Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Abgrenzung Anschaffungskosten / Betriebsausgaben

 

Leitsatz (NV)

,,Entschädigungszahlungen", die ein Kaufinteressent für die mehrjährige Bindung des Grundstückseigentümers an ein notariell beurkundetes Angebot zum Abschluß eines Grundstückskaufvertrages zahlt, können Betriebsausgaben sein.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 1, 4, §§ 5-6

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist ein Einzelgewerbetreibender, der seinen Gewinn nach § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt und mit seiner Ehefrau, der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wird. Er ist außerdem beherrschender Gesellschafter einer GmbH, die mehrere Selbstbedienungs(SB)-Warenhäuser betreibt.

Am 2. Dezember 1975 machte die X-GmbH (X) dem Kläger ein notariell beurkundetes, bis zum 1. Dezember 1978 bindendes Angebot zum Abschluß eines Kaufvertrages über mehrere Grundstücke in A zum Preis von . . . DM pro Quadratmeter. Als ,,Entschädigung" für die vertragliche Bindung hatte der Kläger (nach Abschn. C II Nr. 1 des Vertragsangebots) am Tage der Beurkundung . . . DM und in der Folge für jedes weitere halbe Jahr der Bindung weitere . . . DM zu entrichten. Die Zahlungsverpflichtung sollte mit der Annahme des Angebots bzw. mit der Entlassung der X aus der Bindung enden. In keinem Fall waren die geleisteten Beträge zurückzuzahlen.

Am 1. Juni 1978 nahm der Kläger das Kaufangebot an, um auch auf diesen Grundstücksflächen ein SB-Warenhaus zu errichten. Im Jahre 1980, nachdem sich die vorgesehene Nutzung als undurchführbar erwiesen hatte, verkaufte der Kläger das Grundstück.

Die ,,Entschädigungszahlungen" behandelte der Kläger als sofort abzugsfähige Betriebsausgaben. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) dagegen sah in ihnen ebenso wie in den vom Kläger zu tragenden Nebenkosten des Kaufangebots und den Planungskosten Anschaffungskosten bzw. Herstellungskosten des später zu errichtenden Gebäudes und erhöhte die Gewinne für die Streitjahre entsprechend.

Die außergerichtlichen Rechtsbehelfe der Kläger blieben ohne Erfolg. In den anschließenden Klageverfahren schlossen sich die Kläger hinsichtlich der Neben- und Planungskosten im Ergebnis der Ansicht des FA an: Die Nebenkosten des Kaufangebots seien für 1975 zu aktivieren, die Aufwendungen für die Planung des Bauvorhabens als Herstellungskosten in den Jahren 1977 bis 1979.

Bezüglich der ,,Entschädigungszahlungen" dagegen blieben die Kläger bei ihrer bis dahin vertretenen Ansicht, daß es sich um sofort abzugsfähigen Aufwand handle, meinten aber nunmehr, er müsse zeitlich genauer zugeordnet werden, und zwar jeweils für den Zeitraum, für den er erbracht worden sei. Für 1977 sei eine Einkommensminderung von . . DM anzusetzen und für 1978 ein (1975 gebildeter) Rechnungsabgrenzungsposten in Höhe von . . DM aufzulösen.

Das FG erhob Beweis über die Umstände, die zu den ,,Entschädigungszahlungen" geführt hatten, indem es den früheren Geschäftsführer der X vernahm. Wegen der Einzelheiten der Zeugenaussage wird auf das Vernehmungsprotokoll Bezug genommen.

Das FG entsprach (im wesentlichen die erforderlichen Korrekturen der Gewerbesteuerrückstellungen für die Streitjahre berücksichtigend) den Klagebegehren mit der Begründung, diese Leistungen gehörten nicht zu den Anschaffungskosten des Grundstücks, sondern zu den laufenden Betriebsausgaben, die nur zeitanteilig abgegrenzt werden müßten, und setzte die Einkommensteuer entsprechend niedriger fest.

Zur Begründung seiner gegen beide Urteile eingelegten Revisionen trägt das FA weiterhin vor, die ,,Entschädigungszahlungen" seien Anschaffungskosten und müßten auch schon wegen ihrer Höhe aktiviert werden.

 

Entscheidungsgründe

Die vom Senat zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung gemäß den §§ 121, 73 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verbundenen Revisionen sind unbegründet.

Zu Recht hat das FG die in den Streitjahren zu berücksichtigenden Zahlungen an die X zum sofortigen Abzug zugelassen.

1. Die halbjährlichen Zahlungen von . . . DM gehören nicht zu den Anschaffungskosten der Grundstücke, sondern zu den laufenden Betriebsausgaben.

a) Der Kläger schuldete sie nicht als Gegenleistung für die Grundstücksübereignung, die unabhängig von diesen Zahlungen erst rund zweieinhalb Jahre später mit der Annahme des Kaufangebots wirksam und abgegolten wurde. Die ,,Entschädigungszahlungen" wurden vielmehr nur für die durch die Erklärung vom 2. Dezember 1975 begründete Bindung der X an das Kaufangebot geleistet. Daß sie aus einem selbständigen Rechtsgrund geschuldet und geleistet wurden, zeigt sich auch darin, daß sie unabhängig von dessen Zustandekommen zu erbringen waren und weder zurückgefordert noch auf den Kaufpreis angerechnet werden konnten. Auch eine eventuelle Kaufpreisminderung wäre ohne Einfluß auf die Bemessung der Entschädigungszahlungen geblieben.

Die rechtliche und wirtschaftliche Eigenständigkeit beider Leistungsbeziehungen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. April 1977 VIII R 2/75, BFHE 122, 271, BStBl II 1977, 631) ist auch für die bilanzsteuerrechtliche Behandlung maßgebend. Ebenso wie Herstellungskosten erst mit der Erbringung von Herstellungsleistungen entstehen (BFH-Beschluß vom 4. Juli 1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466, 473, BStBl II 1990, 830, 833 unter C III 1 b), setzen Anschaffungskosten als Bezugsgröße die Erbringung von Anschaffungsleistungen voraus.

b) Bestätigt wird dieses Ergebnis auch durch die Vernehmung des Geschäftsführers der X, die das FG unangefochten und rechtsfehlerfrei dahin gewürdigt hat, daß man durch die vereinbarten ,,Entschädigungszahlungen" für die Zeit der Bindung an das Kaufangebot beim Veräußerer nicht etwa den Entgang eventueller Preissteigerungen, sondern den Verzicht auf Kapitalnutzung abgelten wollte. Die X sollte während dieser Zeit so gestellt werden, als sei der Kaufvertrag sogleich abgeschlossen und der Kaufpreis gegen Zinszahlung gestundet worden. - Kalkulationsbasis für diese Zahlungen war das Zinsniveau, nicht etwa irgendein (geschätzter) Quadratmeterpreis. Auch ihrem wirtschaftlichen Gehalt nach bezog sich also diese Gegenleistung nicht auf den Grundstückserwerb.

2. Daß die Entschädigungszahlungen grunderwerbsteuerrechtlich letztlich als Gegenleistung für den Grundstückserwerb angesehen wurden (BFH-Urteil vom 20. September 1989 II R 131/86, BFH/NV 1990, 525), ist hier unbeachtlich. Diese Beurteilung ist für das Einkommensteuerrecht ohne Aussagekraft: Sie beruht auf einem eigenständigen, speziell für das Grunderwerbsteuerrecht entwickelten Gegenleistungsbegriff (vgl. BFH/NV 1990, 525). Demgemäß richtet sich die Bemessung dieser (Verkehrs-)Steuer nach anderen (vor allem auch von Gesichtspunkten einer periodengerechten Ertragserfassung unabhängigen) gesetzlichen Kriterien als die Abgrenzung Anschaffungsaufwand / laufende Betriebsausgaben für Zwecke der ertragsteuerlichen Gewinnermittlung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417831

BFH/NV 1992, 163

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