Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Steuerermäßigung nach § 17 Abs. 2 BerlinFG für den Treugeber, wenn ihn die Risiken der Darlehensgewährung wirtschaftlich nicht treffen; revisionsgerichtliche Prüfung der Vertragsauslegung durch das FG

 

Leitsatz (NV)

1. Vergibt ein ,,Treuhänder" Berlin-Darlehen ,,für Rechnung" eines Dritten, so steht dem Dritten die Steuerermäßigung nach § 17 Abs. 2 BerlinFG jedenfalls dann nicht zu, wenn ihn die Wirkungen - Nutzen und insbesondere Risiken - der Darlehensgewährung wegen einer weitgehenden Beschränkung der eigenen Haftung im Treuhandvertrag wirtschaftlich nicht treffen (Bestätigung zum Senatsurteil vom 28. November 1990 X R 109/89, BFHE 163, 264, BStBl II 1992, 327).

2. Die Auslegung eines Vertrages als tatrichterliche Würdigung ist revisionsgerichtlich nur daraufhin zu prüfen, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungsgrundsätze verletzt sind oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht.

3. ,,Auslegung" im vorgenannten Sinne ist die Ermittlung dessen, was die Vertragsparteien erklärt und was sie gewollt bzw. im Falle von Willensmängeln nicht gewollt hat. Ein ,,Irrtum über einen Rechtsbegriff" kann vom Revisionsgericht richtiggestellt werden.

4. Das von den Vertragspartnern Gewollte muß am Maßstab der jeweils einschlägigen Normen rechtlich eingeordnet (qualifiziert) werden. Dies ist Rechtsanwendung, die vom Revisionsgericht in vollem Umfang nachgeprüft werden kann.

 

Normenkette

BerlinFG § 17 Abs. 2; FGO § 118 Abs. 2

 

Tatbestand

Mit Vertrag vom 2. Oktober 1980 errichteten die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) den B-Fonds als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Gesellschaftszweck des B-Fonds ist die Vergabe von Darlehen nach § 17 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG). Geschäftsführungsbefugt ist der Kläger zu 3.

Zur Erreichung des Gesellschaftszwecks bedient sich der B-Fonds der Firma X-GmbH als Treuhänder.

Sämtliche Gesellschafter - die Kläger - beteiligten sich gleichzeitig an der Grundstücksgemeinschaft C-GbR - im folgenden: Grundstücksgemeinschaft, deren Zweck es war, Wohnungen im sozialen Wohnungsbau zu errichten. Die Einlagen betrugen insgesamt 2,28 Mio DM.

Sowohl der B-Fonds als auch die Grundstücksgemeinschaft gehören der Z-Gruppe an. Die Beteiligung an beiden Gesellschaften war nur mittels einer einheitlichen Beitrittserklärung zum sog. ,,Kombifonds C" möglich.

§ 1 Abs. 2 Sätze 2 und 3 des Gesellschaftsvertrages vom 2. Oktober 1980 lautet wie folgt:

,,Der Treuhänder wird im Namen und für Rechnung der Fondsgesellschaft Darlehen nach § 17 BerlinFG bis zu einer Höhe von 2000000 DM vergeben. Der Treuhänder wird darüber hinaus im eigenen Namen für Rechnung der Fondsgesellschaft Refinanzierungskredite bis zu einer Höhe von 1940000 DM aufnehmen und der Fondsgesellschaft zur Vergabe der Darlehen nach § 17 BerlinFG zur Verfügung stellen."

Die von den Gesellschaftern zu erbringenden Einlagen wurden auf insgesamt 200500 DM festgesetzt; hiervon entfielen auf die Kläger zu 1 und 2 jeweils 100000 DM und 500 DM auf den Kläger zu 3. Nach § 3 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages sollte das Eigenkapital 200500 DM, das Fremdkapital 1940000 DM nicht übersteigen. Die Vergabe und Refinanzierung weiterer Darlehen war nur unter Mitwirkung der X-GmbH als Treuhänder möglich (§ 3 Abs. 1 Satz 4 des Gesellschaftsvertrages).

§ 4 des Gesellschaftsvertrages bestimmt zur Haftung der Gesellschafter folgendes:

,,1. Jeder Gesellschafter haftet den Gläubigern der Fondsgesellschaft nur beschränkt bis zur Höhe der jeweils von ihm mit seiner Beitrittserklärung übernommenen Einlage. Eine unmittelbare persönliche Haftung ist ausgeschlossen, soweit der Gesellschafter die Einlage an die Gesellschaft geleistet hat. Eine Nachschußpflicht der Gesellschafter kann auch nicht durch mehrheitlich gefaßten Gesellschafterbeschluß begründet werden.

2. Die Beschränkung der Haftung der Gesellschafter auf die Eigenmittel der Gesellschaft besteht nicht hinsichtlich der Verpflichtung gegenüber den Darlehensnehmern auf Auszahlung der von der Fondsgesellschaft zugesagten Darlehen. Aus diesen Valutierungsverpflichtungen kann jeder Gesellschafter jedoch nur begrenzt auf den Nennbetrag der von ihm übernommenen Beteiligung und im Innenverhältnis zu den übrigen Fonds-Gesellschaftern nur entsprechend seinem Anteil gem. § 1 Abs. 3 dieses Gesellschaftsvertrages in Anspruch genommen werden.

Der Geschäftsführer ist in seiner Vertretungsmacht bei Abschluß von Verträgen nach Maßgabe der in den vorstehenden Abs. 1 und Abs. 2 genannten Haftungsbeschränkungen der Gesellschafter beschränkt. Der Geschäftsführer ist verpflichtet, die Vertragspartner der Gesellschaft auf diese Haftungsbeschränkung ausdrücklich hinzuweisen und diese zum Gegenstand der abzuschließenden Verträge zu machen."

§ 6 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages lautet:

,,Der Treuhänder wird im Namen und für Rechnung der Fondsgesellschaft die Darlehen gem. § 17 BerlinFG vergeben, Grundpfandrechte zur Sicherung der Berlin-Darlehen im eigenen Namen eintragen lassen und treuhänderisch für die Fondsgesellschaft nach Maßgabe des Treuhandvertrages verwalten sowie im eigenen Namen für Rechnung der Fondsgesellschaft die Refinanzierung vornehmen."

Der zwischen dem Fonds und der X-GmbH geschlossene Treuhandvertrag vom 2. Oktober 1980 enthält auszugsweise die folgenden Regelungen:

,,§ 1

1. Die Fonds-Gesellschaft beabsichtigt, Darlehen gemäß § 17 BerlinFG bis zu einer Höhe von 2000000 DM zu vergeben. Hiervon soll ein Teilbetrag in Höhe von 1940000 DM refinanziert werden. Der Restbetrag soll durch das Eigenkapital der Gesellschafter der Fonds-Gesellschaft hinterlegt werden.

2. Der Treuhänder wird im Namen und für Rechnung der Fonds-Gesellschaft diese Darlehen vergeben und die Refinanzierungskredite bis zur Höhe von 1940000 DM im eigenen Namen und für Rechnung der Fonds-Gesellschaft aufnehmen und dieser zur Verfügung stellen, und zwar nach Maßgabe der nachstehenden Vorschriften sowie der gesellschaftlichen Bestimmungen zum B-Fonds, die Gegenstand dieses Vertrages sind.

§ 2

1. Der Treuhänder ist zur Darlehensvergabe im Namen und für Rechnung der Fonds-Gesellschaft und zur Aufnahme des Refinanzierungskredites im eigenen Namen und für Rechnung der Fonds-Gesellschaft berechtigt, wenn der Fonds-Gesellschaft Gesellschafter mit einem Eigenkapital in Höhe von insgesamt 200000 DM beigetreten sind.. . .

3. Der Treuhänder tritt nach außen nur in eigenem Namen auf. Davon ausgenommen ist die Vergabe der Darlehen gemäß § 17 BerlinFG, die im Namen der Fonds-Gesellschaft erfolgt. Er ist verpflichtet, alles, was er als Treuhänder aus dieser Tätigkeit erlangt, gesondert von seinem sonstigen Vermögen zu verwalten und auf Verlangen an die Fonds-Gesellschaft herauszugeben.

§ 3

1. Die Fonds-Gesellschaft stellt im Innenverhältnis den Treuhänder von allen Verpflichtungen frei, die dieser im Rahmen dieses Treuhandverhältnisses im eigenen Namen für Rechnung der Fonds-Gesellschaft nach Maßgabe dieses Treuhandvertrages und des Gesellschaftsvertrages des B-Fonds eingehen durfte.

2. Dem Treuhänder ist die Haftungsregelung zugunsten der Gesellschafter des B-Fonds bekannt. Dem Treuhänder ist bekannt, daß einzelne Gesellschafter der Fonds- Gesellschaft im Außenverhältnis nur beschränkt bis zur Höhe der von jedem einzelnen Gesellschafter jeweils gezeichneten Einlagen haften. Die unmittelbare persönliche Haftung eines jeden Gesellschafters ist ausgeschlossen, soweit der Gesellschafter seine Einlage in die Gesellschaft geleistet hat. Der Treuhänder erkennt diese Haftungsbeschränkung für sämtliche Ansprüche an, die ihm gegenüber der Fonds-Gesellschaft zustehen bzw. künftig zustehen werden. Ansprüche aus dem Treuhandverhältnis - insbesondere der Freistellungsanspruch - entstehen und bestehen nur mit dieser Haftungsregelung als inhaltliche Beschränkung.

3. Der Treuhänder ist darüber hinaus verpflichtet, gegenüber Dritten auf die beschränkte Haftung der Gesellschafter der Fonds-Gesellschaft hinzuweisen, soweit zu diesen durch Willenserklärungen des Treuhänders Rechtsbeziehungen entstehen.-Für die Übernahme der ,,Haftung für die Fremdmittel" erhielt die X-GmbH eine Vergütung in Höhe von 150000 DM; ferner stand ihr - nach vollständiger Valutierung des Refinanzierungsdarlehens - eine jährliche Vergütung von 2 v.T. vom Nominalbetrag des Refinanzierungsdarlehens zu (§ 4 des Treuhandvertrages).

Nach § 6 des Treuhandvertrages war der Treuhänder - vorbehaltlich seiner Befugnis, Berlin-Darlehen im Namen der Fonds-Gesellschaft zu vergeben - insbesondere ermächtigt, im eigenen Namen für Rechnung der Fonds- Gesellschaft folgende Rechtsgeschäfte

vorzunehmen:

a) den Darlehensvertrag gemäß § 17 (2) BerlinFG abzuschließen, wobei eine Darlehensvergabe nur vereinbart werden darf, soweit die Refinanzierung gesichert ist,

b) die Darlehensvaluta auszuzahlen und die Zins- und Tilgungsleistung sowie etwaige sonstige Zahlungen des Darlehensnehmers auf einem Sonderkonto für die Fonds-Gesellschaft entgegenzunehmen,

c) die Rechte aus dem Darlehen gemäß § 17 (2) BerlinFG gegenüber dem Schuldner geltend zu machen, insbesondere die Darlehen einzuklagen,

d) Grundpfandrechte zur Sicherung des Gesamtdarlehens auf seinem Niveau (richtig wohl: seinen Namen) eintragen zu lassen und an das die Refinanzierungsmittel zur Verfügung stellende Kreditinstitut abzutreten oder unmittelbar für dieses Kreditinstitut eintragen zu lassen. -Die X-GmbH vergab, nachdem der Höchstbetrag der zu vergebenden Darlehen durch Gesellschafterbeschluß erhöht worden war, in den Streitjahren ,,als Treuhänderin für den B-Fonds" sechs Darlehen im Gesamtbetrag von 5,5 Mio DM an vier zur Z- Gruppe gehörende sog. Objektgesellschaften. Die Darlehen wurden im Jahre 1980 mit 1915000 DM, 1981 mit 1835000 DM und 1982 mit 1750000 DM ausgezahlt. Sie wurden in Höhe von 75000 DM aus Eigenmitteln gewährt und in Höhe von 5425000 DM durch fünf Kredite bei der H-Bank refinanziert. Diese Refinanzierungskredite nahm der Treuhänder jeweils ,,im eigenen Namen und für Rechnung des B-Fonds" bei der H-Bank auf. Die Darlehen wurden durch Grundschulden auf den Grundstücken bzw. Erbbaugrundstücken der vier Objektgesellschaften gesichert. Nach den Darlehensverträgen ist Gläubiger der Darlehen jeweils ,,der Treuhänder für den Fonds". Schuldner der Refinanzierungsdarlehen ist nach den Vertragsurkunden ebenfalls der ,,Treuhänder für den Fonds".

Für die vom Fonds gewährten Darlehen liegen teils vorläufige, teils endgültige Bescheinigungen der Wohnungsbau-Kreditanstalt Berlin vor, in denen gemäß § 17 Abs. 7 BerlinFG bestätigt wird, daß die Darlehen des Fonds zu den § 17 BerlinFG entsprechenden Bedingungen gegeben und vom Bauherrn - jeweils eine der vier Objektgesellschaften - unverzüglich und unmittelbar für Baumaßnahmen verwendet worden seien.

Die Grundstücksgemeinschaft, die mit dem Fonds eine Kombigesellschaft bildet, wurde u.a. finanziert durch das von ihren Gesellschaftern zur Verfügung gestellte Eigenkapital (2,28 Mio DM), durch ein Baudarlehen der K-Bank (rd. 2,8 Mio DM), einem Darlehen der H-Bank (rd. 1970000 DM) und durch Bundessondermittel (rd. 1960000 DM).

Die Grundstücksgemeinschaft hat keine Darlehen gemäß § 17 BerlinFG von einem anderen zur Z-Gruppe gehörenden Fonds erhalten.

In den Erklärungen zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte erklärte der B-Fonds Einkünfte aus Kapitalvermögen für 1980 in Höhe von - DM, für 1981 in Höhe von - DM und für 1982 in Höhe von - DM. Er machte ferner Ermäßigungsbeträge gemäß § 17 Abs. 2 BerlinFG geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ließ im geänderten Feststellungsbescheid für 1980 und den erstmaligen Feststellungsbescheiden für 1981 und 1982, jeweils vom 24. Juli 1985, die Steuerermäßigungsbeträge gemäß § 17 Abs. 2 BerlinFG mit der Begründung unberücksichtigt, die Kläger hätten wegen der vereinbarten Haftungsfreistellung nicht die Rechtsstellung von Darlehensgebern. Der Einspruch gegen die Nichtanerkennung der Steuerermäßigung nach § 17 Abs. 2 BerlinFG hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben. Es sah die Kläger als Darlehensgeber an. Es verneinte einen Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts (§ 42 der Abgabenordnung - AO 1977 -), weil der B-Fonds keine Darlehen gemäß § 17 BerlinFG aus einem anderen zur B-Gruppe gehörenden Fonds erhalten habe, somit auch keine mißbräuchliche ,,Reihum-Darlehensgewährung" vorliege.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung der §§ 17 Abs. 2, 3 und 7 BerlinFG, § 39 Abs. 2, § 42 AO 1977 sowie unzureichende Sachaufklärung (§ 76 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Nach Ergehen des Senatsurteils vom 28. November 1990 X R 109/89 (BFHE 163, 264, BStBl II 1992, 327) haben die Kläger insbesondere vorgetragen:

Im Streitfall sei - anders als in jenem Urteilsfall - davon auszugehen, daß der B-Fonds Darlehensnehmer der Refinanzierungsdarlehen und Geber der Darlehen an die Objektgesellschaften gewesen sei. Nach den Feststellungen des FG lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß die H-Bank an einer Kreditgewährung an die Fondsgesellschaft durch Vorschriften des Gesetzes über das Kreditwesen (KWG) gehindert gewesen wäre. Die ,,persönliche Kreditwürdigkeit" der Kläger als Gesellschafter des B-Fonds ergebe sich daraus, daß diese seit längerem der H-Bank bekannt seien und eine Vielzahl von Geschäften erfolgreich abgewickelt hätten. Die ,,wirtschaftliche Kreditfähigkeit" ergebe sich schon daraus, daß der B-Fonds über Eigenmittel von 200500 DM verfügt und Rückerstattungsansprüche gegenüber den Darlehensnehmern (Objektgesellschaften) gehabt habe. Darüber hinaus sei die H-Bank hinreichend durch die Abtretung der Grundschulden gesichert gewesen. Anders als in jenem Urteilsfall hätte die Treuhänderin X-GmbH das Risiko aus dem Darlehensgeschäft auf die Kläger abwälzen können. Der Ersatzanspruch aus § 3 Abs. 1 des Treuhandvertrages sei nach der Feststellung des FG werthaltig gewesen; an diese Feststellung sei das Revisionsgericht gebunden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

1. Zwar hat das FG zu Unrecht entschieden, daß die Kläger Darlehensgeber der durch die H-Bank refinanzierten ,,Fremdmittel" sind. Die Revision ist aber unbegründet, soweit Berlin-Darlehen aus . . . den Fonds-Gesellschaftern zurechenbaren . . . Eigenmitteln gewährt worden sind; in diesem Punkt ist die Sache hinsichtlich der betragsmäßigen Auswirkungen für die einzelnen Jahre nicht entscheidungsreif.

2. Nach § 17 Abs. 2 BerlinFG ermäßigt sich bei unbeschränkt Steuerpflichtigen, die verzinsliche Darlehen mit einer Laufzeit von mindestens 25 Jahren zur Förderung u.a. des Baus von Gebäuden in Berlin (West) gewähren, bei Vorliegen weiterer hier nicht streitiger Voraussetzungen die Einkommensteuer für den Veranlagungszeitraum der Hingabe um 20 v.H. der hingegebenen Darlehen. Hierbei ist es unschädlich, daß das Darlehen in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Aufnahme eines Kredits steht (§ 17 Abs. 3 Satz 2 BerlinFG).

3. Diese Voraussetzungen hat das FG für die bei der H-Bank refinanzierten Darlehen zu Unrecht bejaht. Die rechtliche Einordnung der Verträge durch das FG, insbesondere seine Annahme, die Kläger seien Darlehensnehmer und Darlehensgeber der refinanzierten Darlehen gewesen, hält einer Prüfung nicht stand. § 17 Abs. 2 BerlinFG verlangt, daß ,,der Steuerpflichtige das Darlehen gewährt". Erforderlich ist danach jedenfalls, daß das Darlehen für Rechnung des Steuerpflichtigen - als ihm zurechenbares Kapital - vergeben wird. § 17 Abs. 2 BerlinFG soll einen Anreiz dafür schaffen, daß Steuerpflichtige Kapital für den Berliner Wohnungsbau zur Verfügung stellen. Die Vorschrift begünstigt denjenigen, der durch die Vergabeentscheidung - ungeachtet seiner Refinanzierung - über einen zumindest im wirtschaftlichen Sinne eigenen Kapitalbetrag disponiert. Daran fehlt es hier.

Die X-GmbH hat die ,,Fremddarlehen" nicht im Namen des Fonds oder dessen Gesellschafter aufgenommen. Auch hat sie nicht für deren Rechnung gehandelt, weil diese in Anbetracht der weitgehenden Haftungsbeschränkung im Gesellschafts- und Treuhandvertrag im wesentlichen nicht mit Vertragsrisiken belastet werden konnten. Diese Annahme wird durch den Umstand gestützt, daß die X-GmbH - neben einer allgemeinen Gebühr für ihr Tätigwerden - eine Vergütung für die Übernahme der Haftung erhalten hat.

Wegen der Begründung im einzelnen - auch zur einheitlichen und gesonderten Feststellung - wird auf das Senatsurteil in BFHE 163, 264, BStBl II 1991, 327 Bezug genommen. Jene Entscheidung ist zu einem im wesentlichen gleichliegenden Sachverhalt ergangen; es waren wortgleiche Verträge zu beurteilen. An den in diesem Urteil aufgestellten Rechtssätzen zur Auslegung des § 17 Abs. 2 BerlinFG und zur rechtlichen Qualifikation der Verträge hält der Senat fest.

4. Ihr hiergegen gerichtetes Vorbringen verhilft den Klägern nicht zum Erfolg.

a) Die Annahme des FG, die X-GmbH habe die Darlehen ,,für Rechnung" des Fonds bzw. dessen Gesellschafter vergeben und refinanziert, ist keine den Senat bindende Tatsachenfeststellung i.S. des § 118 Abs. 2 FGO. Auch an die weitere Annahme des FG, die X-GmbH habe gegenüber den Klägern einen werthaltigen Aufwendungsersatzanspruch gehabt, ist der Senat nicht gebunden. Ein solcher Anspruch bestand nach dem durch Bezugnahme festgestellten eindeutigen Vertragsinhalt nur bis zur Höhe der geleisteten Gesellschaftereinlagen. Die Meinung des FG, die X-GmbH habe weitergehende Ansprüche aus dem Treuhandvertrag gehabt, findet keine Grundlage in den durch Bezugnahme festgestellten Verträgen.

Die X-GmbH hat ausweislich der Darlehensurkunden, der Zusatzvereinbarungen und der Abtretungserklärungen stets ,,als Treuhänderin für den Fonds" gehandelt, und zwar auch - in Abweichung von § 6 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages und § 1 Abs. 2 des Treuhandvertrages . . . bei der Vergabe der Darlehen an die Objektgesellschaften. Die X-GmbH hat sich gegenüber der H-Bank . . . ungeachtet des Hinweises auf ein Treuhandverhältnis . . . als Darlehensschuldner verpflichtet. Das FG hat ausgeführt, das offen erklärte Handeln ,,für fremde Rechnung" führe dazu, daß die Rechtswirkungen der Darlehensvergabe den Klägern zugerechnet werden könnten. Es hat dabei den Rechtsbegriff des ,,Handelns für fremde Rechnung" verkannt (vgl. Senatsurteil in BFHE 163, 264, 274, BStBl II 1991, 327, unter II. 2. b). Ein solcher ,,Irrtum über einen Rechtsbegriff" kann vom Revisionsgericht richtiggestellt werden.

Zwar ist die Auslegung eines Vertrages als tatrichterliche Würdigung revisionsgerichtlich nur daraufhin zu prüfen, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungsgrundsätze verletzt sind oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BFH - vom 25. Februar 1992 X ZR 88/90, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1992, 1967, m.w.N.). ,,Auslegung" im vorgenannten Sinne ist die Ermittlung dessen, was die Vertragsparteien erklärt und was sie gewollt bzw. im Falle von Willensmängeln nicht gewollt haben (vgl. BFH-Urteil vom 13. April 1988 I R 104/86, BFHE 153, 340, 344, BStBl II 1988, 892, unter 2. a: ,,Feststellung des Wortlauts von Verträgen und deren Auslegung zur Ermittlung ihres gemeinten Inhalts"; BFH-Urteil vom 26. Juli 1989 I R 49/85, BFH/NV 1990, 442). Auch Feststellungen über die Begleitumstände der Willenserklärung und über die Kenntnis der Vertragsparteien von diesen Umständen sind - vorbehaltlich zulässiger und begründeter Revisionsrügen - für das Revisionsgericht bindend (vgl. Ankermann in Alternativ- Kommentar zur ZPO, 1987, § 550 Rdnr.11; Stein/Jonas/Grunsky, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 1977, § 549 Rdnr0.28 ff.).

Entgegen der Auffassung der Kläger geht es vorliegend aber nicht darum, den wirklichen Willen (§§ 133, 157 BGB) der Vertragschließenden zu ermitteln. Auch die Kläger haben zu keinem Zeitpunkt vorgetragen, daß die schriftlichen Verträge die Rechte und Pflichten der beteiligten Vertragspartner nicht wie erklärt und/oder nicht inhaltlich abschließend festgelegt hätten. Die naheliegende Alternative, sich selbst als Darlehensschuldner und der Höhe nach unbeschränkt gegenüber der H-Bank zu verpflichten, haben die Kläger nicht gewählt. Sie haben auch nicht behauptet, daß die unmittelbare und unbeschränkte Haftung gegenüber der H-Bank ihr ,,wahrer Wille" gewesen wäre.

Das von den Vertragspartnern Gewollte muß am Maßstab der jeweils einschlägigen Normen rechtlich eingeordnet werden. Dies ist Rechtsanwendung, die vom Revisionsgericht in vollem Umfang nachgeprüft werden kann (ý 118 Abs. 1 FGO; BFH- Urteil vom 5. Mai 1976 I R 166/74, BFHE 119, 478, BStBl II 1976, 717, unter 1.). Das Gericht kann hierbei eine unzutreffende rechtliche Eigenqualifikation der Beteiligten richtigstellen (vgl. BFH-Urteil vom 14. Mai 1986 II R 22/84, BFHE 146, 480, BStBl II 1986, 620; BGH-Urteile vom 5. April 1979 VII ZR 308/77, BGHZ 74, 204, 207, und vom 29. Juni 1992 II ZR 284/91, Wertpapier-Mitteilungen - WM - IV 1992, 1576: stille Gesellschaft statt Vertrag eigener Art; Schulze-Osterloh, Zivilrecht und Steuerrecht, Archiv für die civilistische Praxis - AcP 190 (1990), 145, 149 ff.).

Vor allem kann der BFH als das für Steuersachen zuständige Revisionsgericht aussprechen, daß die von den Vertragsparteien gestaltete bürgerlich-rechtliche Rechtslage den Tatbestand der von diesen als anwendbar beanspruchten Steuernorm nicht erfüllt. Die Vertragsparteien können zwar grundsätzlich über das von ihnen bürgerlich-rechtlich Gewollte verfügen, nicht aber über dessen steuerrechtliche Rechtsfolgen.

Bereits die vorstehenden Erwägungen trugen die Entscheidung des Senats.

b) Der Senat hat in seinem Urteil in BFHE 163, 264, 273, BStBl II 1991, 327 (unter II. 2. c) ergänzend ausgeführt, die vereinbarte und wie vereinbart praktizierte Treuhandschaft habe der Interessenlage des Fonds und seiner Gesellschaft entsprochen: Die X-GmbH habe die Kläger der H-Bank gegenüber nicht zur Rückzahlung von Darlehen verpflichten können, weil diese ihre Haftung auf die ,,Eigenmittel der Gesellschaft" beschränkt hatten. Auch wenn die Forderungen der H-Bank durch Grundpfandrechte gesichert waren, habe dieses Geldinstitut keinen Kredit an einen Darlehensnehmer vergeben können, der sich von einem Obligo für Zins- und Tilgungsleistungen im wesentlichen freigezeichnet habe.

Auf diese Hilfserwägung zur Interessenlage der Vertragspartner kommt es indes letztlich nicht an, weil die X-GmbH das Refinanzierungsdarlehen im eigenen Namen und - nach den vorstehenden Darlegungen - auch auf eigene Rechnung aufgenommen hat. Auch das Vorbringen der Kläger, der H-Bank gegenüber seien die Haftungsbeschränkungen im Gesellschafts- und im Treuhandvertrag - entgegen § 3 Abs. 3 des Treuhandvertrages - nicht offengelegt worden, ist rechtlich nicht erheblich, weil sie nicht Vertragspartner der H-Bank waren. Aus diesem Grunde kann es nicht auf ihre Behauptung ankommen, sie selbst seien wirtschaftlich in der Lage gewesen, den Kredit zu verzinsen und zu tilgen.

c) Hiernach braucht der Senat der vom FA erhobenen Rüge der unzureichenden Sachaufklärung nicht nachzugehen. Es kann weiterhin dahingestellt bleiben, ob eine direkte Darlehensvergabe der H-Bank an die Objektgesellschaften und der Einsatz des Eigenkapitals des Fonds für das eigene Bauobjekt der Gesellschafter die rechtlich angemessene Gestaltung (§ 42 Satz 2 AO 1977) gewesen wäre.

5. Da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben.

Allerdings kann die Revision des FA insoweit keinen Erfolg haben, als die Kläger - als Fonds-Gesellschafter - in der vom FG festgestellten Höhe von 75000 DM Darlehen aus ,,eigenen" Mitteln (der GbR) gewährt haben. Anhaltspunkte dafür, daß insoweit im Hinblick auf wechselseitige Darlehensgewährungen die Anwendung des § 42 AO 1977 in Betracht kommen könnte (vgl. Senatsurteil in BFHE 163, 264, BStBl II 1991, 327, unter III.), liegen nicht vor. Die Rüge des FA, das FG hätte ,,anhand der Kreditunterlagen" aufklären müssen, ob die Kläger selbst ,,als Empfänger und Geber eines sog. unzulässigen Kettengeschäftes aufgetreten seien", greift nicht; von einer Begründung sieht der Senat ab (Art.1 Nr.8 Satz 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs). Der Vortrag des FA, die Empfänger der Berlin-Darlehen hätten ihrerseits - an andere Gesellschaften - Darlehen vergeben, ist rechtlich unerheblich.

Insoweit ist die Sache nicht spruchreif. Die Ermäßigung der Einkommensteuer nach § 17 BerlinFG kann nur im Veranlagungszeitraum der Darlehenshingabe in Anspruch genommen werden. Das FG brauchte von seinem Rechtsstandpunkt aus keine Feststellungen zu der Frage zu treffen, wann die Eigenmittel vergeben worden sind. Dies wird das FG im zweiten Rechtszug prüfen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418816

BFH/NV 1993, 235

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