Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht, Abgabenordnung Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Frage der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung (insbesondere des Geschäftsfreundebuches).

2. Führt ein Steuerpflichtiger ein Mehr an Aufzeichnungen als vorgeschrieben, so kann eine steuerliche Vergünstigung (z. B. §§ 7a, 7c EStG) nicht mit Rücksicht auf formelle Mängel bei diesem Mehr versagt werden.

AO § 161; EStG 1949 § 4 Abs. 1, Abs. 3; § 7a; § 10 Abs. 1 Ziff. 3; Veranlagungsgesetz vom 23. März 1950 § 15; VO über die Buchführung der Handwerker, Kleingewerbetreibenden und freien Berufe vom

 

Normenkette

AO § 161; EStG § 4 Abs. 1, 3, §§ 7a, 10 Abs. 1 Ziff. 3; BuchfVO § 1

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Bf.) betreibt einen Einzelhandel. Seit 1. Januar 1947 ermittelt er seinen Gewinn auf Grund des Bestandsvergleichs nach § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Er hat für II/1948 und für 1949 folgende Vergünstigungen beantragt:

1. Bewertungsfreiheit für Ersatzbeschaffung beweglicher Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens gemäß § 7a EStG,

2. Zusammenrechnung der Gewinne II/1948 und 1949 und Aufteilung auf die beiden Steuerabschnitte gemäß § 15 des Veranlagungsgesetzes II 1948 und 1949 (VG),

3. Vergünstigung für den nicht entnommenen Gewinn gemäß § 10 Abs. 1 Ziff. 3 EStG.

Im Oktober 1950 wurde eine Betriebsprüfung durchgeführt, die folgendes ergab:

Der Eigenverbrauch wurde nicht laufend aufgezeichnet. Als Eigenverbrauch hat der Bf. für II/1948 450 DM und für das Jahr 1949 1.140 DM eingesetzt. Der Prüfer hat diese Posten anerkannt:

Wareneingänge sind im Wareneingangsbuch teilweise nicht am Tag der Lieferung, sondern der Zahlung verbucht. Der Prüfer bemängelte ferner, daß ein Kontokorrentkonto nicht geführt werde, obwohl die Warenschulden erheblich an Umfang zugenommen hätten. Im Wareneingangsbuch sei nur der gezahlte Endbetrag, nicht der Warenpreis eingetragen, und a conto-Zahlungen seien nicht berücksichtigt.

Bei den Veranlagungen ist die Zusammenrechnung und Aufteilung der Gewinne nach § 15 VG vorgenommen sowie die Bewertungsfreiheit nach § 7 a EStG zugebilligt worden. Dagegen ist dem Bf. die Vergünstigung für den nicht entnommenen Gewinn nach § 10 Abs. 1 Ziff. 3 EStG versagt worden, weil die Buchführung durch das Fehlen der Eigenverbrauchsaufzeichnungen und eines Kontokorrentkontos den an sie gestellten Erfordernissen nicht entspreche. Im Einspruchsverfahren hat das Finanzamt den Steuerbescheid verbösert. Da die Buchführung nicht als ordnungsmäßig anzusehen sei, könnten auch die Vergünstigungen des § 7a EStG und des § 15 VG nicht gewährt werden. Zur Frage der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung führte es hierbei u. a. folgendes aus.

Bei dem Bf. hätten die unbaren Geschäftsvorfälle einen Umfang angenommen, der nicht mehr als unbedeutend anzusehen sei. Die Warenschulden seien am 31. Dezember 1948 auf 2.916,54 DM und am 31. Dezember 1949 auf 6.627,20 DM angewachsen und hätten damit an diesem letzten Stichtag sogar das Eigenkapital des Bf. überschritten. Zur Gewinnung eines überblickes über die unbaren Geschäftsvorfälle sei deshalb die Führung eines Geschäftsfreundebuches unerläßlich gewesen.

Die Berufung war ohne Erfolg. Das Finanzgericht sah den Mangel bei der Verbuchung des Eigenverbrauchs nicht als wesentlich an. Dagegen liege ein erheblicher Mangel der Buchführung insofern vor, als kein Kontokorrentkonto geführt werde.

Die Rechtsbeschwerde wendet sich in mehreren Punkten gegen die Vorentscheidung.

Sie ist der Auffassung, daß der Steuerpflichtige (Stpfl.) ein Kontokorrentbuch nicht zu führen brauche. Der Stpfl. sei Kleingewerbetreibender. Er führe für offene und bezahlte Lieferantenrechnungen besondere Ordner. Zu den Abschlußstichtagen habe er die Kreditoren in seiner Buchführung eingebucht. Diese Ersatzlösung ermögliche es zwar dem Stpfl. nicht, die übersicht über den Stand seines Vermögens zu jedem beliebigen Stichtag zu geben. Es sei aber ausreichend, daß man die Höhe der Warenschulden zum Abschlußstichtag feststellen könne.

 

Entscheidungsgründe

Die Prüfung der Rechtsbeschwerde ergibt folgendes:

Den Vorbehörden ist darin beizutreten, daß die Grundsätze der ordnungsmäßigen Buchführung bei den Verhältnissen des Stpfl. die Führung eines Kontokorrentbuches erfordern. Bereits in der Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 15/51 S vom 23. Februar 1951, Slg. Bd. 55 S. 199, Bundessteuerblatt (BStBl.) Teil III S. 75, wurde auf die Bedeutung des Kontokorrentbuches für die kaufmännische Buchführung hingewiesen. Eine der wichtigsten Aufgaben der Buchführung besteht, wie in diesem Urteil ausgeführt ist, darin, den Kaufmann über den Stand seiner Forderungen und seiner Verpflichtungen gegenüber seinen Geschäftsfreunden auf dem laufenden zu halten. Das Kontokorrentbuch mit einer kontenmäßigen Darstellung der unbaren Geschäftsvorfälle, aufgegliedert nach Geschäftsfreunden, hat diese wichtige Aufgabe zu erfüllen und wird deshalb in der einfachen Buchführung als das Hauptbuch bezeichnet. Hierzu kommt, daß das Kontokorrentbuch auch ein wichtiges Mittel der Gegenkontrolle darstellt. Die Verpflichtung des Kaufmanns zur Führung von Büchern hat auch ihren Grund darin, die Gläubiger des Kaufmannes zu sichern. Es mag zutreffen, daß der Bf. durch Sammlung der Rechnungen in besonderen Ordnern in der Lage ist, die Abdeckung der Rechnungen zu überwachen. Dieses Verfahren entspricht aber nicht den Formen der kaufmännischen Buchführung. Fehlt einer Buchführung das Geschäftsfreundebuch, so ist eine formell ordnungsmäßige kaufmännische Buchführung nicht gegeben, es fehlt, wie in der Entscheidung des Obersten Finanzgerichtshofs IV 78/49 U vom 13. Januar 1950, Amtsblatt des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen (Bay. FMBl.) 1950 S. 343, im Rechtssatz 1 ausgeführt ist, ein für die kaufmännische Buchführung wesentliches Buch, und es liegt dann keine ordnungsmäßige Buchführung im Sinne der Vergünstigungsvorschrift vor.

Der Reichsfinanzhof und ihm folgend der Oberste Finanzgerichtshof und der Bundesfinanzhof haben nun allerdings zugelassen, daß von der Führung eines Kontokorrentbuches abgesehen werden kann, wenn ihm eine sachliche Bedeutung nicht zukommt. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn ein beachtlicher laufender unbarer Geschäftsverkehr mit Geschäftsfreunden, der im Interesse der erforderlichen übersicht die Führung eines kontenmäßig gegliederten Geschäftsfreundebuches sachlich notwendig macht, nicht gegeben ist. In der Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI A 560/37 vom 29. September 1937, Reichssteuerblatt (RStBl.) 1937 S. 1117, hat dies der Reichsfinanzhof angenommen, wenn die Zahl der unbaren Geschäfte gering ist, sie in den Grundbüchern ausgewiesen werden und die Rechnungen innerhalb einer Woche beglichen werden. Aus ähnlichen Erwägungen heraus wurde in der Entscheidung IV 356/51 U vom 27. März 1952, Slg. Bd. 56 S. 310, BStBl. Teil III S. 122, eine Buchführung als ordnungsmäßig anerkannt, bei der verhältnismäßig sehr niedrige Schulden und Forderungen am Bilanzstichtag gegeben waren. Diese Voraussetzungen liegen aber im Streitfalle nicht vor. Nach den unbestrittenen Feststellungen der Vorbehörden waren am 31. Dezember 1948 Warenschulden in Höhe von 2.916,24 DM und am 31. Dezember 1949 von 6.627,20 DM vorhanden.

Trotzdem vermag die Begründung der Vorentscheidung das Urteil nicht zu halten. Unbestritten handelt es sich um einen Kleingewerbetreibenden, der nicht buchführungspflichtig nach den Bestimmungen des HGB ist. Der Stpfl. war auch nach § 161 der Reichsabgabenordnung (AO) nicht buchführungspflichtig. Für ihn kam die Verordnung über die Buchführung der Handwerker, Kleingewerbetreibenden und freien Berufe vom 5. September 1949 (Gesetz- und Verordnungsblatt des Wirtschaftsrats des Vereinigten Wirtschaftsgebiets 1949 S. 313) in Frage. Erfüllte er die Bestimmungen dieser Verordnung, die keine Geschäftsfreundebuch verlangt, so kann ihm die Vergünstigung des § 7a EStG 1949 und des § 15 VG vom 23. März 1950 im Gegensatz zum nicht entnommenen Gewinn nach § 10 Abs. 1 Ziff. 3 EStG 1949 nicht versagt werden. Es mag wohl zutreffen, daß der Stpfl. seinen Gewinn nicht nach § 4 Abs. 3 EStG, sondern nach § 4 Abs. 1 EStG ermittelt (ß 1 der Verordnung). Man wird aber dort, wo ein Steuerpflichtiger ein Mehr an Aufzeichnungen gegenüber der Verordnung führt, die Vergünstigung nicht versagen können.

Da die Unterlagen eine zuverlässige Beurteilung nicht gestatten, erscheint es zweckmäßig, die Sache an das Finanzgericht zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407612

BStBl III 1954, 106

BFHE 1954, 507

BFHE 58, 507

DB 1954, 247

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