Leitsatz (amtlich)

1. Die nach § 233 Abs. 1 Nr. 3 AO n. F. (= § 239 Abs. 1 Nr. 3 AO a. F.) und § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO zur Einlegung von Rechtsbehelfen gegen einen einheitlichen Feststellungsbescheid befugten zur Geschäftsführung berufenen Gesellschafter sind nur die geschäftsführenden Gesellschafter, die auch vertretungsberechtigt sind. Ein von ihnen wirksam eingelegter Rechtsbehelf ist ein Rechtsbehelf der Gesellschaft.

2. Im Verfahren über einen solchen Rechtsbehelf ist für eine Beiladung einzelner, auch geschäftsführender Gesellschafter kein Raum, es sei denn, daß die Gesellschaft aufgelöst oder ein Gesellschafter ausgeschieden ist.

2. Wenn ein Rechtsbehelf gegen einen einheitlichen Feststellungsbescheid die Gewinnbeteiligung, die Höhe des Gewinnanteils oder die persönlichen Belange einzelner Gesellschafter betrifft (§ 233 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AO n. F. = § 239 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AO a. F. und § 48 Abs. 1 Nr. 1 und 2 FGO), sind sowohl die betroffenen Gesellschafter als auch die durch ihre vertretungsberechtigten Geschäftsführer vertretene Gesellschaft zur Einlegung von Rechtsbehelfen befugt. Die zur Einlegung eines Rechtsbehelfs Befugten sind jeweils zuzuziehen oder beizuladen, wenn sie selbst keinen Rechtsbehelf eingelegt haben.

2. Für die Frage, ob eine Tatsache neu im Sinne des § 222 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AO ist, kommt es auf die Kenntnis der für die Veranlagung zuständigen Beamten des FA, nicht auf die des Betriebsprüfers an.

 

Normenkette

AO a.F. § 239 Abs. 1; AO n.F. § 233 Abs. 1; FGO § 48 Abs. 1; AO n.F. § 241 Abs. 3; FGO § 60 Abs. 3; AO § 222 Abs. 1 Nrn. 1-2

 

Tatbestand

Die Klägerin (OHG) betreibt eine alteingeführte Großhandlung. Die der OHG auf ihre Jahresbezüge von den Herstellern gewährten Prämiengutschriften hatte sie ohne besondere Kenntlichmachung auf dem Warenkonto gebucht. Dies wurde bei einer Betriebsprüfung für die Veranlagungszeiträume 1949 bis 1955 im November 1957 festgestellt. Der Betriebsprüfer schlug die Aktivierung der Jahresprämien vor. Gegen die dementsprechend erlassenen Feststellungsbescheide, für 1949 bis 1952 berichtigte, für 1953 bis 1955 endgültige, legte die OHG - mit Ausnahme des Jahres 1954 - erfolglos Einsprüche ein. Die Berufungen, jetzt Klagen, für die Streitjahre 1949 bis 1951, 1953 und 1955 wurden als unbegründet zurückgewiesen.

Das FG war der Ansicht, zu den in den Bilanzen der OHG auszuweisenden Wirtschaftsgütern zählten auch die Umsatzprämien. Es führte weiter aus, der Einwand der OHG, die Prämiengewährung sei dem FA bei der vorangegangenen Betriebsprüfung im Januar 1952 über die Jahre 1949 und 1950 schon bekanntgeworden, sei nicht berechtigt. Der damalige Prüfer habe von der Prämiengewährung keine Kenntnis erhalten. In dem Betriebsprüfungsbericht sei die Umsatzvergütung an keiner Stelle erwähnt. Selbst wenn der Betriebsprüfer Kenntnis erhalten hätte, hätten Sachbearbeiter und Sachgebietsleiter, auf deren Kenntnis es allein ankomme, keine Kenntnis erlangen können. Sachbearbeiter und Sachgebietsleiter hätten auch nicht ihre Ermittlungspflichten verletzt. Es habe kein Anhaltspunkt bestanden, wegen eventueller Umsatzprämien nachzuforschen. Auch in den Berichten über die von der OHG veranlaßten Prüfungen durch den vereidigten Buchprüfer und Steuerberater sei nirgends die Umsatzvergütung dargestellt.

Zur Begründung der Rechtsbeschwerde, jetzt Revision, der OHG wird vorgetragen:

I. Nach § 60 FGO sei eine Beiziehung der Gesellschafter bei der einheitlichen Gewinnfeststellung erforderlich, da eine Entscheidung notwendigerweise gegenüber der Gesellschaft und den Gesellschaftern nur einheitlich ergehen könne. Das ergebe sich auch aus den Entscheidungen des BFH der letzten Jahre.

II. Das FG habe das Wesen der Aktivierungspflicht verkannt. Ein Vermögenswert könne nur dann aktiviert werden, wenn er einen echten Bestandteil des Vermögens bilde und der Betriebsinhaber tatsächlich über ihn verfügen dürfe.

III. Die Vorinstanz hätte aufklären müssen, ob bei der vorangegangenen Betriebsprüfung im Jahre 1952 die Verbuchung der Umsatzboni festgestellt worden sei oder hätte festgestellt werden können. Die Tatsache, daß der damalige Betriebsprüfer die Behandlung der Umsatzboni im Bericht nicht erwähnt habe, schließe nicht aus, daß ihm die Nichtaktivierung bekannt gewesen sei.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision führt nur für die Feststellungszeiträume 1949 bis 1951 aus verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz. Sie ist für die anderen Jahre unbegründet.

1949 bis 1951

An der OHG waren außer den persönlich haftenden Gesellschaftern K und W im Jahre 1949 noch G, im Jahre 1950 G bis zu seinem Tode am 4. Juli 1950, für die Zeit danach Frau L und im Jahre 1951 gleichfalls Frau L, die mit Ablauf des Jahres 1951 aus der OHG ausschied, beteiligt. Die berichtigten Feststellungsbescheide, die Gegenstand dieses Verfahrens sind, wurden nur W zugestellt. Den Erben des verstorbenen Gesellschafters G und der ausgeschiedenen Gesellschafterin Frau L hätten die sie betreffenden Gewinnfeststellungsbescheide gesondert zugestellt werden müssen. Da die ausgeschiedenen Gesellschafter zur Einlegung eines Rechtsbehelfs selbst dann befugt waren, wenn in ihrer Person die Voraussetzungen des § 239 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AO a. F. nicht erfüllt waren (vgl. BFH-Urteil I 171/57 U vom 1. April 1958, BFH 67, 35, BStBl III 1958, 285), mußten sie zu dem Verfahren zugezogen werden. Das ist nicht geschehen. Sie wurden weder im Einspruchsverfahren noch im Verfahren vor dem FG beteiligt. Die Unterlassung der nach Sachlage gebotenen Zuziehung nötigt für die Jahre 1949 bis 1951 zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.

1953 und 1955

I. Entgegen der Ansicht der OHG ist eine Beiladung der Gesellschafter nicht erforderlich. Dahin führen die folgenden Überlegungen.

1. Für die Frage, ob die Gesellschafter zu beteiligen sind, ist entscheidend, wer Kläger ist. Nach § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO sind in Angelegenheiten, die einen einheitlichen Feststellungsbescheid bei gewerblichen Betrieben betreffen, soweit es nicht um die Beteiligung an dem festgestellten Betrag und dessen Verteilung (a. a. O. Nr. 1) oder um einen Gesellschafter persönlich betreffende Fragen geht (a. a. O. Nr. 2), nur "die zur Geschäftsführung berufenen Gesellschafter oder Gemeinschafter" zur Einlegung von Rechtsbehelfen berechtigt. Nach § 233 Abs. 1 Nr. 3 AO n. F. (§ 239 Abs. 1 Nr. 3 AO a. F.) gilt dasselbe für die Einlegung eines Einspruchs.

2. Während nach Abs. 2 der genannten Bestimmungen bei einheitlichen Feststellungsbescheiden gegen Mitberechtigte in anderen Fällen, also bei Einkünften, die nicht aus gewerblichen Betrieben herrühren, jeder Mitberechtigte zur Einlegung von Rechtsbehelfen befugt ist, beschränkt das Gesetz in den Fällen des Abs. 1 Nr. 3 der genannten Bestimmungen diese Befugnis auf die geschäftsführenden Gesellschafter. Andere Gesellschafter sind ausgeschlossen. Die nichtgeschäftsführenden Gesellschafter sollen offensichtlich auch nicht gelegentlich eines steuerlichen Rechtsbehelfsverfahrens, bei dem es meistens um die Ansätze in der Bilanz geht, einen ihnen nach Privatrecht und Gesellschaftsvertrag verwehrten Einblick in die Verhältnisse der Gesellschaft erhalten. "Diese Personen", so heißt es in der Begründung zum Entwurf des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1925 zu § 66, der dem § 239 AO a. F. entsprach (zitiert nach Strutz, Kommentar zum Einkommensteuergesetz 1925, 2. Bd. Berlin 1929, § 66 Anm. 1a), "haben nach den Vorschriften des Privatrechts nicht ausnahmslos das Recht, Einblick in das Material zu erhalten ..., das die Geschäftsführer dem FA bei der Veranlagung vorgelegt haben, oder das sonst Gegenstand des Verfahrens ist ... Es würde daher im sachlichen Ergebnis zu einer Beseitigung wohl erwogener Grundsätze des Privatrechts führen, wollte man den nicht zur Geschäftsführung befugten Gesellschaftern das Recht auf prozessuale Beteiligung an dem Feststellungsverfahren mit allen sich daraus nach der AO ergebenden Befugnissen gewähren" (vgl. auch BFH-Urteil VI 349/63 U vom 6. August 1965, BFH 83, 490, BStBl III 1965, 675).

Der Ausschluß der anderen Gesellschafter von der Befugnis, Rechtsbehelfe einzulegen, ist nur zu rechtfertigen, wenn die geschäftsführenden Gesellschafter die Interessen der anderen Gesellschafter vertreten und ihr Vertrauen besitzen. Das ist der Fall, wenn sie auch sonst berechtigt sind, die Belange der Gesamtheit der Gesellschafter nach außen wahrzunehmen. Sie handeln also nicht im eigenen Namen, sondern als Vertreter der Gesamtheit der Gesellschafter, d. h. aber der Gesellschaft. Damit wird bereits deutlich, daß die geschäftsführenden Gesellschafter kein Einspruchs- und Klagerecht im eigenen Namen besitzen, sondern nur im Namen der Gesamtheit der Gesellschafter, also der Gesellschaft, auftreten.

3. Diese Zusammenfassung aller Gesellschafter zu einer zur Einlegung von Rechtsbehelfen selbst befugten "Gesellschaft", also einem insoweit beschränkt rechtsfähigen Gebilde, entspricht den Besonderheiten des Steuerrechts und des steuerlichen Verfahrensrechts.

Im Gewerbesteuer- und Umsatzsteuerrecht sind nicht nur die mit beschränkter Rechts- und Parteifähigkeit ausgestatteten, zu den Personengesellschaften gehörenden Handelsgesellschaften (OHG und KG) Steuerrechtssubjekte, sondern auch die Gesellschaften bürgerlichen Rechts, die nach dem Zivilrecht nicht rechtsfähig sind. Für sie sind die Steuererklärungen abzugeben und ggf. namens der Gesellschaft im Rechtsbehelfsverfahren durchzufechten.

Zur Einkommensteuer und Vermögensteuer werden grundsätzlich (Ausnahme nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 VStG bei beschränkter Steuerpflicht) nur die einzelnen Gesellschafter herangezogen. Den Einzelveranlagungen müssen aber einheitliche Erklärungen und einheitliche Feststellungen vorausgehen. Insoweit werden mithin auch für die Gesamtheit der Gesellschafter, d. h. für die Gesellschaft, Steuererklärungen abgegeben und notfalls im Rechtsbehelfsverfahren namens der Gesellschaft weiterverfolgt.

Die damit gegebene Gleichbehandlung der Gesellschaft für das Gewerbesteuer- und Umsatzsteuerrecht einerseits und für das einheitliche Feststellungsverfahren andererseits entspricht den Bedürfnissen der Praxis. Wenn die Erklärung zur einheitlichen Feststellung des Gewinns und die Gewerbesteuererklärung für ein- und dieselbe Gesellschaft von denselben Personen aufgestellt und unterzeichnet werden, so kann es nur sachgerecht sein, auch die etwa sich anschließenden Rechtsbehelfsverfahren für ein- und dieselbe Gesellschaft namens dieser Gesellschaft und durch dieselben Personen führen zu lassen.

4. Die Auffassung, daß die geschäftsführenden Gesellschafter nach § 233 AO n. F. (= § 239 AO a. F.) und § 48 FGO, jeweils Abs. 1 Nr. 3, den Rechtsbehelf für die Gesellschaft einlegen, wird fast durchweg auch im Schrifttum vertreten. So bereits Strutz (a. a. O., § 66 Anm. 7 S. 1038), der im Gegensatz zu den in bestimmten Fällen möglichen Rechtsbehelfen der einzelnen Mitberechtigten den Rechtsbehelf der geschäftsführenden Gesellschafter als "nur für die Gesellschaft oder Gemeinschaft als solche" gestattet ansieht. Im gleichen Sinne Berger (Der Steuerprozeß 1954 S. 220), Hübschmann-Hepp-Spitaler (Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 233 AO Rdnr. 6) und Ziemer-Birkholz (Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 48 Rdnr. 19). Auch Tipke-Kruse (Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 2. bis 4. Aufl., § 48 FGO Anm. 3 führen aus: "Die Geschäftsführer sind Vertreter aller Gesellschafter. Sie erheben die Klage namens der Gesellschaft." (Anderer Ansicht Flechtheim in Düringer-Hachenburg, Das Handelsgesetzbuch, 3. Aufl. 1932, § 126 Anm. 8 S. 686).

5. Als diejenigen, die für die Gesellschaft und in deren Namen den Rechtsbehelf gegen einen Feststellungsbescheid einzulegen befugt sind, sind in § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO und den entsprechenden Bestimmungen die zur Geschäftsführung berufenen Gesellschafter genannt. Wie diese Bestimmungen auszulegen sind, ist umstritten.

Im Schrifttum wird zum Teil auf die "Geschäftsführung" im rechtstechnischen Sinne (vgl. § 709 BGB, § 114 HGB) im Gegensatz zur "Vertretungsmacht" (vgl. § 714 BGB, § 125 HGB) abgestellt (so Mattern-Meßmer, Reichsabgabenordnung, § 239 AO Rdnr. 1938), zum Teil werden die Geschäftsführer ohne weiteres als zur Vertretung der Gesellschaft befugt angesehen (so Hübschmann-Hepp-Spitaler, a. a. O., § 233 AO n. F. Anm. 3; Tipke-Kruse, a. a. O., § 48 FGO Anm. 3, und Ziemer-Birkholz, a. a. O., § 48 Rdnr. 4). Ein Teil der handelsrechtlichen Literatur vertritt die Auffassung, daß die vertretungsberechtigten Gesellschafter gemeint seien (Baumbach-Duden, Handelsgesetzbuch, 19. Aufl., § 114 Anm. 1 B; Hueck, Das Recht der offenen Handelsgesellschaft, 4. Aufl., 1971, S. 292, Fußnote 50; Fischer in Großkommentar Handelsgesetzbuch, 1967, § 126 Anm. 13 S. 270); nach Flechtheim in Düringer-Hachenburg (a. a. O., 3. Aufl. 1932, § 126 Anm. 8 S. 686) ist die Vorschrift des § 239 Abs. 1 Nr. 3 AO (a. F.) so zu verstehen, daß die geschäftsführenden Gesellschafter den Rechtsbehelf im eigenen Namen und nicht als Vertreter der OHG einlegen können, wobei aber hervorgehoben wird, daß die Regeln über die Geschäftsführung hier nicht passen.

6. Es lag für den Gesetzgeber nahe, bei der Regelung der Frage, wer von mehreren durch einen Feststellungsbescheid Betroffenen einen Rechtsbehelf einlegen könne, daran anzuknüpfen, wer im Innenverhältnis gegenüber den übrigen Gesellschaftern befugt und verpflichtet ist, die Geschäfte zu führen, d. h. sich um die Angelegenheiten der Gesellschaft zu kümmern und damit auch die steuerlichen Verpflichtungen - Buchführung, Aufstellung der Bilanz, Mitwirkung im Besteuerungs- und Rechtsmittelverfahren - zu erfüllen, also diese zur Geschäftsführung berufenen Gesellschafter auch allein für befugt zu erklären, den Rechtsbehelf gegen einen alle Gesellschafter betreffenden Feststellungsbescheid einzulegen.

Die Einlegung von Rechtsbehelfen durch den dazu befugten geschäftsführenden Gesellschafter bewirkt, daß die übrigen nichtgeschäftsführenden Gesellschafter die Führung des Rechtsbehelfs, das Ergebnis des Rechtsbehelfsverfahrens sowie etwaige Kostenfolgen gegen sich gelten lassen müssen. Der geschäftsführende Gesellschafter tritt also insoweit mit Wirkung nach außen auf. Wie Hueck (a. a. O., S. 292) zutreffend ausführt, handelt es sich bei Einlegung des Rechtsbehelfs zwar um einen Akt der Geschäftsführung, zugleich aber um eine nach außen wirkende Willenserklärung der OHG, so daß der handelnde Gesellschafter auch Vertretungsmacht haben muß.

Die Fassung des Gesetzes, das "die" zur Geschäftsführung berufenen Gesellschafter zur Einlegung von Rechtsbehelfen für berechtigt erklärt, könnte zwar darauf schließen lassen, daß damit allen zur Geschäftsführung befugten Gesellschaftern ohne Rücksicht darauf, ob sie auch vertretungsberechtigt sind, also nach außen für die Gesellschaft auftreten können, auch die Befugnis verliehen werden sollte, Rechtsbehelfe einzulegen. Abgesehen von der Tatsache, daß Fälle, in denen ein Gesellschafter zwar zur Geschäftsführung, aber nicht zur Vertretung berechtigt ist, in der Praxis selten vorkommen werden, ist der Senat der Überzeugung, daß der Gesetzgeber mit der Formulierung "die geschäftsführenden Gesellschafter" keine derart grundsätzlich vom Zivilrecht abweichende Regelung schaffen wollte.

7. Auch die Frage, ob die geschäftsführenden und vertretungsberechtigten Gesellschafter wegen der Gesetzesfassung "die geschäftsführenden Gesellschafter" nur in ihrer Gesamtheit zur Einlegung von Rechtsbehelfen befugt sein sollten, also Gesamtvertretungsmacht (vgl. § 125 Abs. 2 HGB) zwingend vorgeschrieben werden sollte, verneint der Senat, da für eine solche Beschränkung der grundsätzlich im Zivilrecht bestehenden vertraglichen Dispositionsfreiheit der Gesellschafter (vgl. z. B. die §§ 125 HGB, 709, 710, 711, 714 BGB) kein Grund ersichtlich ist. Wenn jeder geschäftsführende und einzel-vertretungsberechtigte Gesellschafter handelsrechtlich die anderen Gesellschafter und die Gesamthand z. B. in einem gewichtigen Zivilprozeß vertreten kann, seine im Namen der Gesellschaft erhobene zivilprozessuale Klage also die Gesamthand und die einzelnen Gesellschafter bindet, so wäre es nicht vertretbar, im Steuerprozeß eine Klage deshalb als unzulässig zu behandeln, weil sie nur von einem geschäftsführenden, aber handelsrechtlich einzelvertretungsberechtigten Gesellschafter erhoben wurde. - Der Ansicht, daß in allen Fällen nur alle Geschäftsführenden gemeinschaftlich den Rechtsbehelf einlegen könnten (so Tipke-Kruse, a. a. O., § 48 FGO Rdnr. 3), ist nicht zuzustimmen. Die Begründung, es wäre ungewöhnlich, wenn jeder Gesellschafter "auf eigene Faust und ohne Benehmen mit den anderen" handeln würde, kann nicht überzeugen. Die geschäftsführenden Gesellschafter werden auch in anderen schwerwiegenden Fragen nicht "auf eigene Faust" handeln, sondern sich miteinander ins Benehmen setzen. Dadurch wird aber die Befugnis jedes einzelnen, die Gesellschaft wirksam vertreten und verpflichten zu können, nicht beeinträchtigt.

8. Im Gegensatz zu der Regelung des § 233 AO n. F. (= § 239 AO a. F.) und § 48 FGO, jeweils Abs. 1 Nr. 3, über die Befugnis der Gesellschaft, ausgeübt durch die vertretungsberechtigten Geschäftsführer, im Normalfall Rechtsbehelfe einzulegen, gewähren die genannten Vorschriften in Abs. 1 Nr. 1 und 2 für das steuerrechtliche Verfahren den betroffenen Gesellschaftern selbst die Befugnis, Rechtsbehelfe einzulegen, wenn es sich um Gewinnbeteiligung oder -verteilung und/oder um einen Gesellschafter persönlich angehende Fragen handelt. Damit soll diesen Gesellschaftern die Möglichkeit gegeben werden, die sie betreffenden Fragen selbst im Rechtsbehelfsverfahren zu klären. Die Notwendigkeit, hier den betroffenen Gesellschaftern eine eigene Befugnis zuzugestehen, Rechtsbehelfe einzulegen, hatte bereits der RFH in dem Urteil VI A 852/28 vom 4. Juni 1930 (RFH 27, 67) erkannt.

Es kann nicht davon ausgegangen werden, daß diese zusätzliche Befugnis der betroffenen Gesellschafter zur Einlegung eines Rechtsbehelfs die allgemeine Befugnis der zur Geschäftsführung berufenen und im Rahmen ihrer Vertretungsmacht handelnden Gesellschafter, für die Gesellschaft einen Rechtsbehelf einlegen zu können, einschränken soll. Auch bei den Sonderfragen der einzelnen betroffenen Gesellschafter handelt es sich um Fragen, die die Verhältnisse der Gesellschaft als solcher berühren. Zu beurteilen, wer an der Gesellschaft beteiligt ist, wie hoch die Gewinnanteile der einzelnen Gesellschafter sind oder welche besonderen Betriebsausgaben, durch die in aller Regel die Höhe des Gesamtgewinns beeinflußt wird, von einzelnen Gesellschaftern geltend zu machen sind, obliegt auch den vertretungsberechtigten und geschäftsführenden Gesellschaftern. Auch auf solche Fragen ist daher die allgemeine Befugnis der Gesellschaft, Rechtsbehelfe einzulegen, nach Nr. 3 der hier behandelten Vorschriften zu erstrecken.

Andererseits wird die zusätzliche eigene Klagebefugnis der betroffenen Gesellschafter nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 FGO durch die allgemeine Klagebefugnis der Gesellschaft nach § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO, wahrgenommen durch die zur Vertretung berechtigten geschäftsführenden Gesellschafter, nicht ersetzt. Die Klagebefugnis der einzelnen Gesellschafter nach Nr. 1 und 2 steht neben der allgemeinen Klagebefugnis der Gesellschaft nach Nr. 3. Klagen wegen Sonderfragen einzelne Gesellschafter, so ist die Gesellschaft, klagt wegen Sonderfragen die Gesellschaft, so sind die betreffenden Gesellschafter beizuladen.

Das entspricht der Rechtsprechung des BFH. Nach dem Urteil III 25/65 U vom 30. April 1965 (BFH 82, 603, BStBl III 1965, 464) erstreckt sich die allgemeine Befugnis zur Anfechtung eines Einheitswert-Feststellungsbescheides auch auf die Aufteilung des Einheitswerts auf die Gesellschafter und sind die nicht zur Geschäftsführung berufenen betroffenen Gesellschafter, wenn sie selbst keinen Rechtsbehelf eingelegt haben, zu dem allgemeinen Rechtsbehelfsverfahren zuzuziehen. In dem Urteil IV R 281/66 vom 15. November 1967 (BFH 90, 428, BStBl II 1968, 122) schloß sich der IV. Senat dem Urteil des III. Senats an und bejahte die allgemeine Befugnis der geschäftsführenden Gesellschafter, auch in nur einzelne Gesellschafter betreffenden Sonderfragen Rechtsbehelfe einzulegen, wobei er die Notwendigkeit bestätigte, bei einem von der KG eingelegten Rechtsbehelf die einzelnen betroffenen Gesellschafter zu beteiligen. Im gleichen Sinne entschied der BFH im Urteil VI R 240/68 vom 14. Mai 1969 (BFH 96, 32, BStBl II 1969, 586), daß auch die Personengesellschaft, vertreten durch ihre Geschäftsführer, zur Einlegung von Rechtsbehelfen befugt ist, wenn im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung die Beteiligung an dem festgestellten Betrag streitig ist, und daß die nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO klagebefugten Gesellschafter notwendig beizuladen sind. Ebenso ist bei Klagen der einzelnen betroffenen Gesellschafter die Gesellschaft selbst, vertreten durch ihre vertretungsberechtigten Geschäftsführer, klagebefugt und, da die Entscheidung gegenüber der Gesellschaft und den einzelnen Gesellschaftern nur einheitlich ergehen kann, notwendig beizuladen (§ 60 Abs. 3 FGO).

9. In den eben genannten Urteilen werden bei der allgemeinen Klagebefugnis nach § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO die geschäftsführenden Gesellschafter mit der Gesellschaft gleichgesetzt oder - der Rechtslage nach zutreffend formuliert - die Personengesellschaft selbst, vertreten durch ihre Geschäftsführer, genannt. Der erkennende Senat hat in dem Urteil IV R 119/68 vom 17. Dezember 1970 (BFH 101, 354) bei einem Streit um die Höhe eines auf einen Gesellschafter entfallenden Veräußerungsgewinns die Beiladung "der zur Geschäftsführung befugten Mitgesellschafter" für notwendig erachtet. Die unterschiedliche Ausdrucksweise entspricht den nicht einheitlichen Gepflogenheiten der Praxis, in der bisher bei Rechtsbehelfen gegen Bescheide der einheitlichen Gewinnfeststellung teils die geschäftsführenden Gesellschafter, teils die Gesellschaft als Klagende auftraten oder bezeichnet wurden. Ist nach den oben angestellten Überlegungen klargestellt, daß es sich bei der Klagebefugnis nach § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO um eine Klage der Gesellschaft, vertreten durch die zur Geschäftsführung berufenen, im Rahmen ihrer Vertretungsmacht für die Gesellschaft auftretenden Gesellschafter handelt, so kann nicht entscheidend sein, ob alle geschäftsführenden und vertretungsberechtigten Gesellschafter oder ein einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer-Gesellschafter für die Gesellschaft wirksam die Klage erhebt. In jedem Fall ist die Gesellschaft selbst Rechtsbehelfsführerin und Klägerin. An dem zuletzt genannten Urteil IV R 119/68 (a. a. O.), in dem noch ausgeführt wurde, "die geschäftsführenden Gesellschafter" seien zu beteiligen, hält der Senat nicht mehr fest. Wenn wegen Sonderfragen einzelne Gesellschafter klagen, ist die Gesellschaft, vertreten durch ihre vertretungsberechtigten und geschäftsführenden Gesellschafter oder durch einen einzelvertretungsberechtigten geschäftsführenden Gesellschafter zu beteiligen.

10. Wenn im Normalfall des § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO ein Rechtsbehelf durch einen geschäftsführenden Gesellschafter im Rahmen seiner Vertretungsmacht wirksam für die Gesellschaft eingelegt und die Gesellschaft damit Rechtsbehelfsführerin geworden ist, ist für eine Beiladung des oder der anderen geschäftsführenden Gesellschafter kein Raum. Denn diese anderen geschäftsführenden Gesellschafter sind bereits durch den Gesellschafter, der den Rechtsbehelf wirksam einlegte, vertreten worden. Auch sie hätten den Rechtsbehelf nur namens der Gesellschaft einlegen können, ebenso wie sie selbst im Falle der Einzelvertretungsmacht für die Gesellschaft Schriftsätze einreichen könnten, die zu beachten wären, einen zusätzlichen Bevollmächtigten bestellen könnten, der zu hören wäre, und sogar für die Gesellschaft die Klage oder die Revision wirksam zurücknehmen könnten. Eine "Zuziehung", "Beteiligung" oder "Beiladung" des oder der anderen vertretungsberechtigten und geschäftsführenden Gesellschafter ist nicht möglich.

Aus § 241 Abs. 3 AO n. F. und § 60 Abs. 3 FGO ist nichts anderes zu entnehmen. Zwar ist danach eine Beiladung notwendig, wenn an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, und es soll dies nur für solche Mitberechtigte nicht gelten, die nach § 48 FGO nicht klagebefugt sind. Daraus ist aber nicht zu schließen, daß im Normalfall des § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO die anderen geschäftsführenden Gesellschafter beizuladen wären. Denn § 60 Abs. 3 Satz 2 FGO hat nur Bedeutung für die nach § 48 Abs. 1 Sätze 1 und 2 FGO klagebefugten Gesellschafter, also diejenigen, um deren Beteiligung, deren Gewinnanteile oder deren persönliche Belange es geht. Dies ihnen vom Gesetzgeber insoweit für ihre Person eingeräumte eigene Klagerecht löst, wie bereits oben unter 8. erörtert, ihre notwendige Beiladung aus, wenn die vertretungsberechtigten und geschäftsführenden Gesellschafter in diesen Fällen für die Gesellschaft die Klage erhoben haben. Diese Notwendigkeit, beigeladen zu werden, gilt zwar auch für den oder die anderen geschäftsführenden Gesellschafter, jedoch nur, wenn es sich um ihre Beteiligung, die Höhe ihres Gewinnanteils oder ihre persönlichen Belange handelt. Da es hier nur um die Höhe des Gesamtgewinns geht, ist für eine Beiladung des anderen geschäftsführenden Gesellschafters kein Raum.

II. Zu Unrecht wendet sich die OHG gegen die Aktivierung der Umsatzprämien. Das FG hat in der Umsatzprämie zutreffend eine bereits wirtschaftlich bis zum Jahresende angewachsene, durch nachträgliche Gutschrift realisierte Preisherabsetzung der Warenbezüge der OHG gesehen. Es entspricht der Rechtsprechung des BFH, daß auch der Anspruch auf eine Umsatzprämie zu den bewertbaren Wirtschaftsgütern gehört (vgl. BFH-Urteil IV 33/56 U vom 7. November 1957, a. a. O.). Das Wirtschaftsgut ist mit Ablauf des Bonusjahres entstanden, wenn in diesem Jahr die Voraussetzungen für seine Entstehung erfüllt worden sind. Das ist hier nach den Feststellungen des FG der Fall.

III. Das FG ist schließlich mit Recht davon ausgegangen, daß durch die Betriebsprüfung - trotz der vorangegangenen Betriebsprüfung - mit der Nichtaktivierung der Umsatzprämien eine neue Tatsache aufgedeckt worden ist. Der erkennende Senat hat wiederholt entschieden (vgl. das Urteil IV R 1/67 vom 22. August 1968, BFH 94, 179, BStBl II 1969, 118), daß es im Rahmen des § 222 AO nicht auf die Kenntnis des Betriebsprüfers, sondern des die Veranlagung durchführenden FA ankommt. Ob dem Betriebsprüfer der vorangegangenen Betriebsprüfung die Nichtaktivierung der Umsatzprämien bekannt gewesen ist, kann dahingestellt bleiben, da in seinem Betriebsprüfungsbericht jedenfalls nichts erwähnt ist. Der Fall des BFH-Urteils VI 117/65 vom 23. September 1966 (BFH 87, 73, BStBl III 1967, 23), in dem entschieden wurde, daß die Finanzverwaltung das Wissen des Prüfers über die Form und den Zustand der Buchführung gegen sich gelten lassen muß, auch wenn im Prüfungsbericht die zugrunde liegenden Tatsachen nicht im einzelnen dargestellt waren, betraf einen Sonderfall. Im übrigen teilt der VI. Senat nunmehr uneingeschränkt die Auffassung, daß nur die Tatsachen im Sinne des § 222 AO neu sind, die die für die Veranlagung zuständigen Beamten des FA nicht kannten oder auch bei gehöriger Sorgfalt nicht hätten kennen müssen. Dies hat der VI. Senat inzwischen in dem unveröffentlichten Urteil VI R 22/68 vom 26. Mai 1971 unter Bezugnahme auf das BFH-Urteil IV R 1/67 (a. a. O.) ausgesprochen; er hält, wie er auf Anfrage bestätigte, an dieser Rechtsprechung fest.

Das FG hat daher mit Recht das Vorliegen von neuen Tatsachen angenommen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413238

BStBl II 1972, 672

BFHE 1972, 449

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