Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

übt ein Freiberufler, der seinen Gewinn durch Vermögensvergleich ermittelt, eine laufende Beratungstätigkeit nicht gegen Zahlung von Honorar, sondern gegen die Zusage einer nicht verfallbaren Altersversorgung aus, muß er den abgezinsten Versorgungsanspruch aktivieren.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 1, 3, § 6a

 

Tatbestand

Zu entscheiden ist bei den Einkommensteuerveranlagungen 1955 bis 1960, ob ein Steuerberater einen Versorgungsanspruch, der ihm anstelle von Honorarzahlungen für laufende Beratung gewährt wurde, aktivieren muß.

Der Bg. war Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Er ermittelte seinen Gewinn durch Vermögensvergleich (§ 4 Abs. 1 EStG). Bei einer Betriebsprüfung im Jahre 1962 ergab sich, daß der Bg. auf Grund einer Vereinbarung vom 5. April 1955 mit den Firmen A-GmbH und B-GmbH, deren alleinige Gesellschafterin die A-GmbH war, ab 1. April 1955 im Rahmen seiner freiberuflichen Tätigkeit die Geschäftsführung der B-GmbH übernommen hatte. Zu seinen Aufgaben gehörte die Beratung in steuerlichen und betriebswirtschaftlichen Fragen, besonders die Mitwirkung bei der Aufstellung der Steuerbilanzen und der Steuererklärungen sowie bei der Prüfung der Steuerbescheide für die A-GmbH und ihre Tochtergesellschaften. Diese Aufgaben übernahm der Bg. gegen eine Versorgungszusage der B-GmbH. Nach der Versorgungszusage war die B-GmbH verpflichtet, dem Bg. nach Erreichung des 65. Lebensjahres oder bei Eintritt der Berufsunfähigkeit eine Altersrente aus dem jeweils vorhandenen Deckungskapital bis zu dessen Erschöpfung zu gewähren. Das Deckungskapital sollte durch eine jährliche Rückstellung von 6 000 DM gebildet werden. Im Falle des Todes des Bg. sollten die Ansprüche seiner Ehefrau und nach deren Tod seiner Tochter in Höhe des noch nicht verbrauchten Deckungskapitals zustehen.

Für Sonderaufträge erhielt der Bg. die berufsüblichen Gebühren mit einem Abschlag von 10 v. H. Der Vertrag wurde auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Er war mit halbjährlicher Frist auf das Ende eines Kalenderjahres kündbar. Bei Kündigung durch die A-GmbH oder die B-GmbH sollte dem Bg. das bis dahin angesammelte Deckungskapital ausgezahlt werden. Für den Fall der Kündigung durch den Bg. sollte er das bis zu seinem Ausscheiden angesammelte Deckungskapital bei Erreichung des 65. Lebensjahres oder bei Eintritt der Berufsunfähigkeit erhalten.

Die Vereinbarung vom 5. April 1955 wurde durch Vertrag vom 2. Januar 1959 geringfügig geändert. Die Verpflichtung aus der Versorgungszusage übernahm die A-GmbH. Das Deckungskapital wurde durch eine jährliche Rückstellung von 4 800 DM gebildet. Die Vereinbarung über die Versorgungszusage wurde durch folgenden Satz ergänzt: "Eine Auszahlung an andere als die genannten Personen findet nicht statt; es entfällt dann die Versorgungszusage".

Ebenso wie der Bg., der seine sämtlichen Einkünfte aus der Beratung der A-GmbH und der B-GmbH den Einkünften aus selbständiger Arbeit zurechnete, sah auch das Finanzamt die Tätigkeit des Bg. als Geschäftsführer als Teil seiner freiberuflichen Tätigkeit als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer an. Im Gegensatz zum Bg. war es der Ansicht, für die Versorgungszusage sei ein Aktivposten in der Bilanz zu bilden, und erhöhte die Gewinne für 1955 um 2 932 DM, für 1956 und 1957 um je 3 910 DM und für die Jahre 1958 bis 1960 um 3 128 DM.

Den Einspruch des Bg. wies das Finanzamt für 1955 als unbegründet zurück. Für 1956 bis 1960 führte der Einspruch zu einer Erhöhung der Einkommensteuer, weil das Finanzamt die Versorgungsansprüche des Bg. an den einzelnen Bilanzstichtagen nicht mehr mit 65,16 v. H. des Deckungskapitals bewertete, sondern diese Bewertung nur für das Jahr 1955 beibehielt und für die übrigen Jahre die Versorgungsansprüche des Bg. unter entsprechender Anwendung des § 14 Abs. 3 BewG (Hilfstafel 1) aktivierte.

Die Berufung des Bg. hatte Erfolg. Das Finanzgericht führte zur Begründung seiner in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" 1965 S. 111 veröffentlichten Entscheidung aus, die Vereinbarung einer Versorgungszusage nach § 6a EStG sei steuerrechtlich nicht nur bei Arbeitnehmern, sondern auch bei sonstigen Personen zulässig. Verzichte ein Freiberufler wegen seiner Versorgungszusage für die Zukunft auf Teile seiner Honoraransprüche, ständen dem die §§ 5 und 6 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) nicht entgegen. Beim Bg. sei ein nach der Höhe des jährlich angesammelten Deckungskapitals bemessener Honorarzufluß zu verneinen, wie sich aus dem Urteil des Senats IV 614/53 vom 25. November 1954 (Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz § 19 Abs. 1 Ziff. 1, Rechtsspruch 33) ergebe, in dem im Verzicht eines angestellten Arztes auf laufende Vergütungen wegen Gewährung einer Versorgungszusage kein Zufluß des Gehalts gesehen worden sei. Im übrigen gehöre die Anwartschaft auf eine Alters- oder Hinterbliebenenversorgung zu den sogenannten höchstpersönlichen Ansprüchen, die der Verkehr nicht bewerte. Ein Erwerber der Praxis des Bg. würde für den Versorgungsanspruch nichts aufwenden. Hieraus ergebe sich, daß kein bewertungs- und bilanzierungsfähiges Wirtschaftsgut gegeben sei.

Mit der Rb. macht der Vorsteher des Finanzamts geltend, durch die Tätigkeit des Bg. für seine Vertragspartner seien Forderungen entstanden, die ein bewertungsfähiges Wirtschaftsgut darstellten, das zum notwendigen Betriebsvermögen gehöre. Es komme nicht darauf an, daß der Bg. seine Honoraransprüche in höchstpersönliche Versorgungsansprüche umgewandelt habe.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und für die Jahre 1955 bis 1957, 1959 und 1960 zur Zurückweisung der Berufung des Bg. als unbegründet. Hinsichtlich des Jahres 1958 ist die Einkommensteuer geringfügig zu erhöhen.

Der Bg. war verpflichtet, seine Versorgungsansprüche gegen die A-GmbH und B-GmbH in der jeweiligen Höhe des abgezinsten Deckungskapitals zu aktivieren. Das ergibt sich aus den Regeln der ordnungsmäßigen Buchführung, die insbesondere für die Behandlung von Forderungen und Schulden in der Bilanz für Steuerpflichtige, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG ermitteln, ebenso gelten wie für buchführende Kaufleute (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs I 47/58 U vom 24. November 1959, BStBl 1960 III S. 188, Slg. Bd. 70 S. 499, und IV 226/58 S vom 28. Januar 1960, BStBl 1960 III S. 291, Slg. Bd. 71 S. 111). Geht man von den Regeln der ordnungsmäßigen Buchführung aus, stellte der Versorgungsanspruch des Bg. an den Bilanzstichtagen der Streitjahre ein bewertungsfähiges Wirtschaftsgut darf. Denn nach den Verträgen vom 5. April 1955 und 2. Januar 1959 hatten der Bg., seine Ehefrau oder seine Tochter als Gegenleistung für die vom Bg. erbrachten Dienste auf jeden Fall Anspruch auf eine Rente, bis das am Ende des jeweiligen Jahres angesammelte Deckungskapital verbraucht war, oder auf Auszahlung des Deckungskapitals. Dieser Anspruch ging durch eine Kündigung der Verträge durch den Bg. nicht verloren. Zwar war der Versorgungsanspruch insbesondere nach dem Vertrag vom 2. Januar 1959 nicht übertragbar oder vererblich. Da aber nicht anzunehmen ist, daß weder der Bg., seine Ehefrau noch seine am 24. März 1931 geborene Tochter in den Genuß der Versorgungsleistungen bis zum Verbrauch des Deckungskapitals kommen würde, ist die für die Aktivierung eines Wirtschaftsguts nötige Sicherheit der Realisierung des Anspruchs gegeben. Dem steht das Urteil des Reichsfinanzhofs VI 750/39 vom 13. März 1940 (RStBl 1940 S. 474) nicht entgegen. Denn abgesehen davon, daß es in dem damals entschiedenen Fall um die Pensionszusage an den Gesellschafter einer Personengesellschaft ging, lehnte der Reichsfinanzhof die Aktivierungspflicht deshalb ab, weil ihm die Zahlung der Pension aus verschiedenen Gründen nicht sicher genug schien. Solche Gründe sind beim Bg. nicht gegeben.

Die von der Vorinstanz unter Berufung auf das Schrifttum (Theis, Finanz-Rundschau 1957 S. 106; ebenso Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 10. Aufl., Anm. 9 zu § 6a, und Heissmann, Steuer und Wirtschaft 1961 Spalte 369) vertretene Ansicht, die Anwartschaft auf eine Alters- oder Hinterbliebenenversorgung gehöre zu den sogenannten höchstpersönlichen Ansprüchen und werde daher im Handelsverkehr nicht bewertet, ist unrichtig. Es braucht nicht entschieden zu werden, wie höchstpersönliche Ansprüche in der Bilanz zu behandeln sind und ob es sich bei dem Versorgungsanspruch des Bg. um einen höchstpersönlichen Anspruch handelte. Denn geht man von der Gläubigerschutzfunktion der Bilanz aus, darf ein Wirtschaftsgut jedenfalls nur dann nicht aktiviert werden, wenn es dem Zugriff der Gläubiger des Steuerpflichtigen entzogen ist. Das ist entgegen der von der Vorinstanz vertretenen Auffassung beim Versorgungsanspruch des Bg. nicht der Fall. Zwar war die Abtretung des Versorgungsanspruchs durch den Bg. vertraglich ausgeschlossen (§ 399 BGB). Seine Forderungen auf Rente konnten aber trotzdem gepfändet und zur Einziehung überwiesen werden, weil es sich bei dem geschuldeten Gegenstand um Geld handelte, das der Pfändung unterworfen war (§ 851 der Zivilprozeßordnung).

Der Versorgungsanspruch des Bg. war auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Teilwerts (§ 6 Abs. 1 Ziff. 1 EStG) mit 0 DM oder niedriger als mit dem jeweiligen abgezinsten Deckungskapital zu bewerten. Daß ein Erwerber der Praxis des Bg. den Anspruch nicht hätte miterwerben können, steht dem nicht entgegen. Denn es kommt darauf an, was der Erwerber der Praxis gezahlt hätte, wenn er sich in die Lage des Bg. versetzt hätte, also später ebenfalls in den Genuß der Versorgungsleistungen gekommen wäre.

Auf das Urteil des Bundesfinanzhofs IV 614/53 konnte das Finanzgericht seine Entscheidung nicht stützen. In diesem Urteil verneinte der Senat den Zufluß von Zahlungen, die der Arbeitgeber als Prämien für eine zugunsten des Arbeitnehmers abgeschlossene Lebensversicherung an die Versicherungsgesellschaft leistete, als Arbeitslohn nur deshalb, weil er sie als Prämien für eine Rückdeckung des Arbeitgebers (§ 2 Abs. 3 Ziff. 2 LStDV) ansah. Daraus ergibt sich entgegen der Auffassung des Finanzgerichts, daß in den sonstigen Fällen der Gewährung von Versorgungsansprüchen, die ganz oder teilweise an die Stelle eines angemessenen Gehalts treten und anders als Pensionsansprüche unverfallbar sind, ein Zufluß im Sinn des § 11 Abs. 1 EStG anzunehmen ist (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs VI 163/60 U vom 3. März 1961, BStBl 1961 III S. 191, Slg. Bd. 72 S. 525, und I 176/61 U vom 18. September 1962, BStBl 1963 III S. 98, Slg. Bd. 76 S. 276). Das trifft besonders dann zu, wenn die Zusage von Versorgungsleistungen auf Wunsch des Arbeitnehmers an die Stelle von Gehaltszahlungen tritt (vgl. Urteil des Senats IV 287/55 U vom 29. November 1956, BStBl 1957 III S. 58, Slg. Bd. 64 S. 151). Allerdings ist der Tatsache, daß der Arbeitnehmer auf Grund der vertraglichen Vereinbarungen erst später in den Genuß der Versorgungsleistungen kommt, in der Weise Rechnung zu tragen, daß er jeweils nur die abgezinsten Versorgungsansprüche als zugeflossen zu versteuern braucht (vgl. Urteile des Reichsfinanzhofs VI A 474/34 vom 29. Mai 1935, RStBl 1935 S. 1173, und VI A 388/35 vom 3. Juli 1935, RStBl 1935 S. 1175). Die gleichen Grundsätze gelten für Steuerpflichtige, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411842

BStBl III 1966, 67

BFHE 1966, 183

BFHE 84, 183

BB 1966, 150

DB 1966, 211

DStR 1966, 179

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Finance Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge