Leitsatz (amtlich)

Einzelne Aufwendungen, die im betrieblichen Interesse bei einer im ganzen als privat zu beurteilenden organisierten Informationsreise in das Ausland getätigt werden, sind nur dann Betriebsausgaben, wenn sie außerhalb des Programms angefallen sind (Ergänzung der Grundsätze des Urteils des Bundesfinanzhofs vom 22. Mai 1974 I R 212/72, BFHE 113, 274, BStBl II 1975, 70).

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Klempner- und Installationsmeister. Er unternahm vom 11. bis 26. Oktober 1965 eine Informationsreise in die USA. Veranstalter war ein Reisebüro. Der Teilnehmerkreis bestand aus acht selbständigen Klempner-, Installations- und Elektromeistern und einem Dolmetscher. Das Programm sah vor:

11. Oktober (Montag) Anflug

12. Oktober New York: vormittags Stadtrundfahrt, nachmittags Besichtigung einer Heizungsanlagenfabrik

13. Oktober New York: vormittags Besuch einer Vereinigung selbständiger Installateure, Diskussion und Besichtigung von Installationen in Wolkenkratzern, nachmittags Besuch der Weltausstellung

14. Oktober New York: Besichtigung von Installationen in Neubauten und Weiterflug

15. Oktober Washington: Besichtigung von sanitären Anlagen in Krankenhäusern und Laboratorien und von Kläranlagen

16. Oktober (Samstag) Washington: vormittags Stadtrundfahrt, Nachmittag zur freien Verfügung

17. Oktober (Sonntag) Washington: Vormittag zur freien Verfügung, nachmittags Weiterflug

18. Oktober Chicago: vormittags Stadtrundfahrt, nachmittags Besichtigung eines Fabrikationsbetriebs für sanitäre Ausrüstung

19. Oktober Chicago: Besichtigung eines Handels- und Installationsbetriebs für sanitäre-, Heizungs- und Lüftungstechnik und der Installationen in einem Krankenhaus, Weiterflug

20. Oktober Cleveland: vormittags Besichtigung von Laboratorien zur Untersuchung von Materialien und zur Überprüfung der technischen Installationsreife von Montageteilen, anschließend Besichtigung eines Heizungs- und klimatischen Industriebetriebs, Weiterflug

21. Oktober Toronto (Kanada): vormittags Besichtigung einer Installationsfirma (Rohrlegearbeiten), nachmittags Besichtigung von Baustellen, Weiterflug

22. Oktober Boston: ganztägige Besichtigung verschiedener Installationsprojekte

23. Oktober (Samstag) Weiterflug nach New York, nachmittags Stadtrundfahrt

24. Oktober (Sonntag) New York: zur freien Verfügung

25. Oktober New York: vormittags Besuch einer Ausstellung zur Unterrichtung des Installationshandwerks, nachmittags Antritt des Rückflugs

26. Oktober Ankunft in Frankfurt.

Von dem Programm wurde insofern abgewichen, als die Stadtrundfahrt in Chicago bereits am 17. Oktober nachmittags stattfand und die Herstellerfirma für sanitäre Ausrüstung am 18. Oktober bereits ab vormittags besichtigt wurde. Der Kläger suchte an einem freien Sonntag außerhalb des offiziellen Reiseprogramms die Niagara-Fälle auf. Die Reisekosten betrugen 6 000 DM.

Der Beklagte und Revisionskläger (FA) versagte in einem nach § 222 AO berichtigten Einkommensteuerbescheid für 1965 den Betriebsausgabenabzug der Reiseaufwendungen. Der Einspruch blieb erfolglos. Der Kläger begehrte vor dem FG nur noch den Abzug von 5 600 DM; 400 DM hielt auch er für privat veranlaßte Aufwendungen. Das FG gab der Klage statt. Es hat ausgeführt: Zwar spreche der erste Anschein für eine private Veranlassung der Amerikareise; es liege ein häufiger Ortswechsel vor, und es seien weit auseinanderliegende Reiseziele besucht worden. Dieser Anschein sei indes ausgeräumt worden. Der Kläger habe nach seinen glaubhaften und beeideten Bekundungen lernen wollen, wie in den auf seinem Fachgebiet besonders fortschrittlichen USA und in Kanada gearbeitet werde und wie zweckmäßigerweise bei Ausschreibungen für Großprojekte vorzugehen sei. Er habe sich vor der Reise vergeblich bemüht, Einblick in die Arbeitsweise von Konkurrenzunternehmen zu erlangen. Diese Feststellung könne auch ohne Einholung der vom FA beantragten Auskünfte getroffen werden. Die benannten Unternehmer könnten sich nach 8 bis 13 Jahren kaum noch an jene Gespräche erinnern. Im übrigen seien nach der Lebenserfahrung die Inhaber von Handwerksbetrieben nicht geneigt, Einblick in ihre Betriebe zu gewähren. Der Kläger habe aus Amerika einige für ihn wichtige Erkenntnisse mitgebracht (weitgehende Vorfertigung im Betrieb, Verschweißen von Kupferrohren mit größeren Durchmessern). Allerdings habe die Reise ihm im allgemeinen Einsichten geboten, die in erster Linie größeren Betrieben angemessen gewesen wären. Es sei indes unerheblich, wenn der Kläger insoweit einer Fehleinschätzung unterlegen sei. Privat veranlaßt seien, wenn von den Wochenenden abgesehen werde, lediglich die Stadtrundfahrt in New York am 10. Oktober und die tatsächlich um zwei Stunden verkürzte Besichtigung der Weltausstellung am 13. Oktober. Die Nützlichkeit der Reise habe sich auch dadurch erwiesen, daß sich der Kläger danach erfolgreich an großen Ausschreibungen beteiligt und seine Umsätze gesteigert habe.

Das FA rügt mit der Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechts: Das FG habe seine Entscheidungen auf die Bekundungen des Klägers gestützt, obwohl Anlaß bestanden habe, an dessen Glaubwürdigkeit zu zweifeln. Das FG habe seine Sachaufklärungspflicht verletzt, indem es sich mit schlagwortartigen Feststellungen begnügt habe. Der Kläger hätte den Reiseverlauf genau schildern und im einzelnen angeben müssen, welche beruflichen Vorteile er sich von der Reise versprochen habe. Es hätte geprüft werden müssen, ob die behaupteten neuen Erkenntnisse auch in Deutschland zu erlangen gewesen wären und ob sie überhaupt im Betrieb des Klägers verwandt worden seien. Das FG habe weiterhin unter Verletzung des § 96 FGO die vom Kläger vorgelegten Dias nicht hinreichend gewürdigt. Der Kläger habe 200 Dias aufgenommen, dem FG hingegen nur 93 vorgelegt. Die nicht vorgelegten Dias seien privater Art, die vorgelegten zum großen Teil nicht betrieblich verwertbar gewesen. Materiell-rechtlich habe das FG seine Entscheidung zu Unrecht nur auf die vom Kläger vorgetragenen subjektiven Beweggründe gestützt. Die objektiven Umstände sprächen für eine private Veranlassung der Reise (weit auseinandergezogene Reiseroute, fehlende Aufzeichnung über den Reiseverlauf, Besuch der Weltausstellung und der Niagara-Fälle, Dias).

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Sache an einen anderen Senat des FG zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.

1. Der erkennende Senat hat in dem Urteil vom 22. Mai 1974 I R 212/72 (BFHE 113, 274, BStBl II 1975, 70) nochmals die Grundsätze herausgestellt und zusammengefaßt, die für die Anerkennung von Aufwendungen für Auslandsinformationsreisen als Betriebsausgaben maßgeblich sind. Das Programm muß auf die besonderen betrieblichen Bedürfnisse eines im wesentlichen gleichartigen Teilnehmerkreises zugeschnitten sein, und es darf die Befriedigung privater Reiseinteressen daneben nur in untergeordnetem Umfang in Betracht kommen.

Danach war im Streitfall eine betriebliche Veranlassung zu verneinen. Der Teilnehmerkreis war zwar im wesentlichen gleichartig und überschaubar. Es mag auch zutreffen, daß das Programm das betriebliche Interesse der Teilnehmer und insbesondere eines Installateurs erwecken konnte und daß der Kläger aufgrund der Reise Erkenntnisse gewann, die er späterhin nutzbringend in seinem Betrieb verwenden konnte. Es ist indes schon aufgrund der Feststellungen des FG ein nicht unerhebliches privates Interesse des Klägers an der Reise anzunehmen.

Die Reiseroute war weit auseinandergezogen. Sie führte in 14 Tagen durch große Teile der USA und nach Kanada: New York, Washington, Chicago, Cleveland, Toronto, Boston, New York. Diese Route und die von ihr berührten Orte sind auch beliebte Ziele des Tourismus. Dem betrieblichen Interesse der Teilnehmer hätte eine auf einen engeren Raum konzentrierte Besichtigungsreise eher entsprochen. Es liegt auf der Hand, daß die Teilnehmer auch den Erlebniswert der Reise suchten. Das Programm sah überdies den Besuch der Weltausstellung und Stadtrundfahrten vor. Der Kläger besuchte außerprogrammäßig die Niagara-Fälle. Zwar fielen diese touristisch interessanten Veranstaltungen zumeist auf das Wochenende. Es darf indes nicht unbeachtet bleiben, wie die Entspannungsphasen programmäßig ausgefüllt sind oder außerprogrammäßig gestaltet werden können. Sind sie touristisch reizvoll oder lassen sie solche touristischen Möglichkeiten offen, muß angenommen werden, daß der Teilnehmer auch ihretwegen die Reise unternimmt.

2. Die Sache ist spruchreif. Die Möglichkeit, daß abgrenzbare Aufwendungen im ausschließlich betrieblichen Interesse entstanden sein und daß daher insoweit Betriebsausgaben vorliegen könnten (Urteil des BFH I R 212/72 R 2), scheidet aus. Der Senat hat bereits in dem Urteil I R 212/72 unter Bezugnahme auf die für die Auslegung der Vorschrift des § 12 Nr. 1 EStG maßgebenden allgemeinen Grundsätze in der Entscheidung des Großen Senats des BFH vom 19. Oktober 1970 GrS 2/70 (BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17) dargelegt, daß bei einer insgesamt als privat zu beurteilenden Informationsreise einzelne betrieblich veranlaßte Aufwendungen nur dann Betriebsausgaben sind, wenn sie sich nach objektiven Maßstäben sicher und leicht abgrenzen lassen. Abzugsfähig sind deshalb nur solche Mehraufwendungen, die zusätzlich außerhalb des Programms oder in Abänderung des Programms entstehen. Wird hingegen die Reise entsprechend dem Programm durchgeführt, sind alle Aufwendungen Kosten der Lebenshaltung, auch wenn einzelne Reiseabschnitte (z. B. Besichtigungen), für sich genommen, betrieblich veranlaßt sein mögen. Es handelt sich um nicht ausscheidbare Teile der Privatreise. Im Zweifelsfall kann beispielsweise von Bedeutung sein, ob ein vereinbarter Pauschalpreis auf Wunsch des Reiseteilnehmers ermäßigt wurde, weil der Teilnehmer auf eigene Kosten im betrieblichen Interesse Geschäftsfreunde aufgesucht oder Sonderbesichtigungen durchgeführt hat.

Im Streitfall ist der Kläger nicht im betrieblichen Interesse vom Programm abgewichen. Die Programmverschiebung am 17./18. Oktober 1965 war von der Reiseleitung veranlaßt. Der Besuch der Niagara-Fälle hatte privaten Charakter.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71320

BStBl II 1975, 379

BFHE 1975, 488

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