Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Abgrenzung von Veräußerungs- und Versorgungsrenten.

 

Normenkette

EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 1, § 22 Ziff. 1

 

Tatbestand

Der Streit geht um die Heranziehung von Renten zur Einkommensteuer und um die Abgrenzung des Begriffes "Veräußerungsrente".

Der 1878 geborene Steuerpflichtige (Stpfl.) hat durch notarielle Verträge vom Januar 1951 und Februar 1951 seine sämtlichen Grundstücke an seine beiden Töchter übertragen. Als Gegenleistung ist in den Verträgen ein lebenslängliches Altenteil für die abgebenden Eltern ausbedungen worden. Das Finanzamt hat die Renten als bei den Empfängern steuerpflichtig i. S. des § 22 Ziff. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) angesehen. Es handle sich nicht um echte Kaufpreisraten i. S. des Urteils des Bundesfinanzhofs IV 70/49 U vom 18. September 1952 (Bundessteuerblatt - BStBl - III S. 290, Slg. Bd. 56 S. 754), da keine Veräußerungsrenten, sondern Versorgungsrenten gegeben seien. Die Grundstücksübertragungen seien nicht nach den Merkmalen einer entgeltlichen Veräußerung, sondern auf Grund verwandtschaftlicher Beziehungen in Form von mit einer Auflage versehenen Schenkungen, gewissermaßen als Vorwegnahme künftiger Erbvorgänge erfolgt. Die vereinbarten Renten seien weniger nach dem Wert der übertragenen Grundstücke als vielmehr nach den Bedürfnissen des Stpfl. und seiner Ehefrau bemessen. Die Werte der hingegebenen Grundstücke, d. h. die gemeinen Werte i. S. des § 10 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes überstiegen die Kapitalwerte der Renten erheblich.

Das Finanzgericht gab der Berufung statt und begründete dies wie folgt: Die Gründe, die den Bundesfinanzhof in seinen Entscheidungen IV 70/49 U vom 18. September 1952 und IV 289/52 U vom 9. Juli 1953 (BStBl III S. 236, Slg. Bd. 57 S. 617) veranlaßt hätten, die Veräußerungsrenten weitgehend von der Einkommensteuer freizustellen, träfen auch auf den vorliegenden Fall zu. Es könne dahingestellt bleiben, ob die gemeinen Werte der übertragenen Grundstücke die Kapitalwerte der Renten wesentlich überstiegen. Selbst wenn dies zutreffe, würde das nicht ausreichen, den Renten und Altenteilsrechten den Charakter von Veräußerungsrenten abzusprechen. Der Stpfl. und seine Ehefrau seien hoch betagt, sie hätten bei der Feststellung der Kaufpreise ihre geldlichen Bedürfnisse mit berücksichtigt. Die in den Verträgen vereinbarten Rechte hätten der Sicherung ihres Lebensunterhaltes dienen sollen. Es lägen aber keine Anhaltspunkte dafür vor, die Absicht der Schenkung oder der vorweggenommenen Erbschaft anzunehmen. Nach Lage der Verhältnisse handle es sich bei den Leistungen der Erwerber um Kaufpreisraten, die nur eine Vermögensumschichtung und keine einkommensteuerpflichtigen Einkünfte darstellten.

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts behauptet das Vorliegen von Versorgungsrenten. Dies ergebe sich aus einem Vergleich der Kapitalwerte der Renten mit den Werten der Grundstücke. Die Kapitalwerte der Renten betrügen 37.000 DM + 11.000 DM = 48.000 DM. Demgegenüber beliefen sich die Einheitswerte der Grundstücke auf 35.000 DM + 19.000 DM = 54.000 DM. Wenn aber nach den bisherigen Erfahrungen die Verkaufspreise für Grundstücke das Zwei- bis Dreifache der Einheitswerte betrügen, so sei ohne weitere Prüfung ersichtlich, daß der Wert der Grundstücke die Kapitalwerte der Renten wesentlich übersteige.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist begründet.

Wie bereits die Entscheidung IV 331/53 U vom 11. Februar 1954 (BStBl III S. 139, Slg. Bd. 58 S. 597) ausspricht, hält der Senat an der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs für Besteuerung der Renten, soweit es sich nicht um Veräußerungsrenten handelt, fest. Im vorliegenden Fall haben die betagten Eltern ihren gesamten Grundbesitz ihren Töchtern übertragen. Im allgemeinen wird insbesondere dort, wo Eltern in vorgerückten Jahren ihr Vermögen an die Kinder übertragen, keine Veräußerung, sondern eine Schenkung, die eine vorweggenommene Erbschaft darstellt, unter Sicherung der eigenen Versorgung der Eltern vorliegen. Es handelt sich dann um übergabeverträge i. S. der Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI A 389/36 vom 10. Juni 1936 (Steuer und Wirtschaft - StuW - 1936 Nr. 325). Die Frage, ob ein Veräußerungsgeschäft zwischen Eltern und Kindern, oder ein auf familienrechtlicher Grundlage beruhender übergabevertrag vorliegt, ist im wesentlichen Tatfrage. Ein Veräußerungsgeschäft wird man nur dort annehmen können, wo Leistung und Gegenleistung in gleicher Weise wie zwischen nichtverwandten Personen abgewogen werden. In diesem Fall sind die Leistungen und Gegenleistungen im wesentlichen ausgeglichen. Wird dagegen die Gegenleistung, wie dies nach Darstellung des Finanzamts im vorliegenden Falle zutreffen soll, unabhängig von der Leistung der Eltern bestimmt, dienen also die Gegenleistungen der Kinder lediglich dazu, die Versorgung der Eltern sicherzustellen, so liegt keine Veräußerungs-, sondern eine Versorgungsrente nach § 10 Ziff. 1 EStG vor. Den gegenteiligen Ausführungen des Finanzgerichts kann nicht beigepflichtet werden. Die Vorentscheidung muß deshalb aufgehoben werden und die Sache zur erneuten Prüfung und Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse an das Finanzgericht zurückverwiesen werden.

Für Versorgungsrenten i. S. des § 10 Ziff. 1 EStG ist der Senat bei der bisherigen Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs verblieben. Die Leistungsverpflichteten können die Beträge nach § 10 Ziff. 1 als Sonderausgaben von der Gesamtsumme ihrer Einkünfte abziehen, die Berechtigten haben die Renten nach § 22 Ziff. 1 EStG zu versteuern. Dieses Ergebnis widerspricht nicht dem allgemeinen Einkommensbegriff des Einkommensteuerrechtes. Es besteht deshalb keine Veranlassung, hier von der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs abzuweichen. Siehe hierzu die Entscheidungen des Reichsfinanzhofs VI A 2195/31 vom 26. Oktober 1932 (StuW 1933 Nr. 21); VI A 2056/32 vom 1. Februar 1933 (Reichssteuerblatt - RStBl - 1933 S. 583); VI A 496/33 vom 21. Juni 1933 (StuW 1933 Nr. 654) und VI A 203/33 vom 18. Oktober 1933 (RStBl 1933 S. 1287), sowie die Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 391/52 U vom 3. Juni 1953 (BStBl III S. 265, Slg. Bd. 57 S. 694).

 

Fundstellen

Haufe-Index 408170

BStBl III 1955, 302

BFHE 1956, 270

BFHE 61, 270

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