Leitsatz (amtlich)

Ein Unterhaltsgeld nach § 44 AFG vom 25. Juni 1969 ist nicht nach § 3 c EStG bei den als Werbungskosten abziehbaren Fortbildungsaufwendungen anzurechnen.

 

Normenkette

AFG i.d.F. des Gesetzes vom 25. Juni 1969 § 44; AFG i.d.F. des Gesetzes vom 25. Juni 1969 § 45; EStG §§ 3c, 9 Abs. 1 S. 1

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war im Streitjahr Angestellter einer Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. In der Zeit vom 16. Juli bis zum 16. September 1972 nahm er mit Erfolg an einem Kurs zur Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung teil. Hierdurch entstanden ihm folgende Aufwendungen:

Kursgebühren 2 160 DM

Mehraufwendungen für Verpflegung 1 764 DM

Übernachtungskosten 756 DM

Fahrtkosten 59 DM

4 739 DM

Diesen Betrag machte der Kläger abzüglich einer Ersatzleistung nach § 45 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) vom 25. Juni 1969 (BGBl I 1969, 582) von 1 125 DM bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit als Werbungskosten (Fortbildungskosten) geltend.

Der Beklagte und Revisionskläger (FA) kürzte die geltend gemachten Werbungskosten um das Unterhaltsgeld von 2 538 DM, das der Kläger nach § 44 AFG erhalten hatte. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das FG gab der Klage statt. Es führte aus, nach § 3 c EStG dürften Ausgaben, soweit sie mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stünden, nicht als Werbungskosten abgezogen werden. Leistungen nach § 44 AFG seien im Streitfall nicht nach § 3 c EStG zu berücksichtigen, da sie nicht im unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit Werbungskosten, sondern mit Aufwendungen für die Lebensführung i. S. des § 12 Nr. 1 EStG stünden. Auf den Nachweis der tatsächlichen Verwendung des Unterhaltsgeldes komme es nicht an.

Mit der Revision macht das FA geltend, die Leistungen nach §§ 44 und 45 AFG seien nach Sinn und Zweck als Einheit zu betrachten; denn das Arbeitsamt wolle hiermit ausschließlich die berufliche Fortbildung fördern. Eine steuerlich verschiedene Wertung der Leistungen, je nachdem, ob sie gemäß § 44 oder gemäß § 45 AFG gezahlt worden seien, würde den einheitlichen Lebenssachverhalt auseinanderreißen. Es spreche nicht gegen den unmittelbaren Zusammenhang des Unterhaltsgeldes mit den Werbungskosten, daß im Arbeitsförderungsgesetz zwischen Unterhaltsgeld und dem Ersatz notwendiger Kosten unterschieden werde, die durch die Fortbildungsmaßnahme unmittelbar entstünden. Dies erkläre sich aus der unterschiedlichen Abrechnungsart.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Das FG geht zu Recht davon aus, daß die vom Kläger geltend gemachten Ausgaben Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit sind, da sie der Fortbildung in einem ausgeübten Beruf dienen. Sie dürfen allerdings nur insoweit steuerlich berücksichtigt werden, als das Abzugsverbot des § 3 c EStG nicht eingreift.

Nach § 3 c EStG dürfen Ausgaben nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden, soweit sie mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Der Gesetzgeber wollte mit dieser durch das StÄndG 1958 vom 18. Juli 1958 (BStBl I 1958, 412) geschaffenen Vorschrift kein neues materielles Recht schaffen, sondern nur die Rechtsgrundsätze bestätigen, die von der Rechtsprechung entwickelt worden waren. Die Vorschrift dient somit lediglich der Klarstellung der bisherigen Rechtslage (Bundesrats-Drucksache 41/58 S. 52). Die Rechtsprechung (insbesondere Urteil des RFH vom 18. November 1942 VI 121/42, RStBl 1942, 1138) ging von der Erwägung aus, daß bei steuerfreien Einnahmen kein doppelter steuerlicher Vorteil durch Abzug der damit unmittelbar zusammenhängenden Ausgaben erzielt werden sollte (so auch das Urteil des BFH vom 9. November 1976 VI R 139/74, BFHE 120, 491, BStBl II 1977, 207). Das würde der Systematik des Einkommensteuergesetzes widersprechen (vgl. Bericht der Einkommensteuer-Kommission, Schriftenreihe des BdF Heft 7 S. 79).

Nach diesem Sinn und Zweck des Abzugsverbots in § 3 c EStG ist die Frage des unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhangs zwischen steuerfreien Einnahmen und Werbungskosten in jedem Einzelfall zu prüfen. Entgegen der Ansicht des FA sind dabei die nach § 3 Nr. 2 EStG steuerfreien Leistungen des Arbeitsamts nach §§ 44 und 45 AFG steuerlich nicht als Einheit, sondern nach ihrer jeweiligen Bedeutung zu würdigen, da nur so die Frage nach einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit Werbungskosten beantwortet werden kann.

a) Die Beteiligten gehen zu Recht davon aus, daß ein solcher unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den steuerfreien Zuschüssen nach § 45 AFG und den Ausgaben des Klägers für Kursgebühren, Mehraufwendungen für Verpflegung, Übernachtungskosten und Fahrtaufwendungen besteht. Denn nach dieser Vorschrift trägt die Bundesanstalt für Arbeit ganz oder teilweise die Kosten, die durch Fortbildungsmaßnahmen unmittelbar entstehen, so insbesondere Lehrgangskosten, Kosten für Lernmittel und Fahrtkosten sowie Kosten der Unterkunft und Verpflegung, wenn die Teilnahme an einer Fortbildungsmaßnahme eine auswärtige Unterbringung erfordert. Hier sind also Ausgaben für die Berufsfortbildung und Einnahmen nach § 45 AFG nach Entstehung und Zweckbestimmung eng miteinander verbunden; die Ausgaben sind ursächlich und unmittelbar auf Vorgänge zurückzuführen, die die Einnahmen betreffen (BFH-Urteil vom 25. Oktober 1966 I 26/64, BFHE 87, 243, BStBl III 1967, 92).

Der Abzug der Werbungskosten ist allerdings nur in der Höhe zu versagen, in der Zuschüsse nach § 45 AFG gezahlt wurden. Diese Einschränkung ergibt sich aus dem oben dargelegten Sinn des § 3 c EStG, der lediglich ungerechtfertigte Steuervorteile vermeiden will und durch diese Zweckbestimmung in seiner Anwendbarkeit begrenzt wird (ebenso Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 17. Aufl., Anm. 22 zu § 3 c EStG; BFH-Urteil vom 7. Dezember 1967 IV R 33/67, BFHE 90, 433, BStBl II 1968, 149).

b) Wie das FG zutreffend dargelegt hat, wird die Abzugsfähigkeit der geltend gemachten Werbungskosten, soweit sie den Förderungsbetrag nach § 45 AFG übersteigen, nicht durch die Leistungen gemindert, die der Kläger nach § 44 AFG als Unterhaltsgeld erhalten hat, da zwischen ihnen kein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang besteht. Ein Unterhaltsgeld wird nach § 44 Abs. 1 AFG u. a. Teilnehmern an Maßnahmen zur beruflichen Fortbildung mit ganztägigem Unterricht gewährt. Es ist dazu bestimmt, den Lebensunterhalt des Geförderten bzw. seiner Familie sicherzustellen. Gemäß diesem Gesetzeszweck wird die Förderung vom Gesetzgeber auch "Unterhaltsgeld" genannt. Er wollte mit der Einführung des Unterhaltsgeldes für Arbeitnehmer (zuerst in § 133 a des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung) die Möglichkeit schaffen, "an beruflichen Bildungsmaßnahmen teilzunehmen, die nach Art und Umfang die Arbeitskraft der Teilnehmer so in Anspruch nehmen, daß sie der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stehen" (Deutscher Bundestag, 5. Wahlperiode z u Drucksache V/1420). Mit der Übernahme dieser Regelung in § 44 AFG soll mithin der Lebensunterhalt der zu fördernden Personen gesichert und dadurch eine rege Teilnahme an den Förderungsmaßnahmen erzielt werden (vgl. Schönfelder/Kranz/Wanka, Kommentar zum Arbeitsförderungsgesetz, Anm. 1 zu § 44). Der unterschiedliche Charakter der Förderungsmaßnahmen nach § 44 und § 45 AFG zeigt sich auch darin, daß Kosten für Fortbildungsmaßnahmen selbst dann nach § 45 AFG vom Arbeitsamt gezahlt werden können, wenn ein Unterhaltsgeld nach § 44 AFG nicht zu erbringen ist; ebensowenig ist ein Unterhaltsgeld nach § 44 AFG von Zahlungen nach § 45 AFG abhängig. Im übrigen bemißt sich die Höhe des Unterhaltsgeldes nicht nach den Kosten der Fortbildung, sondern nach einem Vomhundertsatz des zuvor verdienten Nettoarbeitsentgelts. Wären solche Aufwendungen in Höhe des Unterhaltsgeldes nicht als Werbungskosten abzugsfähig, so würde dies zu einer vom Gesetzgeber gemäß § 3 Nr. 2 EStG nicht gewollten indirekten Besteuerung von staatlichen Förderungsleistungen führen.

Zwischen dem Unterhaltsgeld nach § 44 AFG und den als Werbungskosten abziehbaren Ausgaben der Berufsfortbildung besteht lediglich ein - für die Anwendung des § 3 c EStG nicht ausreichender - mittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang. Würde der Arbeitnehmer nicht an einer ganztägigen Fortbildungsmaßnahme teilnehmen, so hätte er keinen Verdienstausfall, und das Arbeitsamt brauchte ihm wegen Verdienstaufalls kein Unterhaltsgeld zu zahlen. Dabei kommt es nicht auf die Frage an, ob der Kläger das Unterhaltsgeld tatsächlich für Lebenshaltungskosten oder für durch Leistungen nach § 45 AFG nicht gedeckte Fortbildungskosten ausgegeben hat. Aufwendungen für den Lebensunterhalt, die das Unterhaltsgeld nach § 44 AFG sicherstellen will, können im unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit Berufsfortbildungsmaßnahmen allerdings dann anfallen, wenn dem Arbeitnehmer bei auswärtiger Unterbringung Mehrausgaben wegen Unterkunft und Verpflegung entstehen. Für solche Kosten erhält er jedoch Ersatz nicht durch das Unterhaltsgeld des § 44 AFG, sondern durch die oben erwähnten, auf die Werbungskosten anzurechnenden Leistungen nach § 45 AFG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72320

BStBl II 1977, 507

BFHE 1978, 265

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