Leitsatz (amtlich)

1. Überträgt ein 67jähriger persönlich haftender Gesellschafter seinen Anteil an einer Kommanditgesellschaft auf seinen Sohn, der bereits persönlich haftender Gesellschafter der Kommanditgesellschaft ist, und behält jener sich den lebenslänglichen Nießbrauch an dem übertragenen Gesellschaftsanteil vor, so bedarf es in aller Regel keines besonderen Nachweises, daß durch die Übertragung des Gesellschaftsanteils unter Nießbrauchsvorbehalt eine Bereicherung des Sohnes eingetreten ist.

2. Das Vorliegen der nach § 516 Abs. 1 BGB erforderlichen Einigung über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung ist nicht deshalb zu verneinen, weil eine Bereicherungsabsicht fehlt.

2. Fällt bei einer reinen Schenkung oder einer Schenkung unter einer Auflage die auf die Lebenszeit des Schenkenden befristete Belastung oder Auflage durch den Tod des Schenkenden innerhalb der Fristen des § 16 Abs. 3 BewG 1934 weg, so ist dies bei der Festsetzung der Schenkungsteuer oder durch Berichtigung der Schenkungsteuerfestsetzung zu berücksichtigen.

2. Wenn das FG Tatsachen oder Beweismittel außer acht läßt, die sich ihm nach Sachlage hätten aufdrängen müssen, so liegt ein Mangel in der Sachaufklärung vor.

 

Normenkette

ErbStG 1959 § 3 Abs. 1 Nr. 1; BewG 1934 § 16 Abs. 3; BGB § 516 Abs. 1; FGO § 76 Abs. 1, § 96 Abs. 1 S. 1; ZPO § 561 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Kläger und sein 1895 geborener Vater waren Komplementäre, der Bruder des Klägers war Kommanditist einer Kommanditgesellschaft (KG). Mit Vertrag vom Juli 1963 übertrug der Vater dem Kläger unter ausdrücklicher Zustimmung des Kommanditisten seine Beteiligung an der KG und behielt sich dabei das "uneingeschränkte Nießbrauchsrecht an dem Anspruch auf die Gewinnbeteiligung vor, die mit seiner Beteiligung an der genannten Gesellschaft verbunden war", und zwar auf seine Lebenszeit. Im November 1963 verstarb der Vater. 1966 erließ das beklagte FA gegen den Kläger einen Schenkungsteuerbescheid über ... DM, setzte hierbei den übertragenen Kapitalanteil mit seinem Bilanzansatz an und zog die "Nießbrauchsbelastung" für fünf Monate bis zum Tode des Vaters entsprechend § 16 Abs. 3 BewG 1934 ab.

Der Einspruch blieb erfolglos.

Auch die Klage ist größtenteils erfolglos geblieben. Ihr Teilerfolg hat sich daraus ergeben, daß das FG das Vermögen der KG nach den Grundsätzen des Bewertungsgesetzes ermittelt hat und dabei zu einem geringeren Wert des übertragenen Anteils des Vaters gelangt ist, als dieser in dem Schenkungsteuerbescheid zugrunde gelegt worden war.

Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, die Vertragspartner des Vertrages vom Juli 1963 seien davon ausgegangen, daß die Werte des übertragenen Anteils und der Nießbrauchsbelastung sich in etwa ausglichen. Ein Bereicherungswille habe deshalb gefehlt. Mangels Vorliegens einer freigebigen Zuwendung könne nicht nachträglich durch den frühen Tod des Vaters eine derartige Zuwendung eingetreten sein. § 16 Abs. 3 BewG 1934 sei deshalb nicht anwendbar. Außerdem rügt der Kläger mangelnde Sachaufklärung.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Nach den vom FG getroffenen Feststellungen, gegen die keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen erhoben worden sind (vgl. § 118 Abs. 2 FGO), ist das angefochtene Urteil frei von Rechtsfehlern.

Die Schlußfolgerung des FG, der Wert der Nießbrauchsbelastung habe den Wert des übertragenen Anteils an der KG ohne Berücksichtigung dieser Belastung nicht erreicht und es habe deshalb im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1959 i. V. m. § 516 Abs. 1 BGB objektiv eine Bereicherung des Klägers vorgelegen, entspricht der Regel, daß der Wert eines Nutzungsrechts an einem Wirtschaftsgut im allgemeinen hinter dem Wert des Wirtschaftsgutes selbst zurückbleibt. Diese Regel gilt auch im vorliegenden Fall, in dem sich der 67jährige Vater des Klägers bei der Übertragung seines Anteils an der KG den lebenslänglichen Nießbrauch vorbehalten hatte.

Aus den vom FG getroffenen Feststellungen und dem maßgebenden Parteivortrag (vgl. § 118 Abs. 2 FGO und § 155 FGO i. V. m. § 561 Abs. 1 ZPO) sind keine besonderen Umstände ersichtlich, die dafür sprechen könnten, daß der Wert der Nießbrauchsbelastung ausnahmsweise den Wert des übertragenen Gesellschaftsanteils erreicht hätte. Nichts deutet z. B. darauf hin, daß der Gesellschaftsanteil durch die Nießbrauchsbelastung (unter Berücksichtigung der konkreten Lebenserwartung des Vaters) wertlos geworden wäre. Ein Wegfall der Bereicherung kann sich auch nicht aus der Tatsache ergeben, daß ein persönlich haftender Gesellschafter für die Schulden der Gesellschaft haftet. Denn der Kläger war bereits vor der Übertragung des Gesellschaftsanteils des Vaters persönlich haftender und geschäftsführender Gesellschafter. Als solcher haftete er schon vor der Übertragung des Anteils des Vaters für die Schulden der KG.

Das Fehlen einer objektiven Bereicherung kann auch nicht dadurch nachgewiesen werden, daß dem Wert des Gesellschaftsanteils ohne Berücksichtigung der Ertragsaussichten der Gesellschaft der Wert des Nießbrauches, berechnet unter Zugrundelegung der Ertragsaussichten, gegenübergestellt wird. Die Frage, ob unter Berücksichtigung der Nießbrauchsbelastung eine Bereicherung des Klägers eingetreten ist, kann im Sinne des § 516 Abs. 1 BGB nur dann richtig beantwortet werden, wenn die Ertragsaussichten der Gesellschaft sowohl bei der Ermittlung des Wertes des Gesellschaftsanteils als auch bei der Bewertung des Nießbrauchsrechts berücksichtigt werden.

Wenn das FG sich für überzeugt erklärt hat, der Kläger und sein Vater seien sich dessen bewußt gewesen, daß der Wert des Gesellschaftsanteils den Wert der Nießbrauchsbelastung überstiegen habe, ist dies eine tatsächliche Feststellung, aus der sich die Einigung der Vertragspartner über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung ergibt. Diese Einigung reicht aus, um ein Schenkungsversprechen im Sinne des § 516 Abs. 1 BGB anzunehmen. Bereicherungsabsicht ist nicht erforderlich (vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 35. Aufl., § 516 Anm. 5). Der Senat ist an diese Feststellung mangels einer begründeten Verfahrensrüge gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO).

Eine begründete Verfahrensrüge liegt nicht vor. Das FG hat den § 76 Abs. 1 FGO nicht dadurch verletzt, daß es die Einigkeit der Vertragspartner über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung annahm, ohne den Notar zu hören. Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO hat das FG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden, wobei es an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden ist (§ 76 Abs. 1 Satz 5 FGO). Die Amtsermittlungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) ist dabei nicht unbegrenzt. Sie wird durch die Mitwirkungspflicht der Beteiligten begrenzt. Die Ermittlungen sind nicht weiter auszudehnen, als dies für die Entscheidung der Sache erforderlich ist. Mangelnde Sachaufklärung liegt nur vor, wenn sich dem FG die Notwendigkeit weiterer Aufklärung in der vom Kläger in seiner Revisionsbegründung geforderten Richtung (hier durch Vernehmung des Notars) hätte aufdrängen müssen (vgl. den Beschluß des BVerwG vom 18. Dezember 1974 II B 37.74, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 310, § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 99, ferner Tipke/Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 76 FGO Rdnr. 7, mit weiteren Nachweisen). Dies war jedoch hier nicht der Fall.

Das FG hat rechtsirrtumsfrei angenommen, daß der Kläger durch die Zuwendung des Gesellschaftsanteils bereichert worden ist. Wenn das FG sich ohne Beweiserhebung für überzeugt erklärt hat, daß die Vertragspartner sich dessen bewußt waren, so vertrat es eine Annahme, für die eine tatsächliche Vermutung sprach. Die weitgehend unsubstantiierte Behauptung des Klägers jedenfalls, der Verkehrswert der Beteiligung sei ebenso hoch zu bewerten wie der Nießbrauch, ohne daß er hierfür konkrete Tatsachen vortrug, mußte dem FG keinen Anlaß geben, weitere Ermittlungen anzustellen. Es fehlte jeder Parteivortrag, aus welchen konkreten Gründen die Vertragspartner der Auffassung gewesen seien und hätten sein können, daß der übertragene Gesellschaftsanteil unter Berücksichtigung des vorbehaltenen Nießbrauchs keinen Wert gehabt habe. Zumindest deutete nichts darauf hin, daß eine weitere Aufklärung der Parteivorstellungen durch die Vernehmung des Notars erreicht werden konnte.

Daß der Sitzungsvertreter des Klägers, der damals Steuerbevollmächtigter war, in der mündlichen Verhandlung vor dem FG entsprechende Beweisanregungen oder Beweisanträge (vgl. § 65 Abs. 1 Satz 2 FGO) gestellt habe, wie er in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat behauptet hat, ist weder dem Tatbestand des Urteils noch dem Sitzungsprotokoll zu entnehmen (vgl. hierzu § 155 FGO i. V. m. § 314 ZPO). Unter diesen Umständen hat der Senat davon auszugehen, daß das FG keine Beweisanregungen oder Beweisanträge übergangen hat. Da der Kläger durch einen Steuerberater vertreten wurde, bestand für das FG angesichts der Mitwirkungspflicht des Klägers (§ 76 Abs. 1 Satz 2 und 3 FGO) keine Veranlassung zu weiteren Ermittlungen (vgl. das Urteil des BVerwG vom 8. April 1963 VIII C 41.61, Buchholz, a. a. O., 310, § 86 VwGO Nr. 21, und den Beschluß des BVerwG vom 13. September 1973 II B 45.73, Buchholz, a. a. O., § 132 VwGO Nr. 114).

In seiner Auffassung, die Vertragspartner seien sich der Unentgeltlichkeit der Zuwendung bewußt gewesen, konnte das FG sich im übrigen dadurch bestärkt fühlen, daß der Sitzungsvertreter in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hatte, der Vater habe dem anderen Sohn ein entsprechendes Vermögen aus den Nießbrauchserträgen ansparen wollen. Durch diesen Vortrag wurde die Behauptung, daß der Gesellschaftsanteil und der Nießbrauch sich wertmäßig die Waage hielten, zumindest relativiert.

Soweit der Kläger während der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat weitere Verfahrensrügen erhoben hat, sind diese verspätet vorgetragen und deshalb unzulässig (§ 120 FGO).

Hat danach das FG eine Schenkung zu Recht bejaht (wobei hier offenbleiben kann, ob es sich um eine reine Schenkung oder um eine Schenkung unter einer Auflage handelte), so ist der steuerrechtliche Wert des Vermögensanfalls unter Berücksichtigung des § 23 Abs. 1 ErbStG 1959 i. V. m. § 16 Abs. 3 BewG 1934 zu ermitteln, d. h. es ist zu berücksichtigen, daß der Vater bereits wenige Monate nach der Ausführung der Schenkung verstorben ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72174

BStBl II 1977, 159

BFHE 1977, 549

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