs. 1 EStR 1961 einen am 31. Dezember 1961 noch nicht erfaßten Gewinn aus Gewerbebetrieb (Übergangsgewinn) von 3 947,59 DM, den es antragsgemäß nach Abschn. 19 Abs. 2 EStR 1961 auf das Jahr 1962 mit 1 317,29 DM und mit je 1 315 DM auf die Jahre 1963 und 1964 verteilte.

Nach Bestandskraft der Veranlagung 1962 und auf Grund der für den Veranlagungszeitraum 1963 vorgelegten Bilanz stellte das FA fest, daß es sich bei dem "Warendarlehen" um ein Gelddarlehen handelte, das der Kläger zur Bezahlung von Warenschulden aufgenommen hatte. Das FA erkannte die auf dem Darlehen beruhende Verbindlichkeit nicht mehr als negativen Korrektivposten an und rechnete jeweils 4 000 DM den Bilanzgewinnen der Jahre 1963 und 1964 hinzu. Danach ergab sich für 1963 ein Korrektivposten von 5 315 (ursprünglich 1 315) DM. Den Korrektivposten bei der Einkommensteuerveranlagung 1962 ließ das FA unverändert.

Die nach erfolglosem Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 1963 erhobene Klage hatte Erfolg.

Das FG führte im wesentlichen aus:

Es könne dahingestellt bleiben, wie sich das Darlehen auf die Zu- und Abrechnung beim Übergang zum Bestandsvergleich auswirke. Denn diese Frage sei in der auf den Wechsel der Gewinnermittlungsart folgenden Veranlagung, also für das Jahr 1962, zu berücksichtigen. Die Hinzurechung eines Teils des korrigierten Übergangsgewinns erstmals bei der Einkommensteuerveranlagung 1963 sei unzulässig.

In der Sache selbst könne es nicht entscheiden, weil das FA zunächst die Einkommensteuerveranlagung für 1962 berichtigen müsse, die nicht Gegenstand des Rechtsstreits sei. Aus dieser Berichtigung ergebe sich dann unter Beachtung des Abschn. 19 Abs. 2 EStR die Auswirkung auf das Streitjahr 1963.

Mit der Revision beantragt das FA, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen. Es rügt Verletzung materiellen Rechts (§ 4 Absätze 1 und 3 und § 5 EStG in Verbindung mit § 213 AO).

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Das FG ging im Ergebnis zutreffend davon aus, daß das FA die Erhöhung des Übergangsgewinns 1962 nicht auf die Veranlagungszeiträume 1963 und 1964 verteilen durfte. Der steuerlichen Berücksichtigung des berichtigten Übergangsgewinns in späteren Veranlagungszeiträumen steht die Bestandskraft der Einkommensteuerveranlagung 1962 entgegen.

Geht ein Steuerpflichtiger von der Überschußrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG zur Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG über, so ist die Zunahme des Betriebsvermögens, die sich in der Zeit der Überschußrechnung gewinnmindernd auswirkte, dem laufenden Bilanzergebnis nach Übergang zum Bestandsvergleich hinzuzurechnen und eine Minderung des Betriebsvermögens, die sich während der Überschußrechnung nicht als Betriebsausgaben auswirkte, von ihm abzurechnen. Das entspricht der ständigen Rechtsprechung des RFH und BFH, die der erkennende Senat übernommen hat (BFH-Urteile vom 19. Oktober 1971 VIII R 27/66, BFHE 103, 404, BStBl II 1972, 106, und vom 24. Oktober 1972 VIII R 32/67, BFHE 108, 39, BStBl II 1973, 233). Auf diese Entscheidungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezung genommen. Das Gelddarlehen von 8 000 DM, das sich in Wirklichkeit hinter dem "Warendarlehen" verbarg, in dem das FA eine Warenschuld gesehen hatte, konnte daher den beim Übergang zum Bestandsvergleich erforderlichen Korrektivposten nicht mindern. Denn die Aufnahme eines Gelddarlehens fürt auch im Rahmen der Überschußrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG nicht zu einer Vermögensminderung (vgl. BFH-Urteil vom 8. Oktober 1969 I R 94/67, BFHE 97, 76, BStBl II 1970, 44).

Der erkennende Senat hat sich der bisherigen Rechtsprechung auch insofern angeschlossen, als sie im Anschluß an das RFH-Urteil vom 7. Dezember 1938 VI 774/37 (RStBl 1939, 172) die erforderlichen Zu- und Abrechnungen (Übergangsergebnis) dem ersten Jahr des Bestandsvergleichs (Übergangsjahr) grundsätzlich als Besteuerungsmerkmal zuordnete (zuletzt im Urteil VIII R 32/67 mit weiteren Nachweisen).

Zu einer nochmaligen Überprüfung dieser Rechtsprechung bietet der Streitfall keinen Anlaß. Zwar hat der IV. Senat in seiner Entscheidung vom 23. Juli 1970 IV 270/65 (BFHE 99, 540, BStBl II 1970, 745) ausgeführt, daß unter besonderen Umständen die wegen Wechsels der Gewinnermittlungsart erforderliche Gewinnkorrektur in einem späteren Jahr nachgeholt werden könne. Diese Grundsätze sind aber nicht anwendbar, wenn eine Berechnung des Übergangsergebnisses bereits erfolgt und diese fehlerhaft ist. In diesem Fall erstreckt sich die Bestandskraft der Veranlagung des Übergangsjahres auch auf den fehlerhaft ermittelten Übergangsgewinn.

Eine Aufspaltung des einheitlichen Betriebsergebnisses des Übergangsjahres in einen normalen Gewinn und einen Übergangsgewinn ist nicht zulässig (BFH-Urteil vom 25. Juni 1970 IV 340/65, BFHE 99, 531, BStBl II 1970, 755). Wird die Korrektur bei der Veranlagung des Übergangsjahres berücksichtigt, wie es der Übung der Verwaltung (Abschn. 19 Abs. 1 EStR) und der sie billigenden Rechtsprechung entspricht, so müssen hieraus auch die verfahrensrechtlichen Konsequenzen gezogen werden. Ist die Veranlagung bestandskräftig, so kann eine Berichtigung nur insoweit vorgenommen werden, als die Veranlagung nach den Steuergesetzen unter Beseitigung der Bestandskraft noch geändert oder berichtigt werden kann. Da eine Änderung oder Berichtigung durch das FA bisher nicht erfolgt ist, ist es an die bisherige fehlerhafte Berechnung des Übergangsgewinns auch für die Folgejahre gebunden.

An dieser Beurteilung ändert die Verteilung des Übergangsgewinns durch das FA auf das Übergangsjahr und die beiden folgenden Jahre nichts. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 131 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 AO in Verbindung mit Abschn. 19 Abs. 2 EStR (BFH-Urteil VIII R 32/67 mit weiteren Nachweisen). Die in Abschn. 19 EStR in ihren Voraussetzungen im einzelnen näher dargelegte Verwaltungsanordnung stimmt auch hinsichtlich der dort vorgesehenen Verteilungsmöglichkeit mit dem Gesetz überein (vgl. BFH-Urteile vom 9. Januar 1962 I 101/60 S, BFHE 74, 641, BStBl III 1962, 238, und vom 6. Mai 1971 IV R 59/69, BFHE 102, 493, BStBl II 1971, 664). Auch der erkennende Senat hat sie als eine rechtlich nicht zu beanstandende Billigkeitsregelung seinen Entscheidungen zugrunde gelegt (zuletzt im Urteil VIII R 32/67). Wenn die Rechtsprechung des BFH in mehreren Entscheidungen weiter darauf hinwies, daß sich diese Billigkeitsentscheidung nicht nur bei der Berechnung der Steuer der Folgejahre, sondern auch dahin auswirkt, daß der Gewinn der Folgejahre endgültig verändert wird (Urteile vom 22. Juni 1966 VI 340/65, BFHE 86, 509, BStBl III 1966, 540; IV 340/65; vom 7. Dezember 1971 VIII R 22/67, BFHE 104, 340, BStBl II 1972, 338), so kann daraus jedoch nicht entnommen werden, daß im Rahmen der Steuerfestsetzungen der Folgejahre auch noch eine berichtigte Ermittlung des rechtskräftig veranlagten Übergangsergebnisses zugrunde gelegt werden kann, wie dies das FA für möglich hält. Die den Gewinn der Folgejahre beeinflussenden - feststellenden und festsetzenden - Entscheidungen des FA werden bereits im Übergangsjahr in bindender Form getroffen. Die kraft Gesetzes in das Veranlagungsverfahren integrierte Billigkeitsprüfung wirkt sich allein auf die Festsetzung der konkreten Steuerschuld des Übergangsjahres und der Folgejahre aus. Nur insoweit werden durch die Billigkeitsentscheidung gemäß Abschn. 19 Abs. 2 EStR die Auswirkungen der festgestellten Besteuerungsgrundlagen - so wie sie sich aus § 3 Abs. 1 des Steueranpassungsgesetzes, § 25 EStG ergäben - verändert (Verteilungswirkung). Bei dieser Rechtslage kann dahingestellt bleiben, ob und in welchem Umfang die Billigkeitsentscheidung als solche - die mit der Steuerfestsetzung des Übergangsjahres bestandskräftig geworden ist (sog. eingleisiges Verfahren, BFH-Urteil IV R 59/69) - für das Streitjahr noch geändert werden konnte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70814

BStBl II 1974, 303

BFHE 1974, 40

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