Leitsatz (amtlich)

Gründet eine Ordensgenossenschaft eine Verwaltungsgesellschaft in der Rechtsform der GmbH, der sie das ihrer Verwaltung unterliegende Privat- und Mitgiftenvermögen der Ordensangehörigen überträgt, so wird das eingebrachte Vermögen Betriebsvermögen der GmbH. Die Erträge dieses Vermögens hat die GmbH voll als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu versteuern, wenn sie nicht im Innenverhältnis eindeutig im Auftrag der Ordensgenossenschaft und erkennbar für fremde Rechnung handelt.

 

Normenkette

StAnpG § 11; KStDV § 16

 

Tatbestand

Die Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige) ist mit notariellem Vertrag vom 3. Juli 1952 als Verwaltungsgesellschaft in der Rechtsform der GmbH gegründet worden. Das Stammkapital in Höhe von 20 000 DM liegt in den Händen zweier Ordensschwestern, die die Mittel zur Gründung der Steuerpflichtigen von ihrer Ordensgenossenschaft erhalten hatten. Der Zweck der Steuerpflichtigen ist nach § 2 des Vertrages die Verwaltung des Vermögens und der Mitgiften der Mitglieder der Ordensgenossenschaft gemäß den Bestimmungen des kirchlichen Rechts und den Satzungen der Genossenschaft. Die Steuerpflichtige hat - nach den Feststellungen des FG - das Vermögen der Schwestern zu erhalten, nutzbringend anzulegen und - einschließlich der Mitgiften - zurückzugeben, falls eine der Schwestern aus der Genossenschaft ausscheidet. Die Mitgift unterscheide sich von dem übrigen Vermögen der Schwester im wesentlichen dadurch, daß die Nutzung der Mitgift dem Orden zustehe, während die Erträgnisse der übrigen Vermögensteile der Schwester selbst zufielen. Die Steuerpflichtige hat die Erträge des von ihr verwalteten Vermögens einem Treuhandertragskonto zugeführt. Einen Gewinn hat sie nicht ausgewiesen. Den Bestand des Treuhandertragskontos betrachtet sie als einen Teil des von ihr verwalteten Vermögens. Unter den in der als Bilanz bezeichneten Übersicht ausgewiesenen aktiven Vermögenswerten (insbesondere Grundstücke und Gebäude, Wertpapiere, eine Kommanditbeteiligung, Hypothekenforderungen und Sparguthaben) unterscheidet sie zwischen Eigenvermögen und Fremd- oder Treuhandvermögen nicht.

Die zum Vermögen der Steuerpflichtigen gehörenden Grundstücke und Gebäude sind aus den von der Steuerpflichtigen verwalteten Mitteln erworben bzw. errichtet worden. Die Wertpapiere wurden zum Teil als schon vorhandenes Schwesternvermögen übernommen, zum Teil später von einzelnen Ordensschwestern übergeben und zum Teil auch von der Steuerpflichtigen selbst aus den verwalteten Mitteln erworben. Die Hypothekenforderungen sind auf den Namen der Schwestern eingetragen, zu deren Vermögen sie gehören. Von den Sparguthaben ist eines, auf den Namen der Ordensgenossenschaft lautend, aus Mitgiftenvermögen, das andere, auf den Namen der Steuerpflichtigen lautend, aus sonstigem Schwesternvermögen angesammelt worden.

Die zum Vermögen der Steuerpflichtigen gehörende Kommanditbeteiligung in Höhe von 105 000 DM hat die Steuerpflichtige im Jahre 1953 zum Nennbetrag erworben. 40 000 DM wurden an die Verkäuferin gezahlt; die restlichen 65 000 DM hat die Verkäuferin an eine ihr nahestehende, von der Ordensgenossenschaft verwaltete Stiftung abgetreten. In dem unanfechtbar gewordenen einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid ist der auf die Kommanditbeteiligung entfallende Gewinnanteil für das Jahr 1954 der Steuerpflichtigen voll zugerechnet worden.

Der Revisionskläger (das FA) hat in dem angefochtenen Steuerbescheid vom 28. Oktober 1959 den gesamten von der Steuerpflichtigen für das Streitjahr ermittelten Ertrag zuzüglich des Gewinnanteils aus der Kommanditbeteiligung der Steuerpflichtigen als Gewinn zugerechnet. Der Einspruch der Steuerpflichtigen blieb ohne Erfolg und führte im Ergebnis durch Berücksichtigung einer Änderung der einheitlichen Gewinnfeststellung zu einer Heraufsetzung der Steuer. Demgegenüber gab das FG mit seiner in EFG 1966, 345 veröffentlichten Entscheidung der Berufung der Steuerpflichtigen im wesentlichen statt.

Mit seiner Revision gegen diese Entscheidung macht das FA geltend, die Steuerpflichtige habe ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem FG am 17. Mai 1965 wiederholt betont, daß das von ihr verwaltete Vermögen bürgerlich-rechtlich ihr alleiniges und nicht fiduziarisch gebundenes Eigentum sei. Sie könne deshalb nicht entgegen ihrem erklärten Willen vom FG als Treuhänderin der Ordensgenossenschaft angesehen werden. Auch der Kommanditanteil gehöre nach dem notariellen Kaufvertrag vom 5. November 1953 allein der Steuerpflichtigen; lediglich ein Teil der Kaufpreisforderung sei an die Stiftung abgetreten worden. Der Kommanditanteil könne deshalb nicht als fiduziarisches Eigentum der Steuerpflichtigen angesehen werden.

Das FA beantragt die Wiederherstellung der Einspruchsentscheidung vom 27. September 1960.

Die Steuerpflichtige behauptet demgegenüber das Bestehen eines Auftragsverhältnisses; sie hat sich der Revision des FA insoweit angeschlossen, als sie die Aufhebung der Vorentscheidung und ihre volle Freistellung von der Körperschaftsteuer beantragt.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Wiederherstellung des Steuerbescheides in der Gestalt, die er durch die Einspruchsentscheidung vom 27. September 1960 gefunden hat. Die Anschlußrevision ist nicht begründet.

1. Dem FG ist darin zuzustimmen, daß bei Vorliegen eines Treuhandverhältnisses die Vorschriften des § 11 StAnpG auch bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Einkommens einer Körperschaft zu berücksichtigen sind. Im Streitfall liegt jedoch nach Auffassung des erkennenden Senats - entgegen der Rechtsauffassung des FG und in Übereinstimmung mit den Rechtsansichten der Beteiligten - ein Treuhandverhältnis zwischen der Steuerpflichtigen als Treuhänderin und der Ordensgenossenschaft als Treugeberin hinsichtlich der der Steuerpflichtigen zum Zwecke der Verwaltung zu Eigentum übertragenen Vermögenswerte nicht vor.

2. In tatsächlicher Hinsicht hat das FG zutreffend festgestellt, daß das Vermögen, das der Steuerpflichtigen zum Zwecke der Verwaltung übertragen wurde, rechtlich zunächst nicht im Eigentum der Ordensgenossenschaft, sondern im Eigentum der Ordensschwestern (Professen) stand. Die Profeß ist ein zweiseitiger Vertrag, der zwischen der Ordensgenossenschaft und der Professen geschlossen wird. Er hat nach Kirchenrecht als - hier gegebene - einfache Profeß zur Folge, daß die Professe das Eigentumsrecht an ihrem Privatvermögen behält, desgleichen die Fähigkeit, neues Privatvermögen - darunter auch durch Fruchtziehung ihres Privatvermögens - zu erwerben; das Recht, ihr Privatvermögen selbst zu verwalten und zu nutzen, geht ihr jedoch verloren. Sie gewinnt es zurück, wenn sie aus der Ordensgenossenschaft ausscheidet.

Hinsichtlich dieses Vermögens wird nun unterschieden:

Das Schwesternvermögen wird vom Orden für die Professen auf die Dauer ihrer Ordenszugehörigkeit verwaltet. Die Nutzungen des Vermögens stehen den Professen zu; sie mehren das Schwesternvermögen. Für den Fall ihres Todes verfügt die Professe über ihr Vermögen durch Testament.

Die Mitgift, die einen Beitrag der Professen zur Verwirklichung des durch die Profeß erworbenen Anspruchs auf lebenslangen - bzw. auf die Dauer der Ordenszugehörigkeit beschränkten - Unterhalt darstellt, wird vom Orden für die Professen auf die Dauer ihrer Ordenszugehörigkeit verwaltet. Die Nutzungen der Mitgift (ebenfalls ein Beitrag zum Lebensunterhalt der Professen) stehen - anders als die Nutzungen (Früchte) des Schwesternvermögens - dem Orden zu. Im Falle des Todes der Professen geht die Mitgift in das Eigentum der Ordensgenossenschaft über. Ob während der Lebenszeit der Professen der Orden oder die Professe selbst Eigentümer des Mitgiftvermögens ist, läßt das Kirchenrecht ungeklärt. Nach den Ausführungen der Steuerpflichtigen werden im Streitfall von der Ordensgenossenschaft die Schwestern als die Eigentümerinnen auch des Mitgiftvermögens angesehen, da es andernfalls Ordensvermögen wäre, die Steuerpflichtige aber nur das Privatvermögen und das Mitgiftvermögen der Schwestern verwaltet. (Siehe dazu Hanstein-Schäfer, Ordensrecht, 2. Aufl., S. 129 ff., 157 ff.).

3. Soweit dieses Vermögen der Steuerpflichtigen - als einer zur Führung von Büchern verpflichteten Kapitalgesellschaft des Handelsrechts (§§ 41 ff. des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung) - von der zur Verfügung über es berechtigten Ordensgenossenschaft zum Zwecke der Verwaltung zu Eigentum übertragen wurde, ist es Betriebsvermögen der Steuerpflichtigen geworden; die aus seiner Verwaltung angefallenen Erträge sind bei der Steuerpflichtigen Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 16 KStDV). Auf das von der Steuerpflichtigen behauptete Fehlen jedweder Absicht, durch die Verwaltung des Vermögens Gewinne zu erzielen, kommt es nicht an. Die Tätigkeit der Steuerpflichtigen als einer Kapitalgesellschaft gilt stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 GewStG, § 1 GewStDV; nicht veröffentlichtes Urteil des BFH I 9/58 vom 2. Juni 1959 zur Gewerbesteuerpflicht der Steuerpflichtigen); auch ist die Steuerpflichtige in Verwaltung des Vermögens nach außen im eigenen Namen tätig geworden. Sie hat auch im Innenverhältnis zwischen ihrem eigenen Vermögen und dem ihr übertragenen Vermögen - dem der Charakter einer Einlage seitens der Ordensgenossenschaft oder seitens dieser nahestehender Personen (der Professen) zukommt - keinen Unterschied gemacht und ist damit nicht im Auftrag und für Rechnung der früheren Eigentümer des Vermögens tätig geworden. Darüber hinaus war es der Sinn der Gründung der Steuerpflichtigen, auf diese Weise "günstigere Anlagen für dieses Vermögen finden zu können, als dies ihr (der Ordensgenossenschaft) selbst oder einem anderen Verwalter möglich wäre, und dadurch dieses Vermögen vor den Risiken etwaiger Währungsumstellungen weitgehend schützen zu können" (Anlage zum Schriftsatz der Steuerpflichtigen vom 29. April 1966).

Demgegenüber kann der Einwand der Steuerpflichtigen, das ihr übertragene Vermögen nur auftragsweise (im Sinne der Vorschriften des BGB über den Auftrag) verwaltet und genutzt zu haben, nicht durchgreifen. Wie zu entscheiden gewesen wäre, wenn dieser Einwand zuträfe, kann dahingestellt bleiben (siehe BFH-Urteil I 113/61 U vom 18. September 1962, BFH 75, 599, BStBl III 1962, 485). Die Bestimmung des § 16 KStDV ist die Folge des Umstandes, daß eine Kapitalgesellschaft im Rahmen ihrer Zweckbestimmung nur Betriebsvermögen haben kann (so auch Friedrich, Finanz-Rundschau 1966 S. 297), und Ausfluß des Gedankens, daß, wer zwischen sich und den Rechtsverkehr eine neue Rechtspersönlichkeit einschaltet, neben den Vorteilen, die ihm die Verwirklichung seines Wirtschaftswillens in einer besonderen Rechtsform bringt, auch die steuerlichen Folgen zu tragen hat (Urteil des RFH II A 540/32 vom 12. Januar 1934, RStBl 1934, 700).

Hieraus folgt, daß auch die Kommanditbeteiligung der Steuerpflichtigen, die diese selbst erworben hat, unbeschadet der Abtretung eines Teiles der Kaufpreisforderung durch die Verkäuferin an einen Dritten, ausschließlich zum Betriebsvermögen der Steuerpflichtigen gehört und die auf sie entfallenden Gewinnanteile Gewinn der Steuerpflichtigen aus Gewerbebetrieb sind. Einwendungen gegen die Zurechnung hätten zudem nur gegenüber dem Bescheid über die einheitliche Gewinnfeststellung geltend gemacht werden können (§ 232 Abs. 2 AO a. F.).

 

Fundstellen

Haufe-Index 68502

BStBl II 1969, 350

BFHE 1969, 167

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